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Themen10 Jahre ED |
Das Blut des Bundes - vergossen für alle? Von P. Franz Prosinger Die komprimierte Zusammenfassung einer Lizentiatsarbeit, die in Rom von Prof. Vanhoye, jetzt Kardinal, angenommen wurde. Treue zum Testament des Herrn: "für viele" oder "für alle"? Von P. Michael Wildfeuer Ziel dieser kleinen Untersuchung ist es, im Lichte der göttlichen Offenbarung in rein sachlicher Weise die Frage zu untersuchen, ob es bei den Konsekrationsworten über den Kelch für viele oder für alle heißen müsse. (Die Frage, ob dadurch die Gültigkeit des Sakramentes tangiert sein könnte, wird hier nicht erörtert und ist einer eigenen Untersuchung wert.) Es handelt sich bei diesen Worten um die heiligsten und mächtigsten Worte, die es überhaupt in der Schöpfung gibt: um die heiligsten, weil es um die testamentarische Verfügung unseres göttlichen Erlösers geht, und um die mächtigsten, weil der Priester durch den Hauch seines Mundes aus toter Materie Fleisch und Blut des lebendigen Gottmenschen hervorbringt. Dies erinnert an Gott selbst, der durch den Hauch seines Mundes aus dem toten Lehm den lebendigen Menschen schafft (Gen 2,7). Konsekrationsworte sind sozusagen Testaments- und Schöpfungsworte. Bis zu den volkssprachlichen Ausgaben des Novus Ordo Missae (NOM) war das Für-alle-Problem unbekannt. In der lateinischen Editio typica des Novus Ordo Missae steht pro multis, in den westlichen Kultursprachen, selbst in den bischöflich approbierten offiziellen liturgischen Texten, heißt es jedoch für alle, for all, por todos, per tutti (…), im Französischen jedoch pour la multitude. Im Polnischen und Russischen dagegen für viele. Bemerkenswert ist folgendes Detail: Der Generalvikar von Kasachstan Mgr. Börsch hat für die volkssprachlichen Missalien der Rußlanddeutschen strengstens für viele vorgeschrieben. Als dagegen bei der deutschprachigen Bischofskonferenz in Salzburg 1974 der Erzbischof von Paderborn, Degenhardt, den Antrag stellte, die Worte für alle bei der heiligen Wandlung durch die ursprünglichen für viele zu ersetzen, lehnte die Mehrheit den Antrag mit dem Bemerken ab, man könne nicht schon wieder etwas ändern. In Ungarn hieß es in den volkssprachlichen Ausgaben zunächst für viele, dann erfolgte eigens eine Neuauflage, nur um das für alle unterzubringen. In den vorkonziliaren Schott-Ausgaben, in den deutschen Übersetzungen des NT hieß es für viele. Selbst in der Lizenzausgabe der katholischen Bibelanstalt, im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, des Rates der EKD und der Deutschen Bibelgesellschaft herausgegebenen Einheitsübersetzung steht an den fraglichen Stellen für viele.[1] Auch beim Oberammergauer Passionsspiel hört man an der entsprechenden Stelle für viele. Desgleichen in der Luther-Übersetzung heißt es bei Mt 26,28 und Mk 14,24 für viele, [2] ebenso bei der Matthaeus-Merian-Bibel [3], in der sehr genauen Elberfelder Übersetzung und in zahllosen anderen Übersetzungen. Eine große Autorität auf diesem Gebiet, Klaus Gamber, sagt, „daß sich bezüglich der Mt-Stelle 26,28 in keiner einzigen alten Übersetzung sowie in keinem einzigen liturgischen Einsetzungsbericht der verschiedenen orientalischen Liturgien die Übersetzung für alle findet“ [4] Für alle dagegen z. B. in der Übersetzung der Württ. Bibelanstalt Stuttgart, 1967, 1971 und 1978. Selbst im rein zivilen Bereich unserer heutigen Gesellschaft wäre ein derartiges Phänomen eine Ungeheuerlichkeit: Man stelle sich einen offiziellen Gesetzestext der UNO vor: im englischen Original many, in der deutschen, französischen und spanischen Übersetzung jedoch alle. [...] Die Untersuchung geht nach drei Gesichtspunkten vor: A. Philologisch: Wie hat sich der Herr selbst im Abendmahlssaal ausgedrückt? A. Philologische Untersuchung: Geht man von dem für die Liturgie maßgeblichen Text aus, so ist es der von Rom vorgegebene lateinische: pro multis. „Rein philologisch kann multi zwar gelegentlich ‚die Masse’ bezeichnen, z. B. in der Junktur ‚unus ex multis’. ‚Alle’ kann multi nie heißen“. [5] Sodann ist hier natürlich der inspirierte griechische Originaltext heranzuziehen. Der Befund ist eindeutig, eindeutiger könnte er gar nicht sein, und zwar auch bei allen Varianten: für viele und zwar ohne Artikel: Mt 26,28: perí pollón und Mk 14,24: hypér pollón. Bei Lk wird nur das für euch erwähnt (22,20); Joh berichtet die Einsetzung der Eucharistie nicht und Paulus sagt in 1Kor 11,25 nur lapidar: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute.“ Andere Stellen gibt es dazu im NT nicht. Gewisse Exegeten, v.a. der protestantische Theologe Joachim Jeremias (1900 1979), setzen dagegen: Zwar steht bei Mt bzw. Mk in der Tat polloí (polloí), aber es handelt sich dabei um einen Hebraismus. [6] Stellvertretend stehe hier die Ausführung von Werner Strenger, Assistent der Universität Regensburg: „Muß es nicht wörtlich übersetzt ‚für viele’ heißen? Dafür scheint zu sprechen, daß im Griechischen polloí (polloí) den Sinn von viele im Gegensatz zu wenige hat. Das Hebräische dagegen gebraucht ‚(ha)rabbim’ ‚(die) vielen’ auch, um die nicht mehr zu zählenden vielen, die Masse, alle zu bezeichnen. (Es können alle sein, müssen es aber nicht notwendigerweise.) Besonders deutlich wird das auch im Qumran-Schrifttum. ‚Ha-rabbim’ = ‚die vielen’ bezeichnet dort die Gesamtheit der vollberechtigten Gemeindemitglieder ... Auch die Pharisäer nennen bisweilen die Gesamtheit der pharisäischen Genossenschaft ha-rabbim. Daher kann in judengriechischem Schrifttum auch hoi polloí diesen Sinn annehmen.“ [7] Darauf ist zu antworten: 2. Das Hebräische hat, wie das Griechische, Lateinische, Deutsche, ein eigenes Wort für viele und ein eigenes Wort für alle: rabbim = viele und kol = alle. Dies wird noch dadurch unterstrichen, daß rabbim klar im Gegensatz steht zu me’at = wenig. Ebenso wird im Aramäischen klar unterschieden: sagî = viele, kûl = alle. 3. Der Hebräer, Grieche, Deutsche (nicht der Lateiner) kann darüber hinaus sprachlich auch genau unterscheiden zwischen viele und die vielen. (Im Lateinischen dagegen gibt es keinen Artikel, weder einen bestimmten noch einen unbestimmten.) Daher ist auch die in den Jahren 1969 bis 1971 verwendete Übersetzung für die vielen falsch, somit auch die französische Version pour la multitude; denn im griechischen Original, und zwar in jeder Handschrift, fehlt der Artikel. 4. Daß ha-rabbim (= die vielen) auf eine Allheit bezogen und damit alle bedeuten kann, ist kein Hebraismus, keine hebräische Besonderheit, sondern, wie die genannten Beispiele bereits andeuten, ebenso im Griechischen, Lateinischen und Deutschen möglich. Wenn man z. B. sagt: „Die vielen Völker der Erde“ oder „die vielen Tugenden eines Katholiken“, so meint man damit zweifellos alle Völker der Erde bzw. alle Tugenden eines Katholiken (die sehr zahlreich sind). Oder auch ohne Artikel: „Rom hat viele Einwohner“, so sind sicher alle Einwohner Roms gemeint. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß unser Herr nicht hoi polloí = die vielen) sondern nur polloí (ohne Artikel) gesagt hat. [9] 5. Allgemeiner Hinweis auf die Logik: Viele und alle scheinen sehr nah beieinander zu sein. Man denkt, wenn man nicht genau ist, normalerweise: Werden zu vielen noch ein paar Elemente hinzugefügt, so sind es eben alle. (Das ist der oben erwähnte Kurzschluß von W. Stenger.) Oder umgekehrt wenn bei allen ein oder zwei fehlen, dann sind es eben nur viele. Gründlich betrachtet gilt aber Folgendes: Viele und alle gehören zwei verschiedenen Kategorien an, viele gehört zur Kategorie der Quantität, alle zur Kategorie der „Totalität“ (Abgeschlossenheit oder Nicht-Abgeschlossenheit einer Menge). Viele bezeichnet die hohe Quantität der Elemente einer Menge. Alle bezeichnet die Abgeschlossenheit einer Menge. Das Skandalös-Tragische an Jeremias’ Irrtum ist, daß sein Fehler sich mit zwei, drei Ausnahmen auf die gesamte katholische Exegese ausgebreitet hat [13] und sich wie ein Teufelsschwanz selbst in die Konsekrationsworte eingeschlichen hat. Selbst gute Priester durchschauen ihn nicht. Ein Glanzstück von Unkorrektheit findet sich in der Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“: Auf der vatikanischen Internetseite ist sie veröffentlicht. In Nr. 2 heißt es pro omnibus, in Nr. 16 pro multis. Im selben Dokument! Die amtliche Veröffentlichung in den AAS (Acta Apostolicae Sedis) dagegen ist korrekt, beide Male pro multis. [14] Einmal angenommen, es handelte sich hier um einen Hebraismus und die beiden heiligen Evangelisten hätten in Wirklichkeit für alle sagen wollen, so dürfen wir ihnen und dem „Primärautor“, dem Heiligen Geist, getrost soviel Intelligenz zutrauen, dies zu durchschauen und perì pántwn (peri pánton = für alle) schreiben zu können. Sie haben es nicht getan. Sie haben es aus einem ganz bestimmten Grund nicht getan und damit etwas ganz Bestimmtes sagen wollen. Was, das soll im nächsten Abschnitt, im systematischen Teil, behandelt werden. Rein philologisch ist jedenfalls eindeutig, daß Christus selbst für viele gesagt hat. Aber gemeint habe Er, so hört man oft, dennoch für alle. Dies leitet uns notwendigerweise zum Teil B unserer Untersuchung über: Hat Christus zwar viele gesagt, aber doch alle gemeint? B. Systematischer Teil der Begründung Ja, ganz richtig: Christus ist für alle gestorben Gott sei Dank! Er ist, wie Johannes der Täufer bekennt, „das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt“ (Joh 1,29). Noch deutlicher schreibt Johannes, der Evangelist, in seinem 1. Brief: „Er ist das Sühneopfer für unsere Sünden, und nicht bloß für unsere, sondern für die der ganzen Welt“ (1Joh 2,2). Und Jesus selbst sagt: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Einige weitere Stellen in diesem Sinn: Aber!!! Es gibt auch zahlreiche Viele-Stellen: „Christus stirbt für alle.“ „Christus stirbt für viele.“ Christus stirbt für alle in dem Sinn, daß er durch seine unbegrenzte Sühne allen Menschen wieder den Himmel erschließen will. Er will das Heil aller Menschen. „Gott, dessen Wille es ist, daß alle Menschen gerettet werden, ...“ (1Tim 2,4): uneingeschränktes Heilsangebot. Woran liegt es, daß der Opfertod Christi nicht an allen wirksam wird? An Gott liegt es nicht. Er hat von seiner Seite alles getan. Es liegt am einzelnen Menschen, an seiner Entscheidung aus freiem Willen. „Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk 16, 16). Heilsangebot, Sühne und Heilsgenügsamkeit in uneingeschränkter Barmherzigkeit: das ist die Erlösungstat Christi unabhängig davon, ob ein gewisser Otto Müller sich darum kümmert oder nicht. Aber Gott zwingt das Heil nicht auf. Daß Otto Müller das Heil annimmt, daß das Heil in seiner Seele Wirklichkeit wird, hängt von seiner Zustimmung ab, ist Sache seines Willens. Diese Entscheidung kann ihm Christus nicht abnehmen. So wie im Beispiel: Der Vater bezahlt den von Fritzchen angerichteten Schaden, aber daß sich Fritzchen mit Fränzchen wirklich versöhnt, das kann er nicht für Fritzchen tun. Die ganze Frage ist nun: Spricht der Erlöser bei der Konsekration vom Heilsangebot (bzw. von der Sühne und der Heilsgenügsamkeit) oder von der Heilswirksamkeit? Beide Wahrheiten sind von höchster Wichtigkeit. Keine darf zu Ungunsten der anderen vernachlässigt oder gar unterdrückt werden. Die Frohbotschaft läßt sich weder in eine süßliche, nur vom Himmel säuselnde Schlager-Mentalität hineinträumen (ausschließliche Betonung des universellen Erlöserwillens) noch in ein finsteres skrupelhaftes Jansenisten-Korsett (ausschließliche Betonung der beschränkten Zahl der Geretteten) hineinfrustrieren. Unser Herr verlangt von uns, daß wir die Polarität beider Wahrheiten aushalten. Er hat vom Himmel und von der Hölle gesprochen. Und da er unseren starren Nacken kennt, sogar bitte, er weiß besser, was für uns gut ist öfter von der Hölle! Es soll nicht den modernen Interpreten die lobenswerte Absicht abgesprochen werden, dem heutigen, oft so verzweifelten Menschen die unendlich gütigen Vaterarme Gottes vor Augen zu stellen. Aber man kann die Verzweiflung nicht mit der Vermessenheit kurieren. Wie also lauten des Erlösers Worte an dieser Stelle? Er, der die Wahrheit selbst ist (Joh 14,6), sagt, wie wir in Teil A sahen, klar für viele. Allein aus dem philologischen Befund geht zweifelsfrei hervor, daß er hier von der Heilswirksamkeit spricht. Denn er bezieht hier nicht alle ein. Er bezieht nicht ein jenen, von dem „es besser wäre, wenn er nicht geboren wäre“ (Mt 26,24). Er bezieht hier nicht ein „die Söhne des Reiches, die in die Finsternis draußen geworfen werden“ (Mt 8,12). Er bezieht nicht diejenigen ein, von denen der heilige Paulus sagt (Röm 10,16): „Aber nicht alle haben der frohen Botschaft Folge geleistet.“ Mit einem Wort: Er bezieht hier in seinem göttlichen Blick alle jene nicht ein, die bewußt und endgültig aus eigenem freiem Willen die Angebote der Welt und des Teufels seinem Heilsangebot vorziehen. An ihnen wird sein kostbares Blut nicht wirksam. Angelus Silesius sagt über sie markant: „Und wäre Christus tausend Mal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir du wärest tausend Mal verloren.“ Aber es soll einmal bei der alles entscheidenden Frage gar nicht das für viele ins Feld geführt werden, sondern ein anderer, von den „Reformern“ nicht angetasteter Begriff der Konsekrationsformel: der Begriff des Bundes: „Dies ist der Kelch meines Blutes, des Neuen und ewigen Bundes.“ Kann denn ein Bund ein Freundschaftsbund, ein Ehebund, ein Bund von zwei Staaten zustande kommen, wenn nur ein Partner will? Wieder ein simples Beispiel: Mag ein Verliebter noch so sehr werben und das Edelweiß von den verwegensten Gebirgswänden holen wenn seine Angebetete nicht mag, dann kommt der Ehebund nicht zustande. Zum Bund müssen zwei Willen zusammenkommen: beim Neuen und ewigen Bund der Wille Gottes (Heilsangebot) und der Wille des einzelnen Menschen (Heilswirksamkeit). Der Stifter der heiligen Eucharistie spricht hier nicht von einem angebotenen, sondern von dem tatsächlichen Bund. Dies geht aus den Worten bei Lukas und bei Paulus klar hervor: Lk 22,20: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.“ 1Kor 11,25: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute.“ Außerdem ist bei Lk klar davon die Rede, daß das Blut „für euch vergossen wird“ (22,20), somit nicht für alle, sondern für eine eingeschränkte Menge, nämlich für diejenigen, für die es wirksam wird. Somit spricht der Herr hier nicht vom Heilsangebot, sondern von der Heilswirksamkeit. Dies wird bestätigt durch die Konsekrationsworte über das Brot: „Das ist nämlich mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Der Nebensatz (lukanisches Eigengut) findet sich nicht im alten Missale, sondern wird im Novus Ordo Missae eigens hinzugefügt. Dadurch wird die eingeschränkte Heilswirksamkeit und nicht das universale Heilsangebot zur Sprache gebracht. Ist es denn sinnvoll, bei der Gegenwärtigsetzung des Leibes Christi von der Effizienz, bei der des Blutes jedoch vom Angebot zu sprechen? Dies wird bekräftigt durch das Alte Testament, das ja nichts Anderes als ein Vorbild des Neuen Testamentes ist: „Moses nahm nun das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: ‚Dies ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat auf Grund all dieser Gebote’“ (Ex 24,8; Hebr 9,20). Der Bund wird nicht mit allen, sondern nur mit den die Gebote Befolgenden geschlossen (Ex. 24,7). Klar kommentiert dies der heilige Isidorus (ca. 560 633): „Aber jenes Blut, mit dem Moses das Volk, das Bundeszelt und alle in ihm Befindlichen mit den Worten: ‚Dieses Blut ist das Bundesblut’ besprengt und reinigt, verkündigt in wunderbarer Weise offensichtlich das Blut des Herrn Jesus, durch das die Herzen aller Gläubigen gereinigt werden, durch das der Glaube der Kirche bezeichnet wird, durch das das ganze Volk der Kirche, d. h. der ganze Leib des Zeltes (‚corpus omne tabernaculi’) geheiligt wird; denn der Herr sagt ja: ‚Dies ist mein Blut des Neuen Bundes, das für viele vergossen wird’ (Mt 26,28), um in der Wirklichkeit das zu erfüllen, was durch Moses im Bilde gezeigt worden war“. [17] Sonnenklar, daß hier nicht von Universalität des Heilsangebotes gesprochen wird. Die in sich geordnete Schönheit der Glaubenslehre bietet noch einen weiteren Grund dafür, daß an dieser Stelle von der Heilswirksamkeit die Rede ist. Beim eucharistischen Opfer geht es ja gerade um die Zuwendung der Erlösungsfrüchte an die Gläubigen, somit um die Heilseffizienz. Durch das Sakrament wird die Mitwirkung des Menschen vorausgesetzt sein Heil gewirkt, wird die Gnade in ihm wirksam. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben“ (Joh 6, 54). Nicht: Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, dem biete ich das ewige Leben an. Nein der hat es. In Hebr 10,29 heißt es ausdrücklich: „Was glaubt ihr, eine wieviel schwerere Strafe der verdient, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, das Blut des Bundes, durch das er geheiligt worden ist, [18] geringschätzt und den Geist der Gnade schmäht?“ In ähnlicher Weise: „Um wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich kraft des ewigen Geistes selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen!“ (Hebr 9,14). Sehr schön wird dies durch die Sekret des 9. Sonntags nach Pfingsten bestätigt: „Laß uns immer würdig an diesen Geheimnissen teilnehmen, da ja das Werk unserer Erlösung vollzogen wird, so oft das Gedächtnis dieses Opfers gefeiert wird.“ Es handelt sich hier um das heiligste Geschehnis aller heiligen Geschehnisse. Die Heilige Schrift, angefangen vom ersten Schöpfungstag (Gen 1) bis hin zum himmlischen Jerusalem (Offb 22), ja die gesamte Heilsgeschichte, hat im Grunde nur ein Thema, nämlich daß der Mensch mit Gott in Kontakt trete. Dieser Kontakt ist nicht bloß der Kontakt zweier Fußgänger, die miteinander vor einer roten Ampel warten und bei Grün wieder ihrer Wege gehen, sondern dieser Kontakt ist ein Bund, ein Sichgegenseitig-Binden, inniger als jede menschliche Freundschaft, tiefer als selbst die glücklichste Ehe. „Proximus fui generationi huic“ (Ich war diesem Geschlecht der nächste. Ps 94,10 [19]), der innigste Bund, der überhaupt möglich ist: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“ (Joh 6,56). Alle Bundesschlüsse im Alten „Bund“ Gott mit Adam, mit Noe, mit Abraham, mit Moses, mit David sind gerichtet auf ein einziges Ziel: den neuen und ewigen Bund, den Bund des Gottmenschen mit der ihn liebenden Seele. [20] Konsekration und Kommunion gehören zusammen und sind der Höhepunkt der „Liebesgeschichte“ zwischen Gott und der Seele. Gott der Herr kann sich nicht genug tun, alle einzuladen, alle zu locken, um alle zu werben, allen das Heil anzubieten, 99 Schafe stehen zu lassen, um das verlorene zu suchen, das ganze „Haus der Schöpfung“ umzukrempeln, um die verlorene Drachme zu finden, den letzten Blutstropfen zu vergießen, um auch noch den Letzten zu retten. Erst in der Ewigkeit werden wir sehen, was er für jeden getan. Aber den Blutsbund kann er nur mit den Zustimmenden, den Wollenden, den Liebenden schließen. Die anderen schließt nicht er aus, sie schließen sich selbst aus. Die Liebenden will er bei seinem Meßopfer um sich versammelt wissen, mit ihnen findet die Hochzeit statt, die hier auf Erden eine Bluthochzeit ist. Er ist ein „Blutbräutigam“ (Ex 4, 25f) und seine Braut, die Seele, ist in seinem Blut gereinigt (Offb 7,14). Und nur so kann die „Theogamie“ [21] stattfinden. Wann soll denn der Bundesschluß des neuen und ewigen Bundes stattfinden, wenn nicht in dem Augenblick, in dem es heißt: „Dieser Kelch ist der Bund in meinem Blute“ (s.o.). Das ist die „Stunde“, von der der Herr im Johannesevangelium spricht und von der es in Joh 13,1 heißt: „Jesus wußte, daß für ihn die Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen. Da erwies er, der die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, ihnen seine Liebe bis zum letzten.“ Konsekration und Kommunion sind die Gegenwärtigsetzung dieser Stunde. Das ist die Stunde, nach der er sich „mit Sehnsucht gesehnt hat“ (Lk 22,15). Sein Sterben ist der Bundesschluß, die „Blutsbruderschaft“ [22] zwischen Gott und der glaubenden und liebenden Seele. Hier erfüllt sich die Verheißung an Abraham: „Ich will dich reichlich segnen und deine Nachkommenschaft so zahlreich werden lassen wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Gestade des Meeres“ (Gen 22,17). Man kann unter dem Sand am Gestade des Meeres die leiblichen Nachkommen, die Juden, und unter den Sternen am Himmel die Christen verstehen. Aber auch die letzteren sind wirkliche Nachkommen, sie empfangen das Blut Christi und damit das Blut Abrahams. [23] Auch in ihnen fließt das Blut des „Stammvaters aller Gläubigen“. Der Bund ist mit Abraham und allen seinen Nachkommen geschlossen. Eine interessante Begründung, daß der Herr beim Kelchwort nicht vom Heilswillen, sondern von der Zuwendung der Erlösungsfrüchte an die Gläubigen spricht, findet sich bei Klaus Gamber: „Die vorherrschende Ansicht, daß mit dem Wort »Vergebung der Sünden« unmittelbar die Erlösung am Kreuz gemeint ist - weshalb heute die Änderung »für alle« als notwendig angesehen wird - und nicht die gnadenhafte Wirkung beim Empfang des heiligen Blutes, wurde nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, daß das griechische Êkcunnómenon (ekchynnómenon »ausgegossen«) in den meisten lateinischen Vulgata-Handschriften - im Gegensatz zur Mehrzahl der Vetus-Latina-Codices - durch das Futur »effundetur« (»vergossen werden wird«) statt »effunditur« (»ausgegossen wird«) wiedergegeben erscheint. Durch das Futur wird aber deutlich auf das Kreuzesopfer hingewiesen und ist der Bezug auf das gnadenhafte Trinken des eucharistischen Blutes »zur Vergebung der Sünden« verblaßt. Die im griechischen Urtext nicht begründete Fassung »effundetur« hat auch in das Missale Romanum Eingang gefunden, wodurch die ganze Problematik überhaupt erst entstanden ist. J. Pascher hat weiterhin im Liturgischen Jahrbuch 10 (1960) S. 99 ff. darauf hingewiesen, daß das griechische ekchynnómenon nicht »vergießen«, nicht das »Ausströmen des Blutes aus der Wunde« bedeutet, sondern »ausgießen«, wie wir bereits oben übersetzt haben. Das kostbare Blut des Herrn wird bei der Feier der Eucharistie aus dem Kelch in den Mund der (vielen) Gläubigen »ausgegossen«, wie auch im Alten Testament das Blutopfer erst »durch das Ausgießen aus den Schalen« als vollzogen galt”. [24] “Es geht demnach beim Brot- und Kelchwort in erster Linie um den Empfang der eucharistischen Gaben und zwar hier und jetzt und um die daraus resultierenden Gnaden für die Empfänger und nicht primär um die Erlösung am Kreuz.” [26] Machen wir es uns noch an einem anderen Sakrament klar: Wer die Taufe empfängt (unter Mitwirkung seines Willens, d. h. unter der Voraussetzung, daß er getauft werden will), der ist von der Erbsünde befreit. Nicht: Dem wird die Befreiung von der Erbsünde angeboten. Ebenso auch bei allen anderen Sakramenten. Heilsangebot und Sakrament sind voneinander verschieden wie Friedensangebot und tatsächlicher Friede. Da es sich hier um ein Sakrament, um das Sakrament des tatsächlichen Friedens, der innigsten, wirklich vollzogenen Liebe zwischen Gott und der Seele handelt, kann der Heiland leider nur von vielen sprechen. Somit ergibt sich sowohl philologisch wie auch systematisch, daß es für viele heißen muß. C. Begründung aus der Tradition Nachdem wir im philologischen und systematischen Teil unserer Begründung bereits zu einer eindeutigen Antwort auf unsere Frage gekommen sind, haben wir nun noch obendrein das Glück festzustellen, daß wir nicht die ersten Menschen sind, die über diese Frage nachdenken. Autoritäten von Rang und Namen, herausragend sowohl bezüglich ihrer Gelehrsamkeit wie ihrer Heiligkeit, kommen alle auf dasselbe Ergebnis. Philosophiedozent Dr. Franz Bader (Eichstätt) hat griechische und lateinische Quellen durchgeackert und über 30 Autoren „befragt“. Hier seien einige wichtige ausgewählt. 1. Die alten Liturgien Bei der Überprüfung der Konsekrationsworte von etwa 50 (meist östlichen) Liturgien hat sich Folgendes ergeben: a) Ein verschwindender Teil der alten Liturgien läßt das für viele wegfallen, was übrigens ohne Widerspruch denkbar ist, weil es im Begriff Bundesblut weiterhin - wenn auch nur implizit - mitgesetzt ist: Das für viele ist demnach nur sprachlich, nicht aber geistig weggefallen. Der Wegfall des für viele entspricht hier der paulinisch-lukanischen Überlieferung der Konsekrationsworte im NT. b) Ein Teil der alten Liturgien hat das für viele bereits bei der Leibformel oder bei der Leib- und Kelchformel zusammen oder allein bei der Kelchformel. c) Keine der alten Liturgien aber setzt ein universalistisch verstandenes für alle (perì pántwn/pro omnibus) bzw. übersetzt das perì pollôn mit für alle. Dem Verfasser bekannt sind zwei östliche Anaphoren, die zusätzlich zum Hinweis auf die partielle Heilseffizienz noch einen Hinweis auf den universalistischen Heilswillen Gottes geben. Die große Vielzahl der alten orientalischen Liturgien geht auf einige wenige Urformen und Urtypen alter Liturgien zurück, welche selber bis in die apostolische Zeit zurückreichen und in den alten Patriarchaten der frühen Kirche beheimatet sind: [...[
Wildfeuer führt u.a. noch die Zeugnisse folgender Kirchenväter und Heiliger an: Cyprian, Johannes Chrysostomus, Hieronymus, Ambrosius, Fulgentius, Oikumenios, Beda Venerabilis, Rhabanus Maurus, Paschasius Radbertus, Prudentius, Remigius. Schliesslich:
Aus neuer Zeit ist ein Brief von Kardinal Šeper, seinerzeit Präfekt der Glaubenskongregation, an P. Tibor Gallus SJ von Ostern 1980 zu nennen, in dem er wörtlich schreibt: „Auch bin ich überzeugt, daß man mit der Übersetzung für alle ebenfalls (wie mit der Handkommunion; der Verf.) einen Fehler getan hat...“ [...] Anmerkungen: 1 Stuttgart, 3. Aufl. 1997 Der vorliegende Artikel ist gekürzt und entspricht in etwa der Fassung, wie sie im Rundbrief der PMT, März 2006, erschienen ist. Die vollständige Version findet sich in der UVK, Jan./Febr. 2006, S. 17 40. Sie ist auch beim Verfasser direkt zu beziehen: p.wildfeuer@gmx.de Das Blut des Bundes - vergossen für alle? Von P. Franz Prosinger Bekanntlich sind in der deutschen Fassung der neuen Meßliturgie die Worte "pro multis" anstatt mit "für viele" mit den Worten "für alle" übersetzt. Ist dies korrekt? Die katholische Glaubenslehre ist klar: Christus ist für alle Menschen gestorben und hat auch genug getan, um alle zu retten. Tatsächlich aber kommen die Erlösungsgnaden nur denen zu, die sie entschieden annehmen! (1) Da auch die Übersetzung "für alle" im Sinne der Glaubenslehre richtig verstanden werden kann, könnte man die hier aufgeworfene Frage für unwichtig erachten. Wer aber in die vielen Kommentare und Abhandlungen hineinsieht, die hierzu in den letzten Jahrzehnten verfaßt worden sind, wird überall auf Thesen stoßen, die in der heiligen Schrift keine Grundlage haben: "alle Menschen sind bereits im Blut Jesu getauft", "es gab eine Generalabsolution für die ganze Menschheit", "alle Menschen sind in die besondere Konsekration eingegangen, die durch das Blut des Lammes in ein neues und endgültiges Bundesverhältnis mit Gott hineinführt". Kurz:: es geht um die zurecht umstrittene und folgenschwere 'Allerlösungslehre'. Und unter diesem Aspekt gewinnt natürlich die Frage der Übersetzung der Worte über den Kelch ein besonderes Gewicht. Die Argumente, die die Übersetzung "für alle" stützen sollen, sind zum einen sprachliche: Zum anderen werden theologische Begründungen angeführt: Anmerkungen zu den sprachlichen Argumenten: Tatsächlich ist der Beweis jedoch nicht gelungen: Auf der anderen Seite kann man es im Hebräischen sehr wohl ausdrücken, wenn man alle Einzelnen meint. Das entsprechende Wort "kol" bildet zwar keinen Plural, was z.B. aber auch auf das englische "all" zutrifft. Hier wie dort kann ein klärender Zusatz gemacht werden ("all men"), oder aber wird aus dem Zusammenhang klar, ob alle Einzelnen gemeint sind oder nur eine pauschale Gesamtheit ("aller Augen warten auf dich" - "the eyes of all"). Anmerkungen zu den theologischen Argumenten: Der Rahmen, in dem das Wort Jesu über den Kelch steht, ist der Ritus des Pascha. Gerade Jeremias hat dies aufgezeigt. (5) Die Worte über das Brot und den Kelch entsprechen der Sprache des kultischen Opfergeschehens. Dem wurde allerdings in einer Fülle von Sekundärliteratur - vor allem in den Jahren1965 bis 1975 - widersprochen und geltend gemacht, die evangelischen Berichte seien nur eine spätere theologische Konstruktion, in Wahrheit habe das Mahl Jesu mit Zöllnern und Sündern, fern von jeder Exklusivität und Sakralität stattgefunden. Aber wie Pesch nachweist (6), gibt es - gerade auch nach den neueren Kriterien der Exegese - keine Hinweise, die gegen die Ursprünglichkeit des Einsetzungsberichtes sprechen. In diesem Zusammenhang steht auch die Darreichung des Kelches. Wenn dabei das Blut als "vergossen für viele" bezeichnet wird, so könnte damit das künftige Vergießen des Blutes am Kreuz gemeint sein, ebenso gut aber auch das, was sich jetzt ereignet, da der Herr den Seinen den Kelch zum Trinken reicht. Andererseits wird wiederholt die beunruhigende Frage nach der Zahl der Auserwählten gestellt: auch in diesem Zusammenhang heißt es, daß "viele" den Weg des Verderbens gehen, worin unsere sprachlichen Beobachtungen bestätigt werden, wie unbestimmt und wechselhaft die Bedeutung von "viele" ist. Wie sich bereits aus diesen wenigen Beispielen ergibt, läßt der biblische Text eine Vielfalt unterschiedlicher Beziehungen offen, die uns verbietet, uns nach unserem Belieben auf einen einzigen Aspekt festzulegen, zumal es sich hier ja um die zentralen Worte des Testamentes Christi handelt. In den Kommentaren zur Bedeutung des "für viele" wird meist behauptet, die Stelle gehe auf das Gottesknechtslied (Is 52 und 53) zurück, dort aber seien alle Menschen gemeint. Der Text des Gottesknechtsliedes bietet jedoch keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung. Auch bei Isaias steht nur ein "viele", dessen nähere Bedeutung in den sehr allgemein gehaltenen Andeutungen über das Schicksal des Gottesknechtes nicht zu erkennen ist. Dagegen verdient der 1. Korintherbrief besondere Beachtung, wo der hl. Paulus auf den konkreten Vollzug dessen eingeht, was der Herr im Abendmahlssaal zu tun aufgetragen hat. Mit dem bekannten Exegeten H. Schlier ist festzustellen, daß es sich um ein "kritisches Mahl" gehandelt hat (9), bei dem ein jeder sich selbst kritisch zu prüfen hatte, da es zum Gericht gereichen würde, den Leib und das Blut des Herrn nicht zu unterscheiden. (10) Um vor einem leichtsinnigen und inkonsequenten Empfang zu warnen, finden sich hier - wie in der Zwölfapostellehre und in den ältesten Liturgien - sogenannte sakralrechtliche Stilelemente, die das Mysterium vor einer Profanierung schützen sollen. In diesem Sinn sind auch die Drohreden des Hebräerbriefs zu lesen. (11) Einen ganz anderen Kontext haben wir im 6. Kapitel bei Johannes. Dort spricht der Herr von der eucharistischen Gabe nicht im geschlossenen Kreis der Seinen, sondern in der Öffentlichkeit. Es ist daher nicht korrekt, das, was Christus im Kreise der Seinen mit "für viele" gemeint hat, einfach durch den bei Johannes verwendeten Ausdruck "für das Leben der Welt" (Joh 6,51) zu ersetzen. Auch muß im gesamten Kontext des Johannesevangeliums festgestellt werden, daß nur die Eröffnung des Heiles für die Welt gemeint sein kann.(12) Es wird nämlich zugleich immer wieder betont, daß "die Welt" im allgemeinen den Herrn ablehnt und damit endgültig dem Gericht verfallen ist. "Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast". (13) Gerade in der eucharistischen Rede wird deutlich, wie das Sakrament, das die Einheit bewirken soll und kann, zugleich Stein des Anstoßes ist, der die Geister scheidet. (14) Das Wort der Versöhnung lautet also nicht: "ihr seid versöhnt", und Gott hat nicht die Welt mit sich versöhnt, sondern er ist aufgrund des Opfers Christi grundsätzlich dazu bereit, wenn wir uns versöhnen lassen. (16) Zusammenfassung: Nach alledem muß man also das "pro multis" mit einem artikellosen "für viele" übersetzen, womit die im biblischen Kontext anklingenden Aspekte - "es sind nicht wenige", "niemand ist von vornherein ausgeschlossen", "es könnten sogar alle sein", "es können aber auch nur viele sein" - darin möglicherweise enthalten sind, ohne daß man sich auf eine Deutung festlegt, wozu wir aufgrund der überlieferten Worte keine Berechtigung haben. Wer "für alle" sagt, kann damit sicher einen richtigen, auch in 1 Tim 2,5 bezeugten Aspekt meinen, doch kann er nicht wissen, ob es der Aspekt ist, den der Herr in den Abendmahlsworten zum Ausdruck bringen wollte. Bei der Frage nach der richtigen Übersetzung des "pro multis" geht es nicht in erster Linie um die Gültigkeit der Wandlung, sondern um die Frage der Ehrfurcht gegenüber dem Testament Christi. 1) Röm. Katechismus II, 216 2) Vgl. J. Jeremias, Abhandlungen zu "polloi", in Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1956 3) Z.B. "Die Vorräte dieser Welt müssen für viele reichen." 4) Jeremias hat an vielen Stellen aus dem Zusammenhang heraus falsch zitiert und den Sinn der Textausgabe entstellt. Z.B. heißt es bei Nehemias 7,2, daß en gewisser Chanani gottesfürchtiger und zuverlässiger war als viele. Jeremias übersetzt diese Stelle: "Chanani war gottesfürchtig und zuverlässig vor allen anderen". Damit stellt er einen kaum bekannten Türsteher auf eine Stufe mit Moses, von dem es im Buch Nehemias wörtlich heißt: "Der Mensch Moses ist sehr demütig, mehr als alle Menschen auf dem Erdboden." Vgl. hierzu Prosinger, Lizentiatsarbeit am päpstlichen Bibelinstitut. 5) Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen, 3. Auflage, 1959 6) R. Pesch, Das Abendmahl und das Todesverständnis Jesu, Freiburg 1978 7) In unserem Missale sind beide Formulierungen miteinander verbunden: "für euch und für viele"; vgl. Lk 22,20 f. 8) Vgl. auch Heb 2,9-10: "So sollte er nach dem Gnadenplan Gottes für jedermann (alle) den Tod kosten. Denn es geziemte sich für jenen, für den alles ist und durch den alles ist, und der viele Söhne zur Herrlichkeit führen wollte, daß er den Urheber ihres Heils durch Leiden vollende." 9) H. Schlier, Das Ende der Zeit, Freiburg 1971, S. 201 ff. 10) 1 Kor 11,27-30, eine Stelle, die in der neuen Perikopenordnung nicht mehr gelesen wird. 11) Vgl. Heb 6,4-8; 10,19-31; 12,12-19; 13,9-16. Das Heil ist zwar allen eröffnet (Gal 3,28), aber der konkrete Zugang ist nur denen erlaubt, die dem Anspruch der Gabe entsprechen wollen. Im Kontext von 1 Kor 10,14-22 und 11,23-34 betont der hl. Paulus gerade nicht den Charakter des allgemeinen Angebots, sondern die inneren Konsequenzen für die, die in die Kommunion des Leibes und Blutes Christi hineingehen. 12) Vgl. neben Joh 6,51 auch 1,29: "das Lamm, das die Sünde der Welt trägt". 13) Auch in 1 Kor 11,32 heißt es gerade im eucharistischen Kontext, daß wir zusammen mit der Welt verurteilt werden, wenn wir nicht mit uns selbst ins Gericht gehen. 14) Repräsentiert durch Petrus und Judas, Joh 6,69. Wenn in 6,51 mehr der Charakter des allgemeinen Angebots zum Ausdruck kommt, so kann man daran erkennen, wie verschieden die Verkündigung des eucharistischen Geheimnisses in der Öffentlichkeit und im Abendmahlssaal ist. So kann man auch, wenn man vor einer Kirche steht, sagen, daß diese Kirche für alle da ist. Wenn aber jemand eintritt, ohne die Sakralität des Raumes zu respektieren, muß man sagen, daß diese Kirche zwar für viele da ist, aber gerade nicht für alle. Der Standpunkt ist entscheidend. 15) Jeremias a.a.O. S. 543,13 16) In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß die neue Beichtformel, nach der Gott durch das Opfer seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und ihr den heiligen Geist gesandt hat, mißverständlich ist und zumindest einer biblischen Grundlage entbehrt. Es wird ja ausdrücklich betont, daß "die Welt" den Geist der Wahrheit nicht empfangen kann (Joh 14,17), sondern dies nur die Gläubigen können (7,23). Es handelt sich bei diesem Beitrag um die sehr komprimierte Zusammenfassung einer Arbeit, die im April 1991 zur Erlangung des Lizentiats am päpstlichen Bibelinstitut in Rom angenommen wurde, und zwar von Prof. Albert Vonhoye. Die vollständige Arbeit erschien 2007 als Buch. Am 24. März 2006 wurde Albert Vonhoye zum Kardinal ernannt. Vanhoye war von 1963 bis 1993 Professor am Päpstlichen Bibelinstitut. Papst Benedikt XVI. nannte ihn am 22. Februar bei der Ankündigung der Ernennungen einen "großen Exegeten". Von ihm wurde die Lizentiatsarbeit P. Franz Prosingers über die Wandlungsworte "Zur Übersetzung und Interpretation des Hyper pollon in Mk 14,24" betreut. Seine Kardinalsernennung ist für uns eine große Freude. Neuerscheinung: "Das Blut des Bundes - vergossen für viele?" Im April 2007 ist im Verlag Franz Schmitt, Siegburg, die Lizentiatsarbeit von Franz Prosinger unter dem Titel "Das Blut des Bundes - vergossen für viele?" erschienen, und zwar als Band XII. in der Reihe "Quaestiones non disputatae". Gegenüber der Fassung, wie sie auf kath-info zum Download angeboten worden war, enthält sie Verbesserungen und Ergänzungen. Der Kauf des Buches lohnt sich auch wegen des ausführlichen Geleitworts von Prof. Dr. Manfred Hauke, in dem er aufs Genaueste den Brief von Kardinal Arinze analysiert, der die Korrektur der Übersetzung der Wandlungsworte fordert. Über das Werk von P. Prosinger schreibt er unter anderem: ________________ Die Lizentiatsarbeit von Franz Prosinger: Kürzlich erschien in Italien ein Buch von Manfred Hauke, Versato per molti (Vergossen für viele, Edizioni Cantagalli, März 2008, ISBN 978-88-8272-3781) mit einem Vorwort des Sekretärs der Gottesdienstkongregation, Erzbischof Malcom Ranjith. Dieser erwähnt als Hintergrund der päpstlichen Entscheidung, die Übersetzung der Wandlungsworte zu korrigieren (für viele statt für alle), “eine exegetische Arbeit, die von P. Albert Vanhoye SJ, inzwischen Kardinal, betreut worden ist und die dem Hl. Vater gut bekannt ist. Diese Arbeit, kürzlich in Deutschland veröffentlicht, hebt die biblische Diskussion auf ein sichereres Niveau als vor vierzig Jahren, als viele katholische Exegeten allzu großes Vertrauen in die Interpretation eines einzigen protestantischen Bibelwissenschaftlers gesetzt hatten.” Gemeint ist Joachim Jeremias, dessen Auslegung von “viele = alle” im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament durch die erwähnte Arbeit von F. Prosinger, Das Blut des Bundes vergossen für viele (Siegburg 2007) widerlegt worden ist. ________________ Rezensionen der Lizentiatsarbeit: In der von Manfred Hauke u.a. herausgegebenen Zeitschrift Forum Katholische Theologie, Heft 1/2008 ist aus der Feder von Regina Willi, Lugano, eine Rezension der Studie von Franz Prosinger Das Blut des Bundes - vergossen für viele? Zur Übersetzung und Interpretation des hyper pollôn in Mk 14,24 erschienen. Sie bescheinigt dieser Arbeit, die nicht zuletzt der Widerlegung des einschlägigen Artikels von Joachim Jeremias im ThWNT dient, eine “durchaus korrekte und mit vielen Beispielen bereicherte Argumentation”. Die Arbeit Prosingers hatte ihren Anteil dazu beigetragen, dass Rom auf einer Korrektur vieler landessprachlichen Übersetzungen der Wandlungsworte bestand. In der Ausgabe der Tagespost vom 9. August 2008 bespricht Klaus-Peter Vosen das Buch von Franz Prosinger Das Blut des Bundes - vergossen für viele? Die Arbeit sei “mit ebenso großem Kenntnisreichtum wie glühender Liebe zum heiligen Messopfer verfasst” worden. Vosen zitiert auch eine Stelle aus dem Brief des damaligen Kardinals Ratzinger vom 23. Juli 2004, in dem dieser schreibt, Prosinger habe “ganz klar bewiesen”, “dass die Übersetzung [des pro multis in den Wandlungsworten] ‘für viele’ heißen muss.” Vosen schließt sich dem Wunsch von Prof. Manfred Hauke an, die Arbeit Prosingers möge dazu beitragen, dass die Entscheidung des Papstes zur Korrektur der landessprachlichen Übersetzungen der Wandlungsworte besser angenommen werde. Die Wiederherstellung des authentischen Textes Prof. Dr. Robert Spaemann in einem Leserbrief an die FAZ vom 22. Januar 2007 Widerlegt Die erste Stellungnahme stammt von dem Wuppertaler Neutestamentler (jetzt in Bochum) Thomas Söding (“Für euch - für viele - für alle. Für wen feiert die Kirche Eucharistie?”, S. 17-27) Nach Söding gibt es nach dem “biblischen Sprachgebrauch”, im Gegensatz zum Deutschen, keinen Unterschied zwischen “viele” und “alle” (S. 25). Diese These, die auf ältere Arbeiten von Joachim Jeremias zurückgeht, wurde inzwischen widerlegt durch die am Päpstlichen Bibelinstitut unter der Leitung von Albert Vanhoye erstellte Studie von Franz Prosinger, die Söding leider nicht bekannt ist (Franz Prosinger, Das Blut des Bundes - vergossen für viele? Zur Übersetzung und Interpretation des “hyper pollon” in Mk 14,24, Verlag Franz Schmitt, Siegburg 2007). Aus: Prof. Dr. Manfred Hauke, Offen für beide Deutungen. Zur Diskussion um die Übersetzung “pro multis” bei den eucharistischen Wandlungsworten, in: Die Tagespost vom 23. April 2009. Es handelt sich bei dem Artikel Haukes um eine Rezension des Sammelbandes von Magnus Striet (Hrsg.), Gestorben für wen? Zur Diskussion um das “pro multis”, Freiburg im Breisgau 2007. Zur römischen Forderung nach Korrektur der Wandlungsworte in den Übersetzungen |
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