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Edmund Husserl Von P. Engelbert Recktenwald Edmund Husserl wurde am 8. April 1859 in Proßnitz (Prostejev) in Mähren (Tschechien), 200 km südöstlich von Prag, geboren. Er studierte in Leipzig, Berlin und Wien Astronomie, Mathematik, Physik und Philosophie. 1882 promovierte er in Mathematik bei Leo Königsberger in Wien. Sein einflußreichster Lehrer in Philosophie war Franz Brentano (1838 - 1917), der (Wieder-)Entdecker der Intentionalität. Intentionalität meint die Gegenstandsbezogenheit psychischer Akte, wodurch dieselben sich von reinen Zuständlichkeiten unterscheiden. Intentionale Akte sind auf ein Objekt bezogen, und zwar so, dass diese Bezogenheit nicht zum bereits bestehenden Akt hinzukommt, sondern denselben allererst konstituiert. 1886 ging Husserl nach Halle, wo der Brentanoschüler Carl Stumpf (1848 - 1936) lehrte. Bei ihm habilitierte er sich im darauffolgenden Jahr mit einer Arbeit Über den Begriff der Zahl. Im Jahr 1900 erschien sein bahnbrechendes Werk Logische Untersuchungen, das ihn zum Begründer der Phänomenologie machte. Es war eine Frucht jahrelanger Studien, die nicht zuletzt durch den Logiker Gottlob Frege (1848 - 1925) inspiriert waren. Bei aller Unterschiedlichkeit der Richtung, die die beiden einschlagen sollten, war ihnen am Anfang die Kritik des Psychologismus gemeinsam, also die Zurückweisung der Meinung, alle Bewußtseinsakte auf psychische Zustände und also z.B. Logik auf Empirie zurückführen zu können. Gerade die Intentionalität macht dies unmöglich. Die Logischen Untersuchungen wirkten auf viele junge Philosophen wie ein Befreiungsschlag. Sie wurden nicht nur als Überwindung des Psychologismus, sondern jeglicher Form des Immanentismus einschließlich desjenigen kantischer Prägung empfunden und begeistert aufgenommen. Durch die Rückeroberung der Objektivität in der methodisch geregelten Beschreibung der Phänomene, wie sie sich von sich aus zeigen, hatte Husserl Philosophie als strenge Wissenschaft möglich gemacht. Unabhängig von Husserl habilitierte sich 1900 in München Alexander Pfänder mit einer Arbeit über die Phänomenologie des Wollens. Er ist neben Husserl der zweite Begründer der Phänomenologie. Durch seinen Schüler Johannes Daubert kam 1902 der Kontakt mit Husserl zustande, der 1901 von Halle nach Göttingen gewechselt war. Zu den Phänomenologen um Husserl und Pfänder gehörten u.a. Adolf Reinach, Moritz Geiger, Johannes Daubert, Hedwig Conrad-Martius, Hans Lipps, Max Scheler, Johannes Hering, Alexander Koyrè, Roman Ingarden, Edith Stein, Dietrich von Hildebrand. 1928 wurde Husserl emeritiert, 1936 wurde ihm von den Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. Er starb am 27. April 1938 in Freiburg an den Folgen eines Sturzes. Sein Nachlass von 40.000 Seiten wurde durch den belgischen Franziskanerpater Herman Leo Van Breda vor dem Zugriff der Nationalsozialisten gerettet. Hedwig Conrad-Martius zitiert, um die Eigenart und Bedeutung der von ihr erlebten phänomenologischen Forschung zu beschreiben, Peter Wust: “Von Anfang an muß wohl in der Intention jener neuen philosophischen Richtung etwas ganz Geheimnisvolles verborgen gewesen sein, eine Sehnsucht zurück zum Objektiven, zur Heiligkeit des Seins, der Reinheit und Keuschheit der Dinge, der ‘Sachen selbst’. Denn wenn auch bei dem Vater dieser neuen Denkrichtung [Husserl] der neuzeitliche Fluch des Subjektivismus nicht ganz überwunden werden konnte, trieb doch viele seiner Schüler die der ursprünglichen Intention dieser Schule eigene Objektgeöffnetheit weiter auf dem Wege zu den Dingen, zu den Sachverhalten, zum Sein selbst, ja sogar zum Habitus des katholischen Menschen, dem nichts gemäßer ist als das ewige Maßnehmen des erkennenden Geistes an den maßgebenden Dingen” (zitiert in: Hedwig Conrad-Martius, Essay über Edith Stein, in: Edith Stein, Briefe an Hedwig Conrad-Martius, München 1960). Sehr interessant sind die Zeugnisse von Edith Stein und Dietrich von Hildebrand. Kennzeichnend für das Forschungsethos Husserls ist die Aussage Steins: Es “wurde uns beständig eingeschärft, dass wir alle Dinge vorurteilslos ins Auge fassen, alle ‘Scheuklappen’ abwerfen sollten.” Dass gerade dieser Grundsatz Edith Stein, die von 1916 bis 1918 Assistentin Husserls war, zum katholischen Glauben führte, wurde von Husserl keineswegs als Verrat empfunden. Im Gegenteil, er hielt Stein für eine von seinen Schülern, die ihn am besten verstanden hatten. Ab 1905 trat eine Wende im Denken Husserls ein, die sich 1913 in den Ideen zu einer reinen Phänomenologie niederschlug. Edith Stein schreibt darüber in ihrem Tagebuch: “Die ‘Logischen Untersuchungen’ hatten vor allem dadurch Eindruck gemacht, dass sie als eine radikale Abkehr vom kritischen Idealismus kantischer und neukantischer Prägung erschienen. Man sah darin eine ‘neue Scholastik’, weil der Blick sich vom Subjekt ab- und den Sachen zuwandte: die Erkenntnis schien wieder ein Empfangen, das von den Dingen sein Gesetz erhielt, nicht wie im Kritizismus ein Bestimmen, das den Dingen sein Gesetz aufnötigte. Alle jungen Phänomenologen waren entschiedene Realisten. Die ‘Ideen’ aber enthielten einige Wendungen, die ganz danach klangen, als wollte ihr Meister zum Idealismus zurückkehren. Was er uns mündlich zur Deutung sagte, konnte die Bedenken nicht beschwichtigen. Es war der Anfang einer Entwicklung, die Husserl mehr und mehr dahin führte, in dem, was er ‘transzendentaler Idealismus’ nannte ... den eigentlichen Kern seiner Philosophie zu sehen und alle Energie auf seine Begründung zu verwenden: ein Weg, auf dem ihm seine alten Göttinger Schüler zu seinem und ihrem Schmerz nicht folgen konnten.” Dietrich von Hildebrand (1889 - 1977) schreibt über Husserl: “Ich kam mit 17 Jahren auf die Universität und studierte Philosophie bei Theodor Lipps und Alexander Pfänder in München. Die ‘Logischen Untersuchungen’ von Husserl hatten auf die Schüler von Lipps einen entscheidenden Einfluß. Auch mich begeisterte die objektivistische, antipsychologistische und antirelativistische Philosophie des frühen Husserl tief. Sie schien mir ein verheißungsvolles Morgenrot in dem damaligen Tiefstand der Philosophie in Deutschland. Ich ging darum auch im Sommersemester 1909 nach Göttingen, um bei Husserl zu promovieren. Aber als Husserl seine ‘Ideen’ im Jahr 1913 publizierte, sah ich - wie auch Adolf Reinach - mit großem Schmerz, dass Husserl sich von den großen Entdeckungen in der ersten Auflage der ‘Logischen Untersuchungen’ ganz abgewandt hatte und dass seine Philosophie ganz immanentistisch wurde und einen radikalen Transzendentalismus darstellt. Der Terminus Phänomenologie, wie der spätere Husserl ihn verstand und wie ihn viele heutige Phänomenologen verstehen, hat mit dem, was ich als Phänomenologie bezeichne, nichts zu tun” (Dietrich von Hildebrand in: Philosophie in Selbstdarstellungen II, Hamburg 1975, S. 78). Von Hildebrand hatte die Logischen Untersuchungen 1907 gelesen, nachdem er von Moritz Geiger darauf aufmerksam gemacht worden war. Er wandte die phänomenologische Methode in der Ethik an, war aber nicht der erste, der dies tat. Max Scheler (1874 - 1928) begründete mit seinem Werk Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (1913) die auf phänomenologischer Basis erarbeitete Wertethik. Von Hildebrand baute darauf auf, sie teilweise korrigierend. Max Scheler, der zum katholischen Glauben konvertierte, öffnete vielen die Augen für die Welt der Werte und löste damit unter den Phänomenologen eine Bewegung zur katholischen Kirche aus. Auch Edith Stein hat ihm in dieser Hinsicht vieles zu verdanken. Dietrich von Hildebrand, der seit 1907 mit Scheler befreundet war, wurde 1914 katholisch. “Im phänomenologischen Umkreis wurde also der Boden fruchtbar gemacht für die Erkenntnis von Transzendenzen und Offenbarungen, von Göttlichem und Gott selber, für letzte religiöse Entscheidungen, für Bekehrungen und Konversionen”, schreibt Hedwig Conrad-Martius, eine Schülerin Husserls aus dessen Göttinger Zeit, die 1922 die Taufpatin Edith Steins wurde. Mach hell die Finsternisse unseres Geistes Die Sterbensvisionen von Johann Adam Möhler und Edmund Husserl geben uns eine Ahnung von dem Licht, das auf uns wartet und von dem der Johannesprolog berichtet. Eine Predigt.
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