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Die Erklärung über die Religionsfreiheit und der Filter der Tradition Von P. Franz Prosinger Vor einiger Zeit veröffentlichte Ernst-Wolfgang Böckenförde in der FAZ eine Glosse unter dem Titel „Rom hat gesprochen, die Debatte ist eröffnet. Wenn Enzykliken nicht unfehlbar sind, dann laden sie ein zur Kritik: Das päpstliche Lehramt im Licht der Religionsfreiheit“. Auf der anderen Seite wird behauptet, man könne das Zweite Vatikanische Konzil auch im Licht der Tradition nicht annehmen, weil zum Beispiel das Schema über die Religionsfreiheit nicht durch das Sieb der Tradition hindurchfalle. Links und rechts scheint man sich einig: dieser Text steht in Widerspruch zur vorkonziliaren Lehre der Kirche, vor allem zu Pius IX. Auf der einen Seite wird die grundsätzliche Fehlbarkeit päpstlicher Enzykliken in diesem Fall von „Quanta cura“ abgeleitet, im anderen die Unrechtmäßigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils als Akt des kirchlichen Lehramtes (letzteres nur als „Pastoralkonzil“ abzuwerten entspricht nicht den historischen Gegebenheiten siehe: Dogmatisch oder pastoral? Zur Frage nach der Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils, von P. Martin Lugmayr). Gegenüber beiden Positionen möchte ich hier den Text selbst sprechen lassen und an den Kriterien der Tradition messen. 1. Die Würde der menschlichen Person kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewußtsein1, und es wächst die Zahl derer, die den Anspruch erheben, daß die Menschen bei ihrem Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewußtsein der Pflicht geleitet. In gleicher Weise fordern sie eine rechtliche Einschränkung der öffentlichen Gewalt, damit die Grenzen einer ehrenhaften Freiheit der Person und auch der Gesellschaftsformen nicht zu eng umschrieben werden. Diese Forderung nach Freiheit in der menschlichen Gesellschaft bezieht sich besonders auf die geistigen Werte des Menschen und am meisten auf das, was zur freien Übung der Religion in der Gesellschaft gehört. Der erste Satz beinhaltet die Beurteilung einer historischen Situation, bei der die Verantwortlichen in der Kirche keineswegs unfehlbar sind und sich schon oft genug getäuscht haben. Man kann in dieser Aussage eine „captatio benevolentiae“ aus der Zeit der Kennedy-Ära sehen, deren Optimismus inzwischen gründlich enttäuscht worden ist (selbst Kardinal Ratzinger hat dem Pastoralschema „Gaudium et spes“ vorgeworfen, vom Geist der Kennedy-Ära geprägt zu sein es geht also nicht darum, mögliche und berechtigte Kritik an der pastoralen Orientierung dieser Texte abzulehnen, sondern es geht hier nur um den streng dogmatischen Gesichtspunkt). Transeat! Zu bedenken ist aber in diesem ersten Satz bereits der Gesichtspunkt einer verantwortlichen Freiheit im Unterschied zu Liberalismus und Libertinismus. Ein Selbstbestimmungsrecht wird nicht gegenüber Gott eingefordert, sondern gegenüber der öffentlichen Gewalt. Es geht um eine ehrenhafte Freiheit, besonders im Bereich der religiösen Überzeugung und ihrer Manifestation in der Gesellschaft. Auch mögliche oder notwendige Grenzen werden hier bereits angesprochen. Die Verurteilung einer grenzenlosen Freiheit unter Pius IX steht dazu nicht im Widerspruch.
Hier wird der Anspruch der Erklärung explizit formuliert. Die Befragung der heiligen Tradition und Lehre der Kirche bezüglich der Wahrheit und der Gerechtigkeit menschlicher Forderungen zielt auf eine lehramtliche Aussage zu Dogmatik und Moral. Dabei kann es sein, daß neue Gesichtspunkte entfaltet werden, die aber mit dem bisher Gelehrten in Einklang stehen. Kardinal Newman hat dies in seinem Buch Die Entwicklung der christlichen Lehre und der Begriff der Entwicklung (deutsch von Theodor Haecker, München 1922) vor allem für die ersten sechs Jahrhunderte nachgewiesen.
Noch einmal: hier wird kein pastoraler Plan vorgeschlagen, sondern das Glaubensbekenntnis eines rechtmäßig einberufenen Konzils vorgelegt. Die einzig wahre Religion und ihr Heilsweg, von Gott allen Menschen verpflichtend zur Kenntnis gegeben, subsistiert in der katholischen, apostolischen Kirche, wie es im Lateinischen heißt: dient in ihr als Grundlage (die Aussage des „subsistit“ der Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche in Lumen Gentium Nr. 8 ist eine andere und ihr textgemäßes und rechtgläubiges Verständnis wurde anderweitig erklärt). Die Behauptung, das Zweite Vatikanische Konzil würde den exklusiven und objektiven Anspruch der Wahrheit der von Gott geoffenbarten und in der katholischen Kirche verwirklichten Religion bestreiten, wird durch diesen Text explizit widerlegt. Hier ist eine Anmerkung zur Exegese des Textes notwendig: ähnlich wie bei der Heiligen Schrift geht es zunächst nicht darum, hinter den Text zurückzugehen und seine Entstehungsgeschichte zu rekonstruieren, sofern der Text nicht selbst dazu einlädt. Das heißt, der Text selbst muß zu Wort kommen, zumal wenn der Anspruch besteht, von Gott inspiriert zu sein. In begrenzterem Maß gilt dies auch von einem Text des kirchlichen Lehramtes, der zwar nicht von Gott inspiriert, aber als approbierter Text göttliche Autorität beansprucht und in seiner endgültigen Fassung nicht ohne göttliche Fügung oder Zulassung durchgegangen ist. Wie bei jeder menschlichen Mitteilung, so gilt hier a fortiori: zunächst ist der Text als einheitliche, in sich stimmige Aussage nachzuvollziehen. Erst wenn dies nachweislich nicht gelingen kann, mag man die psychologischen oder soziologischen Hintergründe des disparaten Konglomerates untersuchen. Diejenigen, die von dem eben besprochenen Satz behaupten, er sei nur zur Beruhigung der Traditionalisten eingefügt oder stehengeblieben, mag sich als Eingeweihter in Verschwörungstheorien gefallen, verschließt sich aber vernünftiger Textexegese. Zudem müßte er die ekklesiologischen Konsequenzen verarbeiten, daß ein Text mit dem oben explizit geäußerten Anspruch des kirchlichen Lehramtes angeblich derart versagt.
Der Text geht einen Schritt weiter: dem notam facere des Heilsweges von seiten Gottes muß ein cognitam amplecti ac servare auf seiten des Menschen entsprechen. Das heißt, die Bekanntgabe muß als solche erkannt, nachvollzogen und als persönlicher Besitz angeeignet werden. Dies ist nicht mit dem Stichwort Personalismus zu diffamieren, sondern im Licht des bekannten Axioms nemo nisi volens credit zu verstehen. Wenn dies in früheren Texten des kirchlichen Lehramtes als selbstverständlich vorausgesetzt worden ist, so mag man in dieser Explizierung das Neue im Sinn des Entwicklungsbegriffes von Kardinal Newman sehen. Auch die weitere Aussage, daß die Wahrheit der göttlichen Offenbarung an das Gewissen des Einzelnen appelliert und zwar kraft der eigenen Wahrheit, entspricht überlieferter Lehre: fides est virtus supernaturalis, qua a Deo revelata creduntur propter auctoritatem Dei revelantis (DS 3008). Die übernatürliche Tugend ist der Seele des Einzelnen anvertraut als innere Kraft, in der sich die Wahrheit Gottes selbst bezeugt. Mag sein, daß auch im vorausgehenden menschlichen Urteil der credibilitas das Zweite Vatikanum den Akzent weniger auf die signa exteriora, sondern auf die innere Stimmigkeit und Anziehungskraft der Offenbarung legt jedenfalls ist der Rahmen der überlieferten Lehre gewahrt. Auch wunderbare Manifestationen, die die göttliche Offenbarung begleiten, erlauben der Kirche oder dem Staat nicht, den Glauben des Einzelnen unter Zwang einzufordern. Ohne freie innere Zustimmung gibt es keinen Glauben.
Was der Text unter „Religionsfreiheit“ versteht, wird ausdrücklich erklärt. Keine Rede von Menschenrechten gegenüber Gott, im Gegenteil! Es gibt nur eine wahre Religion und alle Menschen sind ihr verpflichtet. Es geht ausschließlich um die Rechte gegenüber den anderen Menschen in der staatlichen Gesellschaft, und zwar speziell um die Freiheit von Zwang. Die Lehre der neueren also der vorkonziliaren Päpste wird weitergeführt (evolvere bedeutet hier anwenden und entfalten).
2. Das Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen - nach seinem Gewissen zu handeln. Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf religiöse Freiheit sei in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person selbst gegründet, so wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch die Vernunft selbst erkannt wird2. Was selbstverständlich ist, muß hier eigens betont werden: die Aussage des 2. Abschnittes muß im Licht des 1. Abschnittes verstanden werden. Die „Würde des Menschen“ ist kein Postulat der Freimaurer, sondern verdankt sich der Zuwendung Gottes in das Gewissen des Einzelnen und dessen Befähigung, die Wahrheit des sich offenbarenden Gottes kraft der Wahrheit selbst zu erkennen und als Eigentum zu umfangen. Diese im Licht des geoffenbarten Wortes Gottes und der Vernunft erkannte Befähigung berechtigt und verpflichtet zugleich. Deshalb widerspricht die Verurteilung einer ganz anders verstandenen Religionsfreiheit durch Pius IX hier nicht. Der verurteilte Satz lautet: Liberum cuique homini est eam amplecti ac profiteri religionem, quam rationis lumine quis ductus veram putaverit“ (Propositio 15 des Syllabus DS 2915). Franz Hettinger konnte in dem Standartwerk „Lehrbuch der Fundamentaltheologie oder Apologetik“, anhand dessen von 1878 an bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts Generationen von Priester ausgebildet wurden, unangefochten schreiben: „Dieser Satz ist wahr in dem Sinne, daß keiner gezwungen werden kann, eine Religion anzunehmen, die er für eine falsche hält, und daß die Bekenner der wahren Religion hierbei frei handeln und am Bekenntnis nicht gehindert werden können; er ist aber falsch in dem Sinn des Autors (Franc. Vigil, Defensa de la autoridad de los gobiernos, Lima 1848), es habe jeder das Recht, ohne weitere Untersuchung nach Gutdünken einer falschen Religion sich anzuschließen, wenn sie ihm nur subjektiv als wahr erscheint“ (Freiburg 31913, S. 165f). Auch wenn man das Buch von F. Vigil nicht gelesen hat, so sprechen doch der Titel, Erscheinungsort und jahr Bände: da es angeblich im Bereich der Religion keine objektive Wahrheit gibt, höchstens ein subjektives Gefühl im Sinn Friedrich Schleiermachers, kann keine Religion oder Kirche gegenüber der Autorität des Staates Ansprüche stellen. Dieses Beispiel zeigt, daß auch die Aussagen des kirchlichen Lehramtes wie jeder historische Text einer Hermeneutik bedürfen: das, was an ihnen zeitlos wahr ist, muß im Kontext der Aussageabsicht innerhalb der historischen Gegebenheiten eruiert werden. Der in der Propositio 15 verurteilte Satz des Syllabus widerspricht Dignitatis humanae Nr.2 nicht, zumal im dessen Text Einschränkungen angedeutet und später erklärt werden: innerhalb der gebührenden Grenzen. Wir kommen darauf zurück.
Diese politische Forderung kann die Kirche erheben, weil sich die Lehre von der recht verstandenen Religionsfreiheit nicht nur auf die göttliche Offenbarung, sondern auch auf die menschliche Vernunft stützt. Sie ergibt sich aus der objektiven Erkennbarkeit Gottes aus dem natürlichen Licht der Vernunft (DS 3004) und ist dem Agnostizismus und Liberalismus der von Pius IX verurteilten Autoren entgegengesetzt.
Nur ein oberflächlicher Freiheitsbegriff steht in Opposition zu der eindeutigen Verpflichtung und umfassenden Bindung, die hier von jedem Menschen verlangt wird. Es gibt nicht nur die Freiheit von etwas, sondern auch die Freiheit zu etwas in persönlicher Verantwortung. Der hl. Augustinus erkannte, daß die wahre Freiheit nicht darin besteht, sündigen zu können, sondern darin, sich für das Gute aus innerer Überzeugung entscheiden zu können. Sonst wären Gott und die Heiligen im Himmel nicht wirklich frei. Mit Liberalismus hat das alles nichts zu tun.
Weil Gott den Menschen auf seine Weise für sich gewinnen will, muß dieser auf die entsprechende Weise Gott suchen. Das aus der Pflicht gegenüber Gott abgeleitete Recht gegenüber den Menschen, auf diese Weise eine innere religiöse Überzeugung zu formen, bleibt dem Menschen auch dann, wenn er seine Pflicht vernachlässigt. Es gründet nicht in der subjektiven Verfassung der Person und es hat keinen Sinn, diejenigen, die freiwillig glauben, die Freiheit zu lassen, und diejenigen, die nicht glauben wollen, zum Glauben zu zwingen. Auch steht es den anderen Menschen nicht zu, sich ein Urteil über das forum internum anzumaßen, inwieweit ein Mitmensch dem Ruf Gottes in der ihm möglichen Weise folgt. Wer seiner Pflicht, die Wahrheit zu suchen, nicht nachkommt, kann zwar vor Gott kein Recht auf seine persönliche Überzeugung beanspruchen, aber deshalb haben die anderen Menschen kein Recht, seine persönliche Überzeugung mit äußeren Maßnahmen zu kontrollieren, zu korrigieren oder zu sanktionieren. Eine Konversion muß immer ein Weg der inneren Reife und Entscheidung sein. Damit wird kein exklusiver Individualismus postuliert. Alles, was dieser inneren und persönlichen Entscheidung des Mitmenschen dient, ist berechtigt und geschuldet (vor allem das persönlich gelebte Glaubenszeugnis) alles, was diese Entscheidung zur Wahrheit propter ipsam veritatem behindert (auch gut gemeinte Lockungen und Privilegien etc.), ist dem Glauben kontraproduktiv und verwerflich. Wer meint, daß ein guter Diktator die unmündigen Schafe im Haufen in den Himmel führen kann, hat vom Glauben (der fides qua) nichts verstanden. Der Text der Erklärung stellt die eingangs bekannte Pflicht des Einzelnen gegenüber Gott an keiner Stelle in Frage. Fraglich ist nur, inwiefern andere (Einzelne, gesellschaftliche Gruppen, jegliche menschliche Gewalt) diese Pflicht einfordern, kontrollieren oder sanktionieren können. Der kritische Punkt ist die Manifestation irriger religiöser Überzeugungen. Natürlich ist den Päpsten des 19. Jahrhunderts Recht zu geben, daß ein Recht auf uneingeschränkte Ausübung religiöser (oder scheinreligiöser) Kulte Wahnsinn wäre: Satanisten, Kannibalisten, Polygamisten, kriminelle Sekten etc. Dagegen fordert die Erklärung des Zweiten Vatikanum, daß die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt werden muß. Als zu verbietender Mißbrauch wird in Nr. 4 erwähnt, wenn eine religiöse Gemeinschaft mit Zwang oder unehrenhafter und ungehöriger Überredung arbeitet. In Nr. 7 wird das Sittengesetz, die objektive sittliche Ordnung, als umgrenzende Norm für das Recht auf Freiheit in religiösen Dingen angegeben. Die bürgerliche Gesellschaft muß sich gegen Mißbräuche schützen, die die Religionsfreiheit nur als Vorwand beanspruchen. Neben den für alle Menschen vernünftigerweise geltenden Normen sind auch besondere Traditionen des jeweiligen Landes zu respektieren, die zu verletzen den ehrenhaften öffentlichen Frieden gefährden würde. Ansonsten beansprucht der Text, den Menschen einen möglichst weiten Freiheitsraum zu gewähren, auch wenn es sich um irrige Überzeugungen handelt. Dies wird nicht nur als Toleranz im Sinn eines geringeren Übels betrachtet, sondern als positive Voraussetzung dafür, daß die Menschen in der geforderten psychologischen Freiheit sich der religiösen Wahrheit öffnen können, die aus sich selbst heraus den Geist des Menschen sanft und zugleich stark durchdringt (Nr. 1). Diese Argumentation ist einleuchtend und widerspricht nicht der Tradition. Der geneigte Leser, der diesem Kommentar bis hierher gefolgt ist, wird in den folgenden Abschnitten nur noch Bestätigungen und Wiederholungen finden. Trotzdem sei die Lektüre der ganzen Erklärung empfohlen: 3. Dies tritt noch klarer zutage, wenn man erwägt, daß die höchste Norm des menschlichen Lebens das göttliche Gesetz selber ist, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluß seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt. und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert. Gott macht den Menschen seines Gesetzes teilhaftig, so daß der Mensch unter der sanften Führung der göttlichen Vorsehung die unveränderliche Wahrheit mehr und mehr zu erkennen vermag3. Deshalb hat ein jeder die Pflicht und also auch das Recht, die Wahrheit im Bereich der Religion zu suchen, um sich in Klugheit unter Anwendung geeigneter Mittel und Wege rechte und wahre Gewissensurteile zu bilden. Der ewige, universale, objektive Anspruch des göttlichen Gesetzes, der wahren Religion ist nicht nur gewahrt, sondern Grundlage der Argumentation. Das Ziel, daß alle Menschen, oder zumindest die große Mehrheit eines Staates gemeinsam sich zur einen wahren Religion bekennen, ist selbstverständlich. Allerdings ist nur einmal, in Nr. 6, nebenbei erwähnt, daß in einem Volk einer einzigen religiösen Gemeinschaft in der Rechtsordnung des Staates eine besondere bürgerliche Anerkennung gezollt werden kann um zu sagen, daß auch dann den Andersdenkenden innerhalb der gebührenden Grenzen religiöse Freiheit gewährt werden soll. Das pastorale, missionarische Anliegen, daß auf Grund des authentischen Glaubens der Mehrheit der Bevölkerung Christus auch im Staat König sei, geht zwar aus Nr. 1 hervor, wurde aber nicht besonders thematisiert. Auch wenn das Ziel der Argumentation berechtigterweise ein anderes ist, hätte die Erklärung das sich mit der berechtigten Religionsfreiheit und ihrem eigentlichen Ziel berührende Thema des sozialen Königtums Christi erwähnen sollen. Ein Mangel an kritischer pastoraler Orientierung und Absicherung vor Mißverständnissen kann dem Text ohne weiteres vorgeworfen werden. Einen dogmatischen Widerspruch zur verbindlichen Lehre der Kirche konnte ich aber nicht festzustellen bin aber gerne bereit auf eventuell eingehende gegenteilige Vorstellungen einzugehen und auch den noch ausstehenden Text zu kommentieren. Religiöse Kompetenz des Staates? In der neuesten Ausgabe von Theologisches (Nov./Dez. 2009) ist unter dem Titel Behauptet Röm 13,1-7 eine besondere göttliche Vollmacht staatlicher Autorität? Ein Beitrag zur Diskussion um die Beziehung von Staat und Kirche (Sp. 379 - 388) eine Studie des Exegeten P. Franz Prosinger FSSP erschienen, die eine originelle Exegese der im Titel erwähnten Passage des Römerbriefes bietet. Prosinger zeigt, wie sich Paulus gegenüber der weltlichen und religiösen Autorität auf sein Gewissen beruft und “eine oft im Protestantismus propagierte Sakralisierung des Staatsdienstes” ablehnt. Der Zurückweisung staatlicher Kompetenzansprüche im religiösen Bereich entspricht auf der anderen Seite die Verkündigung Jesu, die “nicht auf eine Theokratie in dieser Welt” zielt und “politische Mittel und Ambitionen ausdrücklich” abweist, “von der Versuchung in der Wüste bis hin zum Prozeß vor Pilatus.” Religionsfreiheit Dignitatis Humanae im Licht des Buches der Weisheit Von P. Franz Prosinger Die zentrale Begründung einer Zurückweisung staatlicher Reglementierungen im religiösen Bereich abgesehen von Verstößen gegen die Grundprinzipien der Moral und den berechtigten Frieden in der Gesellschaft findet sich im ersten Abschnitt der Konzilserklärung „Dignitatis humanae“ (DH 1). Nachdem die Heilige Synode zuerst die aus der Offenbarung Gottes folgende Pflicht der Menschen gegenüber der einzig wahren Religion bekennt, heißt es: „In gleicher Weise bekennt die Heilige Synode, daß diese Pflichten der Menschen das Gewissen berühren und binden, wobei sich die Wahrheit auf keine andere Weise auferlegt als kraft der Wahrheit selbst, die zugleich sanft und stark den Gesinnungen eingeht“ (zur Übersetzung: „mens“ als „Geist“ zu übersetzen, erscheint mir zu allgemein es geht um die grundlegende Gesinnung als Orientierung des Denkvermögens; „illabitur“ besagt wörtlich ein Einfallen oder Hineingleiten). In falscher Bescheidenheit gibt der Konzilstext die biblische Quelle jenes „suaviter simul ac fortiter“ nicht an. Es stammt aus der lateinischen Bibelübersetzung des hl. Hieronymus, aus dem Buch der Weisheit Salomons im 8. Kapitel, Vers1: „adtingit enim a fine usque ad finem fortiter et disponit omnia suaviter“ (vielen bekannt aus der O-Antiphon zum Magnificat am 17. Dezember). Den griechischen Urtext können wir etwa so übersetzen: „Sie (die Weisheit) erstreckt sich von einem Ende zum anderen wohl-entschlossen und durchwohnt das All zuträglich.“ Dem „suaviter“ entspricht im Griechischen das chrêstôs, an sich ein Allerweltswort aus chrê und chraomai: tauglich, zweckmäßig, nützlich, brauchbar, zuträglich, förderlich etc. Aber hier, wie auch in Mt 11,30 und 1 Petr 2,3, meint es eine ganz eigene Art der religiösen Wirklichkeit. Das Substantiv chrêstótês bezeichnet in Tit 3,4 das Wesen Gottes, das sich zusammen mit seiner Menschen-Freundschaft im Werk der Menschwerdung und Erlösung in Jesus Christus geoffenbart hat. Es geht also um sein dem Menschen ent-sprechendes Wesen, da der Mensch durch seine Gottebenbildlichkeit den Ruf Gottes als Ruf zu freundschaftlicher Beziehung zu vernehmen vermag (vgl. Gen 1,26 und 2,7). Eben darum geht es auch im zentralen Abschnitt des Buches der Weisheit Salomons (Näheres und Tieferes im Sammelband von Gilbert Maurice, La Sagesse de L'Ancien Testament, Leuven 19792). Nachdem der König erkannte, daß auch er nur ein armseliger, hilfloser Mensch ist (7,1-6), betet er flehentlich um Einsicht und den Geist der Weisheit (7,7 in Anspielung an den berühmten Traum von Gibeon in 1 Kg 3,5-12). Dabei hat der Beter nicht all die zusätzlichen Vorteile der Weisheit im Sinn (7,11 vgl. 1Kg 3,13), sondern die Weisheit selbst als „ein unerschöpflicher Schatz: die ihn besitzen, ziehen an die Freundschaft Gottes an, empfohlen durch die Gaben aus Unterweisung“ (7,14). Auch hier ist die Gottesfreundschaft das eigentliche Ziel, wobei die erkannte Transparenz des Geistes im Bau des Weltalls und in der Wirksamkeit der Elemente (7,17) dieses Vertrautsein mit Gott ermöglicht (vgl. Röm 1,20): „was verborgen ist und was offenbar erkannte ich: denn die alles kunstvoll gestaltet, hat es mich gelehrt: die Weisheit“ (7,21). Nun folgt der berühmte Abschnitt (7,22 8,1), den man in Anlehnung an 1 Kor 13 als das Hohelied der Weisheit bezeichnen kann: Die eigenartige Verbindung besteht einerseits in der Diskretion und Unscheinbarkeit: der der Weisheit innewohnende Geist ist leptós d.h. fein, zart, dünn, subtil..., und er wohnt in allen Geistern, die verständig sind und rein und ebenfalls ganz und gar fein, zart, dünn, subtil... (7,23). Der Autor betont noch einmal, dass es die Behendigkeit und die Reinheit ist, durch die die Weisheit durch alles hindurch verweilen und wirken kann (7,24). Andererseits und dies ist das Erstaunliche ist dieser so unscheinbare Geist wohl-wirkend, ja alles vermögend (auch der hl. Paulus verwendet immer wieder die Worte dynamis und enérgeia, um die Dynamik und die Energie - sozusagen die Sprengkraft - dieses Geistes zu betonen). Beide Eigenschaften sind abschließend in 8,1 zusammengefaßt: Die Weisheit Gottes erstrecket sich von einem Ende (des Alls) bis zum anderen sowohl voller Kraft als auch in angemessener Sanftmut. Die rahmende Vor-Beschreibung in 6,12-21 betont, daß sie leicht von denen erkannt wird, die sie lieben, und von denen gefunden wird, die sie suchen (6,12). Offensichtlich ist dem Menschen bereits eine Vorahnung und Sehnsucht eröffnet, die ein Suchen aus Liebe ermöglichen, das durch ein Finden und Erkennen beantwortet wird. Erwartet wird ein herzliches Erwägen und eine Wachsamkeit des Geistes (6,15), ein Ausschauen schon am frühen Morgen, denn sie die Weisheit sitzt vor der Tür (6,14). So sagt Christus, die Mensch-gewordene Weisheit Gottes: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich einkehren und Mahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Offb 3,20). Ja, die Weisheit „geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind, und erscheint ihnen freundlich auf den Wegen und begegnet ihnen in jedem Vorhaben“ (Weish 6,16). Beide Aspekte sind notwendig, um dem Menschen eine freie Antwort aus Liebe zu ermöglichen. Ohne die diskrete Zurückhaltung der in allen Dingen verborgenen Weisheit Gottes wäre der Mensch überwältigt, geblendet und gleichsam gezwungen und ohne die machtvolle Offenbarung des göttlichen Wirkens würde der Mensch im Dunklen tappen oder sich in esoterischen Unverbindlichkeiten verlieren. Die Offenbarung Gottes ist anspruchsvoll, aber nicht elitär. Im Gegenteil: gerade nicht die Mächtigen und Weisen dieser Welt gelangen zu ihrer Erkenntnis (1 Kor 1,26-29), sondern die Armen im Geist (Mt 5,3). Die religiöse Wirklichkeit ist kein Reflektionssystem, das einen ausgeklügelten Verstand erforderte, und kein auferlegtes System von Regeln, dem man sich zu unterwerfen hätte. Sie ergreift den Menschen im Ursprung seiner Existenz und erfordert eine feine innere Bereitschaft. Der Geist der göttlichen Weisheit erweist sich gerade dadurch als „menschfreundlich“, daß er in seiner „Feinheit“ alle Geister durchdringt, die ihm in derselben „Feinheit“ entsprechen (Weish 7,22f). Erfordert ist unvoreingenommene Offenheit und selbstloses Suchen dieser Wahrheit, die sich „auf keine andere Weise auferlegt als kraft der Wahrheit selbst, die zugleich sanft und stark den Gesinnungen eingeht“ (DH 1). Deshalb ist eine staatliche Reglementierung dieses religiösen Bereiches von Exzessen gegen die Moral und dem öffentlichen Frieden abgesehen im strengen Sinn des Wortes unangemessen. Anschließend wird im 8. Kapitel des Buches der Weisheit ausgeführt, wie derjenige, der die Weisheit gefunden hat, diese als Braut zu sich heimführen will (8,2). Die Ausdrücke prosanapaúsomai, syanastrophê und symbíôsis (8,16) bezeichnen die eheliche Gemeinschaft und die syngymnasía homilías geradezu einen intimen Verkehr. In demselben Vers 8,16 ist der Ausdruck lábô autên eis emautón in Joh 19,27 aufgegriffen: der geliebte Jünger „nahm sie zu sich“ - er nahm sie als Mutter und Sitz der göttlichen Weisheit in seine häusliche Gemeinschaft. Wenn es schon der staatlichen Organisation nicht zusteht, dem Menschen vorzuschreiben, ob und wen er zu heiraten habe, so darf er sich noch viel weniger in das bräutliche Werben Gottes um die Seelen einmischen. Selbst wenn sich jemand schon öffentlich in Taufe und Firmung zu der wahren Religion bekannt hat, die auch mehrheitlich in diesem Staat bekannt wird, darf im Fall einer „Ehekrise“ kein Druck ausgeübt werden, da die von Gott gewollte eheliche Gemeinschaft, wie sie in Weish 8, 2-18 beschrieben ist, nicht nur eine einmalige Zustimmung, sondern ständige Aktualisierung aus freier Hingabe erfordert. Nun könnte man sagen, daß der „katholische Staat“ die abweichende innere religiöse Überzeugung im forum internum der Staatsbürger gar nicht tangiert. So jedenfalls sieht es die Lehre des Islam für einen islamischen Staat: "Die Überzeugung ist eine Grundvoraussetzung eines jeden Glaubens. Ein wahrhafter Glaube basiert auf unbestreitbarer Überzeugung und Gewißheit und ist nicht das Resultat von Nachahmung oder Zwang. Jeder Mensch ist frei, seinen Glauben zu wählen und hat das Recht zu eigenen Meinungen, sogar der Atheist. Niemand hat das Recht, gegen seine Glaubensauffassungen einzuschreiten, solange er seine Gedanken für sich behält und sie nicht unter den Leuten verbreitet, um sie durcheinanderzubringen in Bezug auf ihre moralischen Werte. Versucht er aber, diese verkehrten Gedanken, die im Widerspruch zu den Bekenntnissen und Moralauffassungen der anderen Mitmenschen stehen, zu verbreiten, so verstößt er damit gegen die allgemeine Ordnung des Staates, in dem er lebt, weil sich dadurch Zweifel unter seinen Mitbürgern ausbreiten, die zum Aufruhr führen können. Jeder, der sich so verhält, wird der Bestrafung unterworfen. Er kann sogar des Hochverrats angeklagt werden, der mit dem Tod bestraft wird, nicht weil er seinen Glauben abgelegt hat, sondern weil er durch seine Gedanken Verwirrung im Staat verbreitet und gegen seine Ordnung verstoßen hat" (Prof. Dr. Mahmoud Zakzouk, Fragen zum Thema Islam). Dagegen ist zu sagen, daß Gott sah, daß es nicht gut ist, daß der Mensch allein sei. Gerade dazu hat er ihm eine ihm entsprechende Hilfe geschaffen, um sich bezüglich des ihm - im Unterschied zu den Tieren - eingehauchten Atem Gottes auszutauschen (Gen 2,18-24). Das religiöse Gewissen des Menschen verlangt nach religiöser Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Dabei ist die Familie nicht nur ein Reservat als privates Refugium, sondern Keimzelle aller weiteren gesellschaftlichen Beziehungen. Die Grenzen zwischen privat und öffentlich sind fließend, so wie der Mensch auf Grund seiner Sozialnatur (DH 4) nicht äußeren Einschränkungen außerhalb der gebührenden Grenzen unterworfen werden kann, ohne seine innere psychologische Freiheit zu verlieren (DH 2). Nach Weish 7-8 aber ist es gerade diese feine innere Bereitschaft, die den Zugang zur religiösen Wirklichkeit ermöglicht. Es ist dem Geist Gottes vorbehalten, auf seine Weise, „fortiter et suaviter“, die Seelen zu erreichen. Staatliche Privilegien oder Einschränkungen bringen da gewollt oder ungewollt Rücksichten ins Spiel, die keine Rolle spielen dürften. Da die religiöse Wirklichkeit eine Wirklichkeit sui generis ist, kann nur eine religiöse Wirklichkeit den Zugang zur Religion fördern, also nicht gesetzliche Reglementierungen, sondern Zeugnisse religiöser Überzeugungen. So kann und soll eine überzeugende christliche Gesellschaft den christlichen Glauben fördern und dazu ist jeder Einzelne aufgefordert. Diese Aufforderung bedeutet, mit Gottes Wirken mitzuwirken. Weish 8,1 wird vom Vaticanum I (DS 3003) und vom Katechismus der Katholischen Kirche (302) im Hinblick auf das Wirken der göttlichen Vorsehung zitiert. Ebenso unauffällig und unaufdringlich, aber auch ebenso kraftvoll getragen von innerster Überzeugung sollen wir auf die in allen Dingen und Ereignissen zugleich verborgene und aufleuchtende religiöse Dimension verweisen. Unser Vorbild ist der Herr. Er hat es zu Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit zurückgewiesen, Aufmerksamkeit und Bewunderung und Anhängerschaft durch aufdringliche Wunderzeichen zu gewinnen (Lk 4,1-13). Allein in seiner Entsagung am Kreuz will er die Menschen an sich ziehen (Joh 12,32). Die Kategorien von Herrschaft und Dienen werden umgekehrt. Weltliche Herrschaft als Bevollmächtigung der Großen und Herr-Sein über die Völker darf es im Reich Gottes nicht geben. Dort steht der Diener aller anderen an erster Stelle, in der Nachfolge dessen, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben (Mk 10,42-45). Daß das bloße „Herr-Sein“ den wahren Bund zwischen Gott und seinem Volk nicht begründen kann, zeigte sich nach der großen Katastrophe der Zerstörung des Tempels und der heiligen Stadt trotz der kurz zuvor erreichten Wiederherstellung der alten Bundesordnung unter König Joschijahu (LXX Josias: 2 Kg 22-25). Der Prophet Jirmejahu (LXX Jeremias) vernimmt des Rätsels Lösung: „Wohlan, Tage kommen, Spruch des Herrn, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen Neuen Bund. Nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe am Tag, da ich mich stark machte an ihrer Hand, um sie herauszuführen aus Ägypten, wobei sie meinen Bund brechen ließen, und ich (doch) Herr war über sie. Denn das ist der Bund, den ich schließen werde mit dem Haus Israel nach jenen Tagen Spruch des Herrn: Ich werde meine Weisung geben an ihrem Inneren und auf ihr Herz will ich sie schreiben und ich werde ihnen sein als Gott und sie werden mir sein als Volk.“ (Jer 31,31-33). Die alte Formel des Herausführens „mit starker Hand“ (Ex 3,19; 6,1; 13,9; 32,11; Dt 4,34; 5,15; 6,21; 7,8; 9,26; 26,8; Jer 32,21; Ez 20,34; Ps 136,12; Dan 9,15) wird hier umformuliert: ER hat sich stark erwiesen an ihrer Hand. Aber das führte nur zu einem äußeren Ortswechsel, nicht zu innerer Wandlung. JHWH war Herr über sie, aber nur in der Weise des Baal (bâcaletiy bâm), der im Kampf gegen die Macht des Chaos (Jammu) und des Todes (Motu) gewonnen hatte und deshalb von Gott Ilu (heb. El) den Königsthron im Götterhimmel erlangte. Mit derselben Präposition wird in Jer 31,32f entgegengesetzt: an ihrer Hand an ihrem Inneren. Der Neue Bund erreicht eine neue Dimension und diese besteht in seiner Gott-Unmittelbarkeit: „und nicht brauchen sie mehr zu belehren jedermann seinen Gefährten und jedermann seinen Bruder: erkenne den HERRN! Denn alle werden sie mich kennen, von ihren Kleinen bis zu ihren Großen, Spruch des Herrn.“ (Jer 31,34) Das soll nicht Bezeugung und Kommunikation der gemeinsamen Gotteserkenntnis ausschließen. Aber so wie das bloße Vorschreiben auf steinernen Tafeln nicht eine wirkliche Verbindung begründen konnte (Ez 36,26; 2 Kor 3,6f), so kann auch die staatliche Organisation das Wirken Gottes in der Seele nicht durch bloße Gesetzesvorschriften unterstützen im Gegenteil: eine solche Einmischung wäre nur kontraproduktiv. Wahre Religion und Erlösung steht nicht „unter dem Gesetz“, sondern läßt sich tragen und führen „im Geist“ (Gal 5,18): fortiter et suaviter! Freiheit im Licht von Joh 7,17 Ein Beitrag zur Diskussion um die Religionsfreiheit Von P. Franz Prosinger Willem Grossouw schreibt in seiner Betrachtung zum Mittwoch nach Sexagesima (Das geistliche Leben, München 1952, S. 228f): „Man muß der Offenbarung und Gnade Gottes, seinen Eingebungen und Antrieben, die er jedem auf mannigfache Weise gibt, mit Demut, Ehrfurcht, Bereitwilligkeit und Dankbarkeit gegenüberstehen. Diese Seelenhaltung der Empfänglichkeit gegenüber Gott und seiner Gnade ist unentbehrlich, nicht nur um das Wort aufzunehmen, sondern bereits um überhaupt zu sehen. Das innere Leben ist keine Geometrie; wer nicht sehen will, der sieht auch nicht. `Wenn jemand Gottes Willen tun will, wird er innewerden, ob meine Lehre aus Gott ist oder ob ich von mir aus rede´(Joh 7,17). Das Wort und die Gnade Gottes sind Gaben, die den Menschen nicht zwingen; denn Gott will, daß man ihm in Freiheit und Liebe dient.“ (Hervorhebung F.P.) Dem Zitat aus Joh 7,17 geht die Aussage vorher: „Meine Lehre ist nicht meine, sondern (die Lehre) dessen, der mich gesandt hat.“ Den scheinbaren Widerspruch zwischen „meine Lehre“ und „nicht-meine Lehre“ klärt der hl. Augustinus in seinen Homilien zum Johannesevangelium: „Quid enim tam tuum quam tu? et quid tam non tuum quam tu, si alicuius est quod es?“ (Tract XXIX, 3: Was ist so sehr dein wie du? und was ist so sehr nicht dein, wenn dein Sein das eines anderen ist?). Hier wird klar, daß der vom Vater gesandte Sohn nicht nur eine Lehre verkündet, die man in Sätze fassen und wiederholen kann, sondern daß er selbst das WORT ist, das er verkündet. Auf die Frage, wer er sei, antwortete er: „im Hinblick auf den Ursprung: das, was ich euch auch sage“ (8,25). Zur Samariterin sagt er: „Ich bin: der, der da spricht zu dir“ (4,26). Es geht hier also nicht nur um informative Worte, sondern um ein performatives Sich-Bezeugen des Wortes. Beides darf natürlich nicht voneinander getrennt werden. So meinte Martin Buber, der Glaube Israels gelte nicht Glaubenssätzen, sondern einzig der Person des für sein Volk daseienden Gottes. Dagegen zeigt Joseph Pieper in seinem Traktat über den Glauben, daß der Akt des Glaubens zwar der Person gilt, aber damit zugleich auch der von dieser Person mitgeteilten Offenbarung. Das Besondere an der Offenbarung Christi ist nun, daß dieser nicht nur ein Zeuge ist wie Johannes (Joh 1,7f), sondern das sich bezeugende Licht selbst. Somit sagt Grossouw mit Recht, daß wir ohne die gläubige Bereitschaft nicht nur das gesehene Licht nicht annehmen, sondern dieses überhaupt gar nicht sehen. Freilich besteht darin keine Entschuldigung, da ja jedem Menschen im Innersten dieses Licht leuchtet (Joh 1,4). Es leuchtet aber nur dann auf und vereint sich als erkanntes Licht mit der Fülle des menschgewordenen Lichtes, wenn die Menschen nicht auf Grund ihrer bösen Werke die Finsternis mehr lieben als das Licht (Joh 3,19-21). Und auch wenn das Licht Christi bereits in den Herzen zu leuchten beginnt, liegt es weiterhin an deren demütigen Bereitschaft, die noch ungeklärten Fragen zu ertragen, damit sie mehr und mehr zu Söhnen des Lichtes werden (Joh 12,36). So ist das Ziehen der Gnade „niemand kommt zu mir, außer der Vater zieht ihn“ (Joh 6,44) wirksam in der dazu befreiten und freiwilligen Mitwirkung des Menschen. Die Wirksamkeit der Gnade ist geprägt von einer so subtilen Zurückhaltung, wie sie allein dem sich entäußernden Gott möglich ist und zur Vollendung kommt in der Anziehungskraft des Herrn am Kreuz: „Wenn ich erhöht sein werde, werde ich alle an mich ziehen.“ (Joh 12,32) Denn: „Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen (können), daß ich bin; und von mir aus nichts tue, sondern so wie es mich der Vater lehrt, das rede ich“ (Joh 8,28). Im Schweigen am Kreuz offenbart der Herr sein Sein als das ewige Wort des Vaters. Nun wird man einwenden, daß das alles mit der Diskussion um die Frage der Religionsfreiheit in einer christlichen Gesellschaft bzw. einem katholischen Staat nichts zu tun habe, da man sich über die Freiwilligkeit des Glaubensaktes ohnehin einig sei. Aber über die Freiheit von äußerem Zwang hinaus betont das Zweite Vatikanische Konzil (DH 2) auch die innere, psychologische Freiheit. Wer die sich selbst in dieser ganz eigenartig zurückhaltenden Weise bezeugende Wahrheit Christi zusätzlich durch reglementierende Vorschriften unterstützen will, handelt kontraproduktiv. Das betrifft natürlich nicht die allgemeinen Wahrheiten des Naturrechts, die ein sinnvolles, gerechtes und friedliches Zusammenleben der Menschen allererst ermöglichen. Wer diesbezüglich meint, auf Grund einer angeblichen Religionsfreiheit eine Diktatur des Relativismus begründen zu können, kann sich nicht auf den Text des Konzils berufen. Aber das, was wir in der Apologetik als demonstratio christiana et catholica bezeichnen, muß den besonderen Charakter der Selbstbezeugung dieser Wahrheit bedenken (fortiter et suaviter: dazu meine Ausführungen zur Religionsfreiheit im Licht von Weish 8,1). Apologetische Argumente können hinführen, Interesse wecken und Augen öffnen, „falls einer Seinen Willen tun will“ (Joh 7,17 - ein Urteil über das Können und Wollen betrifft im striktesten Sinn das forum internum, das Gott allein vorbehalten ist). Dabei sind die verbal formulierten Wahrheiten zwar ein notwendiger Rahmen und Ausdruck der zu vermittelnden Wahrheit, die sich selbst als der göttliche Logos und nicht eine unverbindliche Esoterik manifestiert. Aber das formulierte Wort kann nur hineinweisen in das WORT, dem jede Form ihren Ursprung verdankt (Joh 1,3f „was geworden ist, war in Ihm immer schon Leben“). In einer Diskussion über die entsprechende Weise des Apostolates wurde mir einmal gesagt: wir geben den Menschen die ganze Wahrheit, und was sie damit machen, ist ihre Sache! Dagegen ist zu sagen, daß wir die ganze Wahrheit noch nicht gegeben haben, solange wir nicht zusammen mit Christus vollständig am Kreuz gestorben sind. Und da wird die Wahrheit gerade nicht aufgedrängt, sondern anheimgegeben. Wenn sie nicht angenommen wird, sucht der Missionar die Schuld eher bei sich selbst als bei seinem Mitmenschen. |
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