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Die Zerstörung der Grabeskirche

Am 18. Oktober 1009 wurde in Jerusalem die Grabeskirche durch den fatimidischen Kalif Al-Hakim zerstört.

Kalif Abu Ali al-Mansur al-Hakim (996-1021) gehörte zur Dynastie der schiitischen Ismailifatimiden (969-1170), die ihre Abstammung auf Fatima, die Tochter Mohammeds, zurückführten. Die Fatimiden kamen in Nordafrika hoch und errichteten 910 ein Gegenkalifat zum Abbasidenkalifat in Bagdad, das seinerseits 749 das Umajjadenkalifat (auch Umaiyaden, Omaijaden) abgelöst hatte. Ihr Ziel war die Eroberung Bagdads. Dazwischen lag Ägypten, das sich 935 vom Abbasidenkalifat gelöst hatte und selbständig geworden war. Die Fatimiden eroberten es 969. Der Kalif Al Muizz (953-975) ließ Kairo erbauen und machte es im August 972 zum Sitz des Kalifats.

979 eroberten die Fatimiden Jerusalem. Schon bei dieser Gelegenheit wurde die Grabeskirche, von den Byzantinern Auferstehungskirche genannt, schwer beschädigt: In ihre Tore wurde Feuer geworfen und die Kuppel stürzte ein. Das zum byzantinischen Reich gehörende Jerusalem war 614 vorübergehend von den persischen Sassaniden, dann endgültig 638, also sechs Jahre nach dem Tod Mohammeds, nach zweijähriger Belagerung vom Kalifen Omar I. (634-644) erobert worden. Es war die Zeit der rasanten Ausbreitung des Islams. 635 war Damaskus erobert woren. Omar (auch Umar) respektierte die Grabeskirche und wandelte sie nicht, wie andere Kirchen, in eine Moschee um. 937 und 966 aber verübten Muslime Anschläge auf die Grabeskirche und beschädigten sie durch Feuer.

Al-Hakim war der dritte fatimidische Herrscher in Kairo. Aufgrund seines unberechenbaren und exzentrischen Verhaltens vermuten manche Historiker, dass er geisteskrank gewesen sei. Er begann 1008 eine Christen- und Judenverfolgung, die fünf Jahre andauerte: “Er verbot ihnen Wein und Schweinefleisch, führte die diskriminierenden Kleidervorschriften wieder ein, nach denen die Juden z.B. eine Glocke um den Hals tragen mußten, ja er verbot den Muslimen jeden geschäftlichen Verkehr mit ihnen, zog die Besitzungen aller Kirchen und Synagogen ein und ließ mehrere von ihnen zerstören, ja sogar Hand an die Kirche des Heiligen Grabes legen” (Claude Cahen, Der Islam. Vom Ursprung bis zu den Anfängen des Osmanenreiches, Bd. 14 von Fischer Weltgeschichte, Frankfurt a. M. 1987, S. 265). Diese Bestimmungen hatten teilweise eine lange Tradition und gingen wahrscheinlich auf den Omaijaden-Kalif Omar II. (717-720) zurück. Demnach durften die Christen kein Pferd besteigen, kein Schwert oder eine sonstige Waffe, keinen Turban und keine landesüblichen Schuhe tragen. Sie mussten sich an der Stirne scheren und an einem Gürtel und zwei gelben Stoffbändern an der Schulter erkennbar sein. An der Haustür mussten sie die hölzerne Darstellung eines Dämons anbringen. Diese Bestimmungen wurden im Laufe der Jahrhunderte mehr oder weniger streng angewandt. Al-Hakim ging mit aller Schärfe vor. Er fügte noch die Verpflichtung hinzu, um den Hals ein schweres Holzkreuz zu tragen. Noch schlimmer war das alte Verbot, neue Kirchen oder Klöster zu bauen, beschädigte zu restaurieren und auf irgendeine Weise öffentlich den christlichen Glauben zu praktizieren, sei es durch Gesang, Prozessionen, Tragen von Kreuzen. Heimlich gebaute oder wiederhergestellte Kirchen wurden von den muslimischen Gouverneuren wieder zerstört.

Die Zahl der von Al-Hakim geraubten Kirchen gibt Hesemann mit 30.000 an. Die Zerstörungswut Al-Hakims machte auch nicht vor der Felsenhöhle mit dem Heiligen Grab halt, wie Hesemann berichtet: Man legte ein mächtiges Feuer an und brach anschließend den brüchig gewordenen Stein ab. Diese Schändung des kostbaren Heiligtums der Christenheit rief große Empörung hervor.
Al-Hakim hielt sich gegen Ende seines Lebens für die höchste Inkarnation Gottes, eine Lehre, an welche bis heute die überzeugten Drusen glauben, die seine Wiederkehr erwarten.

Zwar erlaubte neunzehn Jahre nach der Zerstörung der Kalif Al-Zahir (1021-1036) den Wiederaufbau der Grabeskirche, nachdem Kaiser Romanos III. Argyros (1028-1034) dem Bau einer Moschee in Byzanz zugestimmt hatte, aber im Laufe der Jahre wurden Jerusalem und das Heilige Land zu einem immer gefährlicheren Pflaster für christliche Pilger, besonders als 1078 die sunnitischen Seldschuken Jerusalem eroberten. Das langwährende Trauma der Schändung der Heiligen Stätten bereitete im Abendland den Boden für die schließlich aufbrechende Kreuzzugsstimmung, die durch den Hilferuf des bedrängten Byzanz ausgelöst wurde. Im August 1098 verloren die Seldschuken Jerusalem wieder an die Fatimiden, die sich aber nur kurz des neuen Besitzes erfreuen konnten: Am 15. Juli 1099 nahmen die christlichen Kreuzfahrer Jerusalem in Besitz.


Diskriminierung

Vor 1000 Jahren, am 4. August 1011, begann der Kalif Al-Hakim, der zwei Jahre zuvor die Grabeskirche von Jerusalem hatte zerstören lassen, mit einer Reihe diskriminierender Edikte gegen Christen und Juden. So mussten sie etwa einen schwarzen Turban tragen. “The Christians had to wear a cross the length of a cubit and weighing five ratls around their necks around their necks; the Jews were obliged to wear a block of wood of similar weight (…) they had to wear some distinguishing mark in the bath-houses, and finally al-Hakim decided that there were to be separate bath-houses for their use...” (Moshe Gil, A history of Palestine 634-1099, Cambridge 1992, S. 376).


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