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Der hl. Ignatius und die Exerzitien

Von P. Markus Keller

Papst Pius XI. ging so weit, daß er die Exerzitien rühmte als „den weisesten und umfassendsten Schlüssel der Gesetze des Heiles und der Vervollkommnung der Seelen, ein wunderbares Werkzeug für das Heil der Seelen von unvergleichlicher Wirkkraft" (Enzyklika Mens nostra, 1929). Sie sind Frucht der Bekehrung eines Einzelnen, die Gottes Wille zum Segen und zur Förderung der ganzen Kirche gedeihen ließ. Die Gnade sollte in dem Einen siegen, um später durch ihn vielen Menschen zum Durchbruch eines neuen Lebens zu verhelfen.

Leben des hl. Ignatius

Der hl. Ignatius war ein Baske, Sproß einer der angesehensten Adelsfamilien des Landes, von Kindheit an tief verwachsen mit seinem Volksstamm, von dem ein spanischer Dichter sagte: „Sie wohnen auf Bergen von Eisen, sind kraftvoll im Tun und stumm in Worten, und mit ihrem Eisen hat Spanien sein Gold erworben". Ihr Symbol sind Eiche und Eisen. Energischer Wille und Nüchternheit im Wort werden ihn auch später kennzeichnen, nur verklärt durch die Freundlichkeit der Gnade. Aber noch von dem Ordensgeneral wird einer seiner ersten Gefährten sagen: „Ihr müßt wissen, daß Pater Ignatius zwar ein guter Mensch und sehr tugendhaft ist. Aber er ist ein Baske: was er sich einmal in den Kopf gesetzt hat ..."

Inigo (so hieß er eigentlich) empfing als Knabe dieTonsur; vielleicht, weil seine Eltern ihn für eine geistliche Laufbahn bestimmt hatten. Sein Sinn stand jedoch schon in Loyola nach dem soldatischen Ruhm seiner Brüder. Mit 16 Jahren trat er 1507 in den Dienst bei dem Großschatzmeister Kastiliens, Juan Velásquez in Arévalo, wo er nicht nur ritterlich-höfische Umgangsformen lernte, sondern auch die sittlichen Werte der Treue zum angestammten Königshaus in sich vertiefte.
In dieser Hofluft gab es aber auch noch ganz anderes zu lernen. Gelegenheit zu Streichen und mutwilligen Stücken gab es allenthalben. Seine Tante soll ihm einmal gesagt haben: „Inigo, du nimmst keine Vernunft an, bis man dir ein Bein bricht." Sein fröhlicher Kumpan in diesen Tagen, Alonso de Montalvo, bezeugt später, daß Inigos ganzes Verlangen nur nach dem Soldatenleben stand; und Ribadeneira, sein erster Biograph, berichtet, er sei ein lustiger und eleganter Geselle gewesen, ein Freund von Kleiderprunk und Wohlleben. Sein Stolz war das modisch gepflegte blonde Haar, und er galt der Eleganz der Fingernägel und Kleidung. Die Ideale seines Lebens fand Inigo in den leidenschaftlich verschlungenen Ritterromanen, in denen die Waffentaten und Liebesabenteuer der Amadis und des Tristan so lebhaft geschildert wurden, daß, wie er später bekennt, seine Phantasie davon ganz erfüllt wurde.
In diesen zehn Jahren von Arévalo begann aber auch sein Leben der Sünde. Einer seiner späteren Vertrauten nannte ihn „mutwillig im Spiel, in Frauengeschichten, in Raufhändeln und Waffentaten. Er war versucht und besiegt vom Laster des Fleisches." Einer, der ihn kannte, nannte den lebenslustigen Offizier Inigo jener Tage einen zuchtlosen Soldaten. In diesen Jahren der „Fehltritte seiner Jugend", wie Inigo sie später schamrot nennt, trug er auch eine schwärmerische Liebe zu einer hohen Frau. Er selber sagt: „Die Dame war nicht von gewöhnlichem Adel, keine Gräfin, keine Herzogin, ihr Stand war höher." Man denkt an die Infantin Catarina, Kaiser Karls jüngste Schwester.

1516 starb König Ferdinand. Karl V. übernahm das spanische Erbe. Velásquez, bei dem Inigo diente, verlor sein Lehen, und Inigo mußte sich einen neuen Herrn suchen. Er fand ihn alsbald in einem seiner Verwandten, dem Herzog von Nájera, seit 1516 Vizekönig von Navarra, einem mächtigen Vasallen der spanischen Krone. Bald schon flammte in ganz Spanien der Aufstand der Comuneros auf. Dazu kam, daß Frankreich Anspruch erhob auf Navarra, das Karl V. übernommen hatte. Frankreich machte Anstalten, es ihm mit Waffengewalt wieder zu entreißen. Der Treueschwur, den Inigo dem König Karl geleistet hatte, forderte von ihm den Einsatz seines Lebens. Bei der heldenmütigen, aber aussichtslosen Verteidigung der Festung Pamplona gegen eine gewaltige französische Übermacht geschah es, daß eine Kanonenkugel ihn am Bein traf, es brach und beim Durchgang auf der Innenseite des Beines auch das andere Bein schwer verletzte. Es war am Pfingstmontag, 20. Mai 1521, in seinem 30. Lebensjahr.
Mit dem Ausfall des Hauptmanns übergab sich die Besatzung der Feste. Inigo wurde von den Franzosen ehrenhaft und ritterlich behandelt. Ärzte bemühten sich, das gebrochene Bein einzurichten und betreuten ihn zwei Wochen lang. Dann wurde der Verwundete in einer Tragsänfte nach Loyola getragen, zwei Wochen qualvollen Marsches. Inigo wollte um jeden Preis wieder aufkommen, um sich weiterhin im Dienste seines Königs auszuzeichnen. Die Ärzte bemerkten, daß das Bein falsch zusammengewachsen war. „So könne es nicht heilen", hieß es. Man brach das Bein nochmals, um es neu einzuschienen. Bei diesen Qualen kam kein Wort über seine Lippen, nur daß er die Fäuste zusammenpreßte. Als man an seiner Genesung schon zweifelte, er die Sterbesakramente bereits empfangen hatte, trat in der Nacht zum Fest Peter und Paul unerwartet eine Wende ein. Seine Lebenskraft erwachte neu. Schon umwarben ihn wieder die alten Waffenfreunde. Da bemerkte man, daß unterhalb des Knies ein Knochenstück häßlich hervorstand. Unmöglich so jemals wieder Offiziersstiefel zu tragen. Inigo gab Befehl, den Knochenhöcker abzusägen trotz der entsetzlichen Marter, womit dies verbunden war. Zudem wurde das gekürzte Bein gestreckt. Wochenlang lag er in seinem Eckzimmer mit furchtbaren Schmerzen und starrte an die eichenen Balken der Decke.

Bekehrung

Aber schließlich genas er. "Wandlungen der Seele" hat Ignatius selbst die nun folgenden Wochen auf Schloß Loyola genannt. Die Langeweile begann den Genesenden zu quälen. Ritterromane hätte er gerne gelesen. Doch was seine fromme Schwägerin aus den Schränken kramte, waren lauter fromme Bücher: "Das Leben Christi" vom seligen Ludolf von Sachsen (+ 1377), die Heiligenlegende von Jakob von Voragine (Erzbischof von Genua, + 1298). Erst widerwillig, dann erstaunt und schließlich gefesselt, blätterte Inigo in den Folianten. Ganz still trat in diesen Stunden die Gnade an sein Lager. Eine neue Welt ging ihm auf: Das Königreich Gottes, das Heldentum der Heiligen, ihre Leidenschaft im Dienste des Kreuzes. Er las vom hl. Franz von Assisi, von den nächtlichen Geißelungen des Dominikus.

Er begann zu sinnen: "Wie, wenn ich dasselbe täte wie diese Heiligen?" Dann nahm ihn wieder die Sehnsucht nach Waffenehre und Frauengunst gefangen. So wogte zwischen Gott und der Welt in ihm ein wundersamer Streit. Da machte Inigo eine entscheidende Entdeckung, die er wie folgt beschreibt: "Wenn er sich mit weltlichen Gedanken befaßte, hatte er zwar großen Gefallen daran. Wenn er aber dann, müde geworden, davon abließ, fand er sich wie ausgetrocknet und mißgestimmt. Wenn er jedoch daran dachte, barfuß nach Jerusalem zu gehen und sich nur von wilden Kräutern zu ernähren und alle anderen Kasteiungen auf sich zu nehmen, die er bei den Heiligen las, dann empfand er nicht bloß Trost, solange er sich in solchen Gedanken erging, sondern er blieb zufrieden und froh, auch nachdem er von ihnen abgelassen hatte. Und allmählich kam er dazu, den Unterschied zwischen den Geistern zu erkennen, dem Geist des Teufels und dem Geiste Gottes. Das war die erste Überlegung, die er über göttliche Dinge anstellte."

Nun wird auf einmal alles Frühere schal. Riesengroß steht in dieser neuen Erleuchtung sein sündiges Leben vor ihm. Mit unnachgiebiger Härte wird der Entschluß gefaßt: blutige Reue tun, nach Jerusalem wallen, wie er es beim Kartäuser Ludolf gelesen hatte, und dann sich in eine einsame Wüste vergraben. Eine leidenschaftliche und unbegreifliche Sehnsucht nach Einsamkeit überkam ihn, sodaß er sogar den Eintritt in eine Kartause erwog.

In dieser Zeit wurde er durch ein inneres Erlebnis begnadet. Er selber schreibt: "Als er einmal während der Nacht wach dalag, sah er klar ein Bild Unserer Lieben Frau mit dem hl. Jesuskind." Durch diese Schau wurde er von einem unwandelbaren Ekel vor den Sünden seiner Jugend erfüllt mit bleibender Wirkung. Von jetzt an ist Maria für ihn die hohe Frau seines Herzens. Bald fühlte er sich an Leib und Seele gesundet und nichts hielt ihn mehr im Herrenhaus in Loyola.

Es war Frühling 1522, als Ignatius hineinritt in die neuen Abenteuer für Gott. Er war auf dem Weg nach Montserrat, dem berühmten Heiligtum Unserer Lieben Frau. Hier wollte er sein neues Dasein als Ritter und Pilger Gottes unter dem Schutze Mariens beginnen. Während drei Tagen erforschte er mit Hilfe der Bußbüchlein, die für die Pilger bereitlagen, sein Gewissen und unterbreitete dann einem frommen Benediktiner fein säuberlich geschrieben alle Sünden seines Lebens. Aus der Hand dieses Mönches bekam er eine Ausgabe der berühmten "Übungen" des Abtes Cisneros, der in den vergangenen Jahrzehnten den Geist von Montserrat zu höchster Blüte gebracht hatte. Inigo schenkte sein Maultier dem Kloster, die kostbaren Kleider in der Abenddämmerung einem armen Bettler. Schwert und Dolch aber gehörten als Votivgaben Unserer Lieben Frau. Zum Feste der Verkündigung Mariens hielt er vor dem Bilde Mariens eine Nachtwache im neuen Sackgewand.

Eigentlich hätte jetzt die Wallfahrt nach Jerusalem von Barcelona aus beginnen sollen. Aber es drängte den Pilger, die Erleuchtungen der Nachtwache und manchen Satz aus dem Büchlein des Cisneros aufzuschreiben. Für ein paar Tage der Stille wies man ihn hin auf das nahegelegene fromme Städtchen Manresa. Aber aus den paar Tagen der Rast wurden 10 Monate des Trostes, der Seelenqual und der mystischen Wandlung. Hier betete er täglich sieben Stunden, erschloß sich ihm die Schönheit des kirchlichen Chorgebetes in den Klöstern, entdeckte er das zeitlebens über alles geliebte Buch der "Nachfolge Christi". Die Kranken im Spital und die Kinder auf der Straße waren seine Freunde, und bald nannte man ihn im Städtchen nur noch den "heiligen Mann". Inigo hatte seine Wüste, seine "Urkirche", wie er später sagte, gefunden. "In dieser Zeit behandelte ihn Gott auf die gleiche Weise, wie ein Schullehrer beim Unterricht ein Kind behandelt."

Die Entstehung der Exerzitien

Inigo mußte in Manresa durch die Qualen innerer Leere und Nacht; bei teuflischen Erscheinungen, Anfechtungen auch zum Selbstmord, Seelenängsten und Skrupeln lernte er den teuflischen Trug unterscheiden, schließlich aber ergoß sich Gottes Licht gleich einem Strom in seine Seele.

Er trug eine große Andacht zur Heiligsten Dreifaltigkeit. Einmal wurde sein Verstand plötzlich über sich erhoben, wie wenn er die hl. Dreifaltigkeit unter der Gestalt von drei Orgeltasten erschauen durfte, und dies war von so viel Tränen und Seufzern begleitet, daß er ihrer nicht mehr Herr werden konnte. Für sein ganzes Leben blieb ihm seitdem dieser Eindruck, eine ganz besondere Andacht in sich zu spüren, sooft er ein Gebet zur hl. Dreifaltigkeit verrichtete. In weiteren Verstandesschauungen durfte er ganz tiefe Einblicke gewinnen ins Geheimnis der Weltschöpfung und des hl. Altarsakramentes. Oftmals und durch lange Zeit schaute er während des Betens mit den Augen seiner Seele die Menschheit Christi, öfters auch Unsere Liebe Frau. Es waren dies Verstandesvisionen, denn er schaute keine konkreten Umrisse. Das, was er damals in Erscheinungen sah, bestärkte ihn sehr und gab ihm für immer eine solche Sicherheit im Glauben, daß, so sagte er, er oftmals bei sich dachte: Auch wenn es keine Hl. Schrift gäbe, die uns diese Glaubenswahrheit lehrt, wäre er entschlossen, für sie zu sterben, einzig auf Grund der Tatsache, daß er sie geschaut hatte. So war der Geist des Pilgers in kurzer Zeit erstarkt, daß er bis in die bildlose Einsamkeit Gottes aufstieg.

Es war dann im September, auf einem der stillen Gänge am Ufer des Cardoner, bei einem Kreuz hoch über der Einsiedelei von St. Paul. Als er ein Stück des Weges gegangen war, setzte er sich nieder mit dem Blick auf den Fluß. Da begannen die Augen des Geistes sich zu öffnen. Nicht als ob er irgendein Gesicht geschaut hätte, sondern es wurde ihm die Erkenntnis und das Verständnis vieler Dinge über das geistliche Leben, über Glaube und Theologie geschenkt. Das war von einer so großen Erleuchtung begleitet, daß ihm alles neu schien. Es ist unmöglich, im einzelnen anzugeben, was er damals begriff. Nur das eine läßt sich sagen, daß er eine große Klarheit in seinem Verstand empfing. Wenn er im ganzen Verlauf seines Lebens nach mehr als 62 Jahren alles zusammennimmt, was er von Gott an Gnadenhilfe empfangen und was er jemals gewußt hat und dies alles zusammenfaßt, so hält er dies doch nicht für so viel, wie er bei jenem einmaligen Ereignis empfangen hat. Dieses Ereignis war so eindrucksvoll, daß sein Geist wie erleuchtet blieb. Und es war ihm, als sei er ein anderer Mensch geworden. Er warf sich vor einem Kreuz, das dort in der Nähe stand, auf die Knie nieder, um Gott Dank zu sagen.

Diese Stunde hat aus Inigo den kommenden Ignatius geformt. Was er in Loyola nur dunkel geahnt hat vom Königreich Christi und dem Kampf der Geister, wird jetzt klar wie ein klarer Kristall. Er ist überwältigt von der Entdeckung: Dieser Christus ist auch heute noch da, sein Reich ist heute noch am Kämpfen in der Kirche, der Kampf der Geister geht durch alle Zeiten und Herzen und entscheidet sich immer im Angesicht der Armut des Gekreuzigten. Also muß man den Seelen helfen, denn dieser König sucht Mitstreiter, die nicht feige sind, sondern liebend und behend.

Dieser „Ruf des Königs" war das rechte Wort für die schweigsame Tapferkeit des Ritters von Loyola. Stundenlang mußte er in seiner Höhe all dieses Neue bedenken. In seiner Zelle bei den Dominikanern schreibt er es auf in einem neuen Heft, kurz, ungelenk und dennoch mit der fast unheimlichen Treffsicherheit eines Menschen, der das Göttliche erfahren hat. Das Buch der Geistlichen Übungen, der Exerzitien, ist im Werden. Manches Wort aus Ludolf, aus der Nachfolge Christi und aus dem Büchlein der Übungen des Abtes Cisneros klingt hinein in die Gestaltung des Buches von Manresa. Aber das Ganze, der Wurf und das Wesen, ist von Ignatius allein, das unaustauschbare Werk der mystischen Gnade in der Höhe am Lexdonerfluß. Nach seiner Rückkehr aus Jerusalem wird er sich schon bald damit beschäftigen, neben seinem Studium anderen Menschen die Geistlichen Übungen und Katechismusunterricht zu geben.

Aus all dem Gesagten geht klar hervor, wie sehr die Exerzitien im Leben dieses Mannes verwurzelt sind, wie sehr Gott sich seiner Erfahrungen etwa in der Unterscheidung der Geister, seiner Erleuchtungen, seiner Menschenart bediente, um ein Werk zu schaffen, das in seiner Dichte und Prägnanz doch so weit ist, daß jeder Mensch seinen Weg darin lesen und finden kann.

Die Eigenart der Exerzitien

Daß das Büchlein in einer ganz besonderen Weise das Werk Gottes und die Frucht höherer Eingebung ist, war die feste Überzeugung des Heiligen selbst und seiner ersten Genossen. Pius XI. wird sagen: "In der Einsamkeit von Manresa lernte der hl. Ignatius von der Mutter Gottes selbst, wie er die Schlachten des Herrn zu kämpfen habe. Wie aus ihrer Hand empfing er diesen so vollkommenen Schlüssel, dessen sich jeder gute Soldat Christi bedienen muß." Wir haben es also nicht mit dem langsam gereiften Lebenswerk eines aszetischen Altmeisters zu tun. Es ist vielmehr der erste Wurf eines dreißigjährigen Soldaten, der kurz zuvor als echtes Weltkind von Aszese keine Ahnung hatte. Erst die schwere Verwundung, die ihn an den Rand desTodes brachte, das Krankenlager, die geistliche Lesung brachten die Wende. Und nun tat er, was er in den Exerzitien allen nahelegt: Er gab sich mit ganzem Herzen rückhaltlos dem Zuge Gottes hin und erfuhr in überreichem Maß, daß Gott sich an Großmut nicht übertreffen läßt. Eine aszetische Schulung unter fremder Leitung hat er nicht durchgemacht. Der Herr allein war sein Führer (Dt 32,12).

So sehr aber die Exerzitien das Werk Gottes sind, so sehr sind sie auch sein Werk. Soldatisch ist die klare Zielstrebigkeit der ignatianischen Aszese. Nie handelt Ignatius ins Blaue hinein: Immer geht er ohne Umschweife auf ein Ziel zu. So hat jede Besinnung oder Betrachtung ein fest umrissenes Ziel. Soldatisch ist auch die Kürze. Nichts ist dem ritterlichen Verfasser fremder als breitschlagende Umständlichkeit. Doch diese bündige Knappheit hat ungeahnten Tiefgang. Soldatisch ist auch oft die Ausdrucksweise. Ignatius sagt nicht: "sich verleugnen", er sagt: "sich besiegen", "gegen die Natur angehen wie mit Stich und Hieb". Betrachtungen erscheinen in militärische Formen und Farben gekleidet: "Der Ruf des Königs", "die zwei Banner". Der scharfe Gegensatz und die Entscheidung zwischen Gott und Satan, Christus und Welt wird geschildert als ein Kampf unter der Fahne Christi und Luzifers. Man muß das Ganze lesen auf dem Hintergrund des spanischen Heldenzeitalters der Reconquista, nicht aber der Erfahrungen des modernen Militarismus.

Auch insofern ist das Werk ignatianisch, als es keine bloße Schulweisheit vermittelt, sondern einen lebendigen Niederschlag von Selbsterlebtem darstellt. Er selbst bezeugt: "Der Pilger machte an sich diese, bald jene Wahrnehmung und Erfahrung und fand sie nutzbringend für seine Seele. Da dachte er, es könnte auch andern frommen und schrieb es nieder." So entstand das Büchlein. Aus den seltsamen Schwankungen zwischen Gott und Welt auf dem Krankenlager in Loyola entstanden nach eigenem Geständnis jene wunderbar klugen Regeln einer guten Wahl, die uns das Exerzitienbüchlein vermittelt. In Manresa wurde sein Gewissen durch Skrupel gefoltert, er habe bei der Beichte Wichtiges nicht gesagt. Er wäre vielleicht verrückt geworden, wäre ihm die Erkenntnis nicht gekommen, was eine ernstlich strebende Seele drückt, beißt und niederschlägt, könne unmöglich vom guten, sondern nur vom bösen Geiste herrühren. Was er da gelernt, das faßt er in den Regeln über die Skrupel und die Unterscheidung der Geister zusammen. Er sucht und untersucht, welche Stellung das Beten am besten fördert. Er betet kniend, auf den Boden ausgestreckt, stehend, wandelnd und findet schließlich, daß es auf die Stellung wesentlich nicht ankommt, daß eine Stellung dann gut ist, wenn sie uns zum Ziel der Betrachtung hin verhilft. Deutlich liest man aus der Anleitung über die Bußwerke heraus, daß er selber in seinem ersten Eifer hierin übers Ziel schoß. Daher warnt er auf Grund der eigenen schlimmen Erfahrungen vor allem Übermaß, empfiehlt mit Bußart und Lebensweise zu wechseln, bis man in allem die gesunde Mitte gefunden hat. Wer aber diese gefunden, soll darin bleiben.

Ein großer Vorzug der Exerzitien liegt darin, daß der Heilige seinen Grundsatz: Non multa sed multum (Nicht vielerlei, sondern vieles) auf seine Aszese anwendet. Hier ist alles kurz, gediegen, durchsichtig. Welch ein Unterschied im Vergleich zu andern Werken der Vorzeit, die schon durch ihren Umfang, ihre Breite, ihre mystische Dunkelheit schrecken. Ignatius war, wie einer seiner vertrautesten Genossen sagte, "ein Mann von wenigen Wahrheiten". Thomas von Aquin sagte einmal, bedeutende Männer hätten wenige, aber große Gedanken. So gemessen kommt wohl kein Aszet dem hl. Ignatius gleich, der es verstanden hat, auf so wenige und einfache Grundsätze alles zurückzuführen, was echte und ausgezeichnete Heiligkeit ausmacht. Fern jeder Schwärmerei und allem weltscheuen Wesen bringt dabei das Werk lediglich die Gesamtheit christlicher Glaubens- und Sittenlehre zu Anwendung und Entfaltung. Es löst den Menschen heraus aus den Fesseln erniedrigender und hemmender Selbstsucht und trägt ihn hinein in die Freiheit edler Gottförmigkeit. Von den drei großen Offenbarungswahrheiten: Erschaffung - Sündenfall - Menschwerdung/Erlösung - geht alles aus, auf sie geht alles zurück. Es sind alte Wahrheiten; sie erscheinen aber hier in ihrer planvollen Verknüpfung überraschend neu und wirken auf viele wie eine erste Offenbarung: Etwa wie bei einem herrlichen Glasgemälde im Halbdunkel des Domes, wenn die hereinbrechende Sonne die schlafende Farbenglut aufflammen läßt.

Mit das Köstlichste, was Ignatius uns in den Exerzitien gibt, ist seine Anleitung zur Betrachtung des Lebens Jesu. Eine einfachere und gewinnbringendere gibt es nicht. Hier hat Ignatius viel von dem Kartäuser Ludolf gelernt. Das Leben Jesu soll nicht als etwas Vergangenes betrachtet werden. Der Glaube schlägt eine reale Brücke, so daß wir wie wirkliche Zeitgenossen Jesu überall mit dabei sind, und dies wohlgemerkt nicht fiktiv, sondern wirklich. Dies ist möglich, da Jesu Leben, in die göttliche Dimension erhoben, über Raum und Zeit ist. Die Betrachtung verbindet uns in unserer geschichtlichen Konkretheit mit dem konkreten Leben Jesu. Sie soll keine bloße Exegese, kein bloß schöngeistiges Genießen, kein forschendes Grübeln sein, sondern ein Leben und Lernen im Angesicht des Meisters, berührt von seiner Nähe. Da heißt es etwa bei der Weihnachtsbetrachtung: Der Betrachtende möge "riechen und schmecken mit dem Geruch und dem Geschmack den unendlichen Duft und die unendliche Süßigkeit der Gottheit, der Seele und ihre Tugenden und des Ganzen, entsprechend der Person, die man betrachtet hat, sich zurückbesinnen auf sich selbst und daraus Nutzen ziehend." Oder: "Ich mache mich, als ob ich dabei gegenwärtig wäre, zu einem armseligen wertlosen Dienerlein, das sie (Maria, Josef, Jesus) anstaunt und betrachtet und in ihren Nöten bedient, mit der größtmöglichen Ergebenheit und Ehrfurcht." Und wenn man durch dieses lebendige Miterleben der Szene warm und von inniger Liebe zu unseren Herrn erfüllt worden ist, dann mag man im Geiste niederfallen und den Ort, wo er gestanden, seine Fußspuren in herzlicher Inbrunst küssen. Jede Betrachtung wird vollendet in einem innigen Zwiegespräch zwischen der Seele und den heiligen Personen des Geschehens: die hl. Dreifaltigkeit, Jesus, Maria, die Heiligen und Engel.

Zeugnisse großer Persönlichkeiten

Seit Papst Paul III. 1548 mit der Kraft seiner apostolischen Autorität die Exerzitien des hl. Ignatius approbiert hat, wurden diese durchgehend bis heute von allen Päpsten aufs höchste gelobt und empfohlen. Etwas Einmaliges für ein aszetisches Werk. Der große Papst Leo XIII. war ein begeisterter Freund der ignatianischen Exerzitien. Er verordnete deren Abhaltung in den päpstlichen Anstalten Roms und selbst im Vatikan. Den Vertretern seiner Vaterstadt sagte er nach der Stiftung eines Exerzitienwerkes daselbst: "Ich habe während meines Pontifikates schon vieles für meine Vaterstadt getan. Nichts aber gibt mir größere Befriedigung als der Gedanke, dem Klerus von Carpineto die Wohltat der Exerzitien verschafft zu haben. Lange Zeit war ich einst über Wege und Richtung meines geistlichen Lebens im Schwanken. Ich las viele aszetische Werke, blieb aber unbefriedigt, bis ich das Exerzitienbüchlein des hl. Ignatius in die Hand bekam. Da rief ich aus: Das ist mein Buch. Schon allein das Fundament in ihm genügt, um eine Welt zu bekehren."

Der hl. Pius X. sagt von der Methode des hl. Ignatius, sie sei besonders geeignet, Geist und Herz zu bewahren vor den versteckten Fallstricken des Modernismus und der Unabhängigkeit. Pius XI. sagt, alles sei in dieser Methode so weise angeordnet, daß sie, sofern der Gnade kein Widerstand geleistet werde, den Menschen bis ins Innerste hinein zu erneuern und der göttlichen Herrschaft dienstbar zu machen vermöge. Für die Bewahrung und Erneuerung des katholischen Glaubens haben die Exerzitien seit 450 Jahren eine kaum überschätzbare Rolle gespielt. Bedeutende Männer verdanken ihnen Größtes.

Viel trug zu der guten und allgemeinen Aufnahme bei, daß es nicht nur die Jesuiten allein waren, die die Exerzitien verbreiteten, sondern daß eine ganze Reihe erprobter Geistesmänner, Bischöfe, Priester und Mitglieder verschiedener Orden sich um die Pflege der Exerzitien verdient machten. Bekannt ist der Eifer, mit dem sich der hl. Erzbischof und Kardinal von Mailand, Karl Borromäus, die Förderung dieser Übungen als eines Hauptmittels der Kirchen- und Sittenreform angediehen sein ließ. Er persönlich verdankt ihnen seine entschiedene Umkehr zum Ideal priesterlicher Heiligkeit. Er sagte, das Exerzitienbuch enthalte so viel Weisheit wie alle anderen geistlichen Bücher zusammen. In Frankreich waren es im 17. Jahrhundert ebenfalls zwei große Heilige, der hl. Franz von Sales und der hl. Vinzenz von Paul, die den Exerzitien den Weg in die weitesten Kreise bahnten. Franz von Sales selbst hatte in dieser Schule der Frömmigkeit jene Weltverachtung und jenen Eifer für das Reich Gottes geschöpft, die ihn zu seinem apostolischen Wirken befähigten. Er trug keine Bedenken zu sagen, das Exerzitienbüchlein habe mehr Seelen bekehrt, als es Buchstaben habe. Der hl. Vinzenz wurde, was er war, durch die Exerzitien, die er später jährlich wiederholte. Er legte die Grundlage zu seinem vielseitigen Wirken im Dienste der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit durch seine Tätigkeit als Volksmissionär, d. h. durch jene Form der Exerzitien, die für ganze Pfarrgemeinden den Inhalt der ignatianischen Betrachtungen in einer Reihe von Predigten darbietet. Für diese Arbeit der Volksexerzitien stiftete er die Kongregation der Lazaristen. Doch sollten die Häuser dieser Missionspriester auch Priestern und Laien für geschlossene Exerzitien in der gewöhnlichen Form offenstehen. Mit diesen beiden Heiligen stand der ehrwürdige Jean-Jacques Olier, der Stifter des Priestervereins der Sulpizianer, in engem Austausch. Der Einfluß solcher Männer brachte eine so hohe Wertschätzung der Exerzitien zustande, daß sich ihnen durch Verordnung der Bischöfe Frankreichs alle Priesteramtskandidaten vor Empfang der höheren Weihen unterziehen mußten.

Die ersten Jesuiten, die nach Deutschland kamen, Faber und Bobadilla, erzielten ihre großen Erfolge vorzüglich durch die Exerzitien. Bald setzte der hl. Petrus Canisius ihre Tätigkeit in größerem Maßstab fort. "Das glänzendste Zeugnis für den Wert der Exerzitien ist aber die Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland während der folgenden Jahrhunderte. Der Aufschwung, den das kirchliche und religiöse Leben etwa seit dem Konzil von Trient in Deutschland nahm, ist nicht, wie etwa gefabelt wird, ein Erfolg der Gewalt und des Zwangs, sondern in allererster Linie eine Frucht treuer Seelsorge und Erziehung durch einen innerlich erneuerten Welt- und Ordensklerus. Daß an dieser Erneuerung und an diesem Aufschwung die Exerzitien den Löwenanteil hatten, ist heute unbestritten." (M. Reichmann). Die Jesuiten wirkten besonders in der Seelsorge an den Gebildeten. Aber andere Ordensgemeinschaften, Franziskaner, Benediktiner, Lazaristen, Redemptoristen wandten sich ebenso diesem neuen Mittel der Seelsorge zu. Im 17. und 18. Jahrhundert haben in Italien neben vielen anderen besonders der hl. Leonhard von Porto Maurizio (Franziskaner) und der hl. Alfons von Liguori durch Wort und Tat für Nutzbarmachung der Exerzitien und Volksmissionen ihren Einfluß eingesetzt. Vom hl. Alfons übernahm sein größter Schüler, der hl. Klemens Hofbauer, diese geistliche Waffenrüstung und erfocht damit im Zeitalter der rationalistischen Aufklärung seine Siege über die Kälte und Lauheit weiter Kreise in Deutschland, Österreich und Polen. Neben Hofbauer war der Bischof von Regensburg, Michael Sailer, ein großer Förderer der Exerzitien. Der gewaltige Einfluß der Exerzitien blieb unvermindert im 19. und 20. Jahrhundert. Die angeführten Beispiele mögen für viele andere sprechen. Man bedenke etwa, daß der große Missionar Franz Xaver von Ignatius durch die Exerzitien bekehrt wurde. "Seine wunderbare Umwandlung zum tapferen Herold des Evangeliums muß gerechterweise der Kraft der Exerzitien zugeordnet werden." (Pius XI.) Dieser kurze Abriß mag rechtfertigen, was Pius XI. sagte: "Unter allen lobenswerten und guten, auf der Grundlage einer gesunden Aszese aufbauenden Methoden für Geistliche Übungen, deren es gewiß mehrere gibt, nahm die ignatianische Methode stets den ersten Rang ein."


Über den Tod des hl. Ignatius

Gabriel Malagrida und weitere Jesuiten


... so glaubet es nicht!

Meine Predigt zum letzten Sonntag nach Pfingsten über die Warnung Jesu vor der Leichtgläubigkeit. Wir sollen uns nicht auf einen ungewissen Weg in die Wüste locken lassen, sondern beim Herrn bleiben wie die Rebe am Weinstock.

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