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Türkenkriege und Volksfrömmigkeit

Von Richard Niedermeier

Die Erfindung des Buchdrucks und damit die Etablierung erster Zeitungen, die freilich am Anfang eher Flugschriften waren, machte die Welt kleiner und überschaubarer. Was bislang bestenfalls nur als eine ferne, sehr dunkle Kunde an die Ohren der Europäer drang, wurde nun zur brennenden Neuigkeit, die mühelos Gebirge, Flüsse und sogar Meere übersprang; die aber auch den Kreis ihrer Empfänger beträchtlich erweiterte, so dass das Wissen selbst von weit entfernten Geschehnissen kein Privileg höherer Stände mehr blieb. Das betraf natürlich auch die Nachrichten von den Geschehnissen an der Türkenfront, die nunmehr Menschen damit konfrontierten, die selbst noch nie einen Türken gesehen hatten. So lässt sich erklären, dass die Türkenangst („Heidenangst“) nun sehr weite Kreise zog, fast ganz Europa eroberte und als Reaktion darauf ein inniges Beten und Bitten hervorbrachte, wie es eine bloße Anordnung aus Rom oder aus den Bischofsresidenzen und Fürstenhöfen nie vermocht hätte.

Spezielle „Türkendrucke“ und „Türkenzeitungen“ – aus dem 16. Jh. sind uns heute noch mehr als 2500 davon überliefert, darunter ungefähr 1000 in deutscher Sprache – setzten die Menschen nicht nur über das Vordringen der Türken in Kenntnis, sondern hatten vor allem auch den Zweck, die Greueltaten der Türken an den Christen bekannt zu machen, damit die Gläubigen umso intensiver beteten. Die sächsische Landesbibliothek bewahrt einen solchen Türkendruck aus dem Jahre 1594 auf (Inv. Sign. Hist. Hungar 436,40), dessen Überschrift lautet: „Wahrhafftige Nawe Zeittung. Von dem itzigen Krieg wieder den Türcken in Ungern“.

Seit 1454, also ein Jahr nach dem Fall Konstantinopels, verbreiten sich auch „Türkenkalender“ – sie waren überhaupt die ersten gedruckten Kalender –, darunter einer dessen Titel: „Eyn manung der cristenheit widder die durken“ den Zweck unschwer erkennen lässt.

Nicht nur Schriften mahnten und riefen die Türkenkriege in Erinnerung; auf akustischem Wege waren es die Glocken, die eindringlich zur Besinnung und zum Bittgebet riefen. Papst Calixt III. hatte nach dem Verlust von Morea am 29. Juni 1456 bereits angeordnet, dass in allen Kirchen zur Mittagszeit eine oder mehrere Glocken „gegen die Türken“ zu läuten hätten. Man nannte dies das sog. „Mittagsläuten“ oder auch „Angstläuten“. Die Gläubigen sollten während des Glockenläutens drei Vaterunser und drei Avemaria beten.

Die dazu verwendeten Glocken wurden „Türkenglocken“ genannt, wobei diese Bezeichnung später, als auf dem Schlachtfeld die ersten Erfolge gegen die Türken erzielt wurden, noch eine spezielle Bedeutung erhielt: Glocken, die aus dem Erz erbeuteter türkischer Kanonen gegossen wurden. Von da an hatten die Türkenglocken auch nicht mehr die alleinige Funktion, zum Gebet um die Hilfe Gottes aufzurufen; sie wurden auch zum Dank für einen Sieg geläutet.

Hatte der Papst nur ein mittägliches Läuten befohlen, so weiteten Angst und Frömmigkeit es auch auf andere Tageszeiten aus. Einige Beispiele:

Die zwanzig Zentner schwere Türkenglocke der Pfarrkirche im oberösterreichischen Mauthausen wurde von dem aus diesem Ort stammenden Kriegskammerherren Christoph Voster 1688 gestiftet und soll aus erbeuteten türkischen Kanonen gegossen sein. Auch die Türkenglocke auf dem Grazer Schlossberg – sie wurde 1587 im Auftrag von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich und seiner Frau Maria gegossen – soll aus 101 erbeuteten Türkenkanonen gefertigt sein. Nach 1683, also nach der für die Christen siegreichen Schlacht am Kahlenberg, läutete sie morgens, mittags und abends mit jeweils 101 Schlägen zum Dank an die Gottesmutter und als Bitte für weiteren Schutz in zukünftigen Gefahren.

Zum Dank erklangen auch die beiden Türkenglocken von 1686 in dem nahe Wien gelegenen Perchtoldsdorf, das noch 1683 von den Türken erobert und dessen Bevölkerung etwa zur Hälfte von den Osmanen niedergemetzelt worden war. Auf der einzigen von ihnen heute noch erhaltenen Glocke findet sich die Inschrift: „…rueffe ich die Christen alle zusam zu loben Gott in hoegstem Thron der uns erloest aus der Tyrgken noth“.

Die Türkenglocke des nahe Villach in Kärnten gelegenen Ortes Maria Gail stammt bereits aus dem Jahre 1486 und stellt gleichsam eine Antwort auf die im Türkeneinfall von 1478 erfolgte Schändung der Kirche und Zerstörung des Ortes dar.

Nicht nur in den österreichischen Landen, die die Türkengefahr in besonderer Weise spürten, finden sich solche Türkenglocken. Auch das oberfränkische Bad Steben oder sogar das brandenburgische Rathenow besitzen Türkenglocken. Obwohl von Papst Calixt das Türkenläuten angeregt wurde, gibt es Türkenglocken auch in evangelischen Kirchen, wie etwa die 1683 gegossene große Türkenglocke der evangelisch-lutherischen Kirche St. Rochus in Zirndorf belegt. Ihre Inschrift nennt als Zweck ihres Läutens den Aufruf zur Buße in der Zeit der Türkennot: „Man haist mich ja frei die große Turckenglocken. Dieweil ich die Christen zur Buse thu locken…“.

Im 18. Jh. freilich, als die Türkengefahr weitgehend vorüber war, ist das Türkenläuten zumeist verstummt und machte dem schon älteren Gebetsläuten des Angelus wieder Platz.

In den Nöten der Zeit suchten die Katholiken gerade bei der Gottesmutter Maria Hilfe. Die bereits 1531 in Loreto bezeugte, in ihren Anfängen aber noch viel ältere und nach ihrem Ursprungsort benannte Lauretanische Litanei erhielt durch Papst Pius V. die Anrufung „Hilfe der Christenheit“. Natürlich war auch dieser Hilferuf an Maria schon wesentlich älter; die Kreuzfahrer etwa hatten bereits ein „Maria hilf“ auf den Lippen. Doch vor allem nach der Schlacht von Lepanto und dem Sieg der Christen vor Wien (1683) hatte die Maria-Hilf-Verehrung einen ungeahnten Aufschwung genommen. Dieser spiegelt sich wider in der Geschichte des Gnadenbildes der „Auxiliatrix Christianorum“, das in vielen Kirchen vor allem des süddeutschen und österreichischen Raumes zu finden ist.

Lucas Cranach d. Ä. hatte nach 1537 ein Marienbild geschaffen, das die Madonna mit dem sie liebkosenden Jesuskind zeigt. Dieses Bild, das in der kurfürstlichen Gemäldesammlung zu Dresden aufbewahrt wurde, erhielt 1611 der Fürstbischof von Passau, Erzherzog Leopold, zum Geschenk, der es nach Innsbruck verbrachte. Doch der Passauer Domdekan, Marquard Freiherr von Schwendi, ein überaus frommer Mann, ließ eine Kopie für sein privates Beten anfertigen. Als er jedoch auf dem späteren Mariahilfberg – damals noch Schulerberg – von mehreren Lichtvisionen heimgesucht wurde, nahm er dies als ein Zeichen, dass die Gottesmutter auf diesem Berg über Passau die öffentliche Verehrung ihres Bildes wünsche. Er ließ dort eine Kapelle erbauen. Es waren zuerst, neben den privaten Nöten, vor allem die Bedrängnisse des Dreißigjährigen Krieges, die die Menschen in Scharen zur Wallfahrt auf den Mariahilfberg trieben. Nach der verlorenen Schlacht von St. Gotthard an der Raab (1664) aber suchte man dort bei Maria Schutz und Hilfe vor allem in den Türkenkriegen. Von beiden Orten, Passau und Innsbruck, strahlte der Ruf Mariens als Auxiliatrix Christianorum immer weiter aus. Vom Original wie von der Passauer Kopie wurden weitere Kopien erstellt. Wir finden diese Kopien – und was noch wichtiger ist, die entsprechende Marienverehrung – vielfach im bayerischen Oberland (z.B. Benediktbeuern und Berchtesgaden, Maria Eck im Chiemgau), in der Oberpfalz (Neumarkt, Amberg) und im Tirolischen (Bozen, Kufstein oder Schloss Schenna bei Meran), im Schwäbischen (Weingarten) und im Salzburger Land (Mondsee und Salzburg), selbst das Moselländische Wasserliesch wurde zu einem Ort der Verehrung. Vor allem aber im Ober- und Niederösterreichischen (Heiligenkreuz im Wienerwald, Mariahilfer Kirche in Wien, Pfarrkirche Atzgersdorf in Wien) und in Böhmen (Zedlitz bei Karlsbad) entfaltete sich der Mariahilf-Kult, der sogar in Polen und natürlich auch in Ungarn regen Anklang fand. Als die Türkengefahr vor 1683 am größten war und sogar Kaiser Leopold I. mitsamt seinem Hofstaat aus Wien nach Passau fliehen musste, da sah dieses Marienbild auch einen kaiserlichen Beter zu seinen Füßen.

Die Passauer Wallfahrt zu Maria, der Helferin der Christenheit, wurde seit 1631 von dem Orden betreut, der wie kein anderer in der Neuzeit mit dem bayerischen und österreichischen Volk verbunden war: den Kapuzinern. Pater Prokop von Templin hatte die auf dem Berg so reichlich ausgespendeten Gnadengaben der jungfräulichen Gottesmutter in einem anrührenden Gedicht gepriesen. Doch es war der als Apostolischer Missionar aus Italien gekommene Kapuziner Marco d’Aviano, der durch seine Predigten das Volk in so gewaltigen Scharen zum Gebet auf den Mariahilfberg führte, dass sogar die Brücke über den Inn ins Schwanken geriet. Der 1631 im Friaul zu Aviano geborene Bruder Marco (Geburtsname: Carlo Domenico Cristofori), der 1648 in den Kapuzinerorden eintrat, war seit seiner Jugend von der Idee beseelt, die Türken zu missionieren und dabei als Märtyrer zu sterben. Begleitet waren seine in Latein und Italienisch gehaltenen Predigten von Wunderheilungen, die Marco d’Aviano in ganz Europa bekannt machten und ihn zum Vertrauten Kaiser Leopolds I. werden ließen. Charakteristisch für seine Türkenpredigten war, dass er den Blick auch auf die Sünden der Christenheit lenkte und seine Zuhörer zur Buße aufrief.

Das wohl bekannteste Beispiel der barocken Türkenpredigt bot indes der Augustiner Abraham a Sancta Clara (Johann Ulrich Megerle). Als die Türken-Krise mit der zweiten Belagerung Wiens ihren Höhepunkt erreichte, da schmetterte er sein „Auff, Auff, ihr Christen“ mittels eines Traktates ins Land. Doch darf man diesen Aufruf nicht isoliert vom Gesamtwerk des Predigers sehen: Es ist bezeichnend, dass sich auch bei Abraham a Sancta Clara die Bereitschaft zum Kampf mit dem Ruf zur inneren Umkehr und zur geistlichen Erneuerung verbindet. Man mag das Kämpferische solcher Schriften und Predigten, wie die Barockpredigt überhaupt, heute eher belächeln, doch muss man anerkennen, dass sie den Menschen in Zeiten und Situationen großer Bedrängnis Mut gemacht haben und eine Lebenskraft zum Ausdruck brachten, die dem Fatalismus, der Verzweiflung und der Resignation widerstand. Auch wäre diese barocke Kraft nicht denkbar, wenn nicht trotz der Religionskriege in Frankreich und des Dreißigjährigen Krieges auf dem Gebiet des Reiches die Nachwirkungen des großen Trienter Konzils ihre Früchte gezeigt hätten.

Auszug aus dem Buch Mohammed vor den Toren von Richard Niedermeier, Verlag Petra Kehl, 264 Seiten.


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