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Es war einmal eine Stadt …

Eine Geschichte über kreative Brandstifter,
erzählt von P. Engelbert Recktenwald

Es war einmal eine wunderschöne Stadt. Alle Einwohner konnten sich eines hübschen Hauses erfreuen, dessen Wohnqualität in keiner anderen Stadt je erreicht wurde. Dennoch hatte diese Stadt eine Feuerwehr nötig. Denn immer wieder brach irgendwo ein Feuer aus, sei es aus Versehen, sei es aus Fahrlässigkeit, sei es aus Absicht. Der Bürgermeister sah es als seine wichtigste Aufgabe an, die Stadt und ihre Bewohner so viel wie möglich durch eine gute Feuerwehr vor den zerstörerischen Flammen zu schützen.

Doch eines Tages gab es einen neuen Bürgermeister. Dieser begann, die Feuerwehr zu kritisieren. Er warf ihr vor, durch ihr Wasser Schaden anzurichten. Und tatsächlich: Er konnte Beispiele anführen, wo den Feuerwehrleuten Fehler unterlaufen waren, wo sie es z.B. übertrieben hatten, um an Brandherden angrenzende Nachbarhäuser vor dem Übergreifen der Flammen zu schützen. Wie sollte es auch möglich sein, diese Rettungstätigkeit über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg stets ohne Fehler auszuüben? Aber die Kritik des Bürgermeisters wurde immer grundsätzlicher. Er schien den Wert der Feuerwehreinsätze gar nicht mehr zu erkennen. Er warf den Feuerwehrleuten vor, sich auf ihre Tätigkeit etwas einzubilden, sich für etwas Besseres zu halten als die Brandstifter. Wenn die Feuerwehr in ihren bedrohlich wirkenden Fahrzeugen mit Blaulicht ausfahre, würde sie Angst und Schrecken verbreiten. Das passe in keiner Weise zu einem menschenfreundlichen Stadtbild. Wo bleibe da die Zärtlichkeit? Auch die Brandstifter müssten mit verständnisvoller Barmherzigkeit behandelt werden. Man dürfe ihr Tun nicht pauschal verurteilen, sie meinten es oft nur gut. Denn wer sagt denn, dass Feuer immer zerstörerisch sei? Hat es nicht auch positive Funktionen? Dürfe man jeden, der ein Feuer legt, sofort als Brandstifter diffamieren?

Tatsächlich hatte sich im Laufe der Zeit unter der Bevölkerung ein großer Teil immer mehr mit den Brandstiftern solidarisiert. Nicht als ob sie selber Brandstifter wären. Aber sie waren deren Sympathisanten, weil sie Freunde der Freiheit sein wollten. Sie ließen sich von den Klagen der Brandstifter, die sich von der Feuerwehr bedroht fühlten, rühren, bekamen Mitleid mit ihnen und setzten sich für ihre Anliegen ein. Es muss doch erlaubt sein, auch mit Feuer ein wenig zu experimentieren! Die Feuerfreiheit dürfe nicht eingeschränkt werden! Und was ist schon dabei, wenn ab und zu ein altes Gebäude abbrennt? Einen solchen Vorgang dürfe man durchaus auch als dynamische Weiterentwicklung des Stadtbildes ansehen. Die Tätigkeit der Feuerwehr dagegen diene lediglich dem starren Festhalten am überkommenen Stadtbild und verhindere den Fortschritt. Nur weil die Stadt so sei, wie sie ist, müsse sie nicht immer so bleiben. Man müsse auch Mut zur Veränderung haben.

Der Bürgermeister nahm diese Polarisierung zwischen der konservativen Feuerwehrpartei und der progressiven Bandstifterpartei mit großer Sorge wahr. Es war ihm ein Anliegen, dass in der Stadt Frieden und Eintracht herrsche. Er mahnte die Brandstifter, es mit ihrem Feuer nicht zu übertreiben. Sie sollten sich mit kleinen, kontrollierten Feuerchen begnügen. Die Feuerwehr mahnte er, ihre starre Haltung gegenüber jeder Brandstiftung abzulegen. Überhaupt müsse sie ihre Aufgabe grundsätzlich neu definieren. Es gehe nicht darum, Feuerherde zu löschen, sondern mit den Brandstiftern in einen konstruktiven Dialog zu treten, um das Feuerlegen möglichst kreativ zu gestalten. Das Stadtbild solle dadurch verschönert werden. Deshalb ernannte er einen Sympathisanten der Brandstifterpartei zum Chef der Feuerwehr.

Der Bürgermeister erkannte klar: Um den Frieden wiederherzustellen, musste das gegenseitige Verständnis der beiden Parteien gefördert werden. Deshalb kam er auf die Idee, eine große Versammlung einzuberufen, in der alle Parteien vertreten waren. Der tiefste Sinn dieser Versammlung sei das gegenseitige Zuhören. Nur gemeinsam könne man die Zukunft der Stadt garantieren. Man müsse sich gemeinsam auf den Weg machen. Weder sollten die Brandstifter es mit ihrem Feuer übertreiben, noch sollte die Feuerwehr jedes Feuer löschen. Dieses rückwärtsgewandte Bemühen, jedes Gebäude zu retten, sei die größte Gefahr für die Stadt. Deren Zukunft liege im Vorwärtsgehen, im behutsamen Feuerlegen, an dem sich alle beteiligen. Man müsse sich überraschen lassen von dem, was dabei herauskommt.


Recktenwald: Die Geschichte vom verlorenen Schaf für heute

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