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Themen68er |
Von Dr. Martin Lugmayr Ein komplexeres Zueinander lehrt Karl Rahner mit seiner These einer "aktiven Selbsttranszendenz" eines Geschöpfes hin zu einer größeren Seinsfülle "in der Kraft der absoluten Seinsfülle, die einerseits dem endlichen, nach seiner Vollendung hin sich bewegenden Seienden so innerlich zu denken ist, daß dieses Endliche zu einer wirklichen aktiven Selbsttranszendenz ermächtigt wird und es die neue Wirklichkeit nicht einfach nur als von Gott gewirkte passiv empfängt - und diese Kraft der Selbsttranszendenz ist anderseits gleichzeitig so von diesem endlichen Wirkenden unterschieden zu denken, daß sie nicht als Wesenskonstitutiv dieses Endlichen, sich selbst Wirkenden aufgefaßt werden darf, weil sonst, wenn die Wirksamkeit gewährende und zu ihr ermächtigende Absolutheit des Seins das Wesen des endlichen Wirkenden selbst wäre, dieses zu einem wirklichen Werden in Zeit und Geschichte gar nicht mehr fähig wäre, weil es die absolute Fülle des Seins schon als sein Eigenstes besäße".[1] Das aktive Werden einer endlichen Wirklichkeit müsse "sowohl als die aktive asymptotische Annäherung an das Höhere (als es selbst) durch den aktiven Selbstvollzug des eigenen Wesens als auch als die aktive Selbsttranszendenz des eigenen Wesens erscheinen, in der sich ein Seiendes selbst in seiner eigenen Tat als der Tat Gottes aktiv nach oben überwindet".[2] Das Wirken Gottes in der Schöpfung, wie es nach Rahner "immer zu denken ist", ist "nicht eigentlich ,kategorial', weil es nicht etwas wirkt, was das Geschöpf nicht wirkt, weil es nicht neben dem Wirken des Geschöpfes wirkt, sondern das seine Möglichkeiten überbietende und überschreitende Wirken des Geschöpfes wirkt".[3] Rahner scheint das Wirken Gottes in der Schöpfung abzulehnen, weil Gott dadurch zu einer "kategorialen" Ursache würde, und dieses auf ein Wirken mit der Schöpfung zu beschränken.[4] Daher wirkt nach ihm Gott die Geistseele beim ersten Menschen mit der nichtmenschlichen Kreatur, bei allen folgenden mit den menschlichen Eltern so, daß die Geistseele Wirkung ihrer Selbsttranszendenz ist, was bedeutet: das nichtmenschliche Lebewesen bzw. die menschlichen Eltern sind Ursache auch der Geistseele. Der lehramtliche Satz, daß Gott die Seele des Menschen unmittelbar erschaffe (vgl. DH 3896), bedeutet nach Rahner "dann nicht die Leugnung des Satzes, daß die Eltern den einen Menschen zeugen [nämlich mit Leib und Geistseele],[5] sondern seine Präzisierung, dahin nämlich, daß diese Zeugung zu jener Art von geschöpflicher Wirkursächlichkeit gehört, in der das Wirkende die mit seinem Wesen gesetzten Grenzen wesentlich übersteigt in der Kraft der göttlichen Ursächlichkeit".[6] Hier wird unter der Hand das "unmittelbar" doch wieder als "mittelbar" interpretiert, denn es handelt sich ja doch um eine "geschöpfliche Ursache" (!), die die Geistseele wirkt, und damit in einem Sinn gedeutet, der der Aussageabsicht des Lehramtes mit Sicherheit zuwiderläuft, das bezüglich der menschlichen Geistseele nicht eine "creatio ex vetere", sondern eine "creatio ex nihilo" lehrt.[7] So hat sich auch Schmidbaur kritisch zum Rahnerschen Ansatz geäußert: "Eine Erschaffung einer Geistseele läßt aber keinen Rückgriff auf ein Material zu, sondern ist eine Erschaffung aus dem Nichts und ist damit per se ein Privileg Gottes. Sollte Gott aber ebendies nicht können, dann ist unklar, wieso es überhaupt eine Geistseele geben kann. Rahners Theorie von der aktiven Selbsttranszendenz, die ja als solche insgesamt diffus und ohne konkret nachweisbaren Ort im und am Geschöpf ist - sozusagen ein Rest eines übergegenständlichen, divinen Fluidums, das im Raum der Schöpfung anwest und wirken soll - ist somit letztlich unwissenschaftlich und eher dazu geeignet, die Existenz der Geistseele zu leugnen, als sie zu begründen. Sie wirkt wie eine rein religiöse Zusatzannahme, die lose im Raum schwebt und sich damit dem Verdacht aussetzt, eine bloße Bemäntelung des theologischen Bankrotts gegenüber den Erkenntnissen des naturwissenschaftlichen Weltbildes zu sein".[8] Problematisch an der These Rahners ist grundsätzlich, wie ein nicht zum Wesen gehörendes Vermögen doch vom endlichen Selbst hervorgehen soll, und, so Scheffczyk "die Frage bleibt, wie die schöpferische göttliche Ursächlichkeit in die ,Konstitution einer endlichen Ursache' eingehen kann ".[9] Da es nur mehr um ein Mitwirken Gottes geht, bedeutet dies, "daß ein förmlich schöpferisches Wirken in einer weitergehenden Schöpfung nicht mehr angenommen wird".[10] Rahner hat ja tatsächlich seinen Begriff des "Werdens" auf die ganze Wirklichkeit ausgedehnt,[11] so daß auch folgendes Urteil Scheffczyks zutreffend erscheint: "Ein Schöpfer, der an der Evolution nicht auf die ihm allein vorbehaltene, nicht mitteilbare schöpferische Weise beteiligt wäre, der nur zum Wirken ermächtige, das dann freilich kein schöpferisches Wirken sein könnte (sondern nur eine Verursachung geschöpflichen Tuns), der hätte mit dem kosmischen Geschehen nichts zu tun und wäre ihm wie der Gott des Deismus überhoben".[12] Scheffczyk selbst spricht weder von einem "Hineinwirken" Gottes noch von einem "Werden", sondern von einem schöpferischen Tun Gottes, "das durch Mitteilung eines neuen Seinsaktes neue Wirklichkeit setzt".[13] Dabei wird das Wirken Gottes nicht verzeitlicht, es vermischt sich auch nicht mit dem kontingenten Wirken, setzt vielmehr an einer grundlegenden Eigenschaft alles Geschöpflichen an: "Jedes Geschöpf besitzt ein wurzelhaftes, radikales Offensein für Gott. Bei der Erschaffung des Neuen unter Berücksichtigung des Alten und seiner Totalität knüpft Gott an diese Offenheit des Geschöpfes an. Er dringt damit nicht in eine raum-zeitliche Lücke des Geschöpfes ein, sondern er gibt diesem Geschöpf im Ganzen Anteil an einem höheren Sein. Das ist kein Eingriff in die irdische Ordnung, sondern nur Beanspruchung der universalen und zeitlosen Verwiesenheit des Geschöpfes auf den Schöpfer, die für das Geschöpf selbstverständlich nur zeitlich zu erkennen und aufzufassen ist ".[14] Anmerkungen: [1] Karl Rahner, Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. V, Einsiedeln u.a. 1962, 183-221, hier 191 f. [2] Karl Rahner, Die Hominisation als theologische Frage, in: Paul Overhage, Karl Rahner, Das Problem der Hominisation, Freiburg i. Br. 1961, 13-90, hier 61. [3] Ebd., 84. [4] "Die Transzendentalität des Wirkens Gottes im Verhältnis zur Welt darf nie und nirgends als ein bloß statisches Tragen dieser Welt gedacht werden, dieses göttlich transzendente Begründen der Welt ist die Begründung dieser Welt als einer durch Selbstüberschreitung werdenden Welt, welche Selbstüberschreitungen notwendig an Zeitpunkten in der Geschichte dieser werdenden Welt geschehen, ohne daß dadurch das Ermöglichen dieser Selbstüberschreitung durch Gott als solches göttliches Tun einen Zeitpunkt erhält oder ein kategoriales, wunderbares ,Eingreifen in die Welt' wird", Karl Rahner, Die Hominisation als theologische Frage, a.a.O., 84; "Ein besonderes ,Eingreifen' Gottes kann darum nur als geschichtliche Konkretheit der transzendentalen Selbstmitteilung Gottes verstanden werden, die der konkreten Welt immer schon innerlich ist", Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens, Freiburg i. Br. 1984 (5. Auflage der Sonderausgabe), 94. [5] Daß Rahner hier auch die Geistseele meint, geht aus dem Kontext hervor (Anm. d. Verf.). [6] Karl Rahner, Die Hominisation als theologische Frage, a.a.O., 82 f. [7] Auch Dorothea Sattler und Theodor Schneider, die den Begriff "Seele" auf den ganzen Menschen ausweiten und dann folgern: "Jede ,Seele', jedes Kind, ist unmittelbar von Gott erschaffen, der die leiblichen Eltern zur Zeugung und Ernährung des Kindes befähigt", lehren tatsächlich nur eine mittelbare Erschaffung. Vgl. Dorothea Sattler, Theodor Schneider, Schöpfungslehre, in: Theodor Schneider (Hrsg.), Handbuch der Dogmatik, Bd. 1, Düsseldorf 20022, 120-238, hier 222. [8] Hans Christian Schmidbaur, Gottes Handeln in Welt und Geschichte, a.a.O., 383. Da nach Rahner letztlich Geist aus Materie wird, urteilt Schmaus: "Die Vermutung, daß die Materie sich durch Selbsttranszendierung zum Geist entwickeln kann, ist unhaltbar", Michael Schmaus, Der Glaube der Kirche, Bd. III (1979), 209. [9] Leo Scheffczyk, Abstammung des Menschen, a.a.O., 91. [10] Leo Scheffczyk, Schöpfung und Evolution, a.a.O., 183. [11] Nur rein physikalisch-chemisches Werden könnte insofern ohne Selbstranszendenz vorgestellt werden, da "bei einem solchen Werden seinsmäßig ebensoviel verschwindet wie wird. Aber eben solches Wirken und werden kann dann immer noch als Grenzfall des eigentlichen Wirkens und Werdens in Selbstüberschreitung aufgefaßt werden, wenn man überhaupt auf einen metaphysischen Werdebegriff Wert legt. Dies zumal, als man sich fragen kann, ob es nicht doch auch schon im Anorganischen solche Ansätze zu einem Werden und Wirken in Selbstüberbietung gibt,.", Karl Rahner, Die Hominisation als theologische Frage, a.a.O., 82, Anm. 17. [12] Leo Scheffczyk, Schöpfung und Evolution, a.a.O., 185. [13] Leo Scheffczyk, Gottes fortdauernde Schöpfung, a.a.O., 199. [14] Leo Scheffczyk, Einführung in die Schöpfungslehre (1987), a.a.O., 87 f. Es handelt sich bei diesem Text um einen Auszug aus der Doktorarbeit Martin Lugmayrs "Gottes erstes Wort. Untersuchungen zur Schöpfungstheologie bei Leo Scheffczyk", Kisslegg 2005, Kapitel 4: Schöpfung als Objekt natürlicher Erkenntnis, 4.6. Schöpfung und Evolution, 4.6.5. Die Stellung Scheffczyks zum Entwicklungsgedanken, S. 206 bis 209. Vom selben Autor: |
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