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Der Todeswunsch aus psychiatrischer Sicht

Von Dr. med. Raimund Klesse

Der Begriff „Todeswunsch" ist missverständlich. Vor allem bei alten Menschen kann es vorkommen, dass aufgrund eines langen, erfüllten Lebens und der altersbedingten Gebrechen und Einschränkungen Bemerkungen fallen wie „es wäre mir auch gleich zu sterben". Sie würden aber niemals Hand an sich legen und denken auch nicht ernsthaft an einen unnatürlich herbeigeführten Tod.

Der Begriff Suizid (sui caedere = sich selbst töten) und die davon abgeleitete Suizidalität dagegen beinhalten einen Gemütszustand, in dem die Gefahr besteht, dass der betroffene Mensch sich selbst etwas antut, was möglicherweise zum Tode führt.

Jeder Mensch möchte aber leben. Der Psychiater oder Psychologe ist hier gefordert herauszuarbeiten, welche Züge im individuellen Seelenleben einen Menschen dazu bewegen, Lebensprobleme nicht mutig und mit Unterstützung anderer zu bewältigen, sondern sich stattdessen Gedanken über eine Selbsttötung zu machen. Seine Aufgabe ist es, dem Suizidenten auf den Weg einer konstruktiven Problemlösung zu helfen.

Durch die moderne Anthropologie, Biologie, Psychologie und Soziologie ist gut belegt, dass der Mensch mit einer hochdifferenzierten Disposition zur sozialen Lebensweise auf die Welt kommt. In einer vertrauten Wechselbeziehung zur Mutter, zum Vater, seinen Geschwistern, Großeltern und weiteren Bezugspersonen kann er zur eigenständigen, beziehungsfähigen Persönlichkeit heranwachsen. Er ist also von Beginn an auf die Verbindung mit dem Du angelegt und kein autonomes Einzelwesen. Diese natürliche Verbundenheit bedeutet aber nichts anderes als die innere Ausrichtung des Menschen auf den anderen und die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit mit und durch soziale Kooperation. Diese Kooperation muss schon beim Kind in der zwischenmenschlichen Wechselbeziehung aufgegriffen, gefördert und ausgeformt werden, wobei dieses mit seinem Temperament und seiner Eigenaktivität mitgestaltet.

Zur Selbstständigkeit gehört, soziale Verantwortung zu übernehmen, Mitgefühl zu entwickeln, genauso wie Hilfe als Teil des Lebens annehmen zu können. Der gelungene Prozess der Persönlichkeits- oder Charakterentwicklung gründet auf dem in den ersten Beziehungen erworbenen „Urvertrauen", das es dem Menschen ermöglicht, später in schwierigsten Lebenslagen auf mitmenschliche Hilfe zu hoffen und diese auch aktiv zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Mensch wird seinen Wert und seine Würde auch nicht durch das Annehmen von Hilfe in Frage gestellt sehen. Es ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, leben zu wollen. In diesem Sinne ist der Wunsch eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen, immer ein pathologischer Zustand, der entsteht, wenn eine äußere Lebenssituation (Verlust, Trennung, finanzielle Problematik, politische Drucksituation, seelische Kränkung, aber auch Prüfungsangst, Angst vor Bewältigung einer Arbeit o. ä.) einem Menschen mit seiner „inneren Ausrüstung" nicht bewältigbar erscheint.

Erwin Ringel unterscheidet zwischen Anlass und Ursache des Suizids: Äußere Umstände haben zwar Einfluss auf den Selbstmord, erklären können sie aber nicht, wie es zu einem Selbstmord kam. „Sie sind wichtige auslösende Faktoren. (...) Der Selbstmord ist aber letztlich nur durch die menschliche Persönlichkeit zu erklären." [1] Viktor Frankl sieht im Selbstmord „Ein Nein auf die Sinnfrage." und führt aus, dass diese Frage nicht lauten kann: „Was habe ich vom Leben noch zu erwarten? – sondern nur lauten darf: was erwartet das Leben von mir?"[2] Alfred Adler legte als Maßstab für die seelische Gesundheit das Gemeinschaftsgefühl zugrunde. Dieses zeigt sich darin, wie ein Mensch seine Aufgaben in den Bereichen Arbeit, Gemeinschaft und Liebe bewältigt.

In der Frage der Suizidalität ist es entscheidend, wie ein Mensch mit seinem individuellen Charakter an diese drei Lebensfragen herangeht – insbesondere bei auftretenden Schwierigkeiten. Ein Mensch kann sich beispielsweise das Lebensziel setzen, immer perfekt sein zu wollen. Dabei kommt er mit dem Gemeinschaftsgefühl, d.h. mit der gleichwertigen Kooperation mit dem anderen und dem Handeln für das Gemeinwohl immer wieder in Widerspruch. So kann z.B. ein erfolgreicher Manager bei der Bevorzugung eines anderen bei einer Beförderung sich zurückgesetzt fühlen und suizidal werden. Oder ein alter Mensch, der wegen einer Krankheit nicht mehr so leistungsfähig ist wie vorher, hat gemäß seinem Charakter, perfekt sein zu wollen und zu können, dass Gefühl, seinen Wert zu verlieren. So gab ein älterer Herr mit leichtem Parkinsonismus alle Aufgaben, die er in der Gemeinde jahrzehntelang innehatte, auf, obwohl er sich noch lange nützlich hätte betätigen können und ein hochangesehener Mitbürger war. Der Grund war seine Angst, die Leute könnten darüber reden, dass er seine Aufgaben nicht mehr richtig erfülle. Diese Angst war ausschließlich die Folge seiner Fiktion, alles perfekt machen zu müssen, um geschätzt zu sein. Er wies also alle Anfragen, sich hilfreich zu betätigen, vehement zurück, beschloss zu sterben und zog sich aus dem sozialen Leben und den Beziehungen aktiv zurück. Er plante noch perfekt seinen 80. Geburtstag und seine goldene Hochzeit und erlag drei Monate später einer Lungenentzündung.

Kennt man das Innenleben dieses Mannes nicht genauer, würde man diesen Vorgang nicht als Suizid werten. Psychologisch gesehen war es aber ein aktives Nicht-mehr-leben-Wollen, weil er keine Möglichkeit mehr sah, seinen Lebensplan des Perfektionismus weiterzuführen. Der Suizid entsteht aus der Konfrontation eines Lebensstils mit der Realität. Einen natürlichen Todeswunsch oder auch den von FREUD postulierten Todestrieb gibt es nicht. Die individualpsychologische Betrachtungsweise erklärt, wie sich aus einer Irritation im Charakter des einzelnen eine Tendenz zum Suizid entwickeln kann, die bei Zusammentreffen verschiedener ungünstiger Faktoren schließlich das Blickfeld des Betroffenen immer weiter einengt und letztlich über die Suizidphantasie zur Tat des Suizidversuchs führt.

Ergebnisse aus der Suizidforschung

Suizidalität wird also im Zusammenhang mit einer fehlgerichteten Tendenz im Charakter hervorgerufen, auch wenn dies im ersten Moment vielleicht nicht erkennbar ist. Suizidgedanken oder -versuche entspringen nicht einem eigentlichen Todeswunsch, sondern sind Ausdruck eines „So-nicht-mehr-Leben-Wollens". Dies zeigt sich auch darin, dass bei Nachuntersuchungen von Menschen, die nach einem ernsthaften Suizidversuch gerettet wurden, 85 bis 100% innerhalb der Nachuntersuchungszeit nicht an Suizid verstarben [3] und die überwiegende Mehrzahl froh über ihre Rettung waren.

Auch konnte in fast allen untersuchten Fällen (bei 90 bis 95% der Suizidierten) für den Zeitpunkt des Suizidversuches eine psychiatrische Diagnose gestellt werden.[4] Dies gilt ebenso für alte Menschen und Schwerstkranke, bei denen Suizidversuche nicht wesentlich häufiger vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung.[5] In bis zu 50% der Suizidfälle spielen Alkohol oder Drogen eine Rolle.[6] Auch konnte ein Zusammenhang der Suizide mit männlichem Geschlecht, verzögerter Entwicklung in der Kindheit, Verhaltensstörungen im Jugendalter, charakterliche Impulsivität und Labilität sowie Schulschwierigkeiten nachgewiesen werden.[7] Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass vor allem im Alter Vereinsamung, ungenügende palliative Versorgung und mangelnde Behandlung von psychischen Erkrankungen zur Suizidalität führen. Heuft spricht von der „soziokulturellen Verletzbarkeit alter Menschen" und meint „Abwertung im politischen Raum, Säkularisierung, Partnerverlust, Wegsterben des Freundeskreises, Mobilität der Kinder und Enkel oder Kinderlosigkeit, Wohnungswechsel, geringer Bildungsgrad, materielle Perspektivlosigkeit".[8] Dies ist, v. a. bei älteren männlichen Witwern gehäuft verbunden mit sozialem Rückzug und erhöhter Suizidalität. Die öffentliche Euthanasiedebatte und das medienwirksame Agieren von Sterbehilfeorganisationen wie Exit und Dignitas tragen zum Abbau von natürlicher Ablehnung gegenüber dem Suizid bei. Sie geben Anleitung zum Selbstmord, stellen Hilfsmittel zur Verfügung und üben durch die Bejahung des Suizids als „Lösung" Druck auf den zweifelnden Suizidalen aus. So erhöhten sich nach dem Erscheinen des Buches „Final Exit", in dem zum Suizid durch Ersticken mittels Plastiksack und zur Vergiftung mit Medikamenten angeleitet wird, die Suizide mittels Plastiksack um 31% und die Medikamentenvergiftungen um 5,4% innerhalb eines Jahres. Nach dem medienwirksamen Selbstmord der Schweizer Schriftstellerin Sandra Paretti vervierfachten sich laut Aussage des damaligen Exit-Vizepräsidenten die Exit-Suizide [9].

Suizidalität ist heilbar

70 bis 80% der Betroffenen teilen aber ihre seelische Not mit [10] und geben uns somit die Möglichkeit, helfend einzugreifen. Adäquate Hilfeleistung fordert von den Betreuern und Begleitern ein genaues Verständnis, warum beim einzelnen der Lebenswille geschwächt ist. Psychische Leiden, insbesondere Depressionen müssen erkannt und behandelt werden. Schmerzen und andere körperliche Symptome müssen ernst genommen und soweit wie möglich behoben oder gelindert werden. Auch die Bedeutung äußerer Belastungsfaktoren muss erkannt und im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Gefährdeten richtig eingeschätzt werden.

So kann z.B. der Verlust oder die Einschränkung des Sehvermögens für einen belesenen und politischen interessierten Menschen eine für ihn schwer verwindbare Einbuße seines Geltungsbereichs mit sich bringen. Zunehmende Schwerhörigkeit kann einen Menschen, der nicht zur Last fallen will, isolieren, da er an vielen Gesprächen nicht mehr teilhaben kann, wenn er nicht auf sein Leiden aufmerksam macht. Besonders bei Tüchtigen birgt die Einbuße an Leistungsfähigkeit durch Alter oder Krankheit die Gefahr des sich minderwertig und unnütz Fühlens.

Man muss wissen, dass die heutige leistungsorientierte gesellschaftliche Entwicklung einen enormen äußeren Druck erzeugen kann, in dem auch Menschen, die ihr Leben sonst durchaus bewältigt hätten, suizidal werden können. Die öffentliche Kostendiskussion im Gesundheitswesen legt alten und kranken Menschen geradezu nahe, dass sie finanziell und menschlich eine Belastung für die Allgemeinheit seien. Euthanasie und Beihilfe zum Suizid werden durch die Medien ständig thematisiert und als akzeptabel, wenn nicht gar wünschenswert suggeriert.

Eine Gesellschaft, die sich dem Suizidwilligen nicht mehr konsequent und mit allem Einsatz entgegenstellt, verliert ihre Humanität und geht psychologisch gesehen in eine kranke Richtung. Nur die Sicherheit, dass alle Anstrengungen unternommen werden, jedem Menschen, sei er alt, schwach, krank oder verzweifelt, adäquate Hilfe zukommen zu lassen, ermöglicht ein ruhiges und friedliches Zusammenleben aller.

Eine gesellschaftliche Billigung des Suizids wie auch der aktiven Euthanasie würde zu verheerenden psychologischen Folgen in allen Gemütern führen. Eine klare Stellungnahme zu diesen Fragen ist auch gegenüber dem Patienten von äußerster Wichtigkeit. Wenn der Betreuende auch nur im Entferntesten den Suizid als „rationale und gangbare Lösung" ansieht oder diesen sogar nahe legt, kann er dem Todeswilligen nicht helfen, sondern bestärkt im Gegenteil dessen Suizidwunsch.

Es braucht die Beziehungsfähigkeit und das Einfühlungsvermögen, das Vertrauen des Suizidalen zu erwerben und seine innere Situation zu erfassen. Auf dieser Vertrauensgrundlage geht es darum, mit ihm orientiert an der Realität zu entwickeln, was seine Bedeutung und Aufgabe im Leben ist oder sein kann. Für ältere und kranke Menschen, deren physische Selbstständigkeit abnimmt, besteht die Gefahr, dass sie ein Gefühl der Bedeutungs- und Wertlosigkeit entwickeln und eine Angst, anderen zur Last zu fallen. Diesen Gefühlen können wir entgegenwirken, wenn wir ehrliches Interesse und Freude an ihrer Persönlichkeit empfinden, unabhängig von ihrer noch vorhandenen Leistungsfähigkeit. Im gleichwertigen Umgang erlebt auch der alte kranke Mensch seine Bedeutung als Mitmensch für uns und seine Umgebung. Betagte können z. B. dadurch gestärkt werden, wenn sie mit ihrem Gebet ihren Beitrag zur Unterstützung der Familie leisten. Angehörige, Pflegende und ärztliche Betreuer können bewusst machen, wo der einzelne z. B. als Großvater, als Partner, als Arbeitskollege, als lebenserfahrener Mensch mit seiner Biographie und seinem Wissen über viele Zeitereignisse von Bedeutung ist.

1)  Ringele E., Der Selbstmord, Verlag Dieter Klotz, 6. Aufl., Eschborn (1997), S. 11
2)  Frankl V., Die Sinnfrage in der Psychotherapie, R. Piper Verlag, 6. Aufl., München (1996), S. 22ff
3)  Ernst, C., Exposé zu neueren epidemiologischen Studien zum Suizid, Februar 1999, S. 5
4)  ebd., S. 1
5)  ebd., S. 6-11
6)  Hawton K, Van Heeringen K. (Hrsg.), The International Handbook of Suicide and attempted Suicide, Wiley & Sons, Chicester (2000). Zit. nach: Michel K., Der Arzt und der suizidale Patient, Teil 2, Schweiz. Med. Forum Nr. 31, 31. Juli 2002, S. 732
7)  Neeleman J. et al., Predictors of suicide, accidental death and premature natural death in a general population, Lancet 351 (1998): S. 93-97
8)  Zit. nach: Teising M., Alt und lebensmüde, Ernst Reinhardt Verlag, München, Basel (1992), S. 43
9)  Kuhn M., in Radio <Z>, 29. 9. 1997, Talk in Z. Zit. nach: Hippokratische Gesellschaft Schweiz (1999)
10)  Ernst C., Epidemiologie von Suizid und Suizidversuch, Hospitalis 64, Nr. 5 (1994), S. 212

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe 1/2003 der Quartalschrift 'Imago Hominis' veröffentlicht. Sie wird herausgegeben vom IMABE-Institut (Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik), dessen Zielsetzung die Förderung der Medizin und Bioethik in Forschung und Praxis unter dem besonderen Aspekt der Würde des Menschen auf der Grundlage des christlichen Weltbildes ist.


Suizid als Ausdruck der Selbstbestimmung?

Die Konfrontation des angeblichen Freitods mit den Ergebnissen der Suizidforschung entlarvt die Rede von der Selbstbestimmung als bloße Rhetorik. Eine, die kein tragfähiges Fundament in der Wirklichkeit beanspruchen kann, dafür aber eine Gesellschaft gegen die mehr oder weniger lautstarken Hilfeschreie völlig verzweifelter Menschen erfolgreich zu immunisieren vermag.

Stefan Rehder in einer Rezension des Buches von Emmanuel J. Bauer, Reinhold Fartacek, Anton Nindl: Wenn das Leben unerträglich wird. Suizid als philosophische und pastorale Herausforderung, Stuttgart 2011, in: Lebensforum Nr. 102, 2. Quartal 2012


Gewünschte Selbstmordbereitschaft?

Der Verdacht der Autoren: Wenn nur lange und oberflächlich genug öffentlich über Selbstmord geredet wird, nimmt die Selbstmordbereitschaft weiter zu. Das sei politisch geradezu gewünscht. Denn dann lösen sich die künftigen demografischen Probleme von selbst. Selbstmord wird zur sozialen Verpflichtung, Mobbing zieht in guter Absicht in die Familien ein, Ärzte stehen als fachkundige Mordhelfer bereit, der Rechtsanspruch auf Selbstmord als Dienstleistung wird kommen.
Wer diesen schlimmen Verdacht nicht teilt, sollte das Buch dennoch unbedingt lesen. Es räumt Vorurteile über den Selbstmord aus. Er ist Folge einer psychischen Erkrankung, die heilbar ist. Er ist gerade nicht der höchste Akt freiheitlicher Selbstbestimmung, wie gerne verklärend behauptet wird, sonder die Kapitulation des Menschen vor sich selbst.

Aus der Rezension von Klaus Baschang über das Buch Andreas Krause Landt, Wir sollen sterben wollen; Axel W. Bauer, Todes Helfer; Reinhold Schneider, Über den Selbstmord (1947); Edition Sonderwege bei Manuscriptum, 2013, 200 Seiten. Die Rezension erschien am 13. März 2013 in ideaSpektrum Spezial 2/2013 Lesen, hören & sehen, S. 8.


Nichts mehr wert?

Es ist die Sorge um den Anderen, die den Kranken aufwertet und ihn gerade nicht verzagen lässt. Es geht also um den Ausdruck der Wertschätzung für den Kranken. Das ist der zentrale Gehalt ärztlicher Sorge. Und deswegen sind die Debatten um den assistierten Suizid gefährlich. Denn mit der Befürwortung der ärztlich unterstützten Selbsttötung unterstützt man nur den Eindruck des Patienten, er sei nichts mehr wert.

Dr. Giovanni Maio, Professor für Bioethik und Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Uni Freiburg, im Interview (Unsere Krankenhäuser sind krank) mit Karsten Huhn, in IdeaSpektrum vom 26. März 2014, S. 17.


Evozierter Todeswunsch

Dass der Selbstmord moralisch geächtet bleibt, ist für die menschliche Gemeinschaft von größter Wichtigkeit. Denn wenn er eine sozial akzeptierte und institutionell ausgestattete Möglichkeit ist, wird es unvermeidlich sein zu verhindern, dass daraus die Pflicht wird, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, um den anderen nicht weiter zur Last zu fallen. Schon die Stoiker haben diesen Schluss gezogen. Wie viele Menschen heute schon so handeln, spielt keine Rolle. Es ist nun einmal logisch zwingend: Wenn ich anderen einen Dienst erweisen kann und dies nicht tue, dann trifft mich die Verantwortung für die Folgen der Unterlassung. Das Bewusstsein, das eigene Weiterleben gehe zu Lasten der Angehörigen und der Kranke könnte sie von dieser Last befreien. Es kann in dem, der dazu zunächst nicht bereit ist, den Todeswunsch erst entstehen lassen.

Prof. Dr. Robert Spaemann in seinem Grußwort für die Fachtagung des „Bundesverbandes Lebensrecht“ (BVB) zur „Woche für das Leben“ am 18. April 2015 in Hamburg.


Christan Spaemann:
Die gegenwärtige Psychotherapieszene und die Frage nach dem Sinn

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