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Beim Papst in Regensburg

Ein Bericht von P. Engelbert Recktenwald

Am Dienstag, den 12. September 2006, konnte ich an der hl. Messe teilnehmen, die Papst Benedikt XVI. auf dem Islinger Feld bei Regensburg gehalten hat. Obwohl es kurze Zeit zuvor hieß, daß 350.000 Karten bestellt worden seien und man mit einer weiteren Zahl unangemeldeter Besucher rechne, kamen dann doch nur 260.000 Teilnehmer. Etwa die Hälfte des Feldes war leer. Das war meiner Einschätzung nach unter anderem die Frucht einer übertriebenen Vorsichtskampagne, die abschreckend statt motivierend wirkte: drohendes Verkehrschaos, kein Zutritt ohne Karten, die zudem nur über Pfarreien bestellt werden konnten, kilometerlanger Fußmarsch, Aufbruch bereits in der Nacht. Kein Wunder, daß Tausende vor diesen Hürden kapitulierten.

Keine Beichtmöglichkeiten
Ich selber ließ mich insofern von diesem Schreckensinszenarium anstecken, als ich nicht wie auf dem Weltjugendtag in Köln zu einem Zeitpunkt aufbrach, daß ich kurz vor Beginn des Gottesdienstes ankam, sondern bereits vier Stunden früher, um 6.00 Uhr. Erfreulich war, daß die lange Wartezeit genutzt wurde, um über Lautsprecher den Rosenkranz vorzubeten. Allerdings vermißte man jegliche Beichtmöglichkeit. Die guten Erfahrungen, die auf den Weltjugendtagen mit den rege genutzten Beichtmöglichkeiten gemacht wurden, blieben hier folgenlos. Man hätte während der langen Wartezeit leicht eine Beichtkatechese halten können. Während über das ganze Feld Servicestationen für das leibliche Wohl verteilt waren, fehlten solche in Form von Beichtvätern für das Wohl der Seele. Der Grund ist mir unbekannt.

Eine Chance für die Kirche
Die ansteckende Begeisterung unter den Gottesdienstbesuchern war echt. Viele waren in ihrem Herzen berührt, einerseits von der Feier, andererseits von der Predigt des Papstes. Benedikt XVI. versteht es auf geniale Weise, in einfachen Worten auf verständliche, und doch tiefgehende Weise die Grundwahrheiten des Glaubens darzulegen. Sicherlich bedeutet diese Euphorie noch keine Glaubenserneuerung. Dennoch birgt der Papstbesuch große Chancen in sich. Zum einen darf man hoffen, daß die Worte des Papstes nachwirken und bei einem Teil der Christen zu einer Auseinandersetzung mit dem Glauben und seiner Vertiefung führen. Zum anderen stellt dieses Ereignis und die positive Berichterstattung, die es in den Medien gefunden hat, eine Änderung des öffentlichen Meinungsklimas zugunsten der Glaubens dar. Damit ist ein großes Hindernis gerade für junge Menschen, die in ihrer Meinungsbildung oft stark vom Zeitgeist abhängig sind, aus dem Weg geräumt.

Auf einsamem Posten?
Meine Erfahrungen auf dem Islinger Feld führten mir aber auch vor Augen, was für ganze Arbeit die Pioniere der Entsakralisierung geleistet haben. Zwei Details möchte ich herausgreifen: In dem Abschnitt, in dem ich mich befand, kniete kein einziger der Gottesdienstbesucher zur Wandlung nieder. Eine beträchtliche Minderheit aß oder trank während der hl. Messe. Ummittelbar vor mir gab es eine junge Dame, die zur Zeit der Kommunionausteilung es sich bequem machte und gemütlich ihr mit Käse und Salat belegtes Brötchen aß. Während das "Ite misse est" gesungen wurde, kam hektisch ein Priester, der offensichtlich Hostien nachgeholt hatte, mit einem Ziborium herangestürzt und teilte in der Nähe die hl. Kommunion aus. Die Dame, die gerade den letzten Bissen ihrer Mahlzeit heruntergeschluckt hatte, sah es, stand auf, empfing die hl. Kommunion, entnahm unmittelbar danach ihrem Rucksack einen Photoapparat und begann zu photographieren.

Der Papst kann mit einem einzigen Besuch all das, was über Jahrzehnte hinweg von modernen Theologen und Priestern niedergerissen wurde, unmöglich wieder aufbauen. Dazu bedarf es der Mitarbeit vieler Priester und Laien, die in seinem Sinne an der Basis weiterwirken, und auch der Förderung solcher Anstrengungen durch die Bischöfe. Ob dies der Fall sein oder ob der Papst auf einsamem Posten bleiben wird, zeigt die Zukunft.


Zur Regensburger Papstrede


Was ist nach zehn Jahren?

Am 22. Juni 1996 war Papst Johannes Paul II. in Deutschland und hielt im Collegium Leoninum in Paderborn an die deutschen Bischöfe eine Ansprache, in der es unter anderem heißt:

"Wir müssen als Kirche verstärkt die Aufgabe des moralischen Gewissens der Gesellschaft wahrnehmen. Als Christen müssen wir wieder das ‘Salz der Erde' und ‘Licht der Welt' (Mt 5,13.14) werden. Kirchliches Leben, das sich ausschließlich auf den Wahrheiten des Glaubens zu gründen hat, muß Christus und der Botschaft des Evangeliums treu bleiben, wenn wir den Gliedern der Kirche helfen wollen, die sich in einer Gesellschaft befinden, die alle Lebensbereiche zu relativieren und zu säkularisieren versucht. ‘Tatsächlich besteht heute die Gefahr, die Demokratie auf einen sittlichen Relativismus zu gründen, der jede Gewißheit hinsichtlich des Sinnes des menschlichen Lebens und seiner Würde sowie hinsichtlich der grundlegenden Rechte und Pflichten des Menschen verwischt. Wenn sich eine solche Mentalität breit macht, kommt es früher oder später zu einer sittlichen Krise der Demokratie. Der Relativismus verhindert die notwendige Unterscheidung zwischen den verschiedenen Erfordernissen, die an der Basis der Gesellschaft zutage treten, sowie die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Das Leben einer Gesellschaft beruht auf Entscheidungen, die notwendigerweise feste sittliche Überzeugungen voraussetzen' (Ansprache beim internationalen Treffen der Führer der Christdemokraten in Rom, 23.11.1991). (...)

Es ist gerade Aufgabe der Bischöfe, Diener des frohen Glaubens der Kirche zu sein. Es ist ein Dienst, der Wachsamkeit erfordert und nicht von der Ausübung der Autorität dispensieren darf und ferner weder in Foren noch in Pastoralgesprächen zur Disposition gestellt werden kann: Der Dienst muß zwar versehen werden im Dialog und immer mit großer Liebe, aber auch mit Klarheit und Entscheidungskraft. (...)

In Fragen des Religionsunterrichts an den Schulen bitte ich Euch auch, auf den Glauben und eine qualifizierte Ausbildung der Lehrer zu achten. Die Missio kann nicht nur Formalität sein. Wer sie annimmt, bekundet damit, daß er nicht Privatmeinungen über Glaube und gläubiges Leben in den Unterricht bringen, sondern den Glauben der Kirche vermitteln will, der ihm selbst zum Weg des Lebens geworden ist. Das innere Ja des Lehrers zu diesem Glauben wird ihm helfen, zum einen das nötige Wissen weiterzugeben, es aber zugleich mit Überzeugung anzufüllen, die wieder Überzeugung schafft. Der Katechismus der katholischen Kirche muß selbstverständlich methodisch in vielfältigen Weisen umgesetzt werden. Aber er gibt allem Religionsunterricht die großen Inhalte vor, um die es geht und die nicht durch schnell vorübergehende theologische Moden verdeckt werden dürfen. Ich bitte Euch von Herzen darum, dafür zu sorgen, daß die Katechese in all ihren Formen vom Katechismus her ihren gemeinsamen festen Grund erhält. Zugleich möchte ich allen Religionslehrer danken für ihren Mut und für ihr Zeugnis."

Mannigfaltige Erfahrungen eines Religionsunterrichts, der den Glauben in den Herzen der Kinder eher niederreißt als aufbaut, deuten darauf hin, daß die letzte Bitte des Papstes anscheinend weithin auf taube Ohren gestoßen ist. In seiner Rede bittet der Papst die Bischöfe außerdem um ihren Einsatz für eine gute Berufungspastoral, ihr Eintreten gegen Euthanasie und nicht zuletzt um die Förderung der Beichte:

"Achtet besonders auf die Eucharistie und das Bußsakrament. Die Synode der Bischöfe hatte das individuelle Bekenntnis 1983 als unersetzlich herausgestellt. In einer Zeit der Mechanisierung menschlicher Beziehungen und der Anonymisierung aller Kontakte erscheint es als eine der wenigen Möglichkeiten individuell-persönlicher Begegnung. Versucht daher, es den Gemeinden neu zu erläutern und nahezubringen. Priester und Seminaristen sind anzuhalten, es selbst zu empfangen; denn sie werden niemanden für dieses Sakrament gewinnen, wenn sie selbst nicht seine Gnade suchen und erfahren."


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