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Die Krise des priesterlichen Zölibats im Licht der Geschichte

Von P. Gabriel Baumann

Die Kirche hat im Laufe ihrer Geschichte schwierige Zeiten und zahlreiche Krisen erlebt. Verfolgungen, Häresien, Schismen, aber auch Krisen im Gefolge der Veränderungen, welche die Umwelt erfuhr und mit denen sie konfrontiert wurde: Invasionen, Massenbekehrungen, kulturelle Entwicklungen, Niedergang von Kulturen. Zwar ist die Kirche nicht von dieser Welt, doch sie lebt in dieser Welt; deshalb mußte sie wohl oder übel reagieren, sei es durch Ablehnung, sei es durch uneingeschränkte Annahme oder aber durch Ausweichen, Anpassung, Umgestaltung oder einfach durch geduldiges Ertragen. Seit der geistigen Eroberung des Römischen Reiches bis hin zum Sieg der Ideen der Menschenrechte in unserem 20. Jahrhundert hat die Kirche zahlreiche Schwankungen erlebt.

Eines der Probleme, mit dem sie und ihr Klerus sich auseinandersetzen mußten, war der priesterliche Zölibat. Wegen der Forderungen nach Verzicht, die der Zölibat mit sich bringt, zeigt seine Geschichte - ebenso wie die Geschichte der Kirche - ein Auf und Ab. Wie so oft, haben gerade die Krisenzeiten, die Perioden, in denen man die Werte in Frage stellt, diese Geschichte am meisten geprägt. Wie zu erwarten, folgen die Perioden der Krise des priesterlichen Zölibats auf die Zeiten der Krise in der Kirche und in der Zivilisation, in der sie lebt. Die Gewinnung des Römischen Reiches und der römischen Kultur für den Glauben im dritten und vierten Jahrhundert, der Verfall des Karolingerreiches im neunten und zehnten Jahrhundert, das ausgehende Mittelalter und die Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert, der Triumph der "zweiten Aufklärung", nämlich des zum Heidentum tendierenden Naturalismus im 20. Jahrhundert, sind die Hauptetappen oder hauptsächlichen Krisen in der Geschichte des priesterlichen Zölibats, zumindest im Bereich der lateinischen Kirche.

Die Grundlage für alle Lösungen

Nach der modernen Ansicht befindet sich nicht nur der Mensch selbst im Zustand der Entwicklung, sondern es entwickeln sich auch die Gesetze oder Kriterien, die für seine Entscheidungen maßgebend sind, weiter und können nicht nach dem Maßstab der gestern gültigen Grundsätze beurteilt werden, entsprechend den klassischen Prinzipien der agnostischen und heidnischen Freimaurerei. Im Gegensatz dazu vertreten wir den Standpunkt, daß die Geschichte eine Lehrmeisterin des Lebens ist und daß sie uns vieles lehren kann, vor allem, wenn es sich um die Kirche handelt, diese Gemeinschaft, die nicht nur von Christus gegründet wurde, sondern in ihrem zeitlichen Ablauf auch von Ihm durch den Heiligen Geist getragen wird (Katechismus d. kath. Kirche 771, 798). Weil die katholische Kirche wirklich die einzige Braut des Erlösers ist (Lumen gentium 8), kann Christus sie nur lieben (LG 7). Es ist somit einleuchtend, daß die Lösungen und Entscheidungen, die in Krisenzeiten in der Kirche getroffen werden, den Stempel des Heiligen Geistes, des Heiligmachers, tragen, der ihr Lebensquell, ihre Seele ist (LG 7).

Die im Laufe der Geschichte angewendeten Lösungen

Als die Kirche anfing, sich zusehends auszubreiten, und als sie die Gunst der kaiserlichen Macht Roms gewann, setzten Bekehrungen in großem Umfang ein. Dieser Erfolg bedeutete für die Kirche eine nicht zu unterschätzende Prüfung. Die Masse der Neubekehrten besaß weder die Glut noch die Furchtlosigkeit und Unerschrockenheit der "ersten" Christen. Die kirchliche Disziplin, die viele als hart empfanden, wurde in Frage gestellt. Sogar die Anwärter auf den Priesterstand versuchten, sie zu mildern, denn sie glaubten, die lebenslängliche Keuschheit und den Zölibat nicht durchhalten zu können. Angesichts dessen, was manch einer als die "Zeichen der Zeit" ansehen wird, reagierte die Kirche mit Entschiedenheit, indem auf verschiedenen Synoden und in den Konzilien von Elvira und Arles bereits Anfang des vierten Jahrhunderts daran erinnerte, daß die Priester nicht heiraten dürfen. Ja, noch mehr: In diesem vierten Jahrhundert, das als das "goldene Jahrhundert" der patristischen Epoche bezeichnet wird, ging die Tendenz der lateinischen Kirche dahin, den uneingeschränkten Zölibat nach dem Beispiel der heiligen Bischöfe zu praktizieren ("Uneingeschränkter Zölibat" bedeutet Verzicht auf die Möglichkeit, vor dem Empfang der Priesterweihe zu heiraten). Die Abhandlungen über die vollkommene Jungfräulichkeit und Keuschheit werden immer zahlreicher. Die Kirche widersetzte sich also dem bequemeren Weg, zu dem die veränderten Verhältnisse und die kulturellen Veränderungen verlockten. Sie förderte vielmehr den Weg der Vollkommenheit, der in der totalen Hingabe des gesamten menschlichen Seins, des Leibes und der Seele, besteht.

Gegen Ende der kurzen Karolingerzeit setzten der Geistlichkeit zwei Krankheiten zu, die Simonie und der Nikolaitismus. Diese beiden Makel am Gewande der Kirche wurden nach Personen, die im Neuen Testament erwähnt sind, benannt. Simon, der dem hl. Petrus die Gewalt, den Seelen den Heiligen Geist zu verleihen (Apg. 8,18 f), eine Eingießung, die von wahrnehmbaren Charismen (Sprachengabe...) begleitet war, abkaufen wollte, wurde als der Vater all derer betrachtet, die mit Geld die übernatürlichen Gaben Gottes und die kirchlichen Ämter erwerben wollten. Die Simonie war am Ende des ersten Jahrtausends im Klerus gang und gäbe geworden. Zu dieser Verlockung bezüglich kirchlicher Güter kam ein weiteres, ebenso irdisches Verlangen hinzu, nämlich in den Genuß der "Vorteile" des Ehestandes oder Konkubinats zu gelangen. Diese Geißel nannte man nikolaitistische Häresie, denn ihr Pate war nach der Legende ein gewisser Nikolaus, einer der sieben Diakone, die der hl. Petrus eingesetzt hatte (Apg. 6,5). Die cluniazensische Reform stellte die Antwort der Kirche auf diesen Verfallszustand dar. Zwei Jahrhunderte lang (909 - 1109) waren alle Äbte, die nacheinander der Abtei von Cluny vorstanden, Heilige, die von der Kirche kanonisiert wurden. Die berühmtesten unter ihnen waren der hl. Odilo und der hl. Hugo. Diese Ordensreform erstreckte sich über einen Großteil Europas (in Deutschland strahlte sie von der Abtei Hirsau aus) und rief Zentren glühenden und ansteckenden Eifers ins Leben, der sich auch auf die Weltgeistlichen auswirkte. Es überrascht vielleicht, daß es sich um eine monastische Reform handelte: Die Krise saß eben so tief und war so allgemein, daß nur eine heroische und radikale, mit den Sinnen wahrnehmbare Antwort von der Möglichkeit - unter anderem - eines keuschen Lebens überzeugen konnte. Es sei bemerkt, daß die cluniazensischen Klöster die Vollendung ihrer Spiritualität in der Verherrlichung Gottes durch die Liturgie erblickten, was eine sehr treffende Antwort auf den Machthunger und den Mangel an Verlangen nach den himmlischen Gütern bildete.

Die Frauen, das Schwert und der Wein schienen die Embleme des Klerus am Vorabend der Reformation zu sein. Diese Darstellung ist karikaturhaft, enthält aber doch auch ein Stück Wahrheit: Der Zölibat war nicht mehr die Regel; in gewissen Gebieten lebte bis zu einem Drittel der Geistlichen mit Frau (und Kind). Die Bevölkerung nahm mit der Zeit daran nicht einmal mehr Anstoß. Auf die Lösung der Zerstörung durch die Reformation, die nach den eigenen Worten der Reformatoren zu einer noch größeren Unmoral führte, antwortete die katholische Kirche mit einer echten Reform, die wie die cluniazensische Erneuerung auf einem intensiveren Streben nach Heiligkeit basierte. Die Jesuiten, Kapuziner, Unbeschuhten Karmeliten und andere gaben das Beispiel. Kongregationen, Bruderschaften und Priestergesellschaften wurden gegründet. Alle wetteiferten im Bemühen, die Seelen für Gott zu gewinnen. Welches Mittel verwendeten sie dazu? Das Verlangen nach dem Himmel und den Verzicht auf die Scheingüter dieser Welt. Durch sie erlangte die katholische Kirche wieder eine neue Glut, einen neuen Antrieb, der fast drei Jahrhunderte anhielt. Mit den Reformbeschlüssen des Konzils von Trient wurde ein neuer Klerus herangebildet, der sich durch sein Wissen und seine Tugenden auszeichnete. Mit seiner Hilfe arbeiteten die Gläubigen an ihrer Heiligung und ließen von ihrer alten Lauheit ab.

Zu einer Zeit, in der Theologen von Drewermann bis Hans Küng Stimmung gegen den Zölibat machen, stellt sich erneut die Frage: Welche Lösung gibt es für diese Krise des Priesterstandes? Muß die Kirche nicht Kompromisse eingehen? Nachsicht gegenüber der Schwäche der Menschen üben? Nachsicht gegenüber dem Begehren der menschlichen Natur, die eine ihrem Wesen nach geschlechtlich geprägte Natur ist, auch im Falle der Priester? Sind die verheirateten Priester nicht die Lösung von morgen? Warum sich gegen das verschließen, was allein die Kirche retten kann? In den sechziger Jahren gehörte es zum guten Ton, die Kirche des ausgehenden Mittelalters zu verunglimpfen und die angeblich evangelisch reinere lutherische Reformation zu rechtfertigen. Wie viele Mißbräuche, wieviel weltliche Gesinnung, welche Ausschweifungen! Die Lösung der Kritiker besteht heute darin, daß sie für die heutige Zeit genau das empfehlen, was sie an der kirchlichen Situation am Vorabend der Reformation kritisieren - nur mit dem Unterschied, daß der Segen der kirchlichen Hierarchie noch dazukommen soll.

Wie lautet die Antwort der Kirchengeschichte? Wenn die Christen und insbesondere ihre Priester verweltlichen, wenn sie ein bequemes Leben suchen, sich auf Erden "etablieren" und fast nur noch irdische Sorgen kennen, wenn alles verloren und die Kirche ohne Zukunft zu sein scheint, hat Gott eben durch seine Kirche jedesmal dieselbe Antwort gegeben: Die einzige Lösung für einen Wiederaufstieg, die Bedingung für eine neue Blüte besteht in größerer Heiligkeit, in einer größeren Selbsthingabe an Gott, im Verzicht auf falsche Illusionen, die mit dem Besitz irdischer Güter, einschließlich der Sexualität, einhergehen. Demzufolge sind diejenigen, die eine größere Öffnung der Kirche zur Welt hin predigen, sich ihres Tuns nicht bewußt und lassen erkennen, daß sie nicht vom Geiste Gottes beseelt sind. Glauben sie überhaupt noch an Gott, an die Heiligung und Heiligkeit, an die Möglichkeit einer Entfaltung durch Verzicht und Kreuz, an das Glück, das in der bedingungslosen Selbsthingabe an Gott zu finden ist, nicht nur "spirituell", sondern auch dem Leibe nach? Wenn manche Bischöfe für ihre Diözesen Pastoralstrukturen vorsehen, die sonntägliche Gemeindeversammlungen ohne Priester sichern sollen, so zeigt dies, daß ihnen die Krise der Kirche bewußt ist und daß sie sehr "klug" sind. Doch ist das nicht eine allzu menschliche Klugheit? Die Lösung für die Erneuerung der Kirche liegt in der Weisheit des Kreuzes, im Verzicht aus Liebe zu Gott und damit zu demjenigen, in dem der Priester - ebenso wie der Gläubige - sein Glück findet. Von dieser Weisheit des Kreuzes spricht der hl. Paulus und sagt uns, daß sie für die griechischen Weisen (Philosophen) Torheit bedeute (1 Kor 1,20-25). Wie groß ist doch die Zahl der letzteren mitten unter uns, Geistliche eingeschlossen! Selbst blind, glauben sie, daß sie andere Blinde zur Sonne führen, und sie werden nur eine Grube finden, in die sie stürzen und worin man sie begraben wird. Die Zukunft gehört den Heiligen, denen, die Christus bis zur Torheit lieben. Ein Hoch auf die Keuschheit, die dem Menschen die wahre innere Entfaltung ermöglicht!


Das Zweite Vatikanische Konzil über den Zölibat

Die Alumnen, die gemäß den heiligen und festen Gesetzen ihres eigenen Ritus die verehrungswürdige Tradition des priesterlichen Zölibats auf sich nehmen, sollen mit großer Sorgfalt auf diesen Stand hin erzogen werden: sie verzichten darin um des Himmelreiches willen (vgl. Mt 19,12) auf die eheliche Gemeinschaft, hangen dem Herrn mit ungeteilter Liebe an, wie sie dem Neuen Bund in besonderer Weise entspricht; sie geben Zeugnis für die Auferstehung in der künftigen Welt (vgl. Lk 20,36) und gewinnen besonders wirksame Hilfe zur ständigen Übung jener vollkommenen Liebe, die sie in ihrer priesterlichen Arbeit allen alles werden läßt. Sie sollen tief davon durchdrungen sein, wie dankbar sie diesen Stand entgegennehmen sollen, nicht etwa bloß als eine Vorschrift kirchlicher Gesetzgebung, sondern als ein kostbares Geschenk Gottes, das sie in Demut erbitten und dem sie mit der erweckenden und helfenden Gnade des Heiligen Geistes frei und großherzig zu entsprechen suchen sollen. Um die Pflichten und die Würde der christlichen Ehe, die ein Bild der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche ist (vgl. Eph 5,32f.), sollen die Alumnen gebührend wissen; sie sollen aber klar den Vorrang der Christus geweihten Jungfräulichkeit erkennen, so daß sie nach reiflich überlegter Wahl und mit Hochherzigkeit sich in ganzer Hingabe von Leib und Seele dem Herrn weihen. Auf die Gefahren, die ihrer Keuschheit besonders in der gegenwärtigen Gesellschaft drohen, sollen sie hingewiesen werden. Sie müssen lernen, sich durch geeignete göttliche und menschliche Hilfsmittel zu schützen und den Verzicht auf die Ehe so in ihr Dasein zu integrieren, daß sie in ihrem Leben und in ihrer Wirksamkeit vom Zölibat her nicht nur keinen Schaden nehmen, vielmehr eine vollkommenere Herrschaft über Leib und Seele und eine höhere menschliche Reife gewinnen und die Seligkeit des Evangeliums tiefer erfahren.

Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. 10.


Den Sinn des Zölibats verstehen

Der Dienst des Priesters ist Dienst der Vaterschaft. Wenn man das begreift, versteht man auch den tiefen Sinn des besonderen Bundes mit den Gott, den der Zölibat darstellt. Es handelt sich um einen Bund in der Vaterschaft, der, wenn er im Glauben “voll Hoffnung gegen alle Hoffnung” gelebt wird, sich als außerordentlich fruchtbar erweist: wie Abraham so wird auch der Priester “Vater vieler Völker” (Röm 4, 18) und finden in den Generationen von Christen, die um ihn wachsen, die Belohnung für die Mühen, den Verzicht, die Leiden, von denen sein täglicher Dienst durchwoben ist.

Papst Johannes Paul II. am 24. März 1985 in seiner Predigt bei der Eucharistiefeier in Avezzano während seines Pastoralbesuchs in Fucino und Avezzano.


Die Frage nach der Wirksamkeit der Gnade

Es ist wichtig, zu begreifen, dass die entscheidende Herausforderung bei der Frage nach dem kirchlichen Zölibat nicht der Priestermangel ist – weit gefehlt. Die wirkliche Problematik tritt in der Debatte nur unterschwellig zu Tage, obgleich es sich um eine Frage von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Christentums handelt: In Wirklichkeit stellt das Problem des priesterlichen Zölibats die Frage nach der Wirksamkeit der Gnade. Der Zölibat ist eine Gnade, wie der heilige Johannes-Maria Vianney wiederholte: „Die Reinheit stammt vom Himmel, man muss sie von Gott erbeten. Wenn wir darum bitten, werde wir sie erhalten.“ Den Zölibat aufgeben hieße, auf den Druck des Zeitgeistes hin zu verkünden, dass die Gnade unzureichend ist, dass sie nicht dazu befähigt, ein übernatürliches Leben zu führen. Die Folgen wären katastrophal: Der Geist würde vor dem Diktat der leiblichen Bedürfnisse kapitulieren. Der „alte Mensch“ trüge seinen Sieg über den getauften Menschen davon, und letztendlich würde es sich um einen Sieg des Heidentums über das Christentum handeln.

Aus: P. Alban Cras FSSP, Der Priester und die Keuschheit


Der Zölibat als Skandal

Wir glauben wirklich, dass es Gott gibt, dass Gott in mein Leben eintritt, dass ich mein Leben auf Christus gründen kann, auf das künftige Leben. Und wir kennen jetzt die Kritiken der Welt, von denen Sie gesprochen haben. Es ist wahr, dass der Zölibat für die agnostische Welt, für die Welt, die mit Gott nichts zu tun hat, ein großer Skandal ist, da er gerade zeigt, dass Gott als Wirklichkeit betrachtet und gelebt wird. Mit dem eschatologischen Leben des Zölibats betritt die künftige Welt Gottes die Wirklichkeit unserer Zeit. Und das sollte verschwinden!
Papst Benedikt XVI. im Gespräch mit den Geistlichen am 10. Juni 2010 bei der Vigil auf dem Petersplatz anlässlich des Internationalen Priestertreffens.

Zölibat ist Askese, und Askese ist etwas, das für unsere Gesellschaft unerträglich ist, das absolut Nicht-Säkularisierbare. Es gibt zwar alle möglichen Formen von Konsum und Befriedigung, aber Askese, also der freiwillige Verzicht auf Möglichkeiten, ist für die offizielle Selbstbeschreibung einer säkularen bürgerlichen Gesellschaft ein Skandal. Die Leute wittern, dass hinter der Askese Macht steckt, und das reizt sie bis aufs Blut.
Der Berliner Soziologe und Medientheoretiker Norbert Bolz im Interview mit Michael Stallknecht, veröffentlicht in der Tagespost vom 22. Mai 2010.


Gesunde Hürden

Psychologisch ist der Zölibat ein durchaus plausibler Schutz davor, dass Menschen mit dem kindlischen Wunsch, als Lokomotivführer oder Priester widerspruchslos “an der Spitze zu stehen”, sich mit dem Priestertum selbst eine Freude zu machen. Der Verzicht, den der Zölibat fordert, ist da wenigstens eine Hürde. In den heutigen oft allzu normalen Gemeinden ist eine solche Lebensform radikalen Glaubens aber vor allem eine leibhaftige Erinnerung an das eigentlich Wichtige im Leben von Christen. Wer die Aufhebung des Zölibats mit dem Argument fordert, dass die Gemeinden sonst nicht ausreichend “versorgt” würden, übersieht, dass ohne solch radikales Bekenntnis “mitten in dieser Welt” die Gemeinden noch mehr Gefahr laufen würden, sich in gutbürgerlicher Betriebsamkeit zu erschöpfen und inhaltlich wie formal bloß noch zur Verdoppelung der Kommunalverwaltung zu werden. Wer über den Priestermangel nur noch in den Kategorien nicht besetzter Planstellen spricht, hat vielleicht gar nicht gemerkt, dass er genau die “Amtskirche” fordert, der er sonst möglicherweise bekämpft.

Aus: Manfred Lütz, Der Botschafter Gottes, in: theo. Das katholische Magazin, 1/2008.


Theologische Abrüstung

Es stimmt, dass die Kirchen sich leeren. Aber das tun sie bei den Protestanten in noch größerem Ausmaß, und die haben nun wirklich alles, was jeder katholische "Kirche-von-unten"-Aktivist auf dem Zettel hat: Da gibt es Priesterinnen, da gibt es verheiratete und geschiedene Bischöfe, da gibt es schwule Pfarrer-Eheleute, da gibt es vor allem flache Hierarchien, keine Zentrale, keinen Papst im Gepränge von Tiara, Messgewand und Hirtenstab, also absolute Demokratie.
Wollen wir das? Wollen wir die totale theologische Abrüstung?

Aus der Antwort von Matthias Matussek auf die Initiative jener CDU-Politker, die sich anscheinend mehr um die Lebensweise zölibatärer Priester als etwa um das Lebensrecht der ungeborenen Kinder sorgen.


Zölibatskritik als Symptom der Verwahrlosung

Ziel der “Überdenker des Zölibats” ist es, die Herzmitte der Kirche zu “reformieren”, die das Priestertum ist. Denn nur so wird dann ja auch eine radikale Revolution im Fahrwasser dessen möglich, was in einem demokratischen Konsens als “modern” und “der Zeit entsprechend” anerkannt wird - genau das Gegenteil des Ansinnens des Papstes. Es ist somit nicht übertrieben zu behaupten, dass das immergrüne und deshalb ekelerregend abgekaute Thema der “Zölibatskritik” Anzeichen für eine Verwahrlosung des Verständnisses von Kirche und des Selbstverständnisses des Priesters und in seiner eindeutig gegen Rom und das Lehramt des Papstes gehenden Richtung Symptom eines schleichenden Schismas ist.

Aus: Prof. Armin Schwibach, Die Prophetie Benedikts XVI. und der Weg in die Zukunft, in: Komma 78-79/2011, S. 97


Opfer und Zölibat

Der Priester soll “ ‘das eucharistische Opfer nicht nur feiern, sondern auch tief innerlich miterleben; denn nur so kann er jener übernatürlichen Kraft teilhaftig werden, durch die er verwandelt wird und am Sühneleben des göttlichen Erlösers teilnehmen kann' (Pius XII., Menti nostrae). Liegt in der Mißachtung dieses Ideals nicht die heutige Priesterkrise? Ist nicht gerade vom Priester das Opfer des Glückes einer Familie gefordert? Der Zölibat erklärt sich vom eucharistischen Opfer her. Der Opferbegriff und seine Wirklichkeit sind in der heutigen Wohlstands- und Konsumgesellschaft, beim modernen, egoistischen Menschen und seiner Selbstverwirklichung ganz abhanden gekommen. Er ist den Eheleuten abhanden gekommen, die nicht mehr bedenken, dass sie nicht geheiratet haben, um an erster Stelle selbst glücklich zu werden, sondern um einen anderen Menschen glücklich zu machen.”

P. Franz Schmidberger FSSPX in einem Rundbrief vom 1. März 2011


Zutrauen

Bei der ganzen Zölibatsdebatte kann man sich nur wundern, wie wenig Zutrauen manche Oberhirten zur Macht der Gnade haben und damit auch zur Gottesmutter als Mittlerin aller Gnaden. Denn hier finden sich die einzigen Möglichkeiten, gute Priester hervorzubringen und zu bewahren. Eine solche Hoffnung auf die motivierende und festigende Macht der Gnade setzt allerdings eine gesunde Theologie voraus. Für sie war und ist die Gnade eine reale übernatürliche Kraft, die in die Seele eingegossen wird, sie verklärt und in ihren Fähigkeiten wirkt: in der des Verstandes als Licht des Glaubens und in der des Willens als übernatürlicher Habitus der caritas.

Prof. Dr. Walter Hoeres in: Der Zölibat und die unruhigen Geister, UNA VOCE Korrespondenz 3. Quartal 2010, S. 61 - 76.


Der eschatologische Sinn des Zölibats

Das Zentrum unseres [der Priester] Lebens muß wirklich die tägliche Eucharistiefeier sein; und hier sind die Wandlungsworte zentral: »Das ist mein Leib, das ist mein Blut«, das heißt wir sprechen »in persona Christi«. Christus erlaubt es uns, sein »Ich« zu benutzen, wir sprechen im »Ich« Christi, Christus zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit ihm, er vereint uns mit seinem »Ich«. Und so, durch sein Handeln, durch diese Tatsache, daß er uns in sich »hineinzieht«, so daß unser »Ich« mit seinem »Ich« vereint wird, verwirklicht er das Andauern, die Einzigartigkeit seines Priestertums; so ist er wahrhaft immer der einzige Priester, und dennoch sehr gegenwärtig in der Welt, weil er uns in sich hineinzieht und so seine priesterliche Sendung gegenwärtig macht. Das bedeutet, daß wir in den Gott Jesu Christi »hineingezogen« werden: Es ist diese Einheit mit seinem »Ich«, die in den Worten der Wandlung Wirklichkeit wird. Auch im »Ich spreche dich los« – denn keiner von uns könnte von Sünden lossprechen – ist es das »Ich« Christi, Gottes, das allein die Lossprechung erteilen kann. Diese Vereinigung seines »Ichs« mit dem unseren beinhaltet, daß wir auch in seine Wirklichkeit als Auferstandener »hineingezogen« werden, daß wir vorangehen auf das volle Leben der Auferstehung zu, von dem Jesus im 22. Kapitel des Matthäusevangeliums zu den Sadduzäern spricht: es ist ein »neues« Leben, in dem es keine Ehe mehr gibt (vgl. Mt 22,23–23).

Es ist wichtig, daß wir uns immer von neuem von dieser Identifikation des »Ichs« Christi mit uns durchdringen lassen, von diesem »Hinausgezogen werden« in die Welt der Auferstehung. In dieser Hinsicht ist der Zölibat eine Vorwegnahme. Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so »ziehen« wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit Christi, das neue und wahre Leben zu. Das heißt, der Zölibat ist eine Vorwegnahme, die möglich wird durch die Gnade des Herrn, der uns zu sich »zieht«, zur Welt der Auferstehung hin; er lädt uns immer von neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Gegenwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir an einem sehr wichtigen Punkt angelangt. Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, daß man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt: die bloße Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens. Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt größer werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muß.

Benedikt XVI. vor einem Jahr auf dem Petersplatz während der Gebetswache anläßlich des internationalen Priestertreffens in seiner Antwort auf die Frage eines der anwesenden Priester, des slowakischen Missionars Don Karol Miklosko.


Ablenkungsmanöver

Die Herumreiterei auf der Zölibatsfrage halte ich für ein Ablenkungsmanöver von den Kernfragen. Allerdings ist es an uns Priestern und Bischöfen, den Zölibat überzeugend zu leben.

Bischof Stephan Ackermann von Trier im Interview mit Rolf Seydewitz im Trierischen Volksfreund vom 14. Juli 2011.


Missbrauch und Zölibat

Das Problem sexualisierter Gewalt komme in der evangelischen Kirche nicht seltener vor als in der katholischen Kirche. Das meinte die Missbrauchs-Expertin Ursula Enders auf der Fachtagung “Missbrauch in Institutionen” der evangelisch-lutherischen Kirche in Hamburg. Die evangelische Kirche habe sich lange Zeit in Sicherheit gewiegt, da es in ihr den Zölibat nicht gäbe, doch dieser habe wenig mit Missbrauch zu tun. Außerdem seien die Kirchen von dem Problem nicht stärker betroffen als etwa Sportvereine, Schulen oder das familiäre Umfeld. Ursula Enders leitet die Kölner Einrichtung “Zartbitter” gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen.

PUR-Magazin Juli/August 2012


Wissenschaftliche Blößen eines Zölibatsgegners

Einen Verriss erlebt das Buch von Heinz-Jürgen Vogels Zölibat als Gnade und als Gesetz in der Rezension, die Clemens Schlip in der Tagespost vom 14. November 2013 veröffentlicht hat. Schlip hält z.B. die Auseinandersetzung Vogels mit der Studie von Stefan Heids Zölibat in der frühen Kirche für ein Täuschungsmanöver. Vogels, der sechzehn Jahre lang dem Exekutiv-Komitee der Internationalen Föderation verheirateter katholischer Priester angehörte, halte an der Historizität der Rede des Bischofs Paphnutius auf dem Konzil von Nicäa fest, obwohl sie “von der seriösen Forschung längst eindeutig als legendär” erwiesen sei. Er berücksichtige weder die wichtige Studie Kardinal Sticklers Der Klerikerzölibat noch die Enzyklika Sacra Virginitas von Pius XII. Dem Zweiten Vatikanum werfe er wegen seines Festhaltens am Zölibat Ideologie vor. Besonders ärgert es Schlip, dass Vogels den Zölibat für den Missbrauchsskandal in den Vereinigten Staaten verantwortlich mache. Es ist ihm ein Rätsel, wie dieses Werk, das “eine verleumderische tour de force durch (...) 1500 Jahre Kirchengeschichte” enthalte, in die wissenschaftliche Reihe Antike und Christentum des Stuttgarter Hiersemann-Verlags aufgenommen werden konnte.

Zölibat

Der priesterliche Zölibat lebe wesentlich davon, dass er die gemeinsame Lebensform einer Gruppe sei, erläuterte Haunerland. Wenn der Einzelne seine Ehelosigkeit immer wieder rechtfertigen müsse, würde der Freiheit zur Eheschließung sehr bald die Erwartung folgen, dass ein Priester, der kein Sonderling sein wolle, verheiratet zu sein habe.

Der Liturgiewissenschaftler Winfried Haunerland im September 2016 auf katholisch.de


Noch nie so wichtig!

Zu behaupten, der Zölibat sei im Mittelalter ausschließlich aus ökonomischen Gründen eingeführt worden, entbehrt jeder historischen Vernunft. Grundlage, ich wiederhole es, ist die Lebensform Jesu und der Apostel; ein Charisma, das auf die anbrechende Gottesherrschaft verweist. Und jeder Priesteramtskandidat weiß, dass die Kirche die freiwillige Annahme dieser Lebensform als Berufung zur Christusnachfolge zum Kriterium der Berufung in den geistlichen Dienst gemacht hat. Und jeder Weihekandidat bekundet ausdrücklich diese Freiwilligkeit. Dass diese Lebensform in einer übersexualisierten Gesellschaft ein Skandalon darstellt und deshalb angefochten, verlacht und bespuckt wird, ist noch lange kein Grund, von dieser biblisch begründeten Tradition abzugehen. Vielleicht war sie noch nie so wichtig wie heute!

Bischof Dr. Rudolf Voderholzer in seiner Predigt am 31. Oktober 2018 zum Wolfgangsfest in der Basilika St. Emmeram zu Regensburg.


Heinrich Spaemann: Über den Priesterberuf

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