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Maria, die neue Materie

Gedanken zum Fest der Unbefleckten Empfängnis

Von P. Bernward Deneke

Nach jeder guten Beichte dürfen wir die Erfahrung machen, wie es ist, von Grund auf neu zu sein. Aber nach einiger Zeit schon stellen wir fest, dass der alte Mensch keineswegs gestorben ist. Intensiver noch ist das Erlebnis nach einer Generalbeichte, in der wir unser ganzes Leben in das Licht Gottes gerückt haben. Doch selbst nach genauester Gewissensprüfung und priesterlicher Lossprechung weicht das Gefühl, jetzt sei der Feind völlig überwunden, alsbald einer Ernüchterung. Auf dem frisch gereinigten Taufkleid zeigen sich wieder dunkle Flecken. Unsere Gewohnheiten, Neigungen und Regungen sind eben nicht ausgelöscht.

Ja, man müsste ganz am Nullpunkt beginnen können. „Zurück zur Natur“ - zu unserem Menschsein in dem Zustand, in dem es sich am Anfang befand, noch vor jedem schlechten Einfluss durch verfehlte Erziehung und schlechte Gesellschaft. Von hier aus müsste es doch möglich sein, alles besser zu machen.

Aber nein, selbst dieser Nullpunkt trüge schon eine Tendenz in sich: eine Schwerkraft, die nach unten zieht. Und daran ist nicht allein die Umgebung schuld, wie ein Vertreter der Irrlehre des Pelagianismus sagen würde. Bekanntlich müssen auch tiefreligiöse, ja heilige Eltern in der Erziehung ihrer Kinder ebenso kämpfen wie andere, möglicherweise sogar noch mehr. Es bewahrheitet sich die Redensart: „Das kommt selbst in den besten Familien vor.“

Die geschädigte „Materie“

Und warum gelingt es auch mit bester Erziehung nicht, den perfekten Menschen zu schaffen? Weil das Problem nicht erst irgendwann im Kleinkindalter entsteht, sondern von Anfang an gegeben ist. Es liegt in der „Materie“, aus der wir sind. Diese ist immer schon geschädigt. Sie trägt in sich Keime der Auflösung, zieht nach unten.

„Materie“ sei hier aber bitte nicht materialistisch missverstanden und auch nicht auf unseren Körper bezogen. Nein, damit ist die ganze menschliche Natur gemeint. Es ist ja doch bemerkenswert, dass im lateinischen Wort materia das uns vertraute Wort mater (= Mutter) steckt und dass natura von dem Zeitwort nasci stammt, das „geboren werden“ bedeutet. „Materie“ in unserem Sinne ist sozusagen der Mutterboden der menschlichen Natur, aus dem wir gemacht sind; das Erbgut, das jeder von uns in sich trägt.

Die Schrift sagt, dass wir alle in Adam gefallen sind. Wo wir schon auf der Suche nach der Herkunft der Worte sind: Der Name Adam bedeutet „von der Erde genommen“. Die Erde, die Materie, aus der unser Stammvater genommen wurde, war bekanntlich der Boden des Paradiesesgartens, ein heiliger Boden; ein Humus, aus dem ein Geschlecht von heiligen Gotteskindern entstehen sollte. Und genau diese Grundlage, die menschliche Natur selbst, wurde durch die Sünde Adams in Mitleidenschaft gezogen und beschädigt.

Seither stehen alle, die von Adam abstammen, die gleichsam aus seiner Materie genommen sind und so seine Natur geerbt haben, unter der Erbsünde. Ihrem Wesen nach ist diese ein Mangel an Heiligkeit, an Gnadenleben, an Teilhabe der göttlichen Natur. Und als Folgen bringt sie diverse Leiden und Sterblichkeit, Unwissenheit, Willensschwäche, Begierlichkeit, insgesamt die Neigung zur Unordnung mit sich. Das kennen wir nur allzu gut.

Maria, der neue Mutterboden

Auf dem Hintergrund der Erbsünde wird verständlicher, warum Gott in Maria einen Neuanfang setzte. Der menschgewordene Gottessohn sollte der zweite Adam (vgl. 1 Kor 5,45ff.), der neue Stammvater werden. Und deshalb wurde Er wieder aus heiligem Boden genommen. Gott hat für Ihn ein neues Paradies mit einer makellosen Erde gebildet.

Wie schon erwähnt, lautet die Übersetzung von „Adam“ in deutscher Sprache: „aus der Erde genommenen“. Will man aber noch exakter übersetzen, so muss man beachten, dass das hebräische Verbum adam, von dem sich adamah („Erde“) ableitet, so viel wie „rot sein“ bedeutet. Adam ist also „der aus der roten Erde Genommene“.

So befremdlich es klingen mag, wenn man Jesus als den neuen „aus der roten Erde Genommenen“ bezeichnet, erhält dies doch einen wahren Sinn im Blick auf das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis. Die Kirche lehrt ja, „dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jedem Makel der Erbsünde rein bewahrt blieb“ (Papst Pius IX., Dogmatisationsbulle Ineffabilis Deus vom 8.12.1854).

„Im Hinblick auf die Verdienste Christi“, das heißt: Schon längst vor Seinem Opferleiden wurde die Mutter Christi durch dieses Opferleiden Christi vor jedem Makel der Sünde bewahrt. Durch ein Wunder der Vorwegnahme und gleichsam rückwirkend ist der Mutterboden, aus dem Jesus stammt, bereits von Seinem (erst viele Jahrzehnte später vergossenen!) kostbaren Blut durchtränkt worden. Hier haben wir es also wiederum und in einem höheren Sinne mit adamah, mit „roter Erde“ zu tun: Auch der neue Adam ist aus roter Erde genommen, nämlich aus dem marianischen Paradiesesboden, der bereits durch Sein eigenes Blut geheiligt worden war.

Durchdrungen von „marianischer Materie“

Von hier aus tut sich die Verbindung zu unserem Leben auf. Wir stammen aus der alten Erde, aus Adam. Aber wie der Sauerteig unter die Maß Mehl (Lk 13,20ff.), so soll die „marianische Materie“ gleichsam unter unsere erbsündlich belastete Natur gemischt werden. „Schafft den alten Sauerteig fort, damit ihr ein neuer Teig werdet“, schreibt der heilige Paulus (1 Kor 5,7) – es könnte auch heißen: Beseitigt den alten Adam, damit ihr in den neuen Adam umgestaltet werdet.

Die Durchdringung des alten Menschen geschieht sakramental in mehreren Etappen. Bei der Taufe wurde die „Erde“ unserer Natur mit dem Wasser des Heils und zugleich mit dem Blut der Erlösung durchtränkt. In der Firmung ist das Chrisma der Heiligung, der Heilige Geist selbst, aus Christus, dem Gesalbten, auf sie hinübergeflossen. Und in der heiligen Kommunion tritt der neue Adam, der ganz aus Paradieseserde ist, in unsere Natur ein. Wir empfangen den Leib Christi – und in ihm auch „marianische Materie“!

Die Beichte, die uns zuweilen den Eindruck gibt, sie mache uns neu, ist in Wahrheit nur die Vorbereitung auf die Kommunion. Diese aber ist das Sakrament aller Sakramente; von ihr geht die tiefstgreifende Erneuerung, die Heiligung unserer Natur, aus. Wir werden in dasselbe Stück heiligen Bodens gepflanzt, aus dem Jesus gewachsen ist. Somit erkennen wir deutlich, wie sehr das Geheimnis der Immaculata mit unserer Heiligung zusammenhängt: Für Jesus – und damit auch für uns – wurde dieser reine Mutterboden bewahrt und geheiligt.

Was für ein Fest muss daher jener Tag für uns sein, an dem wir die Unbefleckte Empfängnis Mariens feiern! Und mit welchem Verlangen werden wir an ihm Jesus Christus in der Kommunion empfangen, Ihn, der ganz aus der neuen, heiligen Materie genommen ist und uns mit ihr durchdringen will! Maria aber spricht in der Lesung des Festes durch die Gestalt der alttestamentlichen Weisheit zu uns: „Wer mich findet, findet das Leben und schöpft das Heil vom Herrn.“ (Spr 8,35)


Bernward Deneke: Schwester im Glauben


Mein Sohn lässt sich rühren

Im Evangelium zum 23. Sonntag nach Pfingsten wird die blutflüssige Frau geheilt, deren Glaube vom Herrn gelobt wird, weil sie dachte: "Wenn ich auch nur sein Kleid berühre, so werde ich gesund." Durch unser vertrauensvolles Gebet berühren wir nicht nur sein Kleid, sondern sogar sein Herz. Das ist die Botschaft der Muttergottes in Pontmain: "Mein Sohn lässt sich rühren." Weiteres darüber in der Predigt.

Recktenwald-Predigten · 23. So. n. Pfingsten: Mein Sohn lässt sich rühren

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