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Verfälscht der Römische Kanon das Testament des Herrn? – Angenendts Anklage

Von P. Franz Prosinger

Arnold Angenedt ist es zu verdanken, den entscheidenden Punkt im Streit um die Liturgiereform bzw. die ordentliche und die außerordentliche Form der Römischen Liturgie angesprochen zu haben [1]. Die Frage, ob eine Pluralität der Eucharistischen Hochgebete typisch oder untypisch war, ist demgegenüber ganz nebensächlich. Über die Angemessenheit der Form zu streiten ist jedenfalls untypisch für das selbstverständliche Leben in der Liturgie, in der man aufgewachsen und in sie hineingewachsen ist, darin atmet und lebt. Daß es in verschiedenen Familien und Kulturen verschiedene Formen gibt, stört nicht, solange der Inhalt übereinstimmt. Darum aber geht es: vollziehen wir das, was uns der Herr aufgetragen hat? Erfüllen wir sein Testament? Kann sich die Kirche in ihrem zentralen Tun, in der Quelle und dem Höhepunkt ihres Lebens, im Herzstück ihrer Existenz sicher sein?

Nach Angenendt wurde „Jesu Erinnerungsauftrag... nicht als Opfern verstanden, sondern als Aufforderung, so wie einstmals Jesus im Abendmahlssaal nun ebenso Brot und Wein zu nehmen und um den Segen zu bitten“. Dagegen habe das römische Hochgebet eine völlig neue Ausrichtung. Mit der Wandlungsbitte beginne die Idee, es werde Gott-Vater der Leib und das Blut seines Sohnes geopfert. Es habe eine „Umdeutung zum Opfer“ stattgefunden: die Gaben werden nun von Menschen in einem Opferakt Gott dargebracht. Dagegen finde sich ursprünglichere Auffassung in der Traditio Apostolica, dem sogenannten Kanon des Hippolyt.

Um es gleich vorwegzunehmen: Angenendt widerlegt sich selbst durch eine falsche Übersetzung. Das „offerimus“ nach den Worten Jesu über das Brot und den Kelch übersetzt er zunächst richtig: „bringen wir das Brot und den Kelch dar“, fügt aber in Klammern hinzu: „besser: bringen herzu“. Dagegen weiß jeder Exeget, daß das hebräische clh (von Martin Buber übersetzt mit „darhöhen“), das griechische anaphérein (anáphora) bzw. prosphérein und das entsprechende lateinische offerre ein terminus technicus ist, welcher das Emporheben der Opfergabe als Darbringung bezeichnet. Das Wort „Opferdarbringung“ ist tautologisch. Im Lateinischen ist das dem sacrificium bzw. oblatio entsprechende Verb das offerre, manchmal kann auch celebrare stehen, da es sich um einen festen Ritus handelt. Auch ein Prozeß wird „zelebriert“. Die „Zelebration“ des Opfers meint dann aber nicht, daß man eines vergangenen Opfers feierlich gedenkt. Der typische Ausdruck bleibt das offerre, im Deutschen „opfern“ bzw. „darbringen“. Könnte man das „Herzubringen“ noch als wörtliche Übersetzung, allerdings ohne Berücksichtigung des spezifischen Sprachgebrauchs, gelten lassen, so ist jedenfalls die „oblatio ecclesiae“ auf unredliche Weise eskamotiert:

„Auch bitten wir dich, deinen Heiligen Geist auf die Gabe der Kirche herabzusenden“. „in oblationem sanctae ecclesiae“ bezeichnet eben den neuralgischen Punkt: die Kirche gedenkt nicht nur des Opfers Christi in den Zeichen von Brot und Wein, sondern bringt die Opfergaben, nämlich den geopferten Leib und das ausgegossene Blut dar. Eben das besagt oblatio ecclesiae: die Kirche ist handelndes Subjekt einer Opferhandlung. Eine Präfation zum Allerheiligsten Sakrament – 1962 wieder in das Römische Meßbuch im Anhang aufgenommen – bringt dies so zum Ausdruck: Christus hat „seinen Leib und sein Blut uns zum Opfer anvertraut“ (Corpus et Sanguinem in sacrificium commendavit). Er hat es nicht nur „als“ ein Opfer anvertraut – das könnte auch die Erinnerung an das bereits ein- für allemal vollzogene Opfer auf Kalvaria sein -, sondern „zum Opfer“, also zur „Opferdarbringung“, um es noch einmal tautologisch zu verdeutlichen.

Somit ist es kein „Bruch“, daß im Römischen Kanon die „bereits als sakral bezeichneten Gaben (haec dona, haec munera, haec sancta sacrificia illibata)“ nicht nur von der Kirche, sondern auch für die Kirche dargebracht werden. Für Angenendt ist dies „von der allgemeinen religionsgeschichtlichen Opferlogik her bestens verständlich“. Wer die Diskussionen der vergangenen 45 Jahre kennt, denkt hier sofort an die These Eugen Bisers, daß Jesus als „größter Revolutionär der Religionsgeschichte“ mit den heidnischen und auch alttestamentlichen Opfervorstellungen radikal gebrochen habe [2]. Konsequenter als Angenendt sieht aber Biser – ebenfalls in den „Stimmen der Zeit“! - die Umdeutung nicht erst in frühkarolingischer Zeit, sondern durch die „Menge von Priestern“, welche sich nach Apg 6,9 der Urkirche angeschlossen hatten und ihre von Jesus radikal überwundenen Opfervorstellung mit dem damit verbundenen falschen Gottesbild in das Leben der Kirche und die Schriften des Neuen Testamentes getragen haben (Stimmen der Zeit, Bd. 213 (1995) S.726). Konsequenter, weil die in 1 Kor 10,18 ausgedrückte „religionsgeschichtliche Opferlogik“ schon auf die Kommunion im geopferten Leib und im konsekrierten Kelch angewandt wird (1 Kor 10,16). Die Sühnopfertheologie des Hebräerbriefes hat durchaus auch das eucharistische Opfer im Blick, obwohl dieses nicht sein eigentliches Thema ist [3]. Schon in neutestamentlicher Zeit, um das Jahr 95, wendet Papst Klemens in seinem Ersten Brief an die Korinther die alttestamentlichen Opfervorschriften auf das Opfer und die Priester der Kirche an.

Angenendt sieht mit Recht, daß der immer neue Eintritt des alttestamentlichen Hohenpriesters in das Heiligtum, um für sich und das Volk Sühnopfer darzubringen, nicht mehr direkt Vorbild für den Eintritt des Priesters in die Kanonstille sein kann. Der Hebräerbrief zeigt dieses vorläufige Opfer als Schatten und Vorbild als in Christus erfüllt und aufgehoben. Wenn man aber mit dem Hebräerbrief und gegen Eugen Biser den Kreuzestod Jesu als Sühnopfer bezeichnen darf und muß, dann ist auch die Darbringung des Opfers Jesu durch die Kirche als eine immer neue Opferhandlung ein immer neues Sühnopfer.

Dagegen kritisiert Angenendt: „Der Tendenz, Bitten einzuschieben, folgt im römischen Hochgebet als zweite, noch gravierendere die der Sühne, nämlich Gott-Vater Leib und Blut seines Sohnes zu opfern für die Vergebung der Sünden der Menschen.“ Gegen Ende des Artikels schreibt er: „Die Hervorhebung der Sühnewirkung des Meßopfers (die an sich gar nicht zu bestreiten ist) hat gegenüber der Mahlfeier ein solches Übergewicht erhalten...“ Konsequenter wäre es nach den voraufgegangenen Ausführungen gewesen, den Sühnopfercharakter des Meßopfers auch „an sich“ zu bestreiten – aber dann müßte man das Anathema des Konzils von Trient und die offene Konversion zum Protestantismus auf sich nehmen. Oder hofft auch Angenendt als „protestantisch veranlagter Katholik“ (Lammert) auf einen neuen Papst?

Wie der Bonner Liturgiewissenschaftler A. Gerhards sieht auch Angenendt das „Klerikale `opfern für´“ als Fehlentwicklung einer neuen sazerdotalen Spiritualität der frühkarolingischen Zeit: als ob nun nur noch der zelebrierende Priester anstelle der versammelten Gläubigen das Opfer darbringen würde. Kritisiert wird das pro quibus tibi offerrimus (für die wir opfern) im zweiten Gebet des Römischen Kanons – unterschlagen wird, daß es gleich anschließend heißt: vel qui tibi offerunt (oder die Dir opfern): man wußte also doch schon immer, daß jeder Getaufte mit-opfern kann, auch für andere (pro se suisque omnibus). Angeblich war in „Mediator Dei“ die Wiederentdeckung des allgemeinen Priestertums der Gläubigen „eine kleine Revolution“. Dagegen bedeutete schon immer „mein und euer Opfer“ im Römischen Meßbuch ein- und dasselbe durch die Kirche dargebrachte Opfer Christi, dargebracht durch alle Getauften in ihrem allgemeinen Priestertum, durch den geweihten Priester aber auch speziell in der Repräsentation des Hauptes, nämlich Christus. Dieses „sowohl - als auch“ ist kein „entweder - oder“. Nach Angenendt aber gilt: „Wer also den römischen Kanon betet, verstößt schon gegen "Mediator Dei", erst recht gegen die Gottesvolk-Theologie des Zweiten Vatikanums“. Die Auffassung der römischen Kirche (zumindest [4]) des zweiten Jahrtausends ist nach Angenendt eine Fehlentwicklung und ein Mißverständnis: „Überdies besänftigt das Meßopfer den Zorn Gottes und sühnt die Sünden der Menschen. Dafür wird in der Messe die denkbar wertvollste Opfermaterie dargebracht, nämlich Leib und Blut des Gottes-Sohnes, dessen Opferung sich Gott-Vater nicht entziehen kann. Genau diese charakteristischen Eigenheiten, wie sie für die Meßauffassung insgesamt leitend wurden, finden sich allesamt im römischen Hochgebet wieder: die Verstärkung des Bitt- und Sühnecharakters, dazu die Dominanz des Opferpriesters.“ Demnach hätten die heiligen Priester des vergangenen Jahrtausends, etwa der hl. Pfarrer von Ars, ihr Leben und ihre Spiritualität auf eine falsche Grundlage gestellt [5]. Dagegen steht nach Angenendt der angeblich einfache und kohärente Sinn des Hochgebetes: „Dank an Gott-Vater für seinen Sohn Jesus Christus, der sich im Geist vergegenwärtigt in Brot und Wein, auf daß wir uns ihm eingliedern und er uns mitnimmt durch den Tod zu seiner und unserer Auferstehung.“ Daß der Autor eine solche Impanationslehre mit Unverständnis für die vorsichtigere Mundkommunion verbindet – er sieht hier einen Verrat an der Lehre Jesu von kultischer und ethischer Reinheit -, ist verständlich.

Das Resultat Angenendts: Das römische Hochgebet ist nicht Zeuge einer organischen Fortentwicklung, sondern weise einen Bruch auf; es wurde nicht nur stärkstens umgeformt, sondern verformt. Es geht also wirklich darum, ob wir das Testament Christi, seine letztwillige Verfügung, seinen uns anvertraute hingegebenen Leib und sein für uns und für viele ausgegossenes Blut in rechter Weise annehmen und damit „umgehen“. Einverstanden sind wir mit Angenedt darin, daß nicht der Brauch, sondern die Wahrheit entscheiden soll. Redlicherweise sollten beide Seiten bereit sein, sich durch die besseren Argumente überzeugen zu lassen. Auch wer – wie der Schreiber dieser Zeilen – seit über 30 Jahren täglich das heilige Opfer am Altar dargebracht hat, sollte – so bitter das auch sein mag – bereit sein, seinen eventuellen Irrtum einer „Umdeutung zum Opfer“ und sein „klerikales `opfern für´“ einzugestehen. Aber sollte er angesichts einer so zentralen Verunsicherung nicht auch erwarten dürfen, daß die Kirche selbst hier eindeutig entscheidet? Man wundert sich ja nicht nur, daß angesichts solcher Unsicherheiten viele Priester scheitern und immer weniger junge Männer sich auf ein so zweifelhaftes Unternehmen einlassen, sondern mehr noch, daß immer noch so viele dazu bereit sind und ihren Dienst am Altar bzw. Tisch pflichtgetreu erfüllen. Immer noch werden Seminaristen Priester, welche z. B. bei Bernd Jochen Hilberath, Direktor am Institut für Ökumenische und Interreligiöse Forschung der katholischen Fakultät in Tübingen, studieren. Dieser sagte in der Paulus-Akademie Zürich bei der theologischen Tagung zum Thema „Versöhnt durch den Tod Christi? Die Sühnopfertheologie auf der Anklagebank“: „Der Ausgang von überlieferten Jesusworten (Leidensaussagen, Lösegeldwort [Mk 10,45]; Abendmahlsworten) muß aus methodischen Gründen als ungesichert gelten“ (im gleichnamigen Buch, Zürich 2009, S. 112). Demnach könnte die Einsetzung der Eucharistie, ob Opfer oder Mahl, überhaupt nicht auf Jesus zurückgehen! Nach dem Gründer der neokatechumenalen Bewegung, Kiko Argüello, ist die Kirche von Konstantin bis zum Zweiten Vatikanum ins Heidentum zurückgefallen, da sie nicht auf einem Tisch zelebrierte, sondern auf einem Altar.

Immerhin haben sich im 16. Jahrhundert sich die Christen in eben diesen Fragen in verschiedene kirchliche bzw. unkirchliche Gemeinschaften voneinander getrennt. Luther schrieb: “Betrachten wir sie als Sakrament oder Testament. Nennen wir sie Segnung, Eucharistie oder Tisch des Herrn oder Mahl des Herrn oder Gedächtnis des Herrn oder Kommunion. Man gebe ihr nach Belieben jeden frommen Namen, wenn man sie nur nicht nach dem Titel eines Opfers oder (guten) Werks beflecke” (Weimarer Ausgabe, 1. Abt. , Bd 12, S. 208). Und im Jahr 1533 in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe: “Christus Meinung ist, daß es sole ein gemein Sakrament sein, den anderen Christen mitzuteilen, aber du bist geweiht, daß du es sollest Gott opfern, und bist nicht zum Sakramentspfaffen, sondern zum Opferpfaffen geweiht; wie die Worte des Weihbischofs lauten, da er dir den Kelch in die gesalbte Hand gab: Accipe potestatem consecrandi et sacrificandi pro vivis et defuncti. Das mag mir eine verkehrte Weihe heißen, daß du dir einzelnen Personen ein Opfer gegen Gott draus machst, das doch soll eine gemeine Speise sein, von Gott durchs Pfaffenampt den Christen zu reichen verordnet” (Erlanger Ausgabe, deutsche Reihe Bd 31, S. 311). Der Heidelberger Katechismus lehrt: „Und ist also die Meß im Grund nichts anderes denn eine Verleugnung des einigen Opfers und Leidens Jesu Christi und eine vermaledeite Abgötterei“ (Frage 80).

Nun könnte man sagen, die Frage sei durch die Kirche schon längst entschieden. Aber das lebendige Lehramt der Kirche hat im Lauf der Jahrhunderte immer wieder schon entschiedene Fragen neu aufgegriffen, wenn durch neue Argumente ein neuer Kontext entstanden ist.

Man kann zwar durch eingehende Untersuchungen der Konzilstexte und der Einleitung zum Novus Ordo Missae von 1969 nachweisen, daß auch dort die Aussagen des Konzils von Trient zum Meßopfer vorausgesetzt sind und gelten [6], aber das ersetzt nicht eine autoritative Klärung durch die Kirche. Zudem sind in halb-offiziellen Texten immer wieder Verunsicherungen festzustellen. So lautet die korrekte Frage im Katechismus der katholischen Kirche in Nr. 1328 „Wie wird dieses Sakrament genannt?“ im Youcat Nr. 212: „Welche Namen gibt es für das Mahl Jesu mit uns, und was bedeuten sie?“ – so als ob es sich im wesentlichen um ein Mahl handelte und die verschiedenen Namen zusätzliche Aspekte bezeichnen würden (richtig wird dann gesagt: „Die Kirche und die Gläubigen bringen sich mit ihrer Hingabe selbst in das Opfer Christi ein“).

Die Frage von Mahl und Opfer betrifft auch und vor allem die Applikation des Erlösungsopfers Christi, ob wir uns als schon endgültig Erlöste in einer Mahlgemeinschaft versammeln oder als immer noch im Prozeß des Sterbens und Auferstehens mit Christus Befindliche in das Erlösungsopfer eingehen. Die sogenannte Allerlösungslehre steht der tridentinischen Meßopferlehre diametral entgegen. So sei auch der im Youcat ventilierte Zweifel erwähnt: „Ob jemand im Moment des Todes der absoluten Liebe ins Gesicht schauen kann und immer noch nein sagen kann, wissen wir nicht“ (Nr. 161). Man könnte noch zweifeln, ob jemand „nein“ sagen wird, aber wenn dies gar nicht möglich wäre, dann könnte Gott sich und uns all das Leid der Welt wirklich sparen, und auch die Vergegenwärtigung und Darbringung des Meßopfers in seiner Kirche.

In der hier aufgeworfenen Frage des rechten Verständnisses und Vollzugs der Eucharistie konnte man Jahr für Jahr mit Spannung die Gründonnerstagsbriefe des sel. Johannes Paul II., Veröffentlichungen wie „Ecclesia de Eucharistia“ oder auch die Behandlung des Gebetes Jesu beim Abendmahl durch Papst Benedikt XVI. am 11.01.2012 verfolgen. Oft wird nur vom Gedächtnis und der Vergegenwärtigung des Opfers Christi gesprochen – zweifellos ein wichtiger und richtiger Aspekt, dem auch Angenendt zustimmen kann. Immer wieder findet sich aber auch die oblatio ecclesiae, die im zweiten Hochgebet des Meßbuches von Paul VI., welcher zum großen Teil auf den sogenannten Kanon des Hippolyt zurückgeht, leider ausgelassen wurde: das eine Opfer Christi wird in den vielen Messen immer wieder dargebracht, oder wie Kardinal Journet es formulierte: es gibt ein sacrifice enveloppée und ein sacrifice enveloppante, das eingehüllte Opfer Christi und das dieses einhüllende Opfer der Kirche.

Anmerkungen:

[1] A. Angenendt, Lobpreis der Alten Liturgie? in: Stimmen der Zeit, Heft 10, Okt. 2010, S. 651- 662. Der Aufsatz und die angeführten Zitate können online eingesehen werden.

[2] F. Prosinger, War der Kreuzestod ein Opfer, in: Communio II/1999, S. 189ff

[3] O. Kuss, Der theologische Grundgedanke des Hebräerbriefes. (MüThZ 1956, 233-271)

[4] Das von Klaus Gamber entdeckte Sakramentar des hl. Bonifatius enthält den Römischen Kanon Wort für Wort.

[5] Eine biblische und vernunftgemäße Deutung von Sühne und Besänftigung des Zornes Gottes habe ich versucht in: F. Prosinger, ...damit sie geheiligt seien in Wahrheit. Wie wir erlöst werden – Eine biblische Betrachtung. Siegburg 2009. Zum Zorn Gottes: S. 16f.

[6] P. Cantoni, „Novus Ordo Missae“ e fede cattolica, Genova 1988


Prosinger: Es geht um die heilige Messe!


Der Streit um Jesu Abschiedsmahl

In den 1960-er und 70-er Jahren wurde die Verwurzelung des Abschiedsmahls Jesu im Osterfest einhellig als nachträgliche Kultätiologie angesehen. Man sah den ursprünglichen Sitz im Leben in den Mahlen Jesu mit den Zöllnern und Sündern in Galiläa, im Rahmen seiner Verkündigung eines universalen und bedingungslosen Nachlasses der Sünden. Ein sakraler Rahmen oder gar ein Sühnopfer würde dieser Reich-Gottes-Verkündigung angeblich widersprechen. Der erst später erstandene Ritus einer eucharistischen Feier wäre demnach nachträglich auf den Religionsstifter zurückgeführt worden.
Dem widersprach zunächst Rudolf Pesch im Jahr 1977: „Die berichtende Erzählung der Mk-Fassung erweist sich im Vergleich mit der kultätiologischen Erzählung der Pls-Fassung als durchweg älter, ursprünglicher, in sprachlicher und sachlicher Hinsicht.“ Im Jahr 2003 zeigte Alexander Weihs in einer Studie über 600 Seiten zur „Deutung des Todes Jesu im Markusevangelium“3, dass die Linie von den drei Leidensvorhersagen zum Kelch- und Sühnopfergedanken in 10,38.45, zu den Worten über den Kelch in 14,24 und zum Kelch des Ölbergs in 14,36 die Struktur und die Verkündigung des gesamten Evangeliums prägt. Zudem beginnt der Blick auf den drohenden Tod Jesu in Jerusalem nicht erst mit den Leidensvorhersagen, sondern schon in den ersten Kapiteln (2,7.20; 3,6 etc.). Das eigentliche Argument gegen eine nachträgliche Kultideologie formulierte Papst Benedikt XVI / Joseph Ratzinger in seinem „Jesus-Buch“ im Jahr 2011: „Im Übrigen ist die Vorstellung von der Entstehung der Eucharistie in der ‚Gemeinde‘ auch historisch völlig absurd. Wer hätte es sich leisten können, einen solchen Gedanken, eine solche Wirklichkeit zu schaffen? ... Nur aus dem Eigenen des Bewusstseins Jesu konnte dies kommen. Nur er konnte so souverän die Fäden von Gesetz und Propheten zur Einheit verweben – ganz in der Treue zur Schrift und ganz in der Neuheit seines Sohnseins.“

Aus der Rezension des wichtigen Buches Brand Pitre, Jesus und die jüdischen Wurzeln der Eucharistie. Das Geheimnis des Letzten Abendmahls entschlüsseln, Heiligenkreuz 2022 (Neuauflage noch für Ende 2023 geplant). Die Rezension stammt von Franz Prosinger und erschien in der empfehlenswerten Quartalsschrift für Predigt, Liturgie und Theologie Auftrag und Wahrheit, Ausgabe 3. Jahrgang 2023/24, Heft 1.


Die große Frage

"Aus welcher Wirklichkeit leben wir?" Eine Predigt zum Gründonnerstag.

Recktenwald: Gründonnerstag: Aus welcher Wirklichkeit leben wir?

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