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ThemenAtheismus |
Die Welt und das Heilige Von Eduard Kamenicky Das Verhältnis zweier Größen zueinander zu bestimmen, wie sie im Titel dieser Erwägung verbunden erscheinen, ist eine ihrer Natur nach fesselnde Aufgabe. Mit Welt wird eine Instanz aufgerufen, die wir, wie immer wir denken mögen, nicht als unerheblich oder auch nur als für unser Selbstverständnis neutral ansehen können. Mit dem Heiligen tritt aber ein Wert von absolutem Anspruch ins Spiel, den wir unmittelbar als Forderung - oder, wenn nicht das, so zumindest als Herausforderung erleben. Nun könnte man wohl zu erwägen suchen, wie es mit der ‘Welt’ an sich bestellt sei, wie es um das ‘Heilige’ als solches stehe - und auch das wären ohne Zweifel Themen von beachtlicher geistiger Weiträumigkeit und existentieller Aktualität. Aber nicht das soll uns beschäftigen, sondern die Weise, in der diese so unterschiedlichen Größen zueinander gehören, aufeinander bezogen sind, aneinander grenzen, einander ausschließen, je nachdem, wir wissen das noch nicht, die Weise, kurz gesagt (ohne ein Resultat vorwegzunehmen), in der sie entsprechend ihrer objektiven Eigenart und Funktionalität von uns im Erkenntnisvollzug sachgerecht miteinander verknüpft oder voneinander getrennt werden müssen. Die Absicht, solches zu sehen und darzustellen, sieht sich jedoch sogleich mit dem Problem konfrontiert, das die zu treffende Wahl der erforderlichen gedanklichen Basis aufwirft, die selbst wieder die zu unserem Ende anzuwendende Methode vorschreiben wird. Derartige mögliche Ausgangspositionen gibt es indes nicht nur sehr viele, sondern auch ihrer formalen und inhaltlichen Bestimmung nach äußerst differente, so daß die Wahl zwischen ihnen schon unter dem Gesichtspunkt voraufgehender gedanklicher Einigkeit unter allen, die dieser Entwicklung folgen sollen, nicht leicht fällt. Für das Verständnis von Welt bieten sich nicht weniger Möglichkeiten an, als es in spekulativer Reflexion prinzipiell vollziehbare Welt-Anschauungen gibt, wogegen für die Interpretation des Heiligen zumindest das ganze Spektrum des religionsphänomenologisch Aufweisbaren sowie des religionsphilosophisch Begründbaren offensteht. Halten wir uns ferner noch vor Augen, daß nicht jede bestimmte Weise der Welt-Anschauung auch schon eine ganz konkrete Auffassung bezüglich des Heiligen involviert, noch umgekehrt jede besondere Sicht des Heiligen uns auf eine je einzige mögliche Betrachtung von Welt beschränkt, wird klar, daß die sich daraus potentiell ergebende, schier unbegrenzte Ideenkombinatorik ein positiv nicht beendbares Gedankenspiel grundsätzlich zuließe. Da es im Rahmen dessen, was wir hier vorhaben, nun nicht möglich ist, in kritischer Aussonderung aus allen möglichen Weltauffassungen philosophischer Art jene herauszuarbeiten, die wir als die zu zielstrebiger und fruchtbarer Behandlung unseres Themas geeignete, ja schlechterdings geforderte übereinstimmend begreifen und anerkennen, noch etwas Entsprechendes hinsichtlich des Heiligen propädeutisch vorgenommen werden kann, müssen wir wohl einen ganz anderen Weg beschreiten. Wir meinen den Ansatz in der Spontaneität unseres zunächst unreflexen (und darum übereinkommenden) Begriffsverständnisses und den Fortgang in der schlichten Analytik seiner Implikationen. Jede philosophische Behandlung des Problems ‘Welt’ und des Problems des ‘Heiligen’ (wie jedes anderen je thematisch zu machenden Denkgegenstandes ) setzt ein elementares Vorverständnis des betreffenden Begriffes und des in ihm zumindest intentional Begriffenen, wenn auch sachlich noch keineswegs Durchschauten voraus. Ohne bei ‘Welt’ oder ‘das Heilige’ etwas Sinn-Eindeutiges zu denken, ist jede vernünftige Auseinandersetzung mit ‘Welt’ oder mit ‘dem Heiligen’ und erst recht jede intersubjektive Verständigung darüber undenkbar. Anders ausgedrückt: wir wissen schon immer, ehe wir wissen - was bloß paradox klingt, ohne es zu sein -, das heißt wir müssen uns bereits im Raum einer fundamentalen Klarheit bewegen, um Erkenntnis in concreto vollziehen zu können. Gewiß ist dieser Umstand dem Ideal vollkommener Voraussetzungslosigkeit des Denkens entgegen. Dieses Ideal verlangte, bildlich gesprochen, nicht weniger, als daß unser Auge Quelle des Lichtes sei, in dem sich die Dinge zeigen; daß, anders gewendet, unser Erkennen nicht rezeptiv, sondern schöpferisch wäre, indem es dem Sichtbaren etwas wie Sichtbarkeit verliehe. Das ist allerdings nicht der Fall. Allein in einem bereits irgendwie erhellten Raum erweist sich das Auge als tauglich; nur im Bereich eines prinzipiell Verstehbaren und unmittelbar schon im Kern Verstandenen wird Vernunft in der ihr eigenen Weise wirksam. Daß dies von einer bestimmten Seite sehr deutlich auf die Bedingtheit unseres Denkens, auf die Nicht-Absolutheit unserer geistigen Existenz verweist, ist kein Grund, sich diesem Faktum zu verschließen. Wir können die elementaren Voraussetzungen unseres Denkens nicht entbehren, ja sie sind uns im Fortgang desselben, wie die Entfaltung unseres Themas noch zeigen soll, immer wieder aufs neue als kostbare Gegebenheiten hilfreich. Der für uns als notwendig erläuterte Schritt zurück in das elementare Vorwissen um ‘Welt’ einerseits und um ‘das Heilige’ andererseits macht uns zunächst bewußt, wie sehr wir diese Begriffe längst wissenschaftlich, doktrinär und ideologisch. angereichert haben, gewiß nicht bloß aus eigener Reflexion, sondern in der detaillierten oder komplexen Übernahme von sehr vielem schon je darüber Gedachten. Es wird vielleicht sogar einige Mühe kosten, von diesem Zuwachs gedanklicher Art abzusehen und das Wort jeweils auf das mit ihm ursprünglich Gemeinte und auch von uns in ihm anfänglich Verstandene zu reduzieren. Wir wollen es einmal versuchen. ‘Welt’ entpuppt sich im Vorgang solcher Rückführung und Entkleidung als quantitativer Begriff. ‘Nicht dieses bloß’ und auch ‘nicht jenes nur’ und auch nicht ‘dieses sowohl als jenes zusammen mit noch anderem unter Ausschluß von irgendeinem’ ist ‘Welt’, sondern grundsätzlich eben ‘alles zusammen’. Welt meint elementar ein totum, ‘das Ganze insgesamt’. De facto die Summe des Erfahrenen oder auf analoge Weise Erfahrbaren (womit man bloß wegen seiner Fülle niemals zurande kommt) zu ziehen, ist dem Menschen nicht möglich. Er greift, unmittelbar getroffen von dem, was da ist, was ihm begegnet, was ihn affiziert, was er vorfindet, worin er sich vorfindet und was er zunächst ohne einzelne Schritte der Reflexion ‘in ictu et in intuitu’ erfaßt, sprachlich jeder positiven, um Bestandsaufnahme des Einzelnen bemühten, und jeder spekulativen, nach Deutung des Gesamt strebenden Wissenschaft voraus, indem er ‘Welt’ sagt, ‘Welt’ versteht und sich in seinem Verhalten in den verschiedensten Graden der Deutlichkeit auf ‘Welt’ bezieht. Das spontane Verständnis des vorwissenschaftlichen Weltbegriffes, auf das wir zurückgreifen, schließt jedoch noch einige andere Momente in sich, die wir, ihrem Charakter gemäß, in aller Schlichtheit beschreiben wollen. Das ‘alles zusammen', auf das wir als für Welt kennzeichnend verwiesen haben, deutet bereits auf ein Mehr als eine additive Größe im Sinne von Summation. Es signalisiert eine instinktiv erfaßte und mit dem Weltbegriff als solchen postulierte vielfache Wechselbezogenheit und Verflechtung all der vielen Einzeldinge, Kräfte und Vorkommnisse, die die Welt ausmachen. Sicher liegt diese Elementarerwartung vor jeder durchformulierten Erfassung der Welt als einer konkreten Ordnung, als Kosmos von durchgehender, wie immer auch gedachter Gesetzlichkeit. Aber daß die verschiedenen distinkten Weltgrößen auf Grund ihres gemeinsamen Diese-Welt-Bildens etwas Typisches miteinander zu tun und füreinander zu bedeuten haben, muß auch als dem urtümlichsten Weltverständnis eigen erkannt werden. An dieser als selbstverständlich angenommenen immanenten Bezugsstruktur der Welt, die ihre innere Rationalität gleichsam in einer ersten, archaischen Form zum Ausdruck bringt, hangen zwei weitere Momente, die wegen des hohen Grades ihrer Plausibilität leicht übersehen und gar nicht mehr als in solcher elementarer Begriffsanalyse heraushebbare Faktoren verstanden werden. Das Eine ist die mit einfließende Grundüberzeugung von der Realität und Objektivität dieser derart konstatierten und unentwegt erfahrenen Welt, die nur als eine de facto seiende und sozusagen de iure gültige die Bedeutung ihrer Einzelkomponenten füreinander verbürgen kann. Das Andere ist die dem unmittelbaren Weltkontakt des Menschen selbst entnommene oder besser: die mit diesem unausweichlich gegebene Klarheit über die Zugehörigkeit des Menschen zu dieser Welt und seine Eingeordnetheit in sie, was die Welt im Bereich ihres Elementarverständnisses, in dem wir uns hier bewegen, trotz ihrer tatsächlichen Unüberblickbarkeit für den Einzelnen und Unbeherrschbarkeit im Ganzen doch zu einer dem Menschen gegenüber prinzipiell offenen Größe macht, in der auch die gewaltigsten Dimensionen immer noch in einer formulierbaren Relation mit dem Maß des Menschen verbleiben. Nur unter dieser stillschweigenden Voraussetzung, die demnach eine weitere Implikation unseres elementaren Weltbegriffes darstellt, kann Welt dem Menschen als etwas in weitester Bedeutung Sinnhaftes gelten. Reale Gegebenheit und objektive Gültigkeit der Welt einerseits und faktische Eingebundenheit des Menschen in diese andererseits bringen aber zugleich das weitere Urmoment der universalen Verbindlichkeit jener seienden Welt für den in ihr seienden Menschen mit sich. Zuletzt wäre noch darauf zu verweisen, daß die unter der Wortchiffre ‘Welt' gemeinte Totalität ursprünglich für den Menschen keine absolute ist. Welt umfaßt wohl begriffsimmanent ‘alles', aber eben alles, was zufolge seiner Welthaftigkeit zur Welt gehört. Man verzeihe diese vermeintliche Tautologie, die hier auf etwas Wesentliches aufmerksam zu machen hat. Wir setzen nämlich gleichursprünglich mit Welt und mit der gleichen Instinktsicherheit für das schlechterdings Gegebene einen Bereich des Nicht-Weltlichen an, mag sich diese Überzeugung nun sprachlich eher in Richtung einer Über-Welt oder einer Unter-Welt artikulieren, sei es als Himmel oder Hades, Sche'ol, Orkus, uranoi und dergleichen, womit aber der Sache nach immer wieder ein ,Jenseits' zum Unterschied von der diesseitigen Welt - bei im einzelnen recht unterschiedlicher Klarheit der Transzendenz desselben - intendiert wird. Solche elementare Berücksichtigung eines Bereiches ganz anderer Art, dem positiv das Numinose, das Göttliche zugeordnet erscheint, relativiert von Grund auf die erwähnte Totalität von ,Welt' zu einer Ganzheit des Weltlichen, in der unbeschadet ihres echten Weltseins bestimmte Größen außerweltlichen Charakters von Haus aus nicht mitgedacht werden. - Soviel zunächst zu jenem universalen Vorwissen betreffend Welt, von dem wir hier auszugehen haben. ‘Das Heilige' erweist sich hingegen auf der gleichen Ebene unreflexen Vorverständnisses des mit ihm Gemeinten als ein qualitativer Begriff. Wer das Wort ,heilig' kennt und vernünftig gebraucht, drückt damit in jedem Falle etwas von höchstem Wertrang aus, woraus die Rolle dieses Begriffes im Dienste nicht der Feststellung, sondern der Einschätzung einer Realität resultiert. Das macht sofort deutlich, wie verschiedenartig die Begriffe ,Welt' und ‘das Heilige' sind, so daß sie schon auf Grund ihrer ersten Kennzeichnung und Klassifizierung nicht ohne weiteres aneinander gereiht werden können. Dazu kommt, gerade was den Begriff ,Welt' angeht, das Bemerkenswerte, daß es sich bei dem ‘Heiligen' nach ursprünglichem Verständnis um einen Wert handelt, der eben der Welt als Welt und den Dingen der Welt (im weitesten Sinn) an sich offenbar nicht zukommt. Im Gegenteil. Die Qualität des Heiligen scheint zunächst als eine genuine Eigenschaft jenem Bereich des Überweltlichen vorbehalten, den wir im Interesse der klaren Abgrenzung von ,Welt' in deren Vorverständnis erwähnt haben, und zwar insoferne diesem in positivem Sinne das Numinose zugeordnet wird. Es dürfte demnach nicht bloß formal, von der Begriffsstruktur her, sondern auch material, unter Rücksicht auf die in unseren beiden Begriffen implizierten Grundaussagen, die Verknüpfung eben dieser Begriffe schwierig sein. Die schrittweise Analyse des im Begriff des ,Heiligen' Eingeschlossenen verdeutlicht die genannte Schwierigkeit der vorschnellen Verbindung des in ,Welt' und ,Heiligem' grundsätzlich Ergriffenen. Denn es läßt sich auch das mit dem ‘Heiligen' Gemeinte in einzelnen Momenten etwas näher entfalten. Über das allgemein Axiologische und für die Welt typisch Nicht-Relevante hinaus eignet dem Heiligen das merkwürdige Spezifikum, in sich unwiderlegbar zu sein. Angenommene Fakten können durch den nachfolgenden Erweis ihres Nichtbestehens desavouiert, ästhetische Urteile von der Geltung der ihnen zugrunde gelegten Maßstäbe wie von der Anwendbarkeit derselben hinsichtlich der beurteilten Objekte wie vom Genügen derselben jenen Maßstäben in Frage gestellt werden. Das Heilige ist seinem Wesen nach unanfechtbar, gerade weil es nicht dem vielfältig verflochtenen Bedingungszusammenhang ,Welt' angehört noch der Beurteilung von diesem her unterliegt. Dem Heiligen ist nämlich als Wert eben das eigen, was der Welt in ihrem Sein und ihrem Sinn charakteristisch mangelt: die Absolutheit. Wollen wir dieses Moment des Heiligen inhaltlich näher bestimmen, werden wir auf der Ebene des elementaren Verständnisses dieses Begriffes nicht viel weiter kommen als zur Umschreibung: ,schlechthin höchste Vollkommenheit', worin als Dominante eine nur mehr theoretisch und keineswegs empirisch faßbare größte Steigerung dessen figuriert, was wir als ,gut' bezeichnen. Es bleibt aber festzuhalten, daß hier der Versuch einer Einschränkung des eben Gesagten auf den Bereich des Ethischen als minder entsprechend gelten muß im Vergleich zu einer Auffassung des zuletzt herangezogenen Wertbegriffes ,gut', die dessen ontologische Weite und Bedeutsamkeit berücksichtigt. Ein sehr wichtiges Moment des Heiligen wird in der Besinnung darauf zugänglich, daß die Aussage, ,heilig' zu sein, ursprünglich überhaupt nicht von etwas, sondern von jemandem gilt: nämlich allein von der Gottheit. Auch das steht in klarem Zusammenhang mit der bereits getroffenen Feststellung, daß ,Welt' im ganzen zunächst keinen Anwendungsbereich für einen Begriff darstellt, der ,inbegrifflich' das Nicht-Welthafte, eben das Göttliche, in seinem Wie erfaßt. Erst abgeleitet gebrauchen wir den Begriff des Heiligen auch von weltlichen Größen: von Dingen, Orten, Zeiten, Menschen, Ereignissen und so weiter, aber, was keine Frage sein kann, jeweils nur auf Grund einer klaren Beziehung besonderer Art, in die jene Größen zu der an sich heiligen Gottheit treten. An diesem Punkt ist wohl eine Bemerkung am Platze, welche dem möglicherweise entstehenden Eindruck, wir möchten mit dem hier Gesagten an bestimmten Resultaten der religionswissenschaftlichen Forschung vorbeiphilosophieren, Rechnung trägt. Da wir, wie betont, den Ansatz in der Spontaneität unseres zunächst unreflexen Begriffsverständnisses suchen, sowohl was ,Welt, als auch was ,das Heilige' betrifft, ist darin im Grunde schon der Verzicht auf die gedankliche Einholung und den Wiedergewinn einer aller menschheitlichen Erfahrung vorausliegenden und in ihrer Frische wie Eigenart übrigens unwiederbringlichen Ur-Haltung des Menschen gegenüber dem Heiligen und des dieser Haltung entsprechenden Begriffsgebrauchs ausgedruckt. Dennoch soll nicht übergangen werden, daß sich in den größeren Zusammenhängen, die sich dank der wissenschaftlichen Sicherung zahlreicher anderer, unserer Erfahrung vorausgehender oder auch unser Denken auf anderen Ebenen begleitender Positionen unserem Begriff und seinem Gehalt gegenüber herstellen lassen, unser spontanes Verständnis des ,Heiligen' im Vergleich zu anderem solchen, in sich nicht weniger spontanen, einen bestimmten Klarheitsgrad aufweist, eine konkrete Stufe in der Ausfaltung dieses Begriffsdenkens repräsentiert, die indes, wie kurz angedeutet werden soll, von jenen erwähnten anders gearteten Verständnissen nicht relativiert, sondern eigentümlich bekräftigt erscheint. So gibt uns etwa die Religionswissenschaft aus der Begriffsgeschichte des ,Heiligen' zu bedenken, daß im Bereich der primitivsten Kultur gleichsam nur Vorstufen seiner Erfassung begegnen, auf welchen man eine klare Gegenüberstellung von ,Heiligem' als dem Anderen, Abgesonderten und von der unmittelbaren Lebenswirklichkeit in Schauern als fremd Erfahrenen einerseits und eben dieser Realität des täglichen Umgangs andererseits sowohl dem Wort wie der Sache nach fast ganz vermissen wird. Sie erinnert aber auch an die sehr lange vorherrschende Ambivalenz zwischen Hypostasierung des Übernatürlichen in Göttergestalten und einer verfließenden Sphärenhaftigkeit, von der das numinose Erfahren des Menschen trotz jener weithin geprägt bleibt. Es ist nicht zu übersehen, daß erst im Schritt von der Hierophanie zur Offenbarung im Sinn des biblischen Wissens um Gott auf Grund akthaften, persönlichen Sichkundgebens Gottes jene begriffliche Klarheit hinsichtlich des Heiligen erreicht wird, von der wir bereits problemlos ausgehen. Dieser Hinweis bedeutet aber nicht, daß unser Vorgehen illegitim beziehungsweise unser Rückgriff auf das erwähnte Vor-Wissen um das Heilige nicht radikal genug wäre. Er macht bloß deutlich, wie sehr unser elementares Denken und Sprechen vom Heiligen - auch und gerade dort, wo wir nicht darauf reflektieren - unter dem nicht aufzuhebenden oder auch nur methodisch auszuschaltenden Eindruck der Entscheidung steht, die durch die tatsächlich geschehene Offenbarung bezüglich der genannten frühen Ambivalenz im Erleben des Heiligen zugunsten der Erfassung Gottes als ,des Heiligen schlechthin' gefallen ist. Im Licht dieser Klarheit wird übrigens sichtbar, in welchem Maße alle, religionswissenschaftlich so ungeheuer mannigfaltig abgetönten Verständnisse unseres Begriffes auf jenen Inbegriff und Quell allen Heiligseins hin konvergieren, der sich in Gott erschließt, und in welchem Sinne sie die von uns bereits erwähnte legitime Anwendung des Begriffs des Heiligen auf welthafte Größen in tastender Ahnung der realen Konnexe vorbilden. Dieses Moment der möglichen und in bestimmten Fällen auch faktischen Anwendung des Begriffes des Heiligen auf Weltliches hebt eine letzte Facette an dem hier analysierten ursprünglichen Verständnis unseres Begriffes heraus: nämlich Ideal von Seinsvollkommenheit zu sein, das an sich Nicht-Heiliges in eine bestimmt gestufte Hinordnung zum Heiligen bringt, worin sich ein konkreter Sinn und Wert auch für das wesenhaft Weltliche ankündigt, sofern es in seinem einer Vervollkommnung fähigen Sein betrachtet wird. Diese Erwägung führt uns zu einem ersten Zwischenresultat, das offensichtlich, was die objektiven Inhalte unserer beiden Begriffe betrifft, auf ein Verhältnis des Gegensatzes verweist, der zwar an diesem Punkt nicht näher erläutert oder gar metaphysisch begründet werden kann, der aber zumindest in der hier in primären Wirkungen hervortretenden und in sich unausschaltbaren Dualität von Gott und Welt ein Moment einleuchtender Verdeutlichung besitzt. Da der Begriff des Heiligen als einer höchsten Eigenschafts- und Wie-Bestimmung dem gedanklich zugeordnet werden muß, von dem er in begriffsevidenter Weise und sohin unwidersprochen gilt, da aber der andererseits hauptsächlich erwogene Weltbegriff hinsichtlich seines Inhaltes eklatant nicht jene Größe erschließt, der das Heilig-sein genuin zukäme, werden die Welt und das Heilige geradezu zwangsläufig und mit jener Automatik des Logischen, dem sich schließlich keine vernünftige Gedankenentwicklung entziehen kann, in eine bipolare Position zueinander gebracht, in der die wesenhaft heilige Gottheit und ihre außerweltliche Sphäre im Gegenüber zu einer wesenhaft nichtheiligen Welt und ihren Faktoren zum gedanklichen Modell und zur Grundthese einer in diesem Sinne strikt dualistischen Philosophie werden, aus deren so zwingend erscheinendem Entwurf wie in der Folge aus deren einzelnen Konsequenzen für das Verständnis von Welt und Mensch es augenblicklich kein Entrinnen gibt. So einfach liegen nun die Dinge durchaus nicht. Ein erster Schritt in die Distanz kritischer Reflexion und die erhobenen Fakten wechselseitig interpretierender Zusammenschau macht klar, daß wir uns mit der Annahme eines etwas primitiven Schwarz-Weiß-Dualismus von unheiliger Welt und heiligem Gott einer groben Simplifizierung, ja Verfälschung der tatsächlichen Gegebenheiten schuldig machten. Einige Überlegungen, die sich wie von selbst an das anschließen, was wir uns bereits vergegenwärtigen durften, vermögen dies unschwer aufzuzeigen. Wir haben im Versuch des gedanklichen Rückganges auf unser zunächst unreflexes Begriffsverständnis im Falle von ,Welt' erwähnt und berücksichtigt, daß wir uns spontan auf Welt beziehen und zu Welt verhalten, was unausgesprochen die Überzeugung zum Ausdruck bringt, daß im Raum des uns erschlossenen Wirklichen durchgehende Gesetze herrschen (die uns sozusagen vor der prinzipiellen Überraschung bewahren und die selbstverständliche Auswertung dessen ermöglichen, was wir Erfahrung oder auch fraglose Welterwartung nennen) und daß in diesem Bereich, den wir anders zu Unrecht als Welt betrachteten und bezeichneten, universale Beziehungen wirksam sind. Es ist durchaus irrig anzunehmen, daß damit bereits Momente in unsere Erwägung einbezogen werden, die bestenfalls späte Ergebnisse philosophischer Forschung und wissenschaftlicher Synthese sind. Wir dürfen nicht das Faktum mit seiner Formulierung verwechseln. Gewiß gibt sich der Mensch auf der Ebene des erläuterten Vorwissens um Welt und im Vollzug seines spontanen Weltverhaltens nicht in der hier vorgelegten Weise Rechenschaft von den Voraussetzungen und Implikationen seines Tuns. Der Sache nach wird aber eben das angenommen und als ein immer neu Sich-Bewährendes erfahren, was wir hier mit Hilfe der philosophischen Terminologie für unser gemeinsames einhelliges Verständnis prägnant und eindeutig zu machen wünschen. Die Elementarität des von uns hier Herangezogenen in den Grundüberzeugungen des Menschen betreffend die Welt, in der er sich vorfindet, kann negativ vielleicht noch eindrucksvoller aufgewiesen werden: wollten wir die eben erinnerten Momente unseres ursprünglichen Welt-Verständnisses samt allen ihren Auswirkungen prinzipiell in Frage stellen, würde die geistige Existenz des Menschen - und eine andere als diese steht ihm als Mensch gar nicht offen - nicht nur gegenstandslos, aller Resonanz und allen Sinnes bar, sondern in sich unmöglich. Dies stellt aber zweifellos auch bei sehr großer Skepsis sicher, daß wir mit der erwähnten Grund-Annahme bezüglich der Welt im weiten Rahmen einer noch ganz undistinkt verbleibenden und im Einzelnen wie im Ganzen undurchschauten Rationalität offenbar recht haben. Diese innere Gesetzlichkeit und geistige Beziehungsfülle der uns erschlossenen Welt bringt im Zusammenhang unserer Überlegungen als erstes Faktum die Annahme zweier, einander strikt ausschließender und gegeneinander unüberbrückbar abgesetzter Sphären ins Wanken. Denn solche dem Menschen universal vorgegebene Vernünftigkeit und Ordnung jenes Gesamt, das er Welt nennt, plädiert sehr deutlich für eine Offenheit dieser Welt nicht nur dem Ordnung rezipierenden und verwertenden Menschen gegenüber, sondern auch in Richtung auf einen anderen Bereich, der zufolge nicht-rezeptiver, sondern creativer Rationalität eine solche Ordnung urgründig zu unterfangen imstande wäre. Das heißt mit anderen Worten: unsere ursprüngliche Welterfahrung und die sie beinhaltenden Momente unreflexer Welteinsicht legen durchaus keine Abgeschlossenheit der Welt einer anders gearteten Sphäre gegenüber nahe, sondern postulieren indirekt geradezu das Gegenteil. In der uns in der hier gemeinten, sehr allgemeinen Weise ,erschlossenen' Welt finden wir nun nicht nur die Vielzahl und Vielfalt jener typischen Welt-Dinge, deren wir, unsere Gedanken natürlich illustrierend, zwischen den Zeilen bisher gedacht haben und die sich fast unvermeidlich in unserem Denken in den Vordergrund drängen, wenn das Stichwort ,Welt' fällt, wir finden ebenso in ihr, was hier eigens bedacht werden muß, die geistigen Größen vor, wie etwa auch die Idee des Heiligen. Es ist eine durchaus geläufige und begreifliche aspektbedingte Fehlleistung, als mit der Bestandsaufnahme von Anwesendem Befaßter sich selbst und seine Anwesenheit (und erst recht das geistige Faktum der Bestandsaufnahme selbst!) zu vernachlässigen. Wer inmitten eines Kreises stehend die Zahl der gegenwärtigen Personen festzustellen bemüht ist, vergißt leicht darauf, sich mitzuzählen. Analog besteht eine gewisse Neigung bei uns, Welt unter charakteristischer Ausklammerung des Menschen oder, in gesteigerter Deutlichkeit, des Ich, vor allem aber ohne die nötige Berücksichtigung aller jener geistigen Größen zu denken, die wir als vernunftimmanent dem Menschen als dem Subjekt, welches das Objekt Welt hat, reservieren. Die mentalen Größen und das in ihnen Erfaßte fällt allzu leicht in den toten Winkel jenes geistigen Sehfeldes, in dem uns ,Welt' erscheint. In bewußter Vermeidung dieses Fehlers stellen wir also klar, daß der Mensch trotz seiner Subjektivität und Subjektrolle samt seinem Denken und dessen Inhalten in die umfassende Objektivität der Welt gehört und mit seinen Vernunftleistungen selber ein Aspekt jenes Votums der Wirklichkeit ist, das wir in wissenschaftlicher Redlichkeit als eine für unsere Einsicht verbindliche Größe zur Kenntnis nehmen müssen. Daß damit nicht die materiale Richtigkeit alles Gedachten (zufolge seines faktischen Gedachtwerdens) oder gar alles Denkbaren behauptet, sondern bloß die reale Faktizität des Gedankens beispielsweise als einer für die Welt im ganzen ebenfalls signifikanten Komponente in Erinnerung gebracht sein soll, versteht sich von selbst. Ebenso dürfte deutlich sein, daß das Erleben der Welt als eines gewissen Gegenübers zum denkenden und handelnden Menschen keine echte Instanz gegen die hier urgierte tätige und zu Konsequenzen bereite Einbeziehung des Menschen und seiner Gedanken in diese Welt darstellt, da ein derartiges, wirkliche Welthaftigkeit verbürgendes Einbezogensein des Menschen und seines Denkens in die Welt eine wesentliche Voraussetzung jenes elementaren Verhaltens des Menschen zu Welt bildet, das in seinem unreflexen Verständnis des Weltbegriffes zum Ausdruck kommt. Die ideelle Präsenz einer an sich unweltlichen Größe, wie sie das Heilige darstellt, im Denken des Menschen und damit in Welt ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, sondern wäre unter Zugrundelegung der Richtigkeit jenes erwähnten simplen Dualismus gar nicht möglich. Welt und Nicht-Welt als geistiger Raum der Gottheit wären einander so fremd, so unvergleichbar, einander so sehr abgewandt und entgegengesetzt als auch gedanklich in einander nicht übersetzbare Bereiche, daß sich die ideelle Konzeption und mentale Rezeption von Göttlichem, wie es das Heilige ja in sich ist, im Denken des Menschen von selbst verböte. Da nun aber das Heilige ohne Zweifel in unserem Denken an hervorragender Stelle figuriert, ist auch von dieser Seite her das Bedenken eines Aufeinander-zu jener beiden Bereiche erforderlich. Des weiteren haben wir feststellen können, daß unser Erkennen nicht schöpferisch, sondern stets in irgendeiner Form rezeptiv ist, insoferne es sich in jenem immer schon erhellten Raum zu orientieren hat, der sich uns öffnet. Wir erhellen ihn nicht selbst zum Zwecke grundlegenden Vernünftig- und sohin Erkennbar-machens der Dinge, noch gar nicht in der Vornahme primärer Sinnstiftung, sondern wir erfreuen uns kraft der Vernunft seiner Helligkeit und dank seines Lichtes des geistigen Auges, das uns zum Schauen in dieser Helle eigen ist. In artgerechter und seiner Bestimmung entsprechender Anwendung jener Fähigkeit erfassen wir nun, worauf wir ebenfalls bereits verweisen konnten, das Heilige als in ihrem Wert unproblematische Seinseigenschaft eines in sich heiligen Wesens, das wir Gott nennen, sowie, in Ableitung von diesem Heiligen kath'exochen, als mögliche Eigenschaft von weltlichen Dingen, Orten, Zeiten, Ereignissen und so fort, welchen das Heiligsein zukommen kann, wenn sie in ein bestimmtes Verhältnis zu dem heiligen Gott treten beziehungsweise in ein solches gesetzt werden. Das heißt mit anderen Worten: im Ganzen uns vorgegebener Sinnzusammenhänge erfassen wir das wirkliche Heilig-sein eines Un-Weltlichen und das mögliche Heilig-sein von Weltlichem, wobei ,heilig' als Begriff durchaus univok verstanden, wenngleich ,Heiligkeit' als konkrete Ausprägung des Heiligseins bei allem Weltlichen, von dem es gelten kann, immer nur analog zum wesenhaften Heiligsein der Gottheit gefasst wird. Darin bejahen wir echte Vorbildlichkeit des Nicht-Weltlichen für Weltliches, die Möglichkeit der Ausformung jenes in diesem, die Möglichkeit der Verähnlichung dieses mit jenem. Daß solche Überzeugungen noch deutlicher in die Richtung einer die beiden Bereiche umgreifenden Sinnganzheit weisen, bedarf keiner besonderen Betonung. Vor allem bedeutsam an dieser möglichen und notwendigen Feststellung ist der Umstand, daß sie die einander so fremden Größen der Welt und des Heiligen in den Geltungsraum eines Begriffes führt. Ist doch nicht nur, isoliert gleichsam, vom wesenhaften Heiligsein Gottes und vom möglichen Heiligsein oder Heiligwerden weltlicher ‘Dinge’ die Rede, sondern es wird in dem Gesagten zum Ausdruck gebracht, daß das Heilig-sein als Seinsvollkommenheit keinem Seienden in dessen Sein vollkommen fremd sein kann - was implizit wohl eine Anwendung dessen bedeutet, was die Philosophie analogia entis nennt. Ja noch mehr: Wenn das Heilig-sein als zutreffende Formulierung des Seins Gottes, der seinem Begriffe nach als das Absolute in dem schon gestreiften Unterschied zur Welt verstanden werden muß, figurieren kann, ist mit einem solchen Synonym für das Sein des Absoluten (und mithin das absolute Sein) zugleich etwas Entscheidendes über jegliches Sein, jede mögliche Weise zu sein ausgesagt. Konsequent hätte daher nicht nur eine konkrete, gleichsam ad hoc gestiftete Relation einer weltlichen Größe zu Gott deren bestimmte derivate Heiligkeit zur Folge, sondern müßte es jeglichem Seienden, wobei wir nun in metaphysischer Weite gerade an alles welthaft Seiende denken, als solchem, das heißt in seinem im Vergleich zum absoluten ebenfalls je derivaten Sein zukommen, zutiefst von einer derartigen seinshaften Heiligkeit signiert zu sein, die in allen Graden der Abschattung allem, bis zum Letzten, das da ,ist', zuerkannt werden müßte. An diesem wichtigen Punkt unserer Erwägung, an dem eine völlige Wendung in der zunächst vermuteten Fremdheitsrelation zwischen der Welt und dem Heiligen zum Durchbruch kommt und an den uns die Reflexion über früher möglich gewordene einzelne Feststellungen geführt hat, wird uns ein weiteres Zeugnis unseres allgemeinen Denk- und Sprachverhaltens bewußt, das uns eine unerwartete Bekräftigung dessen liefert, was hier den Anschein einer den Kontakt mit den Realitäten verlierenden Spekulation gewinnen könnte. Es ist uns nämlich nicht nur die Rede von der Heiligkeit Gottes und der Heiligkeit Gott geweihter Personen und Gegenstände geläufig, sondern ebenso die von der Heiligkeit des Menschenlebens etwa, des Lebens überhaupt, des Ganzen der Natur und ihrer Kräfte, der inneren Wesens- und Wachstumsgesetze, unverbrüchlicher Weltordnung und so fort. Hier wird, wenn wir das darin Gemeinte und zum Ausdruck gebrachte rückübersetzen in die Sprache unserer philosophischen Erwägung, jeweils das Seiende in dem ihm eigenen, ihm zukommenden, für es richtigen Sein ,heilig' genannt. Dieses Heilig-sein bedeutet in den erinnerten Zusammenhängen sicher keine sittliche Qualität, in sich auch kein ethisches Postulat, wenngleich es einen solchen Imperativ von uneinschränkbarer Geltung mit sich bringt. Es besagt vielmehr eine fraglose Unantastbarkeit, das unaufhebbare Recht des Richtigen, des Zustehenden, des Wesensentsprechenden, des je Konstitutiven. Dieses Recht wird bemerkenswerter Weise, als an objektiven Realitäten hangend, auch dort nicht aufgehoben oder eingeschränkt, ja überhaupt nicht tangiert, wo die Möglichkeit freier Entscheidung des Subjektes das im eigenen Sein als richtig und darin als gesollt Vorgezeichnete gefährdet und der Mensch diese Möglichkeit zur Verleugnung der eigenen Seinswahrheit mißbraucht. Auch das Leben des Mörders ist heilig. - Wir brauchen diesen Hinweis auf das spontane Verständnis für das zutiefst Heilig-sein des Seins in seiner Ordnung und als Wert in sich nicht im Spektrum der vielen hier sich anbietenden Beispiele entfalten, um deutlich zu sein. Der allgemein gespiegelte Sachverhalt interpretiert sich selbst. Die zuletzt möglich gewordenen Conclusionen und Ausblicke philosophischer Natur gestatten uns, die Formulierung eines zweiten Zwischenresultates zu versuchen, das nun in metaphysisch vertiefter Schau die Akzente anders zu setzen vermag. Die in der Spannung von Gott und Welt erschlossene Zweiheit grundverschiedener Bereiche erweist sich im Licht der Bedingtheitsrelation zwischen Nichtabsolutem und Absolutem auf Grund der Heiligkeit als wesentlicher Qualität des Seins des Zweitgenannten, also des Absoluten, nicht als Dualität eines Nebeneinander oder gar Gegeneinander, sondern als umgreifende Ordnung eines in allem Sein sich erschließenden Gesamt, in welchem jeder Weise zu sein als einer solchen etwas von der als ,heilig' inbegrifflich umschriebenen universalen Eigenart und Urqualität des als Gott erfaßten Absoluten zukommt. Das für das Un-Weltliche Wesentliche - das für das Weltliche Tiefste: dies wäre, überraschend genug, das Fazit auf der gegenwärtig erreichten Höhe unserer Betrachtung. Es ist einsichtig, daß sich auf der Grundlage einer solchen orientierenden Bestimmung eine ohne Zweifel anregende und im einzelnen nicht wenig unerwartete Entfaltung theonomer Weltinterpretation, aber auch kosmogener Theologie leisten ließe. Daß das der Gottheit urgründig und in seiner Art einzig Eigene zur bestimmenden Komponente im Grundriß jeder kontingenten Existenz wird, erschließt gewiß als theoretisch begründete und programmatisch formulierbare Seinsintention für das in seiner unhemmbaren Dynamik so schwer deutbare Welt-Ding einen unverhofften Horizont. Aber auch das Verständnis irdischer Seinsvielfalt als Explikation eines zunächst im Unzugänglichen entzogenen göttlichen Wesens entbehrt angesichts schlüssiger Zulässigkeit derartiger bis ins Partikuläre durchzuführender Weltdeutung nicht einer eigentümlichen Anziehungskraft. Trotzdem muß, ehe eine solche Auswertung bisher möglich gewordener Aussagen statthaben kann, auf die innere Ambivalenz der zuletzt erreichten Sicht des Verhältnisses von ,Welt' einerseits und dem ,Heiligen' andererseits verwiesen werden. Daß das, was wir ,das Heilige' nennen, zufolge der getroffenen Feststellungen den tiefsten Gehalt der Seins-Anlage jeglichen Seienden in seinem Sein darstellt, bildet nur die eine Seite dessen, was hier gesehen werden kann und muß. Denn daß sich diese im göttlichen Bereich vollkommen gegebene und wirksame Seinseigenheit in dem, was wir unterscheidend als ,weltlich' bezeichnen müssen, nur im Grunde und wie von ferne andeutet, kann uns bezüglich desselben zufolge seiner wesentlichen Unabgeschlossenheit nicht genügen. Gerade ein urgründig Gegebenes, das den Charakter sinnweisender Bestimmung den von ihm Betroffenen aufgeprägt, lenkt unseren Blick auf ein noch Unvermochtes, aber wohl zu Erreichendes, das in eben jener fundamentalen Weisung als je zu Leistendes und einst zu Seiendes gerufen erscheint. Wovon eines, das das Ziel seiner selbst noch nicht erreicht hat, wie hier offenbar wird, im Grunde geprägt erscheint, dazu ist es auch in der ontischen Ferne des von uns empirisch nicht und spekulativ kaum Überblickbaren faktisch bestimmt. An die Seite der radikal-usiologischen Seinsinterpretation [usiologisch: vom griechischen usía = Wesen] im Sinne des Verweises auf wesenseigene ontische Heiligkeit tritt daher die universal-theologische Zieldeutung im Sinne des Vorgriffs auf die allein seinsentsprechende vollkommene Endgestalt. Dies bedeutet aber für alles welthaft Seiende eine noch nicht direkt thematisch gemachte Spannung zwischen urgründig Gegebenem und urgründig Gesolltem. Die innere Paradoxie des Nicht-seins, was es ist, und des Sein-sollens, was es nicht ist, die die bekümmerte Reflexion der Welt auf sich und ihre Lage im Denken und Sagen des Menschen in allen Bänden der Weltliteratur spiegelt, erweist sich hier als unvermeidlich erfließend aus dem gleichermaßen gültigen Nicht-Gott-sein und Auf-Gott-hin-sein der Welt, die so ,notwendig' unter sich zurückbleibt in dem, was sie ist, und ihre tiefste Not wendend über das hinaus strebt, was sie vermeintlich in ihrem Eigensten kundgibt. Die vom Sein Gottes, des Heiligen, bestimmte Eigenart des Seins alles Seienden scheint der theonomen Deutung der Welt, wie sie Religion als Leben und Theologie als Wissenschaft anbieten, rechtzugeben. Die diesem gotthaften, weil heiligen Sein nicht entsprechende Besonderheit des Weltlichen stellt aber, wie es scheint, eine derartige Lösung unseres Problems nochmals in Frage. Doch ist der zuletzt erwähnte Hinweis im Grunde nicht fähig, das bezüglich der erstformulierten Grundrelation von Welt und Gott als ,dem' Heiligen Sichergestellte zu erschüttern. Wohl aber vertieft es unter dem Blickwinkel der Unerfülltheit des Irdischen in seinem Sein das hier fundamental Gültige gemäß seiner theologischen Relevanz. Was als gotthaft - heilig - seiend allem Weltlichen im Grunde eingeprägt und für das authentische Selbstverständnis zu vollziehender Ontogenese vorgezeichnet ist, bildet zugleich als wesensgesetzlich Erstrebtes den unendlichen Horizont dessen, worauf Seiendes notwendig je entworfen erscheint. Daß sich im Entschluß zur Welt, der so im Bereich des personal Göttlichen ahnbar wird, die Bereitschaft zu unvermeidlich Paradoxalem manifestiert, macht die damit gegebene Umsetzung göttlicher Wesensart auf weltliche Verhältnisse im Maßstab unendlich : endlich klar. Was als - inhaltlich zuletzt unerfaßt, aber begrifflich zutiefst eindeutig - ,heilig' genannt Gott in dem ihm wesentlichen vollkommenen Sein ungeschieden eigen ist, offenbart sich uns im Spiegel der Welt als noch unaufgehobener innerer Widerspruch zwischen Sein und Sollen. Schon die Idee der Verähnlichung des Weltlichen, in seinem Sein Begrenzten, mit dem, was Gottes ist, die wir früher berührt haben, bringt auf ihre Weise zum Ausdruck, daß das uns als Welt und in Welt je Vorliegende niemals alles ist: nicht alles als alles Mögliche und Denkbare, mehr aber noch: nicht alles je seiner selbst. Nicht nur, indem es in seiner Kontingenz und vielseitigen Bedingtheit auf Absolutes verweist, macht es dieses ,nicht-alles' deutlich, sondern auch und vor allem darin, daß es sich selbst je in typischer Unvollendung zeigt. Wenn etwas vollkommener und also mehr es selbst wird, wenn und insoferne es sich einem verähnlicht, das nicht es selbst ist, wird seine wesenhafte Schranke, aber auch die Bedeutung des es in seiner Unendlichkeit notwendig Beschränkenden für es und seine Selbstfindung bestürzend klar. Am Beispiel des Menschen aber als einer Welt-Größe wird die Problematik des Heiligen und seiner Wendung ins Ethische deutlich, wenn wir im Hinblick auf ihn die eben erwähnte Spannung zwischen Sein und Sollen berücksichtigen. Auch vom Menschen muß gelten - und zwar in einem seinem Rang entsprechenden Grade -, was von der Welt-Größe im allgemeinen zu sagen war: daß er seinshaft urgründig ,heilig' ist, insoferne er ist, daß ihm aber die volle, erkennende und bejahende Realisierung dieses Seins aufgetragen bleibt als das ihm zukommende Werk des Daseins. Für ihn als das erkennende und verantwortliche Wesen wird der uns schon bekannte ontische Imperativ unter ethischem Aspekt zum sittlichen Ideal. Vielleicht vermag kein Satz kürzer, prägnanter und erschöpfender den hier gegenständlichen Sachverhalt und den in ihm eingeschlossenen Spannungszustand in der Existenz zwischen wesenseinem, aber erlebnisdifferentem Urgrund und Ziel zum Ausdruck bringen als die einfache, den Menschen in die Mitte seiner Wahrheit rufende Sentenz: "Werde, der du bist!" Alle gedankliche Konkretisierung dieses je allgemein, partikulär und individuell Gesollten im Aufbau einer universalen, gesellschaftlichen und personalen Ethik ist nichts anderes als die inhaltliche Ausfaltung dieser im Metaphysischen wurzelnden Maxime, wobei hier im Zusammenhang unserer Erkenntnisbewegung nicht irgendeine als notwendig erschlossene oder frei gewählte Norm wertbegründend und auf ein entsprechendes Verhalten verpflichtend wirkt, sondern eben das ,Heilige' als irreduzible und unvertauschbare ,Eigenart' Gottes in dieser Rolle klargestellt wird, die sich vom schöpferischen Sinngeben und Ordnungsstiften dieser mit dem absoluten Weltgrund identischen Gottheit nicht ablösen läßt. In der Sprache des Evangeliums heißt dies: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Mt 5, 48) oder in anderem Zusammenhang der Schrift: "Seid heilig, wie - und weil - auch ich heilig bin" (Lev 11, 44 und 21, 8; beide Varianten dieses Spruches sind bezeugt). Im Horizont solchen Verständnisses der Beziehung von Welt und Heiligem läßt sich die Philosophie und Theologie des Christentums ebenso entrollen wie in gewissem Sinne religiöse Welt-Anschauung überhaupt. Sie involviert, verstehbar aus dem eben Aufgezeigten, die Momente einer unvermeidlichen Relativierung von Welt als des Irdischen vor dem Hintergrund der alles beherrschenden Wirklichkeit Gottes wie auch - im praktischen Lebensvollzug nach dieser Erkenntnis - den immer neu versuchten Aufschwung eines Transzendierens der Welt in Richtung auf echte Transzendenz. Daran knüpft sich, was geschichtlich nicht zu bezweifeln, weil phänomenologisch beliebig aufweisbar ist, das mögliche religiöse Mißverstehen von Welt, das ursächlich vermutlich stark hinüberwirkt auf die zweite hier zu erwähnende Erscheinung: nämlich das weltliche Mißverstehen des Heiligen. Wir dürfen nicht übersehen, daß die konkreten Akte schlichter religiöser Praxis und auch jene sekundären gedanklichen Leitbilder und Wegweisungen, durch welche solche Akte unmittelbar angeregt, gesteuert und ideell interpretiert werden, nicht aus der Tiefe metaphysischen Verständnisses der Bedeutsamkeit des Heiligen als des Gotthaften für eine Welt aus Gott und einer solchen Welt für Gott, den Heiligen, schöpfen und gespeist werden, sondern aus einer notgedrungen viel einfacheren Schau, die zwar im Ideal ,heiliger Einfalt' den reinen Blick in wunderbare Tiefen schenken kann, wo Mystik alle Metaphysik in den Schatten stellt, die aber auch zu einer geistigen Oberflächlichkeit zu verleiten vermag, welche abermals einen nun frommen aber darum nicht richtigeren Dualismus von gutem Gott und böser Welt entwickelt. Die Geschichte christlicher DaseinserheIlung vom Grunde einer umgreifenden Seinsdeutung her ist - in diesen Zusammenhängen gewürdigt - nichts anderes als der immer neue, aber im Hinblick auf weite Bezirke, nämlich das Einflußgebiet einer christlichen Volksphilosophie, immer wieder vergebliche Versuch, diese die Fakten arg simplifizierenden und entstellenden Mißverständnisse (etwa manichäischer Art) zu überwinden. Es ist aber sicher nicht nur berechtigt, sondern auch hilfreich für unser Verstehen des anderen hier zur Sprache zu bringenden Phänomens, diese das ,Heilige' in den Augen der ,Welt' kompromittierenden Mißverständnisse im Hintergrund mitzudenken. Das Ursache-Wirkung-Verhältnis mag nicht bezüglich aller historischen Erscheinungen, die hier zu berücksichtigen sind, klar zu Tage liegen. Jedenfalls aber stellt die erwähnte Verflachung des Sinnes für Welt in einem vermeintlichen Licht des Heiligen geistesgeschichtlich ein Pendant dar zu der uns oft so bestürzenden Wertblindheit der Welt für die unersetzliche Funktion des Heiligen. Weil nun gerade die Letztgenannte als zeitgenössisches Faktum von notorischer Geschichtsmächtigkeit unser Denken und Leben zutiefst berührt, aber auch die bis zu diesem Punkt entfaltete Schau unseres gegenwärtig erwogenen Themas aufs neue radikal in Frage stellt, müssen wir uns kurz dem Problem des Entwurfes einer Welt ohne Heiligkeit zuwenden. Der sachliche Ansatz zu diesem Entwurf und damit der gedankliche Zugang seines Verständnisses für uns liegt wohl in dem zur Macht einer viele verbindenden, gemeinsamen Erfahrung angewachsenen erlebnishaften Eindruck der Nichterreichtheit, Nichtrealisiertheit eines Ideals, das darum spontan, wenngleich bloß vermeintlich, als gar nicht gegeben oder zumindest als nicht wirksam klassifiziert wird. In diesem Erlebnis, seiner Stärke und Allgemeinheit (im Sinn größter Verbreitung) wie seinen für es kennzeichnenden schroffen Rückwirkungen auf die gesamte Seelenlage und das herrschende Weltgefühl sind vor allem zwei Momente bedeutsam: das, was wir in metaphysischer Sicht Heiligkeit als Wurzel, als Seinsgrund, als innerste Wesensbestimmung aller Dinge und insbesondere des Menschen bezeichnet haben, erscheint in der hier wirksamen Perspektive von den aktuellen Mängeln irdischer Zuständlichkeit total überblendet; es figuriert unmittelbar überhaupt nicht als Größe, weder im Bereich des Konstatierten, noch im geistigen Feld von dessen kritischer Beurteilung. Das zweite Moment scheint aber noch interessanter zu sein: mittelbar ist in dem genannten Erlebnis die anscheinend völlig ausgefallene Größe des Heiligen vehement aktiv, ja steht im verborgenen Zentrum des ganzen geistigen Vorgangs: gerade auf Grund der unausschaltbaren Effektivität dieses in der objektiven Seinstiefe doch Gesetzten und unverändert Vorhandenen kommt es anläßlich des echt (wenn auch irrig) erlebten totalen Ausfalles des Heiligen zu Äußerungen eines stürmischen Verlangens nach dem Guten schlechthin, nach dem Besseren, dem Vollkommenen, dem absoluten Glück, mit einem Wort: zur leidenschaftlichen Urgenz axiologischer Superlative, einer Sphäre, die aus dem (siehe Moment eins) allein gesichteten Weltpanorama von irdischer Perspektive nur mit traumhaften Wunschbildern weltlicher Glückserfüllung besetzt werden kann. Es ist aber nicht zu übersehen, daß auch darin, so befremdend dies zunächst uns klingt, das schlechthin Werthafte, gänzlich säkularisiert sozusagen, das Vollkommene, dessen Interpretation als das Heilige uns geläufig ist, als Attraktionsmacht absoluten Zieles, als das schlankweg zu Erstrebende, als causa universalis finalis wirksam bleibt. Da sich nun aber geschichtlich in der Welt eine Größe zeigt, die programmatisch beansprucht, eben diese Erfüllung grundzulegen, anzubahnen, zu gewährleisten und im einzelnen heil-spendend zu vermitteln, gerät jene Größe angesichts des erlebnishaft evidenten und daher in dieser seiner Qualität nicht widerlegbaren (und darum für den aus dem Erlebnis Denkenden und Urteilenden auch in seiner Erheblichkeit nicht zu erschütternden) aktuellen Un-heiles geradezu zwangsläufig in Verdacht, in ganz spezieller Weise der vag ersehnten Vollendung, dem dumpf begehrten Aufstieg zum Besseren, dem anderen, freieren, würdigeren, dem vollkommeneren Leben im Wege zu stehen. So bringt der Impetus innerweltlichen Messianismus - in welcher Gestalt immer auch - fast notwendig den Affront gegen Kirche, Religion, institutionalisierte Heilslehre und Kunde vom Heiligen mit sich, der sich, so verstanden, nicht bloß gegen irgend eine Konkurrenzmacht, sondern gegen das Hindernis schlechthin wendet, wenn er dem Reich und der Botschaft des Heiligen den Kampf ansagt, das Hindernis, das die wirksame Entfaltung der innermenschlichen und innerweltlichen Möglichkeiten in Richtung auf eine seinsentsprechende Vollendung (die natürlich nur mehr von weltlich interpretiertem Sein aus verstehbar bleibt) nicht zuläßt. Dazu kommt, daß mangels eigener religiöser Erfahrung der Wert des Heiligen nicht mehr einleuchtet. Nur solche Erfahrung vermöchte das, was sonst bloß als ein anderwärts Angenommenes bekannt wird und um das man als um etwas irgendwo zum Glauben Vorgestelltes weiß, in den Bereich der personalen Lebenswirklichkeit zu erheben. Wir selbst haben uns in unserer Rede über das Heilige dieses zumindest ererbte und in der eigenen Glaubensbemühung je latente Wissen zunutze gemacht, wenn wir auf jenes ursprüngliche Begriffsverständnis zurückgegriffen haben, das ja eingebettet ist in einen Lebenszusammenhang, der um das Heilige ‘weiß’. Damit soll aber keineswegs die entscheidende Rolle geleugnet werden, die das existentielle Sich-Einlassen auf die Wahrheit des Heiligen zur wurzelhaften Erschließung derselben spielt. Hier wäre einer weniger bedachten Sentenz des Evangeliums zu gedenken, die den Gewinn der faktischen Überzeugung von der Wahrheit, das heißt hier: der originären Göttlichkeit der gegenständlichen Lehre an die Erprobung derselben in der Erfüllung der in ihr formulierten göttlichen Forderungen knüpft. “Wenn jemand dessen (nämlich Gottes) Willen tun will, wird er inne werden, ob diese Lehre von Gott stammt.” (Jo 7, 17) Mangels solchen Tuns, das in den Blutbahnen vieler die geistige Szene heute Beherrschender seit Generationen erloschen ist, mangels des Zwingenden einer echten religiösen Atmosphäre in der Mitwelt und mangels des Mutes zum Wagnis, es selbst mit Heiligkeit als einem Lebensexperiment zu versuchen, fehlt weithin jeder existentielle Zugang zum Heiligen. Nun kann man aber ‘das Heilige’ in sich, das, was wir paradox die universale Eigenart Gottes genannt haben - es bleibt im letzten unaussprechlich und alle Denkbemühung scheitert daran -, in seinem Tiefsten und Eigensten nicht ‘begreifen’, man kann sich seine Kenntnis nicht durch Studien aneignen, man kann es nur erfahren oder nicht erfahren - man muß es erfahren oder es bleibt unerschlossen, ja unberührt. - Parallel mit diesem - gegenwärtig die geistige Lage bestimmenden - Ausfall geht aber, wie angedeutet (und es ist geradezu ein handgreifliches Zeichen für die Schmerzlichkeit dieses Ausfalls), das ungestüme Suchen nach neuen, freien, willkürlichen Wertsetzungen, die immer wieder in nichts anderem bestehen können als in Verabsolutierung weltlicher Momente, welche in ihrer Wurzel, das heißt: in ihrer letzten Verankerung im Heilig-sein Gottes selbst, nicht mehr verstanden werden. Zur theoretischen Begründung und praktischen Ermöglichung solcher Wertsetzung, Ordnungsstiftung und Sinngebung neuer Art bedarf der Mensch - das ist vollkommen konsequent - der von ihm begehrten totalen Autonomie. Sie kann zwar (und wird in nicht wenigen Fällen) unernste Flucht vor der Verbindlichkeit des schlechthin Gesetzten sein; sie kann aber auch (und muß im Zusammenhang unserer Analyse) als unausschaltbares Verlangen des Menschen nach einer seiner würdigen Existenz in freier Selbstverantwortung begriffen werden, die ja gerade durch den Abbau und Verlust des objektiven Wertgefüges für das subjektive Bewußtsein fundamental in Frage gestellt ist. - Auch darin wirkt also der Mensch, genau gesehen, im Sinne seiner Anlage, seiner Bestimmung, seiner Wesensart, seiner bis zuletzt nicht zu verleugnenden Aufgerufenheit zum Ideal, ja - wie wir von dem Standort unserer Einsicht aus sagen können - in seinem urgründigen Geprägtsein vom Heiligen und seiner unverlierbaren Inklination zu ihm. Darum ist auch paradoxerweise das Fernziel solch alles umstürzenden, innerweltlichen Radikalismus eine seinshaft heile - und das ist ja im letzten wieder, wie wir wissen: eine heilige Welt, das, was sich in den großen Utopien als Inbegriff der Hoffnung des Menschen heute niederschlägt. Dieser Hinweis macht aber bereits deutlich, daß es keineswegs unmöglich ist, die hier erwähnten Phänomene eines geradezu verzweifelt idealistischen Lösungsversuchs innerhalb der umfassenden Schau der tiefen Seinsrelation zwischen Welt und Heiligem zu bergen, ja daß es sogar denkbar bleibt, aus dem Wissen um diese Konnexe eine Einholung und Weiterführung dieser uns aufs erste so sehr befremdenden und als gegenstrebig empfundenen Erscheinungen, wie es jene grundstürzend neuen Gedankengänge und Weltentwürfe einmal sind, in die größere Weite echten Weltbegreifens hinein ins Auge zu fassen. Das Bedenken dieser realen Möglichkeit führt uns an den Punkt der letzten gedanklichen Wende, die uns im Versuch vorläufiger Erhellung unseres Gegenstandes zu vollziehen bleibt: nämlich das Wagnis der positiven Sinndeutung der zuletzt aufgewiesenen Phänomene und den Versuch ihrer konstruktiven Integration in das Ganze unserer eigenen Bemühungen um die Verdeutlichung des so schmerzlich absenten Heiligen in Welt mit dem mutigen Ziehen jener Konsequenzen zu verbinden, die aus unserer Einsicht in die tiefen, unwiderruflichen Zusammenhänge von heiligem Gott und zur Heiligkeit berufener Welt sich wie von selbst ergeben müßten, deren seltsame Verzögerung aber ohne Zweifel mit Schuld trägt an der Malaise, die wir mit Recht konstatieren. Die Heiligkeit Gottes selbst und die Bestimmung der vom Geiste Gottes entworfenen und realisierten Welt zu einer analogen Heiligkeit im Sinn der ihr von Gott zugedachten Vollkommenheit des Seins ist nicht alles, was wir erkennen und formulieren können. Es bleibt die reflexive Feststellung der Möglichkeit solcher Einsicht durch den dafür in einzigartiger Weise befähigten Menschen und der Hinweis auf seine, des Menschen, damit gegebene Potenz und Pflicht zum kooperativen Mitwirken an einer solchen Vollendung der Welt im ganzen. Zur Erkenntnis der seinshaften Heiligkeit der Welt kraft ihres wirklichen Seins, das in Analogie dem des in sich heiligen Gottes entspricht, und zur Erkenntnis der zielhaften Bestimmung dieser Welt zur vollen Ausformung und alle Wesen erfüllenden Innehabe dieser ihrer Vollkommenheit, die im letzten ein Heilig-sein nach dem Urbilde Gottes bedeutet, tritt die dritte Erkenntnis der möglichen Hinführung der Welt auf dieses Ziel durch den Menschen, dem das Licht der Einsicht in diese Zusammenhänge und die Kraft des Mitwirkens an ihrer vollen Realisierung zukommt. Nicht der heilige Gott und eine durch ihn im Grunde seinsheilige Welt ist das letzte Wort, das uns im Bemühen der Entfaltung unseres Themas möglich ist, auch nicht die urbildliche Heiligkeit Gottes als das Exemplar des zielbildlichen Weltheils, das aussteht, aber als causa finalis mächtig hereinwirkt in das spannungsgeladene Auf und Ab aus sich nie befriedigender irdischer Zuständlichkeiten, sondern die tätige Heiligung der Welt durch den heiligen, ganz Gott einen Menschen, die - wie diese theoretische Entwicklung der Gedanken zeigt - die einzig praktisch überzeugende Antwort auf die geistige Not und Orientierungslosigkeit einer Epoche wäre, die im titanischen Aufbegehr der zu innerst Zerrütteten und Enttäuschten nach den Sternen greift (wörtlich und in übertragenem Sinn), weil ihr das Denken jenes auch ihr glühend nötigen Wohnens eines Vaters ,über' diesen Sternen - nicht räumlich natürlich, sondern wesentlich gemeint - nicht mehr gelingt. Wir haben angedeutet, daß diese beiden kühnen Initiativen wohl in eins fließen müßten: die Bereitschaft zu der von den Wurzeln her gerechtfertigten positiven Interpretation dessen, was wir heute im geistigen Raume erleben, mit der nicht weniger fordernden und uns vielleicht sogar abenteuerlich anmutenden Geneigtheit, unsere Einsicht - und das heißt doch mit anderen Worten: das Christentum - mit jener allein überzeugenden Radikalität zu leben, die diesseits aller theoretischen Denkbemühung das Heilige eben als ein Faktum und als eine Lebenskraft in der Welt präsent macht. Die Welt und das Heilige bleiben geschichtlich und geschicklich solange einander fremde und inkommensurable Größen, als nicht das Heilige als überwältigende und wortlos überzeugende Macht der Befreiung in unserer Mitte aufbricht und jene Hilfe leistet, die alle suchen. Die urgründige Heilheit allen Seins und die zielhafte Heilheit einer neuen Welt, die Gott uns in Liebe verheißt, sind dabei die Verbündeten dessen, der es wagt, solches ‘Ereignis’ werden zu lassen. Darüber hinaus darf er sich im Geiste eins wissen mit jedem Wellenschlag anbrandender Gnade, die diese Welt heimsucht, und mit der unstillbaren Sehnsucht aller trauernden und leidenden Herzen, denen er auf einsamem Wege entgegengeht. Dieser Text ist 1973 in der von Kamenicky als Schriftleiter redigierten Zeitschrift Entscheidung erschienen. Kamenicky: Mut zur Gottesbegegnung Wie die Verdunstung stoppen? Der Sinn für das Heilige „verdunstet. Still. Langsam. Zunehmend. Hilft eine Liberalisierung des Glaubens, um diesen Prozess zu stoppen? Wird sich das Volk Gottes in der Selbstsäkularisierung wiederfinden? Ohne Gebet, ohne Anbetung und ohne Eucharistie werden Versuche einer ‚lockeren‘ Religion fruchtlos bleiben und langsam verblassen.“ Aus: Erich Läufer, Das Schweigen der Gläubigen, in der Neuen Bildpost vom 28./29. Oktober 2023, S. 8. Gottes Antlitz suchen In dieser Predigt erkläre ich, wie sich unser Suchen nach Gottes Antlitz verwandelt, je mehr wir Ihn kennenlernen.
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PhilosophenAnselm v. C. AutorenBordat J. |
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