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Das Tier im Menschen

Von P. Engelbert Recktenwald

Wenn wir nach dem wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier fragen, stoßen wir in der Philosophie auf viele Antwortversuche. Einige verweisen z.B. auf das Sprachvermögen des Menschen, andere auf seine Fähigkeit, logisch und abstrakt zu denken. Am zutreffendsten ist in meinen Augen die Antwort von Immanuel Kant, sie ist aber zugleich auch eine der umstrittensten: Es ist die Moralfähigkeit des Menschen. Der Mensch ist “Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft” (MS AA VI 434). Dadurch ist er imstande, den höchstmöglichen Wert zu verwirklichen: jenen Wert des schlechthin Guten, der allein dem guten Willen eigen ist. Es ist diese sittliche Güte, wodurch der Wille, wie Kant einmal so schön formulierte, für sich selbst glänzt “wie ein Juwel” (GMS AA IV 394).

Der Christ ist durch die Offenbarung imstande, diesen Sachverhalt noch tiefer zu erfassen. Diese sittliche Güte ist die Heiligkeit, wodurch der Mensch Anteil gewinnt an der Heiligkeit Gottes. Er wird dadurch der Natur Gottes und des göttlichen Lebens teilhaftig. Er gewinnt die Würde eines Gotteskindes. Seine Würde ist eine Teilhabe an der Würde Gottes. Moralfähigkeit läuft auf Gottesfähigkeit hinaus.

Auch Immanuel Kant kennt Würde. Er spricht z.B. von der Würde, die die strengen Gesetze der Pflicht besitzen (GMS IV 425). Der Mensch seinerseits besitzt Würde aufgrund seiner Fähigkeit, aus Achtung vor dem Gesetz zu handeln und so Moralität zu verwirklichen.

Man kann nun beim Menschen eine zweifache Würde unterscheiden: Jene Würde, die der Mensch allein schon aufgrund seiner Moralfähigkeit besitzt, und die Würde aufgrund verwirklichter Moralität. Ich möchte die erste die ontologische, die zweite die sittliche Würde nennen.

Die ontologische Würde kann der Mensch, solange er lebt, nicht verlieren. Sie ist, wie das deutsche Grundgesetz sagt, unantastbar. Das bedeutet: Sie begründet einen unbedingten normativen Anspruch, der es verbietet, den Menschen jemals bloß als Mittel zum Zweck zu gebrauchen. Die Würde des Menschen ist stets und unter allen Umständen zu achten. Sie ist gleichzeitig der Ermöglichungsgrund der sittlichen Würde ihres Trägers, weil sie auch einen Imperativ an diesen enthält, nämlich seiner Würde entsprechend zu handeln und zu leben. Genau darin besteht Moralität. Diese bin ich sowohl der Würde des Anderen wie auch meiner eigenen Würde schuldig.

Sehr schön finden wir dies beim hl. Thomas von Aquin ausgedrückt. Er lehrt, dass der Mensch durch die Sünde von seiner Würde abfällt (“decidit a dignitate humana”, S. th. II-II, 64, 2, ad 3). Diese Würde gründet in seiner Freiheit und Selbstzwecklichkeit (“prout scilicet homo est naturaliter liber et propter seipsum existens”, ebd.). Die Willensfreiheit gehört zur Würde des Menschen (“libertas arbitrii ad dignitatem hominis pertinet”, S. th. I 59, 3, s.c.). Der Mensch hat die Herrschaft (dominium) über seine Akte und bewegt sich selbst zum Entschluss und zum Handeln, statt wie das Tier einfach nur von seinen Trieben bewegt und gesteuert zu werden. Der Mensch ist kraft seiner Vernunft (ratio) die Ursache seiner selbst im Urteilen und Handeln (“causa sui ipsius in movendo” und “in iudicando”, De ver., 24, 1, c.). In eben dieser Selbstursächlichkeit besteht seine Freiheit und Verantwortlichkeit.

Durch den Verlust seiner sittlichen Würde erniedrigt sich der Mensch unter das Niveau des Tieres (“peior enim est malus homo bestia”, S. th. II-II, 64, 2, ad 3). Er verleugnet, so darf man das erläutern, seine Vernunftnatur, ohne das Vernunftvermögen selber zu verlieren. Er verliert die sittliche Würde, nicht aber die ontologische, seine Moralität, nicht aber die Moralfähigkeit.

Dass der Mensch trotz seiner Sünde die ontologische Würde behält, finden wir bei Thomas nicht dem Wortlaut nach. Der Gedanke ist aber gegenwärtig, wenn er schreibt, dass auch die Sünder zu lieben seien. Denn diese behalten trotz ihrer Bosheit (malitia) ihre Natur, der gemäß sie nach dem Bild Gottes erschaffen und des göttlichen Lebens fähig sind (“ergo secundum naturam suam sunt ad imaginem Dei, et vitae divinae capaces sunt”, 3 Sent, d 28 q. un. a. 4 sol.). In der Bibel findet sich diese Wahrheit von der Würde, deren normativer Anspruch selbst durch die Sünde nicht zerstört wird, in der Erzählung vom Kainsmal, das den wegen Mordes verfluchten Kain vor jeder Lynchjustiz beschützt: “Der Herr machte dem Kain ein Zeichen, dass ihn niemand erschlage, der ihn findet” (Gen 4, 15).

Durch seine Sünde hört der Mensch nicht auf, Mensch zu sein. Als Mensch behält er seine ontologische Würde. Trotzdem wird er schlechter als ein Tier, wie Thomas sagt. Das Tier ist nicht moralfähig und deshalb unfähig zu Sünde, Schuld und Strafwürdigkeit. Insofern ist es immer “unschuldiger” als der Mensch, der gesündigt hat. Man könnte auch sagen: Dem Tier ist es nicht auf dieselbe Weise wie dem Menschen möglich, unter sein eigenes Niveau herabzusinken. Der Mensch aber kann seine sittliche Würde verlieren. Die moralische Schändlichkeit des Verbrechers ist das Gegenteil von Heiligkeit. Er hat würdelos gehandelt, seine eigene Würde desavouiert und jede Heiligkeit in sich zerstört.

Bei Kant finden wir die Unterscheidung zwischen ontologischer und sittlicher Würde nicht ausdrücklich. Wir können sie aber der Sache nach wiederentdecken. Die ontologische Würde finden wir ausgedrückt in der Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs, die alle Menschen unabhängig von ihrer Moralität vor einer Missachtung ihrer Selbstzwecklichkeit schützt. In der GMS spricht er von “der Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt.” Damit meint er das Sittengesetz. Gegeben wird es durch die Vernunft. Der Mensch handelt somit, wenn er moralisch handelt, als Vernunftwesen. Er kann aber auch anders handeln, nämlich aus Trieb und Neigung. Das hat er mit den Tieren gemeinsam. Wie sie gehört er zur Sinnenwelt. Aufgrund seiner Sinnlichkeit ist er ein bedürftiges Wesen. Nach David Hume ist es allein diese Bedürftigkeit, die dem Menschen die Ziele seines Handelns vorgibt. Die Vernunft steht dann nur im Dienst der Verfolgung dieser Ziele. Das aber, sagt Kant in der “Kritik der praktischen Vernunft” in Übereinstimmung mit Thomas, würde den Menschen “im Werte” nicht “über die bloße Tierheit” erheben (“Denn im Werte über die bloße Tierheit erhebt ihn das gar nicht, daß er Vernunft hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen soll, was bei Tieren der Instinkt verrichtet”, V 61). Erst die Empfänglichkeit gegenüber dem Anspruch des Sittengesetzes erhebt ihn über das Tier. “Aber er ist doch nicht so ganz Tier, um gegen alles, was Vernunft für sich selbst sagt, gleichgültig zu sein” (ebd.). Das, was Vernunft für sich selbst sagt, ist das Sittengesetz. Handelt der Mensch aus Neigung, ist er fremdbestimmt, heteronom. Er unterwirft sich dem Diktat seiner Bedürfnisse, die ihre Erfüllung finden durch Dinge außerhalb seiner. Aus Hunger essen, aus Durst trinken, aus Lust Sex haben: Das tut auch das Tier. Handelt der Mensch dagegen aus Pflicht, dann tut er, was allein die Vernunft ihm zu tun befiehlt. Es ist diese praktisch-moralische Vernunft, wodurch der Mensch Person ist und wodurch er sich vom Tier unterscheidet.

Kant sieht klar: Der Mensch ist Tier und Person zugleich. Die animalische Natur in uns können wir nicht leugnen. Wir sind gezwungen, uns um das Interesse unserer Sinnlichkeit “zu bekümmern”, wie er schreibt (KpV, ebd.). Und wir tun es mit Hilfe unserer Vernunft. Die Vernunft auf diese Rolle zu beschränken hieße aber, uns selber auf das Wertniveau eines Tieres herabzuzwingen. Das unterscheidend Menschliche, nämlich Würde, kommt uns zu durch die moralische Vernunft. Insofern unsere Vernunft moralisch-praktisch ist, unterwirft sie sich nicht den Gesetzen der Sinnlichkeit, sondern nur ihren eigenen Gesetzen. Die Vernunft ist selber gesetzgeberisch. Der hl. Thomas spricht vom Sittengesetz als vom dictamen rationis, dem Spruch der Vernunft, die er offensichtlich in gewisser Übereinstimmung mit Kant - bei aller tiefgreifenden Differenz - als “gesetzgeberische Anlage des Menschen” denkt (so Servais Pinckaers, in: Eudämonismus und sittliche Verbindlichkeit in der Ethik des heiligen Thomas). Wenn der Mensch sich dem Sittengesetz unterwirft, lässt er nicht etwas Fremdes über sich herrschen, sondern seine eigene Vernunft, und insofern wird er autonom. In dieser Autonomie besteht die Würde des Menschen.

Wird der Unterschied von Gut und Böse geleugnet, wird also Moralität als Wirklichkeit hinwegphilosophiert, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Tier und Mensch. Genau das können wir bei Nietzsche beobachten. Seine Philosophie liefert die perfekte Gegenprobe zu unserer These.

Wie Kant sieht Nietzsche das Unterscheidende des Menschen in seiner Moralfähigkeit. Aber das gereicht dem Menschen nicht zur Würde, sondern zum Nachteil. Das Gewissen ist eine Erkrankung, die Moral bewirkt eine Verfälschung und Verunsicherung des menschlichen Wesens. “Ohne die Irrthümer, welche in den Annahmen der Moral liegen, wäre der Mensch Thier geblieben” (MA I, 40). Zu diesen Irrtümern gehört für Nietzsche die Annahme, der Mensch sei für sein Handeln verantwortlich. Die Unterscheidung zwischen freiem menschlichem Handeln und tierischem Verhalten ist ein Irrtum (cf. MA I, 102). Gerade das, was für Thomas die Würde des Menschen ausmacht, nämlich seine Freiheit in dem Sinne, dass er Herr über seine Akte ist, seine Verantwortlichkeit, wird von Nietzsche geleugnet. Andererseits nennt Nietzsche den Menschen das “noch nicht festgestellte Tier” (JGB 62). Damit spricht er die Tatsache an, dass der Mensch seine Instinktsicherheit verloren hat. Hier kehrt die geleugnete Differenz zwischen menschlicher Handlung und tierischem Verhalten in anderer Gestalt wieder, nicht als Auszeichnung, sondern als Mangel. Die Vernunft kann den Instinkt nur mangelhaft ersetzen. Sie ist für Nietzsche eher ein Unfall der Entwicklungsgeschichte, der hilfsweise das zu übernehmen hat, was bei den Tieren der Instinkt viel besser erledigt: die “Selbstregulierung” (Nachgel. Frg. Frühj.-Herbst 1881). In dieser Optik ist dann Moral nichts anderes als das Verfolgen tierischer Ziele (wozu hauptsächlich das Überleben in feindlicher Umwelt gehört) mit anderen Mitteln, so dass “das ganze moralische Phänomen als thierhaft zu bezeichnen” ist, selbst der “Sinn für Wahrheit, der im Grunde der Sinn für Sicherheit ist” (M 26). “Mit anderen Mitteln” heißt hier: mit schlechteren Mitteln. “Denn der Mensch ist kränker, unsicherer, wechselnder, unfestgestellter als irgend ein Thier sonst, daran ist kein Zweifel, - er ist das kranke Thier” (GM III 13). Seine Gesundung kann nur geschehen durch eine Zurückübersetzung in die Natur: Indem er die Fesseln der Moral abschüttelt und sich von den Kategorien “Gut” und “Böse” als Erfindungen einer Sklavenmoral, die das Raubtier in ihm unschädlich machen soll, verabschiedet, wird aus dem Haustier, zu dem die christliche Kultur ihn gemacht hat, wieder ein - in den Worten Nietzsches - frohlockendes Ungeheuer, das “in die Unschuld des Raubtier-Gewissens” zurückgetreten ist (GM I, 11).

Der höchste Wert ist für Nietzsche nicht das Gute, sondern das Leben, das sich in Machtentfaltung austobt. Der größte Unwert ist für ihn nicht das moralische Übel, etwa Unrecht oder Grausamkeit, sondern Krankheit und Schwäche. “Die Krankhaften sind des Menschen grosse Gefahr: nicht die Bösen, nicht die ‘Raubthiere’. Die von vornherein Verunglückten, Niedergeworfnen, Zerbrochnen - sie sind es, die Schwächsten sind es, welche am Meisten das Leben unter Menschen unterminiren, welche unser Vertrauen zum Leben, zum Menschen, zu uns am gefährlichsten vergiften und in Frage stellen” (GM III, 14). Menschlichkeit, die sich dieser Schwächsten in besonderer Liebe annimmt, ist für Nietzsche eine Degenerationserscheinung christlicher Moral.

Der Mensch soll von der Krankheit des Gewissens genesen, das bedeutet für Nietzsche: Er soll kein schlechtes Gewissen mehr entwickeln, wenn er sich wie ein Raubtier benimmt. Er soll die Hemmungen der Moral überwinden und seine Vernunft dazu benutzen, zum kraftstrotzenden Leben eines Raubthieres zurückzufinden, der blonden Bestie, die ihre Stärke auslebt. Die Moralfähigkeit ist auch für Nietzsche das, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Aber sie hält ihn von der Verwirklichung seines Wesens ab und ist deshalb zu überwinden. Der Mensch ist ein durch Vernunft und Gewissen degeneriertes Tier.

Nach Thomas wird der Mensch unter das Tier erniedrigt durch die Sünde, nach Nietzsche durch die Moral. Für Thomas gilt: Durch den moralischen Wert, sprich: die Heiligkeit, wird der Mensch über sich selbst hinausgehoben und vergöttlicht. Für Nietzsche gilt: Durch die Moral wird der Mensch verdorben und unter das Raubtierniveau herabgedrückt. Die Moral verhindert die Entfaltung des höchsten Wertes. Im Vergleich zum moralischen Menschen ist das Raubtier das lebensstrotzendere und somit höherwertige, ihm überlegene Lebewesen.

In den Schriften Nietzsches hört sich das stellenweise sehr pathetisch und verlockend an, zumal er es versteht, diese Raubtier-Ethik mit dem Glanz des Vornehmen zu umgeben. Doch wie sieht solche Ethik in der Praxis aus? Sämtliches Anschauungsmaterial, das uns die Geschichte von ihr liefert, zeigt deren hässliche Fratze. Gegen die Vereinnahmung Nietzsches durch den Nationalsozialismus wehren sich Nietzsche-Anhänger in der Regel heftig. Das tun sie einesteils zurecht, denn für den Rassismus und Antisemitismus der braunen Ideologie ist Nietzsche kein geeigneter Pate. Aber eine Ethik, die Gut und Böse für obsolet erklärt und das Gewissen verächtlich macht, ist von Natur aus jeder totalitären Herrschaftsideologie willkommen. Sie bricht jedem Gewissenswiderstand gegen das Unrecht das Rückgrat. Es geht hier nicht um die Frage, welchen Einfluss Nietzsche tatsächlich hatte - das zu untersuchen ist Sache des Historikers -, sondern wie zweckdienlich jedem Totalitarismus seine Philosophie sein muss. Dieser Charakter ist jeder Philosophie eigen, die die Moralfähigkeit des Menschen diskreditiert, wie wir z.B. auch bei Heidegger beobachten können. Außer dem Nationalsozialismus ist auch der Kommunismus ein geeigneter Kandidat, um die Anschlussfähigkeit solcher Philosophie an Unrechtssysteme zu demonstrieren. Davon kann der Autor des Archipels Gulag ein Lied singen. In seinen “Drei Reden an die Amerikaner” erklärte Alexander Solschenyzin, dass der Kommunismus “alle absoluten Moralbegriffe ablehnt, die Begriffe von ‘Gut’ und ‘Böse’ als Wertkategorien verhöhnt.” Aber, so fragt er weiter, was bleibt, wenn man uns die Begriffe von ‘Gut’ und ‘Böse’ wegnimmt? Seine Antwort: “Es wird ein Dahinvegetieren sein. Wir werden auf das Niveau von Tieren hinabsinken.”

Hier schließt sich der Kreis. Solche Erfahrungen, wie Solschenyzin sie machte, können uns von der Nietzscheanischen Versuchung befreien, Menschlichkeit für verachtenswert und Raubtierbestialität für wünschenswert zu halten.

Es mag schöne Raubtiere wie Löwen und Tiger geben. Aber es gibt keine schöne Grausamkeit, kein vornehmes Unrecht. Ein reißender Löwe mag ein ästhetisches Erlebnis sein. Die Antilope zahlt den Preis dafür. Aber so ist eben die Natur. Aber ein folternder Mensch oder ein ungerechtes Regime liefern nicht einmal ein ästhetisches Erlebnis. Sie sind Hässlichkeit pur: nicht, weil es bis zur vorgeblichen Schönheit der blonden Bestie noch an irgendwelchen Ingredienzien der Vornehmheit fehlte, sondern weil Machtmissbrauch per se eine hässliche Entwürdigung dessen darstellt, wozu der Mensch berufen ist. Dass wir überhaupt von Machtmissbrauch sprechen können, dass Macht also nicht nur gebraucht, sondern auch missbraucht werden kann, ist ein untrügliches Zeichen für die Wahrheit, dass es die Wertkategorie des Guten tatsächlich gibt, und zwar nicht als Erfindung des Menschen, sondern als eine fundamentale Wirklichkeit, die das Wesen des Menschen erst begreiflich macht. Wahre Größe ist nicht an Macht oder Raubtiergehabe gebunden, sondern an den sittlichen Wert, so wie es Matthias Claudius erkannt hat: “Es ist nichts groß, was nicht gut ist.” Der Mensch ohne Moral mag an Macht gewinnen, aber er verliert an Würde. Die blenderische Rhetorik Nietzsches zerschellt an der unnachgiebigen Nüchternheit der Realität.

Diesen Text können Sie auch hören.

Er erschien zuerst in Kirche heute, Juli 2020


Recktenwald: Wiederverzauberung der Natur?


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In meiner 76. Podcastfolge geht es wieder philosophisch zu. Wie verhalten sich Person und Sittengesetz zueinander? Hier vertreten Immanuel Kant und Robert Spaemann gegensätzliche Positionen. Dabei gehe ich in meinen Überlegungen von dem Diktum des Philosophen Simon Blackburn aus: “Ein Liebhaber, der aus Pflichtgefühl heraus küsst, hat einen Tritt in den Hintern verdient.”

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