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Der Gnadenvorschuß

Zum Sonntag Sexagesima (2 Kor 11,19-33; 12,1-9 und Lk 8,1-15)

Von P. Franz Prosinger FSSP

Seit einem halben Jahr [seit September 2008 in Mexiko] predige ich nun mindestens ein Mal täglich auf Spanisch und da läßt sich manches einfacher sagen, z.B. daß die Gnade gratis ist (la gracia es gratis) – aber daß die Gnade ein Vorschuß ist, das ist der deutschen Sprache vorbehalten. Von diesem Schuß müssen wir uns treffen lassen. Das Beispiel des hl. Paulus ist erschütternd: „Durch die Gnade bin ich, was ich bin, und die Gnade, die Er mir zugewandt hat, ging nicht ins Leere. Nein: mehr als alle habe ich mich gemüht – nicht ich freilich: sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir“ (1Kor 15,10). Wie der Schuß nicht ins Leere geht, zeigt der heutige Sonntag im Gleichnis des Sämanns und des Ackerbodens, der gereinigt und aufgepflügt werden muß, damit die inwendige Kraft des Samens ihre Wirkung entfalten kann.

Was dieser Schuß in einem „wunderbar geeigneten Herzen“ (Lk 8,15) bewirkt, zeigt das abenteuerliche Leben des hl. Paulus: aufgerissen durch Geißeln und Ruten, Tag und Nacht in den Wogen des Meeres geschleudert... Der Vorschuß der Gnade war enorm: Da wurde der ganze menschliche, blinde Eifer mit einem Mal zu Boden geschleudert und mit dem Licht der Gnade geblendet: „Ich selber werde ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen zu leiden hat“ (Apg 9,16). Der Vorschuß ist gratis, aber wer sich treffen läßt, muß es teuer „bezahlen“. Gott kennt keine Willkür, Gleiches muß mit Gleichem bezahlt werden, wer gratis empfängt, muß gratis geben (Mt 10,8). Die Gnade ist ein „pré-stamo“ – hier trifft die spanische Sprache -, eine Vor- und Leihgabe, die Rückgabe einfordert, damit der Schuß ins Volle geht. Das Ziel des Vorschusses ist eine vorläufige Vernichtung des Geschöpfes, damit die Kraft (Gottes) in der Schwachheit (des Geschöpfes) zum Ziel gelangt (2 Kor 12,9) – dann aber eine Erhebung: „Denn bin ich schwach: Gerade dann bin ich voll Kraft“ (Vers 10). Ein „Himmelfahrtskommando“ der besonderen Art: die Abenteuer des hl. Paulus zeigen, daß der Glaube, die Antwort des Menschen auf den Ruf der Gnade (KKK 26), gerade nicht das Ausruhen des Menschen im sicheren Hafen nach getaner Arbeit ist, sondern die Aussendung ins hohe Meer, in unbekannte Weiten. Wer von diesem Schuß getroffen ist, der zieht sich nicht zurück, sondern bricht mit Maria „eilends“ auf ins Gebirge (Lk 1,39), wobei man das meta spoudês auch übersetzen kann „mit Eifer“, um den Eindruck von oberflächlichem Enthusiasmus zu vermeiden. Also kein Aktivismus, sondern ein Volltreffer – Orientierung im Kreuz - ins Herzzentrum zum Aufbruch in eine ganz neue Existenz... So viel hat der Herr schon vorgeschossen, so viel versandet in unserer seichten Betroffenheitskultur. Für diese Fastenzeit sollten wir uns einmal richtig treffen lassen!


Wenn katholische Theologen gegen den Autoritätsglauben kämpfen

Dem Philosophen steht es bekanntlich frei, Positionen zu vertreten, die dem Lehramt widersprechen. Für Katholiken – insbesondere solche, die sich beruflich der sacra doctrina verschrieben haben – gibt es diese Freiheit jedoch nicht. In diesem Sinne ist auch meine Kritik an Striet zu verstehen, wenn er Zustimmung für Kants Ablehnung der These vom Sühnetod Christi äußert. Langthaler bestreitet auch gar nicht, dass Striet in diesem Punkt mit Kant übereinstimmt, unterstellt mir aber „Autoritätsglauben“, gegen den sich Kants „aufgeklärte Denkungsart“ richte. Was Langthaler nicht zu verstehen scheint, ist, dass ich hier als Katholik zu einem anderen Katholiken, und zwar einem Professor für katholische Theologie, gesprochen habe. Natürlich kann Striet, als Philosoph oder Kantianer, den Sühnetod Christi leugnen. Aus katholischer Sicht ist dies aber schlicht eine Häresie, die offenkundig der Heiligen Schrift widerspricht (ich habe in meinem Artikel auf 1 Kor 15,3 verwiesen). In seiner Eigenschaft als katholischer Theologe ist Striet daher aufgerufen, zu erklären, wie er die katholische Lehre mit seinen philosophischen Positionen in Einklang zu bringen gedenkt.

Aus: Sebastian Ostritsch, Selektive Kantwahrnehmung, in der Tagespost vom 11. Juli 2024.

Zum Thema: Der missbrauchte Kant


Die Wirksamkeit des Wortes Gottes

Meine Predigt zum Sonntag Sexagesima: Das Gleichnis gegen Drückeberger


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