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Kontinuität und Versöhnung

Ein Kommentar zum als Motu Proprio erlassenen Apostolischen Schreiben S.H. Papst Benedikt XVI. Summorum Pontificum

Von P. Sven Conrad FSSP

Als die Cardinäle der Kirche am 19. April 2005 Joseph Ratzinger zum 264. Nachfolger Petri wählten, muß ihnen bewußt gewesen sein, daß der neue Papst die liturgische Frage zur Chefsache machen würde. Es muß ihnen bewußt gewesen sein, daß es ihm ernst ist mit dem Ruf nach einer neuen liturgischen Bewegung auf der Basis einer organischen Sicht der Liturgientwicklung. Mit deutlichen Worten hat Joseph Ratzinger als Cardinal einen folgenschweren Bruch in der Liturgiegeschichte konstatiert, der durch das de facto Verbot des alten, nach den Maßgaben des Trienter Konzils edierten Missale Romanum entstanden war. In seiner Autobiographie schreibt er: „Ich war bestürzt über das Verbot des alten Missale, denn etwas Derartiges hatte es in der ganzen Liturgiegeschichte nie gegeben. .... Das nunmehr erlassene Verbot des Missale, das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der alten Kirche kontinuierlich gewachsen war, hat einen Bruch in die Liturgiegeschichte getragen, dessen Folgen nur tragisch sein konnten.“ [1]

Der hier von ihm beobachtete Bruch ist nur ein Teil jenes Bruches, für denen manche Theologen seit nunmehr vier Jahrzehten das II. Vatikanische Konzil zu vereinnahmen suchten. Anhänger der alten römischen Liturgie sahen sich konsequenterweise häufig dem Vorwurf der Unkirchlichkeit ausgesetzt oder der Bemerkung, nicht in der Kirche von heute zu leben. Gerade von diesem Vorwurf der Unkirchlichkeit her tat sich ein Riß in der Kirche selbst auf, der letztlich ihre eigene Kontinuität in Frage zu stellen drohte und der zugleich eine doktrinelle und eine liturgische Seite hat.

Wie war es zu diesem Problem gekommen? Bis zum 20. Jahrhundert hatte die Kirche eine Reform der Liturgie hauptsächlich als ein Abstellen von Mißbräuchen verstanden. Mit der Liturgischen Bewegung erstarkte das wichtige pastorale Anliegen, die Gläubigen - ihrer Würde als Getaufte gemäß - zur bewußten Feier der Liturgie hinzuführen. Bei der Umsetzung der nachkonziliaren Reform gab man dann nicht mehr der gewachsenen Liturgie die Präferenz, sondern unterwarf sie theologischen Überlegungen und entwarf sie, weitgehend aus alten Elementen, neu. Faktisch galt die alte Form als geächtet. Scharen von Priesteramtskandidaten lernten, diese Form des Gottesdienstes sei von Gelehrten nach dem Tridentinum zwar mit gutem Willen und den Mitteln der Zeit, aber nur unvollkommen nach der „norma Patrum“, der „Norm der Väter“ reformiert worden. Nun stellt Papst Benedikt fest: „Dass aber die heilige Liturgie diese Aufgabe noch wirksamer erfüllte, darauf haben verschiedene weitere Päpste im Verlauf der Jahrhunderte besondere Sorgfalt verwandt; unter ihnen ragt der heilige Pius V. heraus, der mit großem seelsorglichen Eifer auf Veranlassung des Konzils von Trient den ganzen Kult der Kirche erneuerte, die Herausgabe verbesserter und ‘nach der Norm der Väter reformierter’ liturgischer Bücher besorgte und sie der lateinischen Kirche zum Gebrauch übergab.“ Dies wirft ein Licht auf die Interpretation des Begriffes der „Norm der Väter“.

Bereits als Cardinal wendet sich Joseph Ratzinger radikal gegen den liturgischen Bruch. Die tridentinische Reform charakterisierend sagt er: „Bei der Reform Pius' V. ging es im Grunde nur darum, die spätmittelalterlichen Wucherungen ... und die Fehler, die sich beim Abschreiben und Abdrucken ergeben hatten, dadurch zu beseitigen, daß erneut das stadtrömische Missale, das von diesen Vorgängen weiteghend unberührt geblieben war, für die ganze Kirche vorgeschrieben wurde.“[2] Über die Reform nach dem II. Vaticanum sagt er: „Man brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes, freilich weitgehend aus dem Material des Bisherigen und auch unter Verwendung der alten Baupläne.“ Dabei gesteht er durchaus Verbesserungen zu, bevor er deutlich das Grundübel charakterisiert: Daß man das neue Meßbuch „als Neubau gegen die gewachsene Geschichte stellte, diese verbot und damit Liturgie nicht mehr als lebendiges Wachsen, sondern als Produkt von gelehrter Arbeit und von juristischer Kompetenz erscheinen ließ, das hat uns außerordentlich geschadet. Denn nun mußte der Eindruck entstehen, Liturgie werde 'gemacht', sie sei nichts Vorgegebenes“[3].

Mit dem Motu proprio Summorum Pontificum holt Benedikt XVI. den alten Ritus ins Herz des kirchlichen Lebens zurück. Er re-integriert ihn gewissermaßen in den kirchlichen mainstream. Gegen den Vorwurf der Unkirchlichkeit steht dabei schon die fast nebensächlich scheinende Bemerkung des Motu proprio, die alte Liturgie sei jene des II. Vatikanischen Konzils selbst gewesen.[4]

Es ist in der Tat von entscheidender Bedeutung, daß Papst Benedikt feststellt, das alte Missale sei niemals abgeschafft worden. Auf diese Weise macht er die Erkenntnis einer Kardinalskommission aus dem Jahre 1986 öffentlich und verbindlich. Dadurch wird implizit ausgedrückt, daß das neue Missale zwar römisch ist und von der Tradition des alten herzuleiten, daß es aber zugleich so neu ist, daß das Vorhergehende daneben eigenständig weiterlebt. Das Neue muß fortan im Lichte der Tradition interpretiert werden und nicht als Abschied von ihr, was eben einen Bruch sanktionieren würde. Damit ist auch jene Lesart zurückgewiesen, der alten Liturgie prinzipiell einen Ausnahmecharakter vom gültigen Gesetz zu geben. Folglich wird man nicht mehr von „Indultmessen“ sprechen dürfen! Die alte Liturgie hat volles Heimatrecht in der Kirche. Es gilt nach allgemeinem Recht dann keine Beschränkung der Zahl der Gläubigen, die darum bitten müssen, oder oberhirtliche Zuweisung bestimmter Kirchen für diese Liturgie.

Liturgietheologisch ist durch Benedikt XVI. eine sehr wichtige zweifache Klarstellung erfolgt: Eine einmal allgemeingültige liturgische Usanz (Ritus in diesem Sinne) ist eine ekklesiologisch hoch bedeutsame Wirklichkeit. Einmal rechtmäßig etabliert, unterliegt sie zwar organischen Veränderungen, u.U. bis zum Absterben, aber sie kann nicht abgeschafft werden. Oft hat sich Cardinal Ratzinger mit der Frage der Autorität des Papstes in diesem Zusammenhang aueinandergesetzt.[5] Im Jahre 1998 stellte er bei einem Vortrag zum zehnten Jahrestag des Motu proprio Ecclesia Dei fest: „Rechtgläubige Formen eines Ritus sind lebendige Wirklichkeiten, die aus dem liebenden Dialog der Kirche mit ihrem Herrn gewachsen sind, Lebensgestalten der Kirche, in denen sich der Glaube, das Beten und das Leben von Generationen verdichtet und in denen das Miteinander von Gottes Handeln und Antwort des Menschen Form gefunden hat. Solche Riten können absterben, wenn das sie tragende Subjekt in der Geschichte verschwindet oder sich mit seinem Erbe einem anderen Lebensraum einfügt. Die Autorität der Kirche kann in wechselnden geschichtlichen Situationen den Gebrauch solcher Riten umschreiben und einschränken, aber sie verbietet sie nie einfach.“

Der zweite Aspekt der Klärung folgt dem ersten. Der Glaube, der in einem kirchlichen Ritus Gestalt angenommen hat, ist Ausdruck der Gesamttradition der Kirche. Er kann sich prinzipiell nicht ändern. Der Glaube des II. Vaticanums in liturgicis ist der Glaube Trients, wenn auch die Zugänge zur liturgischen Frage anders sind und die Liturgie als solche beim letzten Konzil sehr tief gedeutet worden ist. So ist Lehrentwicklung ein ganz normaler Ausdruck kirchlichen Lebens, aber als ein Eindringen in die Tiefe, niemals als ein Auflösen und Nivellieren dessen, was die Kirche wirklich einmal als verbindlich definiert hat.

Hätte Papst Paul VI. zugleich mit seiner Reform die alten Bücher definitiv abgeschafft, dann könnte dies in den Augen vieler entweder bedeuten, die Kirche habe zugleich mit der äußeren Form auch ihren Glauben geändert, insbesondere jenen über das Meßopfer und Amtspriestertum, wie ihn das Konzil von Trient vorgelegt hat. Oder es würde bedeuten, die alten Bücher enthielten so viele Mängel, daß sich aus ihnen eine falsche Sicht der kirchlichen Liturgie selbst ergäbe.

Papst Benedikt setzt auf die Hermeneutik der Kontinuität, die ihm ein wesentlicher Schlüssel zu den Aussagen des letzten Konzils ist.[6]

Auf diesem Hintergund versteht sich auch die nun offizielle Sprachregelung: Die neue Liturgie ist die ordentliche Form (forma ordinaria) und die alte die außerordentliche (forma extraordinaria) des einen römischen Ritus. Der römische Ritus (Ritus hier verstanden als Ritus der Kirche von Rom) existiert in zwei Usanzen. Wenn wir also von altem und neuem Ritus sprechen, dann bedeutet dies alte und neue Usanz.

Die neue Usanz kann und darf in Bezug auf die Theologie des Gottesdienstes der Kirche andere Akzente setzen, aber wesentlich nichts anderes zum Ausdruck bringen als der „usus antiquior“.

Im Zusammenhang mit der Theologie der Liturgie ist der Verweis des Motu proprio auf die Tugend der Gottesverehrung (virtus religionis) noch erwähnenswert, ein Begriff, der heute oft, wenn überhaupt, sehr mangelhaft behandelt wird. Dabei ist er sowohl von Bedeutung für die Definition der Liturgie als Kult als auch für die Herleitung des Begriffs des „öffentlichen Kultes“, den auch das II. Vaticanum in bester Lehrkontinuität verwendet.[7]

Mons. Klaus Gamber formulierte bereits im Jahre 1981 als Perspektive eines Weges aus der liturgischen Krise des Westens, neue und alte Liturgie nebeneinander zu ermöglichen, um etwas Wichtiges zu gewährleisten: „die Einheit im Kult.“[8] Einheit ist hier in bezug auf die Jahrhunderte gemeint. Cassian Folsom hatte im Jahre 2001 bei einem Treffen, das unter dem Patronat von Cardinal Ratzinger in der französischen Abtei Fontgombault stattfand, eine Analyse zur Frage „Römischer Ritus oder Römische Riten?“ vorgelegt und aus liturgiewissenschaftlicher Sicht festgestellt: „Innerhalb der Einheit des römischen Ritus ist Platz für eine legitime Verschiedenheit unterschiedlicher Usanzen.“[9] Die Maßnahmen des Hl. Vaters reihen sich genau in diese Überlegungen ein. Alter und neuer Ritus als Normalfall des kirchlichen Alltags!

Beide Usanzen bleiben dabei offen für organische Entwicklung. So wünscht der Papst ausdrücklich eine positive Wechselwirkung beider Formen aufeinander : „Im übrigen können sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten: Das alte Meßbuch kann und soll neue Heilige und einige der neuen Präfationen aufnehmen.“ Bereits in Fontgombault hatte er dies vorgeschlagen, um zu zeigen, daß auch die alte Liturgie kein Fossil ist, sondern lebendig und unter der Autorität der Kirche. Möge hier eine gute Umsetzung gelingen.

Neben der liturgie-theologischen Klarstellung verfolgt Papst Benedikt ein anderes großes Ziel, ein Werk der Versöhnung. Dabei wird man zuerst an die Priesterbruderschaft des hl. Pius X. denken, die eigens genannt wird. Darío Cardinal Castrillón Hoyos äußert Hoffnungen in dieser Hinsicht, betont allerdings auch: „Ich möchte jedoch unterstreichen, dass das päpstliche Dokument nicht für die Lefèbvre-Anhänger gemacht ist, sondern weil der Papst von der Notwendigkeit überzeugt ist zu unterstreichen, dass es eine Kontinuität in der Tradition gibt und dass man in der Kirche nicht durch Brüche weiterkommt.“ [10]

So will der Prozeß der Versöhnung sehr viel weiter gefaßt sein. Er richtet sich nicht nur an die von der vollen Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl getrennten, er zielt auf eine Versöhnung innerhalb der Kirche, ja letztlich gewissermaßen eine Versöhnung der kirchlichen Gegenwart mit der eigenen Tradition. Gerade in Bezug auf Mißbräuche wird dies korrigierend wirken. Der Papst selbst hat unter ihnen gelitten und schreibt: „Viele Menschen, die klar die Verbindlichkeit des II. Vaticanums annahmen und treu zum Papst und zu den Bischöfen standen, sehnten sich doch auch nach der ihnen vertrauten Gestalt der heiligen Liturgie, zumal das neue Missale vielerorts nicht seiner Ordnung getreu gefeiert, sondern geradezu als eine Ermächtigung oder gar als Verpflichtung zur ‘Kreativität’ aufgefaßt wurde, die oft zu kaum erträglichen Entstellungen der Liturgie führte. Ich spreche aus Erfahrung, da ich diese Phase in all ihren Erwartungen und Verwirrungen miterlebt habe. Und ich habe gesehen, wie tief Menschen, die ganz im Glauben der Kirche verwurzelt waren, durch die eigenmächtigen Entstellungen der Liturgie verletzt wurden.“

Es stimmt freudig und berührt, daß viele Vertreter von Bischofskonferenzen positiv auf das Motu proprio reagiert haben. Es bleibt die Hoffnung, daß auch mit jenen Vertretern der Liturgiewissenschaft, die gegen das Schreiben Stellung genommen haben, ein konstruktives Gespräch beginnen möge. Hier bleibt noch viel zu tun. Ein Beispiel sei angeführt. Albert Gerhards erhebt als erste Reaktion gegen das Schreiben u. a. den Vorwurf, es würden „leider allzuoft Karikaturen der neuen Liturgie mit dem Ideal der alten verglichen.“[11] Allerdings begeht er umgekehrt den gleichen Fehler, wenn er sagt: „Während der Ritus von 1570 im Grunde von der 'Privatmesse' des Priesters ausgeht, die auch ohne Gemeinde stattfinden kann, setzt die erneuerte Liturgie ... zu Recht die gemeinschaftliche Feier als Normalform des Gottesdienstes voraus.“[12] Wahr ist, daß der Ritus servandus diesen Eindruck gibt. Wenn man aber einmal vorurteilsfrei diese Quelle analysiert, erkennt man auch den Grund. Es wird nicht diese Zelebration als Idealfall dargestellt, sondern der praktischen Einfachheit halber erfolgt diese Art der Beschreibung. Die alte Liturgie definiert sich aber nicht nur von den Rubriken her, sondern man muß sie in ihrer Ganzheit betrachten. Die einfachen Formen bis hin zur sog. Privatmesse sind Reduktionen des Ideals der Päpstlichen, Bischöflichen Feier oder des durch den einfachen Priesters zelebrierten Hochamtes. Franck Quoëx faßte in diesem Punkte zusammen, was sich in Details auch bei Jungmann nachweisen läßt: „In der Tat, viele Riten unserer stillen Messe und des Levitenamtes können nur verstanden werden ausgehend vom Pontifikalamt oder, noch besser, von der Messe, die der Papst zelebriert.“[13] Damit wird ganz und gar kein privater Charakter ausgedrückt! Man darf die mangelhafte Beteiligung des Volkes, wie sie die Liturgische Bewegung antraf, nicht mit der Liturgie selbst identifizieren, sondern mit dem Geist, in dem sie gefeiert wurde, den Cardinal Ratzinger einmal treffend charakterisiert hat: „Andererseits muß man zugeben, daß die Feier der alten Liturgie oft zu sehr ins Individualistische und Private abgesunken war, daß die Gemeinschaft von Priester und Volk ungenügend gewesen ist. Ich habe großen Respekt vor unseren Vorfahren, die während der stillen Liturgie aus ihren Meßbüchern ihre Meßandachten beteten, aber als ideale Form liturgischer Feier kann man dies gewiß nicht ansehen. Vielleicht sind solche reduktionistischen Weisen liturgischer Feier sogar der eigentliche Grund dafür, weshalb in vielen Ländern das Verschwinden der alten liturgischen Bücher überhaupt nicht als ein einschneidender Vorgang empfunden wurde.“ Eine liturgische Formung wird sich gegen Minimalismus und Reduktionismus wenden und ihn zu überwinden suchen.

Selbstverständlich ist dabei die aktive Mitfeier des gläubigen Volkes anders gesehen als in der neuen Form. Die alte Form hier abzuqualifizieren ist nicht legitim, denn rechtfertigen muß sich nicht das Alte, wenn es kein Mißbrauch ist. Gerade aber das „Wie“ der Beteiligung des Volkes eint die alte Form mit der gesamten Orthodoxie und eröffnet wichtige Aspekte für die Einheit mit dem Osten.

Zu vereinfachend wäre es andererseits, die alte Liturgie nur in Hinblick auf die Karikaturen der neuen, d.h. deren Mißbräuche, zu legitimieren. Es gibt die neue oft würdig gefeiert und andererseits reicht die Legitimation der alten tiefer. Die alte Form ist bereits als organsich gewachsene Usanz der Kirche in sich legitimiert. Sie betont zugleich doktrinelle Elemente, die heute bedroht sind. Fragen bleiben offen, aber sie sind im Respekt und auf gleicher Augenhöhe zu lösen.

Eine offene Frage ist auch, wie der Klerus in der alten Form geschult werden kann. Eigentlich wäre es nun selbstverständlich, sie in die Ausbildung der Alumnen zu integrieren. Die Priesterbruderschaft St. Petrus wird Klerikern in jeder Hinsicht gerne behilflich sein.

Der aktuellen Diskussion wegen ist auch zu betonen, daß das alte Missale in der durch den sel. Johannes XXIII. gegebenen Fassung auch nicht das Mißverständis eines anti-jüdischen Vorurteils aufkommen läßt. Das Adjektiv „perfidus“ wurde gestrichen. Daß die Kirche aber darum betet, das Judentum möge Christus erkennen, kann man ihr nicht verübeln.[14]

Papst Benedikt XVI. hat mit Summorum Pontificum Kirchengeschichte geschrieben. Er reiht sich ein unter jene Päpste, denen die Liturgie, besonders die Liturgie Roms, ein Herzensanliegen war. Möge nun wirklich eine neue Liturgische Bewegung organisch wachsen, die uns das Wesen des Kultes zu erschließen vermag. Die Priesterbruderschaft St. Petrus darf sich im Grundanliegen ihrer Gründung zutiefst bestätigt fühlen, die doppelte Treue: gegenüber dem Apostolischen Stuhl und gegenüber der liturgischen Tradition!

Anmerkungen:

[1] Joseph Cardinal Ratzinger, Aus meinem Leben... 172f.

[2] Joseph Cardinal Ratzinger, Das Fest des Glaubens. Versuche zur Theologie des Gottesdienstes, Einsiedeln 1993, 3. Auflage, 76.

[3] Joseph Cardinal Ratzinger, Aus meinem Leben... 173.

[4] „Die letzte dem Konzil vorausgehende Fassung des Missale Romanum, die unter der Autorität von Papst Johannes XXIII. 1962 veröffentlicht und während des Konzils benützt wurde...“

[5] Vgl. über die Vollmacht des Papstes: „Seine Vollmacht ist an die Überlieferung des Glaubens gebunden – das gilt gerade auch im Bereich der Liturgie.“ Joseph Cardinal Ratzinger, Der Geist der Liturgie. Eine Einführung, Freiburg Basel Wien 2000, 143.

[6] „Der Hermeneutik der Diskontinuität steht die Hermeneutik der Reform gegenüber, von der zuerst Papst Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsansprache zum Konzil am 11. Oktober 1962 gesprochen hat und dann Papst Paul VI. in der Abschlußansprache am 7. Dezember 1965. Ich möchte hier nur die wohlbekannten Worte Johannes’ XXIII. zitieren, die diese Hermeneutik unmißverständlich zum Ausdruck bringen, wenn er sagt, daß das Konzil ‘die Lehre rein und vollständig übermitteln will, ohne Abschwächungen oder Entstellungen’. Ansprache von Benedikt XVI. an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang, 22.Dezember 2005.

[7] Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie, „Sacrosanctum Concilium“, 7.

[8] Klaus Gamber, Die Reform der Römischen Liturgie, Regensburg 1981, 54.

[9] „À l' intérieur de l' unité du rite romain il y a place pour une légitime diversité d' usages différents.“ Cassian Folsom, «Rite romain ou rites romains», in Autour de la Question Liturgique avec le Cardinal Ratzinger. Actes des Journées liturgiques de Fontgombault, 89.

[10] Interview in Il Giornale vom 08. Juli 2007, dokumentiert auf www.kath.net am 09. Juli 2007.

[11] Interview „Als ob die Reform ein Unfall gewesen wäre“ im Kölner General Anzeiger vom 08. Juli 2007.

[12] Interview „Als ob die Reform ein Unfall gewesen wäre“ im Kölner General Anzeiger vom 08. Juli 2007.

[13] „En effet, nombre de rites de la messe basse et de la messe solennelle ne peuvent etre compris qu' à partir de la messe pontificale ou, mieux encore, à partir de la messe que célébrait le pape.“ Franck Quoex, Véneration et administration ..., 213.
Von den vielen Verweisen, die Quoex dafür gibt, führen wir einen Text von Mons. Nabuco an: „Schließlich nach langem Herumtasten bin ich dahin gekommen, zu verstehen, daß die römische Liturgie die Missa sollemnis des Bischofs in seiner Kathedrale ist. Alle anderen Funktionen, die im Zeremoniale oder im Pontifikale beschrieben sind, tun nichts anderes, als sich um diesen fürstlichen Ritus zu drehen. Das priesterliche Levitenamt nach dem Ritus servandus des Meßbuches ist nichts anderes als die Pontifikalmesse ohne Thron, ohne Pontifikalinsignien und mit einem reduzierten Klerus.“ „Enfin, après de longues divagations; j' arrivai à comprendre que la liturgie romaine, c' est la messe solennelle de l' eveques dans sa cathédrale. Toutes les autres fonctions décrite dans le cérémonial ou le pontifical ne faissaient que circuler autour de ce rite princier. La messe solennelle sacerdotale, d`après le Ritus servandus du missel, ne serait autre chose que la messe pontificale sans le trone, sans le insignes pontificaux, et avec un clergé réduit.“ J. Nabuco, «La liturgie papale et les origines du cérémonial des éveques», in Miscellanae Mohlberg I, Roma 1948, 282f. Zitiert nach Franck Quoex, Véneration et administration ..., 230, 5. Auflage.

[14] Selbstverständlich verbietet das Motu prorio die alte Liturgie nicht zum Triduum sacrum, wie in manchen Kommentaren zu lesen war. Es bezieht sich nur auf das generelle Verbot der privaten Zelebration dieser Feiern, was genauso für die neue Liturgie gilt!


Dokumentation zur Freigabe der überlieferten Liturgie


Liturgische (Ver)Formung

Franziskus bezieht sich auf den großen Papst Pius XII. – mit Zustimmung. Es stimmt, diese Reformen wurden damals als skandalös aufgefasst. Die Liturgie, so Papst Franziskus, taugt nicht als kirchenpolitische Waffe. Er spricht auch davon, dass wir uns – im letzten Satz, der oben zitiert ist – von der Liturgie formen lassen sollen, nicht diese verformen.

Aus: Thorsten Paprotny, Wenn Papst Franziskus an Pius XII. erinnert

Autoren

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