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Darf ein Christ an Gott glauben?
Der Fall Gotthold Hasenhüttl

Von P. Engelbert Recktenwald

Darf ein Christ an Gott glauben? Viele Leser werden denken, daß diese Frage nicht ganz ernst gemeint sein kann. Aber so selbstverständlich, wie man meinen sollte, fällt heute die Antwort nicht mehr aus. Es gibt eine Antwort, von der ich nicht weiß, wie sehr sie verbreitet ist. Ich habe sie im katholischen Religionsunterricht kennengelernt. Das war Ende der siebziger Jahre im Saarland, Diözese Trier. Gott als Schöpfer der Welt sei ein überholter Gottesbegriff. "Gott" sei eine Chiffre für die zwischenmenschliche Beziehung der Liebe. Ohne Menschen gäbe es keinen Gott. Würde die Menschheit eines Tages nicht mehr existieren, dann gäbe es auch keinen Gott mehr. Wer an einen dreifaltigen Gott glaube, der unabhängig von uns existiere, mache aus Gott ein "Objekt". Das waren die ernstgemeinten Anschauungen meines Religionslehrers. Er selber bezeichnete sich als Schüler des inzwischen verstorbenen Saarbrückener Exegeten Josef Blank. Jahre später entdeckte ich seine Anschauungen in den Schriften eines anderen Theologen, der ebenfalls in Saarbrücken lehrt: des Dogmatikers Gotthold Hasenhüttl.

Hasenhüttl promovierte an der Päpstlichen Gregorianischen Universität in Rom mit einer Arbeit über den Glaubensbegriff Rudolf Bultmanns. Sie erschien 1963 in überarbeiteter Fassung unter dem Titel Der Glaubensvollzug. Eine Begegnung mit Rudolf Bultmann aus katholischem Glaubensverständnis. In dem Geleitwort, das Bultmann selber zu diesem Buch verfaßt hat, spricht der einflußreiche Exeget "vorbehaltlos" seine "Anerkennung" des Buches aus als einer Interpretation seines Werkes, die "sachgemäß und treffend" sei. "Denn ein solches Verständnis meines Anliegens und meiner Arbeit wie in diesem Buch habe ich selten gefunden" (S. 9). In diesem Frühwerk Hasenhüttls sind zwar schon die Weichen für seine spätere Entwicklung gestellt, doch brechen die Konsequenzen erst in seinen jüngeren Werken durch. Unter diesen nimmt die Kritische Dogmatik die erste Stelle ein. Sie ist 1979 erschienen. Mit ihr wollen wir uns hier ein wenig beschäftigen.

Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt, daß alle großen Themen der Dogmatik behandelt werden: 1. Was ist Wahrheit?, 2. Jesus Christus, 3. Gott, 4. Mensch, 5. Kirche, 6. Sakramente, 7. Eschatologie. Den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Werks und des Denkstils Hasenhüttls überhaupt hält das erste Kapitel bereit. In diesem unterscheidet Hasenhüttl zwei "Wahrheitstypen": "Relationale" und "objektivierende" Wahrheit. Die relationale Wahrheit steht in einem Lebenszusammenhang und ist wesentlich zeitlich-geschichtlich. Sie wird durch den Vollzug konstituiert. Die "objektive" Wahrheit ist Gegenstand des Nachdenkens, ist eine "'Naturgegebenheit' und daher in diesem Sinne 'zeitlos', 'ungeschichtlich'" (S. 17 f). Sie ist objektiv im Sinne einer Gegebenheit. Die Naturwissenschaften haben es mit diesem Wahrheitstyp zu tun, der Glaube dagegen mit dem relationalen Wahrheitstyp, also niemals mit einer Wahrheit, die unabhängig von uns existiert.

Glaube bedeutet existentielle Kommunikation zwischen Menschen. Die Wahrheit des Glaubens geht ganz in dieser Beziehung auf. Niemals betrifft sie einen objektiv bestehenden Sachverhalt. Wer dies dennoch meint, macht sich eines "objektivierenden Denkens" schuldig. "'Objektivieren' meint Ablösen vom Vollzug" und ist "immer eine irrige Gedankenbewegung" (S. 25).

Hasenhüttl eliminiert in seinem Werk konsequent jedes objektivierende Denken. Er lehnt auch eine Konzeption ab, die die relationale Wahrheit in der Wirklichkeit gründen läßt. Nehmen wir als Beispiel die Person Jesu Christi. Das, was den Glauben an Jesus Christus ausmacht, ist nur die "Bedeutung", die er für uns hat, ohne daß diese Bedeutung ihren Grund in einer Wirklichkeit hat, die unabhängig von unserer Betroffenheit existiert, etwa im göttlichen Wesen Jesu. Eine solche Konzeption lehnt Hasenhüttl als "Vermittlungsdenken" und "Verführungstechnik" ab.

Für Hasenhüttl existiert die Wahrheit des Glaubens niemals unabhängig vom Vollzug des Glaubens. Alles, was unabhängig davon existiert, wird mit dem Heideggerschen Ausdruck des "Vorhandenen" denunziert, so daß in dieser Optik ein wirklich existierender Gott als bloß vorhandenes Seiendes abfällig zur Seite geschoben werden kann. "Die Wahrheit über Gott ist nur in der Beziehung, sie ist nicht objektivierbar, sondern relational " (S. 25). Die Frage nach der Existenz Gottes hat nur Sinn, wenn sie nicht meint, ob Gott an sich existiert, sondern was Gott für uns bedeuten kann. "Sie ist also funktional, und nur von der Funktion her kann auf die Realität geschlossen werden, die sich jedoch mit der Funktion deckt."

Gott als eine physische oder metaphysische Realität zu denken (wie ein "Sonnensystem"), bedeutet einem "objektivierenden" Denken zu verfallen. "Gott" ist ganz dem relationalen Wahrheitstyp zuzurechnen, so daß "man grundsätzlich nur von Gott sprechen [kann], wenn man vom Menschen spricht, wenn der Mensch also diese Wirklichkeit vollzieht, er gleichsam der Gegenstand ist, an dem Gott als Geschehen reflektiert werden kann" (S. 28). Selbstverständlich entfällt dann Gott auch als Adressat eines möglichen Gebetes. In seiner Einführung in die Gotteslehre (1980 erschienen) bringt Hasenhüttl gegen Ende ein Gebet, das Abschied nimmt von einer Art des Betens, das sich an einen hörenden und sehenden Gott wendet: "Es war leicht zu beten, als ich in der Einfalt meines Herzens noch niederknien konnte und einen Herrn im Himmel wußte, der mich ansah..." Joseph Ratzinger schreibt dazu: "Nicht ohne Erschütterung wird man als Ausdruck solcher Haltung [einer Theologie, deren Gott im Mythos versunken ist] das 'Gebet' lesen können, mit dem G. Hasenhüttl seine 'Einführung in die Gotteslehre' beschließt - ein Gebet, das zu niemand mehr spricht, aber sich verzweifelt selbst einredet, daß es doch Sinn und Liebe für den Menschen gebe, und daß dies zu erfahren 'Gott' für den Menschen sei (...) - ein trauriges Zwiegespräch mit dem Nichts, das sich selbst Mut zuspricht und solches Tun beten nennt" (Das Fest des Glaubens, 1981, S. 14).

"Gott" ist für Hasenhüttl ein "sinnloses Wort", eine "ideologische Aussage", wenn damit eine von uns unabhängige Wirklichkeit ausgesprochen werden soll. Es ist nur legitim als Ausdruck eines existentiellen Vollzugs, z.B. wenn ich ausrufe: "Gott schenkt mir ein Kind." Dieser Ausruf ist sinnvoll, um "Freude als etwas letztes" anzusprechen, nicht aber, wenn damit Gott als Begründung angegeben werden soll (Dogmatik, S. 134). "Gott" kann legitimerweise nichts anderes sein als "Prädikat des Menschen, Aussage vom Menschen und zwar im Bereich relationaler Kommunikation" (S. 132). Dies dürfte genügen, um zu zeigen, wie radikal Hasenhüttl mit dem Glauben Schluß macht. Wenn schon von "Gott" nichts mehr übrig bleibt als eine Interjektion, um wieviel mehr fällt die übrige Glaubensrealität seinem Verdikt des objektivierenden Denkens zum Opfer. Nur stichwortartig sei einiges herausgegriffen:

Hasenhüttl lehnt ausdrücklich den Glauben an die Gottessohnschaft Jesu Christi ab, die Autorität der Kirche vergleicht er mit der Hitlers (S. 71-73), die Anerkennung der Autorität Gottes lehnt er als "'Eichmannsgehorsam' gegenüber Gott" ab (S. 62). Der einzig mögliche Ort der Theologie ist die Erfahrung (S. 49), eine Offenbarung Gottes wird natürlich abgelehnt: Wenn man sich Gott nach Art eines redenden Seienden vorstellt, dessen Autorität nicht hinterfragt werden dürfe, dann befände man sich "im Raum eines irrational abgesicherten begründenden Denkens" (S. 60f). Hasenhüttl gibt offen zu, daß sein Offenbarungsverständnis nicht das der Kirche ist, einschließlich des Zweiten Vatikanums (vgl. S. 57). Zum Schluß sei noch ein Blick auf die Eucharistielehre Hasenhüttls geworfen. Man darf gespannt sein, wie er auch diese in seinen relationalen Wahrheitstypos zu integrieren sucht. Hasenhüttl geht - in dem entsprechenden Kapitel genauso wie in den meisten anderen - so vor, daß er zunächst die Aussagen des Lehramtes darstellt, um sie dann in seinem Sinne zu interpretieren.

Selbstverständlich bleibt von der Realpräsenz Christi in der Eucharistie nichts mehr übrig: Der Empfang der Eucharistie ist "für den Selbstvollzug des ganzen Menschen symbolisch bedeutsam", "im Gemeinschaftsvollzug" wird Gotteserfahrung möglich (S. 205). Was aber macht Hasenhüttl aus der Lehre des Trienter Konzils, daß auch unabhängig vom Empfang die Anbetung der Eucharistie eine Weise der Gottesverehrung sei? Hierzu lautet der vollständige Kommentar Hasenhüttls: "So wie andere Zeichen möglich sind, so ist auch das gemeinsame Essen des Brotes nicht alleiniges Zeichen der Gegenwart Christi. Einfach daß Brot da ist, kann uns auf das Symbol der Lebensmöglichkeit in Jesus Christus hinweisen, auch wenn natürlich die Sache selbst so ist, daß sie zum Essen auffordert. Brot ißt man und Wein trinkt man, aber der volle Brotkorb und der volle Weinkeller mögen manchen beruhigen. So ist die bleibende Eucharistie ein Hoffnungszeichen. Wird darin jedoch eine objektivierte Wirklichkeit gesehen, dann spielen magisch-mythische Vorstellungen eine Rolle, und es kann Götzendienst entstehen" (S. 208f). Auf welche Reaktionen ist die Theologie Hasenhüttls gestoßen? Es fehlte nicht an Warnungen: Bereits 1974 analysierte der Dogmatiker Prof. Dr. Leo Scheffczyk die Lehre Hasenhüttls in seiner Schrift "Gott-loser Gottesglaube?" und kam zu dem Ergebnis: "In Wirklichkeit bleibt der christliche Theologe sachlich und inhaltlich auf dem Standpunkt des Atheisten stehen." 1975 machte Prof. Dr. Georg Siegmund in einem Artikel im FELS unter dem Titel "Christliche Atheisten? Einbruch des radikalen Unglaubens in die katholische Theologie" auf die Thesen Hasenhüttls (und anderer) aufmerksam. 1980 veröffentlichte Prof. Dr. Franz Courth SAC eine ausführliche Besprechung der Kritischen Dogmatik unter dem Titel "Nur ein anderer Weg der Dogmatik? Zu G. Hasenhüttls Kritischer Dogmatik" in der "Trierer Theologischen Zeitschrift" (89; S. 293-317) und kam zu dem Resümee: "Hasenhüttls positives Anliegen ist, den christlichen Glauben als aktuelles Bezogensein zu verstehen; das Fatale seines Entwurfs ist aber, daß er diesem berechtigten Anliegen nicht nur die formelle Transzendenz Gottes und seine Personalität sowie den auferstandenen Christus als personalen Bezugspunkt des Glaubens, sondern auch die Einmaligkeit und Unvertauschbarkeit des Menschen opfert. Hasenhüttl ist mit dem Anspruch angetreten, 'die christliche Wahrheit des Glaubens' in neuer Form zur Sprache zu bringen. Dieses Vorhaben wurde dann aber so verwirklicht, daß eine völlig neue, andere Lehre vorliegt, deren inhaltliche Identität mit dem überlieferten Glauben nicht zu sehen ist. Fazit: Der von Hasenhüttl eingeschlagene Weg ist nicht eine veränderte Weise, Dogmatik zu betreiben, sondern vollzogene Selbstauflösung."

Man könnte zur Tagesordnung übergehen, wenn es sich nur um die Selbstauflösung einer wissenschaftlichen Disziplin handelte. Aber es geht um mehr. Es geht um lebendige Seelen. Ihnen wird der Glaube aus dem Herzen gerissen. Wieviele Religionslehrer sind bereits durch diese Schule gegangen und setzen die Destruktion des Glaubens in den Seelen der ihnen anvertrauten Schüler fort? Mich würde die Sache vielleicht weniger bedrücken, wenn ich nicht gerade selber, wie eingangs beschrieben, Zeuge der verheerenden Auswirkungen dieser Art des Religionsunterrichtes geworden wäre. Wer die Situation kennt, weiß, daß diese Art des Religionsunterrichts kein Ausnahmefall ist, sondern einen Großteil des normalen Unterrichtsalltags repräsentiert.

Wieviele Seelen hat dieser Unterricht auf dem Gewissen? Der Glaube an Jesus Christus wird aus den Herzen gerissen, die persönliche Beziehung zu ihm wird zerstört, zentrale Glaubenswahrheiten werden karikiert. Das Schlimme daran ist, daß all dies im Namen der Kirche geschieht: mit der missio canonica, der kirchlichen Sendung durch den Bischof von Trier. Hasenhüttl lehrt in Saarbrücken seit 1974. Anfang 2006 wurde ihm die Lehrerlaubnis wegen eines Verstoßes gegen die liturgische Ordnung entzogen: Jahrzehnte zu spät.

Dieser Beitrag erschien zuerst in dem Sammelband: Harter Geist und weiches Herz. Zehn Essays wider die Selbstentmündigung der Christen, Lauerz 1997.


Bin ich ein Menschenverwüster?

Erschrocken war ich im ersten Moment schon ein wenig, als ich im Römsten-blog den Titel las: P. Engelbert Recktenwald verwüstet Gotthold Hasenhüttl. Aber es ist natürlich klar, dass Alipius Müller nur die “Theologie” des Professors meint. Dessen Nimbus als Märtyrer der Ökumene zu zerstören, wäre freilich eine Aufgabe, die die Möglichkeiten der katholischen Blogger inclusive kath-info übersteigt. Warum hatte der Bischof, der Hasenhüttl wegen der Einladung zur Interkommunion suspendierte, nicht auf dessen atheistische Theologie aufmerksam gemacht? Vermutlich aus Rücksicht auf seine Vorgänger. Denn wenn man diese Vorgeschichte des Suspendierten kennt, bleibt es unverständlich, warum man ihn jahrzehntelang in seinem Verwüstungswerk des Glaubens gewähren lassen konnte. Aber ob die Vertuschung des Missbrauchs der missio canonica der richtige Weg ist? Meinen Respekt haben jedenfalls solche Aufklärer wie Georg May, die seit Jahrzehnten gegen solche Vertuschung angehen.


Monopol der religiösen Produktionsmittel nach Gotthold Hasenhüttl

Von P. Franz Prosinger

In Spiegel-Online vom 12.05.2010 sprach sich Gotthold Hasenhüttl gegen die katholische Hierarchie aus, weil sie ein „Monopol der religiösen Produktionsmittel“ beanspruche. Hinter dem Ausdruck steht bei ihm eine ganze Weltanschauung. Im Juli 1977 nahm ich an einer doppelstündigen Dogmatikvorlesung bei Hasenhüttl an der Saaruniversität in Saarbrücken teil. Er legte zunächst die Lehre von Gnade und freiem Willen nach dem Konzil von Trient überzeugend dar – um sie dann abzulehnen! Aus einem konsequent existentialistischen Glaubensverständnis wäre demnach jegliche Vorgabe (als gratia praeveniens) eine Bevormundung und Zerstörung von genuin religiösem Erlebnis. Ein Gott vor uns und über uns würde die menschliche Freiheit aufheben. Jegliche Vermittlung, sei es als vorläufige Hinführung oder als nachdenkende Konsequenz, wird abgelehnt. Auf die Frage, welche Bedeutung dann das Evangelium als Glaubenszeugnis und –vermittlung haben könne, müßte man im Sinne Bultmanns antworten: es könnte genauso gut ein toter Hund im Straßengraben sein, der – völlig unvermittelt? – das religiöse Erlebnis auslöst. Hassenhüttl müßte dann auch konsequenterweise zugeben, daß seine Vorlesung als ein Werk der Vermittlung, als Ausdruck von Reflexion über das Religiöse, keine positive Bedeutung haben könne, sondern allein in ihrer notwendigen Destruktivität bestehe, die alle areligiösen Vorgaben und Ansprüche abweise – aber das wollte er in der Fragestunde dann doch nicht zugeben!

Vorgegebene Autorität kann im religiösen Bereich nach Hasenhüttl a fortiori auch nicht auf Menschen übertragen sein. Die unmittelbare religiöse Erfahrung würde da nur bevormundet und äußere Formeln und Riten würden in höchst widersinniger Weise beanspruchen, „Religiöses“ zu produzieren. Der schlimmste Fall wäre eine Institution, die sogar das Monopol auf „religiöse Produktionsmittel“ beanspruchte. Hasenhüttl will natürlich nicht nur eine freie Verteilung solcher Mittel, sondern ihre grundsätzliche Umkehrung. Seinem Glaubens“verständnis“ nach müßte da vor allem Unverbindlichkeit, Beliebigkeit und das Prinzip des Zufälligen vorherrschen. Schon jeder Versuch, solche Vorgaben zu formulieren, scheitert. Das Glaubensverständnis besteht gerade darin, daß der Glaube nicht verstanden wird. Ein unvermittelter und nur unmittelbarer Glaubensvollzug verbindet nicht mit anderen und kann sich nicht in Kult und Ritus ausdrücken. Man könnte sich zu solchen Veranstaltungen treffen, um alle Formen zu sprengen – aber genauso gut könnte es ja zufällig sein, daß jemand ganz unvermittelt inmitten alter Riten eine religiöse Erfahrung macht! Auch ein Rezept zur Kontraproduktivität im Bereich der religiösen Produktionsmittel kann es nach Gotthold Hasenhüttl nicht geben. Berechnendes Handeln wäre so oder so areligiös und sinnlos, jeglicher Auftritt müßte suspendiert werden.

Es gilt von dieser Weise des religiösen Erlebnisses dasselbe wie vom Begriff des ästhetischen Erlebnisses: „Die Einheit des ästhetischen Gegenstandes ist gar keine wirkliche Gegebenheit. Das Kunstwerk ist nur eine Leerform, der bloße Knotenpunkt in der möglichen Mehrheit von ästhetischen Erlebnissen, in denen allein der ästhetische Gegenstand da ist. Wie man sieht, ist absolute Diskontinuität, d.h. Zerfall der Einheit des ästhetischen Gegenstandes in die Vielheit von Erlebnissen, die notwendige Konsequenz der Erlebnisästhetik. An die Ideen von Lukács anknüpfend hat Oskar Becker geradezu formuliert: »Zeitlich angesehen ist das Werk nur in einem Augenblick (d.h. jetzt), es ist `jetzt´ dies Werk und es ist schon jetzt nicht mehr!« Das ist in der Tat konsequent. Die Grundlegung der Ästhetik im Erlebnis führt zur absoluten Punktualität, die die Einheit des Kunstwerks ebenso aufhebt, wie die Identität des Künstlers mit sich selbst und die Identität des Verstehenden bzw. Genießenden.“ (GADAMER H.-G., Wahrheit und Methode, Göttingen 41975, S. 90 f) Gadamer bemerkt dazu (a.a.O. S.92): „Die Berufung auf die Unmittelbarkeit, auf das Geniale des Augenblicks, auf die Bedeutung des `Erlebnisses´ kann vor dem Anspruch der menschlichen Existenz auf Kontinuität und Einheit des Selbstverständnisses nicht bestehen. Die Erfahrung der Kunst darf nicht in die Unverbindlichkeit des ästhetischen Bewußtseins abgedrängt werden.“ Ebenso darf die Erfahrung der Religion nicht in die Unverbindlichkeit des religiösen Erlebnisses abgedrängt werden.

Der radikale Ansatz Hasenhüttls ist von außerordentlicher Konsequenz. In einer Kirche als vorgegebener Institution kann er sich konsequenterweise nur engagieren, um sie als solche zu zerstören. Aber auch daraus könnte sich kein Sinn ergeben. Es bliebe nur der letzte Satz des Tractatus Logico-Philosophicus von Ludwig Wittgenstein: „Wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen“. Aber dann hätte die Institution mit ihrem Redeverbot – unverstandenermaßen freilich – doch recht gehabt. Armer Gotthold Hasenhüttl!

Es sei hier nur kurz angedeutet: auch die Gegenposition zur exstatischen Religionserfahrung, das vorgegebene System „religiöser“ Regeln, führt nicht zum Wesen der Religion als Antwort des Menschen an den ihn ins Dasein rufenden Gott. Sowohl das unvermittelte Sich-Verlieren im Unaussprechlichen als auch das bloße Nachbuchstabieren nie eingeholter Vorgaben entmündigt den Menschen in Sprachlosigkeit. Wenn Gott selbst spricht und seine Weisung in unser Inneres hineinzeichnet (Jer 31,33), dann berührt er unmittelbar und hinterläßt zugleich eine inspirierte Form der Erinnerung, die immer neu verinnerlicht werden kann – auch wenn die bloße Form als solche immer neu transzendiert werden muß. Davon spricht der Herr in den Abschiedsreden: vom Zeugnis des Geistes, der vom Vater ausgeht (unmittelbar aus dem Ursprung), den er senden wird (vermittelt durch den Sohn) und der zum Zeugnis befähigt, „weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (nicht „waret“, wie Pater Anselm Schott übersetzte!), d.h. ein Mit-IHM-Sein im Ursprung (Evangelium vom Sonntag nach Christi Himmelfahrt, Missale 1962). Aus dieser unmittelbaren Überzeugung (Joh 6,68) kann man dem Herrn dann auch zutrauen, daß er uns seinen geopferten Leib und sein vergossenes Blut anvertraut (Joh 6,56) – nicht als religiöses Produktionsmittel, sondern als lebendiger Gottesdienst: Hingabe seiner selbst „im ewigen Geist, um unser Gewissen zu reinigen von den Werken des Todes, damit wir dem lebendigen Gott dienen.“ (Heb 9,14). Pfingsten führt aus der Sprachlosigkeit zum beredten Zeugnis und zu sinnvoller Theologie.


Ratzinger über Hasenhüttl

Rhein-Zeitung: "Herr Kardinal, der katholische Priester Gotthold Hasenhüttl wurde jetzt suspendiert und gleichsam bestraft dafür, dass er öffentlich auch Protestanten zur Kommunion eingeladen hatte. Reagiert die Kirche hier nicht doch viel zu unbarmherzig?"
Ratzinger: "Hasenhüttl weiß ja, was Katholischsein bedeutet, und wenn man katholisch ist, dann nimmt man auch das Wesentliche des Katholischen auf sich. Übrigens darf man nicht vergessen, dass Hasenhüttl eine Dogmatik geschrieben hat, in der er uns sagt, dass es Gott als eine in sich seiende Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern lediglich ein Beziehungsereignis sei. Insofern ist das, was er auf dem Ökumenischen Kirchentag angestellt hat, noch relativ gering im Vergleich zu dem, was er im Ganzen von sich gegeben hat. Und Hasenhüttl weiß selber, dass das nicht der katholische Glaube ist. Man muss also einfach sagen: Das ist alles eine Frage der Ehrlichkeit."
Rhein-Zeitung: "Würden Sie also sagen: Hasenhüttl ist nicht mehr katholisch?"
Ratzinger: "Was im Innersten seines Herzens ist und vorgeht, das überlassen wir dem lieben Gott. Aber was er geschrieben hat, ist nicht katholisch."

Der damalige Joseph Kardinal Ratzinger in einem Interview mit der Rhein-Zeitung vom 22. Juli 2003


Weitere Stimmen zu Hasenhüttl:

"Wenn man sich z. B. den mittlerweile aus anderen Gründen gemaßregelten Theologen Hasenhüttl anschaut und sich wirklich die Mühe macht, sein Buch zu lesen und sich vorstellt, dass das dann auch noch Studenten unter dem Etikett 'katholische Theologie' verkauft wird, dann stellt man fest, dass da in einem unguten Maße persönliche Überzeugungen eingeflossen sind, die dieses Etikett meiner Meinung nach nicht mehr verdienen. Das würde ich schon so sehen."
Der Kulturjournalist Dr. Alexander Kissler in einem Gespräch mit Wolfgang Küpper, ausgestrahlt vom Bayerischen Rundfunk am 2. Juni 2006.

"Es gibt nicht ein einziges Dogma, das in jüngster Zeit nicht hinterfragt, geleugnet und umgedeutet worden wäre. Diese jedem echten katholischen Theologieverständnis widersprechende Dogmenkritik und die hierdurch verursachte Glaubensverunsicherung weitester Kreise sind allgemein bekannt. Was jedoch viele nicht wissen und kaum glauben mögen, wenn man es ihnen sagt, ist die Tatsache, daß selbst die allerelementarste Grundlage des Glaubens, nämlich die Existenz Gottes, nicht nur auf protestantischer, sondern auch auf katholischer Seite geleugnet und bei Unterweisung katholischer Theologiestudierender bestritten wird".
Prof. Dr. Hans Pfeil in Atheismus in der Kirche - Bemerkungen zu Gotthold Hasenhüttls Gotteslehre, erschienen in Theologisches, Mai 1981.


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