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Münchener Konstruktionen Im ersten der vier Fälle im Gutachten mit „Nr. 22“ beziffert handelt es sich um einen Priester, der in den 1960er Jahren wegen homosexueller Pädophilie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Nach seiner Entlassung habe Ratzingers Vorgänger, Julius Kardinal Döpfner, ihn ins Ausland versetzt. In Ratzingers Amtszeit bat er um Rückkehr in seine bayerische Heimat, um dort in den Ruhestand gehen zu können. Das wurde ihm Ende der 1970er Jahre gewährt. Das Gutachten unterstellt Benedikt XVI., den Täter zu kennen, weil er in dessen ehemaliger Pfarrei seinen Urlaub verbracht habe und darüber hinaus mit dessen Nachfolger bekannt sei. Zudem habe er ihm zum Ruhestand den „Ehrentitel ‚Pfarrer‘“ verliehen. Und eben dort fangen die Absurditäten an. Denn natürlich ist „Pfarrer“, anders als etwa Monsignore, Apostolischer Protonotar oder Prälat, kein Ehrentitel, sondern eine Berufsbezeichnung. „Pfarrer im Ruhestand“ darf sich jeder Priester nennen, der einmal eine Pfarrei geleitet hat. Also hat Ratzinger ihm diese auch nicht verliehen, er war lediglich mit seiner korrekten Berufsbezeichnung angeschrieben worden, als das Erzbischöfliche Generalvikariat ihm die Versetzung in den Ruhestand gewährte. Zu behaupten, Ratzinger habe sich bei seinem einmaligen Urlaub in dessen ehemaliger Pfarrei über sein Vorleben und Strafregister schlau gemacht, ist nicht nur eine Unterstellung, sondern eine perfide Konstruktion: der besagte Urlaub fand im August 1982 statt, also ein halbes Jahr nachdem Ratzinger sein Amt als Erzbischof niedergelegt hatte, um auf Wunsch Johannes Pauls II. in Rom als Präfekt der Glaubenskongregation zu wirken. Selbst wenn er also was kaum anzunehmen ist damals etwas über das Vorleben des Täters erfahren hätte, konnte es seine Handlung drei oder vier Jahre zuvor nicht beeinflusst haben. Ob Ratzinger je wusste, weshalb der Besagte im Ausland gewirkt hatte, ist mehr als fraglich. Er selbst bestreitet es vehement und es gibt keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Es wäre aber auch kein Grund gewesen, einem Mann, der seine Strafe abgebüßt hatte und nie wieder rückfällig geworden war, die Rückkehr in seine Heimat und die Versetzung in den Ruhestand mit einem üblichen Standardschreiben und korrekter Anrede zu verweigern. Doch nicht einmal das hat Ratzinger getan; das Formschreiben blieb ohne die Unterschrift des Kardinals! So müssen selbst die Gutachter zugeben, dass Benedikt XVI. „insofern insgesamt als entlastet“ zu gelten hat. Aus: Michael Hesemann, Vertuscher Ratzinger? Was wirklich in dem Münchner Missbrauchs-Gutachten steht Wie seriös ist die Kanzlei? Worüber in der Sitzung vom 15. Januar 1980 diskutiert wurde, kann Wastl nicht präzisieren und verweist auf „die kreative Protokollierung“ in katholischen Bistümern. Auf Nachfrage antwortet Wastl mit einer geballten Ladung Moral: „Was für ein Amtsverständnis ist das eigentlich, wenn ich einen Priester übernehmen soll, von dem ich psychotherapeutisch behandelt wird, und dann frage ich mich noch nicht mal weshalb“. Dass das Stichwort „Psychotherapie“ in den 80er Jahren nicht automatisch den Verdacht auf Missbrauch hervorrief, soll scheinbar außen vor bleiben. Aus: Regina Einig, Münchener Missbrauchsgutachten: Moralin statt Beweise, Tagespost online vom 20. Januar 2022. Ein Blick hinter die Kulissen Die Antwort von Papst Benedikt auf die Anfragen der Kanzlei WSW im Rahmen der Erstellung des Münchener Gutachtens wurde von vier Beratern verfasst. Einer von ihnen war Prof. Dr. Stefan Mückl. In diesem Interview, das er am 11. Februar K-TV gegeben hat, erklärt er die Hintergründe und zeigt auf, wie es zu jenem Fehler kam, der für einige Kritiker der Anlass war, dem emeritierten Papst Lüge vorzuwerfen und seinen Ruf in den Schmutz zu ziehen.
Was noch im Münchener Gutachten drinsteht Dass das Gutachten in einer heute kaum bekannten Klarheit die Problematik homosexueller Seilschaften im Klerus hervorhebt, ist angesichts solcher Aktionen aus innerkirchlichen und öffentlich-rechtlichen Kreisen pikant. Auszüge? Es entstehe der Eindruck „eng geknüpfter Netzwerke“ unter homosexuellen Priestern und Seelsorgern. Eine „wünschenswerte Kultur der Aufrichtigkeit“ sei „massiv verhindert“, praktizierte Homosexualität entgegen eindeutigem Postulat „hingenommen“ worden. Die Homo-Netzwerke und ihre innere Mechanik müssten als „wesentliche Mitursache“ der „Vertuschungstendenzen“ im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche einbezogen werden. Muster, die aus dem Missbrauchsskandal in den USA bekannt sind. Mit diesen homosexuellen Seilschaften im Klerus, die zur Münchener Vertuschungswirtschaft führten, hatte der Erzbischof Joseph Ratzinger herzlich wenig zu tun andere dafür umso mehr. Aus: Clemens Damiani, Ratzinger-Gate: Ground Zero der Bischöfe, online vom 26. Januar 2022 Klerikale Netzwerke Doch nun liest man im Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, dass im Hinblick auf „Aufklärungshindernisse“ im Kampf gegen Missbrauch in der Kirche auch homosexuell veranlagte Kleriker als ein Bereich angesehen werden, „der geeignet ist, aufgrund Abschottung massive Aufklärungsverhinderung nach sich zu ziehen“. (...) Wenn, wie immer gesagt wird, jedem sexuellen Missbrauch ein Machtmissbrauch zugrunde liegt, kommt die Kirche gar nicht umhin, ein besonderes Auge auf klerikale Netzwerke zu werfen. Und just hier spricht das Gutachten (auf Seite 424) unmissverständlich von „deutlichsten Zeichen“, dass homosexuell orientierte Personen „besonders enge Kontakte pflegten, so dass der Eindruck eng geknüpfter Netzwerke entsteht, die bis zu herausgehobenen Positionen in der Hierarchie des Ordinariats unterhalten wurden.“ (...) Es war Papst Benedikt XVI., der das Seine tat, um homosexuelle klerikale Netzwerke zu unterbinden. Dass in den Ortskirchen offensichtlich nicht alle so klar sehen wie er, lässt sich nach der Lektüre des Münchner Gutachten nur schwer leugnen. Aus: Regina Einig, Problematische Netzwerke, in der Tagespost vom 27. Januar 2022 Dass das Versehen ausgenutzt wurde ... Bei der Riesenarbeit jener Tage der Erarbeitung der Stellungnahme ist ein Versehen erfolgt, was die Frage meiner Teilnahme an der Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 betrifft. Dieser Fehler, der bedauerlicherweise geschehen ist, war nicht beabsichtigt und ist, so hoffe ich, auch entschuldbar. Das habe ich bereits in der Pressemitteilung vom 24. Januar 2022 durch Erzbischof Gänswein mitteilen lassen. Es ändert nichts an der Sorgfalt und an der Hingabe an die Sache, die den Freunden selbstverständliches Gebot war und ist. Daß das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen. Aus Stellungnahme Benedikts XVI. vom 6. Februar 2022. Fakten gegen Verleumdung Von Prof. Dr. Manfred Spieker Die Verleumdungen Kardinal Ratzingers/Papst em. Benedikts XVI. wegen des sexuellen Missbrauchs Jugendlicher durch Priester haben nach der Veröffentlichung des Münchener Gutachtens einen neuen Höhepunkt erreicht. Ich habe diesen Verleumdungen in einem Leserbrief an die FAZ einige Fakten und eine persönliche Erfahrung entgegengehalten. Daniel Deckers hat die Veröffentlichung des Leserbriefes jedoch verhindert. Benedikt XVI. und der sexuelle Missbrauch Dem „Ex-Papst“ Benedikt XVI. Mitschuld am sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und geringe Empathie mit dem Leid der Opfer vorzuwerfen, so Dr. Klaus Fischer in der FAZ vom 15. Februar, ignoriert die leicht zugänglichen Fakten. Als Präfekt der Glaubenskongregation hat Kardinal Ratzinger den Kampf gegen den Missbrauch durch eine Verschärfung des kirchlichen Strafrechts im Jahr 2001, eine Verlagerung der Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten von der Kongregation für den Klerus auf die Glaubenskongregation, eine Verpflichtung der Bischöfe, alle Missbrauchsfälle der Glaubenskongregation zu melden und mit der zivilen Justiz zusammenzuarbeiten, durch eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Priestern und eine Reform der Priesterseminare in Angriff genommen. Als Papst hat er mehrere hundert Priester, die sich des Missbrauchs schuldig gemacht haben, vom Priesteramt ausgeschlossen. In seinem Interview-Buch „Letzte Gespräche“ (2016) ist von „über 400“ die Rede. Peter Seewald kommt in seiner Benedikt-Biographie (2020) auf 555 allein für die Jahre 2008/09 und 2011/12. Auch Bischöfen in Irland, Kanada und USA hat er wegen Vertuschung das Amt entzogen. Die Biographie Seewalds gibt reichlich Auskunft über Benedikts Kampf gegen den Missbrauch und auch über die Widerstände, auf die er als Präfekt der Glaubenskongregation in der römischen Kurie stieß. Die Aktenlage stützt Benedikt Vatican-Magazin: Welche Aufgaben wurden der Arbeitsgruppe genau zugeteilt? Stefan Mückl: Unser Auftrag war, Papst em. Benedikt bei der Beantwortung der über 100 Fragen der Anwälte zu helfen. Der erste Schritt dazu war, das äußerst umfangreiche Aktenmaterial erst einmal zu sichten. Erst auf dieser Grundlage war es möglich, auf die Fragen sachgerecht einzugehen. Wir hatten die Information bekommen, dass Benedikt XVI. bei den ihm von den Anwälten vorgelegten Fällen jeweils keine Kenntnis von Taten sexuellen Missbrauchs der in Rede stehenden Priester hatte. Darauf aufbauend lautete der konkrete Auftrag, die Aktenlage vollständig und ergebnisoffen aufzuarbeiten und zu prüfen, was sich daraus ergibt. Wir hatten also keineswegs einen selektiven Prüfungsauftrag, nur nach Belegen in die eine oder in die andere Richtung zu suchen. Vielmehr haben wir den gesamten Aktenbestand ergebnisoffen und vollständig aufgearbeitet, zusammenfassend dargestellt und dann auch kirchenrechtlich eingeordnet. Das Ergebnis unserer Bearbeitung lautete: Es gibt keinerlei Beweis dafür, dass die Aussage von Benedikt XVI., dass er keine Kenntnis von Fällen sexuellen Missbrauchs hatte, unzutreffend ist. Es ist umgekehrt: Die Aktenlage stützt die ursprüngliche Aussage von Benedikt XVI. uneingeschränkt. Aus dem Interview des Vatican-Magazins (Ausgabe März 2022) mit Prof. Dr. Stefan Mückl, der an der Erstellung der Antwort Benedikts XVI. auf die Fragen des Münchener Missbrauchs-Gutachtens beteiligt war. Sehr interessant ist auch das Video auf dieser Seite, in dem Prof. Mückl Fragen von K-TV beantwortet. WSW-Gutachten zerlegt Der Spiegel-Kommentator Thomas Fischer, als Verfasser des Standardkommentars zum Strafgesetzbuch und als ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof ein Schwergewicht, hat in seiner Kolumne vom 05.02.2021 „Absolute Absolution“ die WSW-Gutachten für das Bistum Aachen und das Erzbistum Köln nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Diese Bewertung aus höchst berufenem Mund, die ja im Münchner Ordinariat bekannt sein musste, hat nicht verhindert, dass das aktuelle Gutachten quasi durchgewinkt und so der emeritierte Papst zum Abschuss freigegeben wurde. Das irritiert und lässt Fragen aufkommen. Merkwürdig und verstörend ist das Verhalten der Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz. Mit rühmlicher Ausnahme der Bischöfe von Regensburg und Passau haben sich alle entweder schweigend weggeduckt oder vom emeritierten Papst sogar das Eingeständnis eines Fehlverhaltens eingefordert. Aus: Ulrich Sauer, „Cui bono oder Jagdszenen aus Oberbayern“ Frei erfunden Im Deutschlandfunk berichtete die kirchenpolitische Redakteurin Christiane Florin, der Vorwurf gegen Benedikt XVI. sei, er habe „bewusst in seiner Stellungnahme im Münchner Gutachten die Unwahrheit gesagt also gelogen“. Tatsächlich hatten noch nicht einmal die Anwälte diesen Vorwurf erhoben. Auf der betreffenden Sitzung des Ordinariatsrates, so Florin weiter, sei „entschieden“ worden, dass der Priester H. „in das Erzbistum München übernommen und wieder in der Seelsorge eingesetzt werden sollte obwohl er in der Vergangenheit Kinder missbraucht hat“. Auch diese Darstellung war von der Journalistin frei erfunden worden. Sie stand nirgendwo im Gutachten. Aus: Peter Seewald, Der Missbrauch, die Medien und Benedikts Vermächtnis Zum Thema: Die Stellungnahme Benedikts XVI. |
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