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Ist ohne Gott alles erlaubt?

Von P. Engelbert Recktenwald

Der Philosoph und Atheist Prof. Herbert Schnädelbach hält die Aussage Dostojewskis “Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt” für einen der dümmsten Sprüche, die es gibt. So gibt ihn jedenfalls IDEA-Spektrum im Bericht über die Veranstaltungsreihe “Vorhof der Völker” wieder, die vom 26. bis 28. November in Berlin stattfand und dem Dialog der katholischen Kirche mit den Atheisten dient. Schnädelbach führte aus: “Selbst wenn es Gott nicht geben sollte, darf ich nicht bei Rot über die Ampel gehen, Steuern hinterziehen oder meine Frau schlagen.”

Natürlich hat Schnädelbach recht, dass ich zur Erkenntnis erlaubten oder unerlaubten, also moralischen und unmoralischen Handelns, nicht des Gottesglaubens bedarf. Die Frage aber ist doch die, wie ich ein absolutes Sollen ohne den Gedanken Gottes als des Absoluten und Unbedingten fassen und begründen kann. Es war ein anderer berühmter Philosoph und Atheist, nämlich Jean-Paul Sartre, der der Aussage Dostojewski zustimmt und sie zum Ausgangspunkt seiner Philosophie machte: “Dostojewskij hatte geschrieben: 'Wenn Gott nicht existierte, so wäre alles erlaubt.' Das ist der Ausgangspunkt des Existentialismus. In der Tat, alles ist erlaubt, wenn Gott nicht existiert...” Die Konsequenz der Gottesleugnung ist die Unmöglichkeit, den Begriff des Wertes als eines in sich sein sollenden Guten und als Quelle aller Normativität aufrechtzuerhalten: “Wenn wiederum Gott nicht existiert, so finden wir uns keinen Werten, keinen Geboten gegenüber, die unser Betragen rechtfertigen. So haben wir weder hinter uns noch vor uns, im Lichtreich der Werte, Rechtfertigungen oder Entschuldigungen” (Jean-Paul Sartre: L’existentialisme est un Humanisme, erstmals 1946 publiziert).

Eine weitere Konsequenz offenbaren uns die Beispiele, die Schnädelbach bringt, nämlich die Schwierigkeit, an der Unterscheidung positiver Gebote und naturrechtlicher Normen festzuhalten. Dass ich als Fußgänger bei Rot nicht über die Ampel gehen darf, ist eine rechtliche Vorschrift des Staates, die kontingent ist und der Verkehrssicherheit dient. Statt Rot könnte es auch Blau sein. Und wenn ich nachts auf menschen- und autoleerer Straße unterwegs bin, ist es nicht unmoralisch, sich über die Vorschrift hinwegzusetzen, da ihre bindende Kraft ganz in ihrer Funktionalität aufgeht: Sie erfüllt ihre Funktion im Dienst der Verkehrssicherheit nur in den Fällen, wo eine Vorrangsregelung aufgrund mehrerer Verkehrsteilnehmer notwendig ist. Bin ich der einzige, ist sie überflüssig.

Auf einer ganz anderen Ebene liegt das Verbot, meine Frau zu schlagen. Dieses Verbot gilt nicht erst aufgrund einer entsprechenden Gesetzgebung des Staates, sondern liegt in der Natur der Sache, ist also naturrechtlich. Sie betrifft ein Recht der Frau, das ihr vom Staat nicht erst verliehen worden ist, sondern von ihm lediglich anerkannt und geschützt wird. Dieses Recht gründet in ihrer Menschenwürde. Woher aber kommt diese Würde, wenn es Gott nicht gibt? Alle Versuche, den Menschen rein “von unten”, etwa durch die Evolution zu erklären, unterhöhlen diese Würde. Dann ist der Mensch bloß ein Tier mit größerem und komplexerem Gehirn oder eine “Genmaschine”, wie Dawkins meint. Dementsprechend werden von Evolutionsbiologen das Gewissen und die Moral naturalisiert, also als ein Produkt der Evolution im Kampf ums Überleben interpretiert. Dann aber verlieren alle moralischen Gebote ihre Kraft, weil ich sie als das durchschaue, was sie in Wirklichkeit sind: ein kontingentes Zufalls- und Selektionsprodukt einer in sich völlig wertneutralen, amoralischen Natur. Sie bekommen höchstens eine regulative Kraft durch die Sanktionen der Gesellschaft, die sich um ihrer eigenen Funktionsfähigkeit willen um einen Ausgleich der Interessen bemüht. Der Anarchist, der sich den Spielregeln der Gesellschaft entzieht, braucht sich nicht unmoralisch zu fühlen, da es außerhalb dieser Spielregeln keine Wertmaßstäbe gibt.

Aufs Ganze gesehen wird dann alles Handeln, wie Dostojewski an anderer Stelle sagt, “einerlei”. Ohne das Absolute wird “die Frage zum Problem, ob es besser ist, seinen Vater zu erwürgen oder nicht zu erwürgen” (Léon Bloy).

Natürlich widerspricht dies der Sollenserfahrung unseres Gewissens. Selbst wenn wir uns noch so aufgeklärt vorkommen und alle Normen durch Naturalisierung auflösen, plagt uns das schlechte Gewissen, wenn wir etwas Verbrecherisches tun. Wir haben dann zwei Möglichkeiten: Entweder den Urteilsspruch des Gewissens als Chimäre zu verachten oder ihn anzuerkennen. Wenn ich ihn anerkenne und also wie Schnädelbach meiner moralischen Einsicht vertraue, muss ich allen Naturalisierungsprogrammen des moralisch Guten widersagen und es als das nehmen, was es ist: ein Reflex Gottes als des absolut Guten.

Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt. Da haben Dostojewski und Sartre recht. Nun aber ist nicht alles erlaubt, wie ich in meinem Gewissen erfahre. Also existiert Gott.


Zum Thema: Moral ohne Gott?


Folgen des Moralverlusts

Dass dem Verlust an moralischem Verhalten, an Wertschätzung, immer auch Ent-Wertung und Enthemmung folgt, bringen Psychologen im Begriff von der “moralischen Abwärtsspirale” zum Ausdruck. Man macht Dinge, die besser nicht gemacht werden sollten. Unter diesem Aspekt ist auch die Zerstörung der Umwelt letztlich Folge einer enthemmten Wirtschafts- und Lebensweise, die in ihrem Wahn auf jegliche Rücksicht glaubt verzichten zu können. So gesehen, ist schlechte Moral nicht irgendein Kavaliersdelikt, sondern genauer betrachtet weltweit der Risiko- und Kostenfaktor Nr. 1. “Erst kommt das Fressen, dann die Moral”, kritisierte Bert Brecht eine Bürgergesellschaft, die durch Geldwahn und Völlerei sich schließlich in die Dekadenz verliert. Papst Franziskus drückt es so aus: “Der Mensch will wie Gott sein und verwüstet die Schöpfung, das Leben, die Kulturen, die Werte, die Hoffnung ... das ist es, was wir tun.”

Aus: Peter und Jakob Seewald, Welt auf der Kippe. Zu viel, zu laut, zu hohl - Macht Schluss mit dem Wahnsinn, Ludwig-Verlag, München.


Der unbedingte Anspruch des Guten

Ausgangspunkt für den Gotteserweis ist bei Splett, der 1970 über „Die Rede vom Heiligen“ habilitierte, die Erfahrung, im Gewissen von einem unbedingten Anspruch getroffen zu sein: „Das Gute soll unbedingt sein. Das Böse auf gar keinen Fall.“ Die Unbedingtheit dieses Anspruchs wird als Anruf erfahren, dem als Antwort Verehrung gebührt. Splett bestimmt Gott daher als „das Woher des so einsichtigen wie kategorisch-unbedingten Gut-Sein-Sollens.“ Über diese Grunderfahrung, vom Licht des Unbedingten getroffen zu werden und sich seinem Anspruch zu stellen und nicht davor zu fliehen, wird das philosophische Fragen zum Antwort-Geben und zum Zeugnis.

Aus: Michael Karger, Das Gebot der Stunde. Das Lebenswerk des Religionsphilosophen Jörg Splett als Aufgabe für die Kirche in Zeiten synodaler Debatten, Tagespost vom 16. Januar 2020


Lass uns lieben, was du befiehlst

In dieser Predigt stelle ich die göttliche Tugend der Liebe in den Zusammenhang der philosophischen Diskussion über Ethik von Platon bis Kant und erkläre, warum die Ethik Kants trotz ihres hohen Anspruchs einen Rückfall gegenüber der christlichen Ethik bedeutet.

Recktenwald-Predigten · 13. So. nach Pfingsten: Die Liebe als Vollendung


Zum Thema:
Der ontologische Gottesbeweis als moralischer Gottesbeweis

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