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Franziskus interreligiös

Von P. Bernward Deneke

Assisi steht seit Jahrzehnten für den Frieden unter den Religionen. Diesen Symbolstatus verdankt die umbrische Stadt, die sich mit ihren Zinnen und Türmen so malerisch an den Monte Subasio schmiegt, ihrem berühmtesten Sohn, dem heiligen Franziskus (+ 1226). Er gilt vielen Christen der Gegenwart als ein Vorläufer und Vorbild des Interreligiösen Dialogs. Mit seinem ganzen Wesen, das von tiefer Ehrfurcht vor jeglicher Kreatur, insbesondere vor der Person des Nächsten, durchwirkt ist, und mit seiner leuchtenden Liebenswürdigkeit, die bis heute Menschen verschiedenster Ausrichtung zu bezaubern vermag, verkörpert er gleichsam den Gegentypus zu jenem rechthaberischen und glaubenskriegerischen Fanatismus, auf dessen Konto die meisten Scherbenhaufen zwischen den Religionen und ihren Anhängern gehen.

Freilich lebte der heilige Mann im christlichen Mittelalter, also in einer Zeit großer Übereinstimmung in Glaubensfragen, und daher hatte er wenig Gelegenheit zu interreligiösen Begegnungen und Gesprächen. Genaugenommen ist es denn auch nur ein einziges Ereignis, das einen Anhaltspunkt für dieses moderne Quasi-Patronat des Poverello bietet, nämlich sein Auftreten vor dem Sultan Al-Kamil Muhammad al-Malik. Das Zusammentreffen der beiden geschah anläßlich des 5. Kreuzzuges im Jahr 1219 in Damiette, nahe der Nilmündung, und ist, zumal sich Belege auch in nichtfranziskanischen Quellen finden, historisch sicher verbürgt.

Unter den berühmten Fresken des Giotto in der Oberkirche der Basilica San Francesco zu Assisi findet sich eine eindrucksvolle Darstellung der Begegnung: Auf der rechten Seite erblickt man den Sultan auf hohem Thron, umgeben von einigen Hofleuten, in der Mitte steht der Heilige mit einem seiner Minderbrüder, daneben lodert ein Feuer auf, vor dem am linken Rand des Bildes gerade einige Männer die Flucht ergreifen. Der Betrachter kann sich über die gemalte Szene in der Legenda Maior (bekannt unter dem Titel „Der Engel des sechsten Siegels“), die der heilige Kirchenlehrer Bonaventura (+ 1274) über das Leben seines Ordensgründers abgefaßt hat, informieren (IX,8):

Franziskus, erfüllt von der Sehnsucht nach Ausbreitung des Glaubens und nach dem Martyrium, begab sich mit einem Begleiter unter die Sarazenen, welche die beiden Brüder zuerst mißhandelten, sie aber schließlich zum Sultan vorließen. Als dieser nach dem Grund ihres Kommens fragte, „gab ihm der Diener Christi freimütig zur Antwort, nicht Menschen, sondern der höchste Gott habe sie gesandt, damit er ihm und seinem Volk den Weg des Heiles zeige und das wahre Evangelium verkünde. Dann predigte er dem Sultan mit solcher Unerschrockenheit, Geisteskraft und Begeisterung den einen, dreifaltigen Gott und den Erlöser aller Menschen Jesus Christus, daß in Wahrheit an ihm das Wort des Evangeliums erfüllt schien: Ich werde euch Beredsamkeit und Weisheit verleihen, der alle eure Gegner nicht zu widerstehen und zu widersprechen vermögen (Lk 21,15).“

Der Sultan war vom Auftreten des Heiligen beeindruckt und bat ihn zu bleiben. „Von Gott erleuchtet, gab jedoch der Diener Christi zur Antwort: Wenn du dich mit deinem Volk zu Christus bekehren willst, will ich aus Liebe zu ihm gern bei euch bleiben. Solltest du aber Bedenken tragen, für den Glauben an Christus das Gesetz des Mohammed zu verlassen, so lasse ein großes Feuer anzünden; dann werde ich mit deinen Priestern ins Feuer hineingehen, damit du wenigstens dadurch erkennen mögest, welchen sichereren und heiligeren Glauben du mit Recht annehmen mußt.“ Sowohl diese als auch eine weitere Feuerprobe, bei welcher der Heilige zum Zeugnis für seinen Herrn allein die Flammen durchqueren wollte, scheiterten an der Furchtsamkeit des islamischen Herrschers und seiner Männer. Franziskus aber wies die Geschenke, die ihm der Sultan „um des Heiles seiner Seele willen“ als Gaben für christliche Arme oder Kirchen anbot, von sich, „weil er alles Geld wie eine Last mied und erkannte, daß das Samenkorn des wahren Glaubens im Herzen des Sultans keine Wurzel fassen konnte.“ ---

Soweit diese Begegnung. Auffällig ist dabei die Selbstverständlichkeit, mit der Franziskus missionarisch zu Werke geht. Moderne Fragestellungen wie die, ob Muslime und Christen vielleicht doch irgendwie dasselbe höchste Wesen verehren, sind ihm viel zu abstrakt. Ihm kann es nur um den dreifaltigen Gott gehen; und um den Herrn, der als Mensch, „in allem uns gleich außer der Sünde“ (Hebr 4,15), in die Armut von Krippe und Kreuz herabgestiegen ist und in dessen Namen man allein das Heil finden kann (Apg 4,12).

Zugegeben, der interreligiöse Ertrag scheint hier recht dürftig zu sein. Jedenfalls hat er mit den Veranstaltungen der Gegenwart, die unter ganz anderen Vorzeichen stehen, herzlich wenig zu tun. Aber vielleicht könnte der heilige Franziskus gerade dadurch zu einem Wegweiser werden in eine Zukunft der Kirche, die zugleich friedliebend und kraftvoll-missionarisch sein muß, dabei ebenso weit entfernt von kriegerischem Fanatismus wie von jenem religiösen Indifferentismus, der die Christenheit heute schleichend zum Abfall verführen will?


Verblendungszusammenhänge

Von P. Bernward Deneke

Das „Memorandum zur Krise der katholischen Kirche“ von Theologieprofessoren und -professorinnen aus deutschsprachigen Ländern vom 4. Februar 2011 hat durch die mediale Verbreitung viel öffentliche Beachtung gefunden. Dabei hat sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Forderung nach verheirateten Priestern gerichtet. Weniger Aufsehen erregte eine andere Passage, die weitaus deutlicher zeigt, welch Geistes Kind die Unterzeichner des Schreibens sind. Es heißt dort: „Die kirchliche Hochschätzung der Ehe und der ehelosen Lebensform steht außer Frage. Aber sie gebietet nicht, Menschen auszuschließen, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben.“

Vielleicht haben sich auch gläubige Menschen schon zu sehr an solche Töne gewöhnt, weshalb sie das Unerhörte, ja Empörende, das in ihnen liegt, kaum mehr empfinden. Jedenfalls stehen die Aussagen über wiederverheiratete Geschiedene und vor allem über gleichgeschlechtliche Partnerschaften in einem derart eklatanten Widerspruch zur ausdrücklichen Lehre der Heiligen Schrift und der Christenheit aller Zeiten, dass man sich über den ausbleibenden Protest der meisten Christen und selbst hochrangiger Amtsträger der Kirche nur wundern kann.

Manfred Hauke, Dogmatikprofessor in Lugano, bemerkt in seiner Stellungnahme zu dem Memorandum mit Recht, dass homosexuelle Praxis „nach den Lasterkatalogen des Neuen Testaments zum Ausschluss aus dem Reiche Gottes führt (vgl. 1 Kor 6,10 etc.)“. Folglich zeige sich in dem Dokument „nicht etwa die höhere Weihe neuer wissenschaftlicher Einsichten, sondern ein Verlust von Glaube und Moral, der Grunddaten der apostolischen Lehre dem Zeitgeistsurfing opfert.“ (Tagespost vom 8. Februar 2011)

Dass sich die Sache aber in Wahrheit noch schlimmer verhält, erweist ein Blick auf das wichtigste neutestamentliche Zeugnis über die gleichgeschlechtliche Sexualität. Im ersten Kapitel des Römerbriefes schildert der heilige Paulus zunächst die Situation der heidnischen Welt, die sich der naturgemäßen Erkenntnis Gottes aus seinen Werken verschließt und sich dem Götzendienst überläßt. Dann kommt er auf die Konsequenzen dieser Verkehrung zu sprechen: „Darum hat sie Gott auch dahingegeben in die Begierden ihrer Herzen, zur Unreinheit, so dass sie ihre eigenen Leiber untereinander schändeten, sie, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und dem Geschöpf Ehre und Gottesdienst erwiesen anstatt dem Schöpfer, der zu preisen ist in Ewigkeit. Amen! Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; gleicherweise haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen.“ (Röm 1,24-27)

Bei der Erklärung dieser Verse haben die heiligen Lehrer zu stärksten Worten gegriffen. Johannes Chrysostomos nennt diese Sünde „ein Bild des äußersten Verderbens“ und beteuert: „Wenn es keine Hölle gäbe und keine Strafe dafür drohte, so läge schon in dieser Sünde selbst die schlimmste Strafe. (...) Nein, es gibt nichts, was schlimmer wäre als dieser Frevel.“ (5. Homilie zum Römerbrief) Der heilige Thomas von Aquin bemerkt in seinem Römerbriefkommentar (lect. VIII) zu derselben Stelle, unter den fleischlichen Sünden seien die genannten die schwersten (gravissima inter peccata carnalia). Und Katharina von Siena vernimmt in ihrem „Dialog über die göttliche Vorsehung“ (III, 124) die Worte des Herrn: „Nicht nur mir, der ich höchste ewige Reinheit bin, ist diese Sünde zum Ekel, sondern sogar den Dämonen.“

Das drastische Stimmungsbild aus der der Welt der Heiligen wird durch die Exegese untermauert. Paulus beschreibt in Röm 1 die homosexuelle Praxis nämlich nicht als eine (vielleicht besonders schwerwiegende) Sünde unter anderen Sünden, sondern als Strafe für den „nichtigen Wahn“ und die „Verfinsterung der Herzen“ (V. 24), die sich im Götzendienst zeigt. Deshalb deutet der herausragende Bibeltheologe Heinrich Schlier in seinem Kommentar zum Römerbrief (Leipzig 1978, S. 62) diese Verkehrung als „Antwort des strafenden Gottes auf Selbst- und Weltvergötterung“ und als „eine göttlich-notwendige Vergeltung“, die sich „am Leib der Heiden vollzieht.“ Und der Exeget Otto Kuss sieht darin das „unübersehbare Symptom dessen, dass der Mensch ‚außer Rand und Band’ ist. (...) Verkehrung wird mit Verkehrung geahndet, die willentliche und bewusste Vertauschung des wahren Gottesbildes gegen Kreaturen, eine widernatürliche Tat sinnlosen Übermutes, hat die sinnlose Vertauschung der natürlichen Geschlechtsverhältnisse zur Folge; in dem beschämenden Tun vollziehen die Abgefallenen die göttliche Strafe an sich selbst.“ (Der Römerbrief I, Regensburg 1957, S. 51f.)

Dieser Sünde gegenüber also soll sich die Kirche nach Wunsch des Memorandum wohlwollend positionieren. Man fragt sich, welches Gewicht man folglich dem Urteil der Professoren in anderen Fragen wie der des Zölibates beimessen kann. Die Antwort fällt angesichts derart offensichtlicher Verblendung nicht schwer.


Die neue Glaubensregel

Und so stelle ich fest, dass untergründig eine neue Glaubensregel propagiert und massiv verteidigt wird. Sie lautet: Auf keinem Fall darf einer dem Anderen das Katholischsein absprechen. Dieser Satz wiederum wird nun häufig mit einer sachlich wie moralisch vorgetragenen Vehemenz formuliert, dass der Eindruck entsteht, dies sei nun das eigentliche Dogma des derzeitigen Diskurses. (...) Hier stehen wir also an einem Punkt ziemlich umgedrehter Verhältnisse. Die weithin geteilte und mit großer Vehemenz fortwährend wiederholte neue Glaubensregel lautet: Niemand möge dem anderen bitteschön erklären dürfen, was er sage, sei nicht katholisch. Dafür aber dürfen die sich in der Mehrheit Wähnenden inzwischen schamlos solche Gläubigen Spalter und sogar Rassisten nennen, die sich der geltenden Lehre verpflichtet wissen.

Aus: Bischof Stefan Oster, Ist Katholizismus „rassistisch“ – Und wer ist eigentlich katholisch? Es handelt sich um eine Antwort auf den Rassismus-Vorwurf von Johanna Rahner.


Recktenwald: Demagogische Mission

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