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Hebe den Stein auf ...

Mut zur Begegnung mit Gott

Von Eduard Kamenicky

Es gibt Augenblicke, die unser Leben verändern. Der Moment, in dem einem jungen Menschen aufgeht, welches seine Lebensaufgabe ist, mag solch ein Augenblick sein. Oder der Punkt, an dem einem anderen eine große, vieles umwälzende Entdeckung gelingt. Oder die Sekunde des erkennenden Ineinandertauchens zweier Menschen im Blick der Liebe, der jedem der beiden klar macht, daß sie füreinander bestimmt sind. Ein Augenblick dieser Art ist auch jener - und ganz besonders ist er ein solcher Augenblick -, da, bestürzend und beglückend zugleich - Gott in den Horizont des Menschen tritt. Man kann längst von Gott wissen und dennoch ohne ihn leben. Man kann viel über Gott nachgedacht haben, sich aber seiner Anwesenheit verschließen. Man kann ein halbes Leben lang glauben, daß es ihn gibt, und dennoch ihm ferne sein. Dann ereignet sich eines Tages dieses unerwartete und im letzten unbeschreibliche Sehendwerden im Aufgang des Lichts - und die Welt ist eine andere geworden.

Viele Wege, die wir auf Erden zurücklegen, bleiben lange einander ähnlich, und es wechselt wenig in der Szene, die sich dem Auge erschließt. Mit einem Mal kann aber der Weg, den wir gehen, eine Wendung vollziehen, und wir betreten gleichsam eine neue Welt. Die altgewohnten Perspektiven sind dahin, die vertrauten Ausblicke geschwunden. Eine neue Luft umweht uns, frisch und ungebraucht wie der Atem der Wälder in Kindertagen. Ein Anfang, für den wir noch kein Wort haben, ist über uns gekommen, hat uns in sich hineingezogen und breitet nun seine Schwingen. Das könnte in der erhabenen Stille eines kristallenen Neujahrsmorgens so sein, aber auch an einem Nachmittag irgendwann, dem niemand etwas besonderes anmerkt. Der Apostel Johannes schrieb einmal, zurückblickend in sein eigenes Leben: “Es war um die zehnte Stunde ...”

Der Augenblick, in dem wir Gott wahrnehmen, hat solche verwandelnde Kraft. Was uns bis dahin groß und wichtig erschien, kann plötzlich in unseren Augen zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen; worauf wir nie geachtet hatten, steht indes mit tiefem Leuchten vor uns, so daß es uns schwer wird, den Blick wieder wegzuwenden. Gott zu erkennen ist ja etwas ganz anderes als Dinge zu erspähen oder Einsichten zu gewinnen. Es ist anderes, als bloß aufzufinden, was verborgen war, oder einen triftigen Schluß zu ziehen. Es gibt allem, was ist, und uns selbst eine neue Gestalt. Es macht jedes Wesen durchscheinend für das Geheimnis, das hinter ihm liegt, sich in ihm öffnet, jeden Ausblick ins Unendliche vertieft. Eine Blume ist dann nicht mehr bloß Blume in ihrer eng begrenzten Beschreibbarkeit; ein Turm nicht nur Turm; ein Stern mehr als verdichtete Materie auf ihrem Weg durch das All. Und erst der Mensch! Von einem Moment zum anderen wird klar, warum es bei uns in unauslotbare Tiefe geht, warum sich die Abgründe der Seele auch dem geduldigsten Blick des Geistes flimmernd entziehen, was die überall angelehnte Tür zur kaum verschlossenen Ewigkeit für den leisesten Druck der Hand so nachgiebig macht. Und während der Mensch vielleicht eben erst, scheinbar eingezwängt in eine enge Welt, seufzend ob der Unvermeidlichkeit seines Verzichtes gefragt haben mag: Wo bist Du denn, Gott?, weiß er sich jetzt ganz umkleidet, durchtränkt und erfüllt von ihm: getragen von Gottes Kraft, gerufen von Gottes Leben, eingetaucht in die alles überspülende Flut seiner Wirklichkeit.

“Hebe den Stein auf, und du wirst mich finden. Spalte das Holz - und ich bin da” [1]. Dies sind wohl keine Worte der Weisung, die uns Gott in seiner Offenbarung als Wink an die Hand gibt; sie werden außerhalb der Bibel überliefert. Aber es sind ohne Zweifel Worte, in denen etwas von jenem Erlebnis nachzittert, das wir meinen und welches in ferner Zeit der uns Unbekannte, der sie formulierte, gehabt haben muß. Und es gibt noch viele andere Sprüche hoher Ergriffenheit, die uns in ähnlicher Weise anrühren und uns fühlen lassen, daß sich da vor dem Geistesauge dieses oder jenes Menschen eines Tages ein Vorhang hob und den Blick auf die zuletzt unaussprechliche Wahrheit freigab, die wir im Stammeln irdischer Laute Gott nennen.

Dieser Augenblick läßt sich in seiner Eigenart nicht ahnen, ehe er kommt, und er läßt sich nicht mit der Mühe des Geistes erzwingen. Er ist selbst eine Gnade, die Gott schenkt, für die sich der Mensch aber bereithalten kann. Je weniger der Verstand auf sich und seine Leistung vertraut, desto offener wird der Mensch für diese Gnade. Je lauterer und einfältiger das Herz die Geheimnisse des Glaubens umfängt, desto näher rückt die Möglichkeit der verwandelnden Begegnung mit Gott. Sie ist ganz Geschenk und ganz Leben, Aufbruch und Zukunft und zugleich umfassender Abstieg in das immer Gewesene, aus dem unsere verstreuten Versuche, dazusein und unterwegs zu bleiben, wie Trümmer emporragen. Jede Seele wird diese Gabe, wenn sie ihr zuteil wird, anders erfahren, anders empfangen, anders leben. Ruft Gott ja jeden einzelnen Menschen bei seinem Namen, läßt er sich doch von jedem auch anders schauen, rufen und lieben. In all dem gibt sich die unendliche Fülle von Gottes Sein und Herrlichkeit kund, die sich in die schier unendliche Fülle dessen ergießt, was Gott immerfort schafft.

Es ist merkwürdig, aber nicht von ungefähr, daß in der gegenwärtigen Zeit zwar die Gottesfrage immer wieder neu aufgerollt und behandelt wird, die Gottschau der Seelen aber immer mehr verkümmert. Die Regale füllen sich mit Büchern, die der »Sache mit Gott« gewidmet sind, doch im gleichen Maße wachsen Dunkel und Abstand. Immer riesenhaftere Mauern von Gelehrsamkeit verbarrikadieren den Auslug in die Weite und Tiefe des Seins und ersticken geradezu den Raum, in dem Gott wohnt. Der Zugriff einer wissensstolzen und nicht selten dünkelhaften »Theologie« verstört pausenlos den hauchzarten Spiegel der Wirklichkeit, in dem Gottes Antlitz sichtbar würde, tappte man nicht mit derbem Eifer dauernd in ihn. So verbirgt sich der heilige Grund, aus dem wir leben, und es fallen stets schwärzer über die Welt die Schatten der Verwirrung.

Indes, sie haben keine Gewalt über die Seele, die aufbricht, um Gott zu suchen. Für sie ist der Glaube fester Halt ihrer Zuversicht, und ihr Verlangen, das einer ersehnten Liebe vorausgeht, dient ihr als Kompaß. Der dunkle Torweg aber, auf dem die Seele zur lichten Freiheit in Gott strebt, sind nicht Diskussion, Kontroverse und Wissenschaft, sondern Geduld und Gebet. Vielleicht genügte es, einmal niederzuknien in einer Kammer, die gar nicht still ist, sondern in die unvermeidlich der ganze Lärm des modernen Lebens dringt, und Gott anzubeten. Er ist uns nirgendwo ferne. Er ist uns immer unsäglich nah. Und er lohnt jede Geste des Glaubens mit unerhofftem Trost. Er läßt sich erkennen, verstehen und lieben. “Wer zu mir kommt, den weise ich nicht zurück.”

Dies wird wohl die Aufgabe sein, die jeder anderen bevorgeht: selber anwesend zu wenden für den anwesenden Gott, und ihn so allen jenen wieder zuzuwenden und nahezubringen, die ihn ganz ferne wähnen. Wie man sich an Gott, wenn man ihn zum “Problem” macht, zu Tode philosophieren kann, um schließlich an seiner Existenz zu verzweifeln, läßt sich Gott, wenn man an ihn glaubt, ihn anbetet und ihn zu lieben versucht, für viele als Quelle eines Lebens erschließen, das schon erstorben war. Freilich, nicht die Totenklage, die wir einem erloschenen Glauben und einem Christentum von einst widmen, hat solch rettende Kraft, sondern nur das Lied, mit dem unsere Seele wie mit einem Sang aus dem Feuerofen Gottes Herrlichkeit preist.

Hat sich Gott unserem inneren, geistigen Blick einmal aufgehellt, dann muß es unsere Sorge sein, das Licht, das er auf uns wirft, zu bewahren. Tragen wir es im Herzen und in unseren hell gewordenen Augen mit uns fort und lassen wir es auf alles fallen das uns im ferneren Leben begegnet. Tauchen wir alle Dinge in dieses Licht. Lassen wir jeden Menschen, der unseren Weg kreuzt, in den Strahl dieser Sonne treten. Vergessen wir nie mehr, fortan zu allem Gott hinzuzusehen, alles um seine unendliche Größe zu vertiefen, in ihn zurückzustellen, in ihm zu bergen und zu verankern. Tun wir das mit dem Menschen, der uns freundlich gegenübertritt, ebenso wie mit jenem, der sich gleichgültig zeigt. Verfahren wir nicht anders mit unserem Feind und mit den Menschen, die, ohne es vielleicht zu wissen und zu wollen, uns sehr zu quälen verstehen. Wenn wir so bestrebt sind, allem diese Verlängerung ins Unendliche hinein zu schenken, werden wir die Dinge miteinander zu versöhnen beginnen, die Gegensätze mildern, die Widersprüche lösen. Denn in Gott paßt zuletzt, von seiner Weisheit berichtigt, ergänzt und heil gemacht, alles zueinander - wie es in ihm vom Grunde her eins ist.

Solange uns aber die innere Schau Gottes, von der hier die Rede ist, fehlt, machen wir uns auf, diesem Ereignis froh entgegenzuleben. Je mehr Gott zu dem großen Interesse und Inhalt unseres Lebens wird, desto aufmerksamer werden wir uns allen Menschen zuwenden, allen Aufgaben widmen, alle Dinge entgegennehmen; denn wir erwarten ja Gott in ihnen. Wir wissen um seine Verborgenheit, wir glauben an seine gnädige Bereitschaft, sich zu offenbaren und das Antlitz seiner Huld über uns leuchten zu lassen. So wird eine starke, heilige Vorfreude in unser Herz Einzug halten und unsere Tage mit Glück füllen, von dem wir nie wissen können, wann es sich durch Gottes Liebe vollendet.

Vielleicht wäre das Geschenk des neuen Jahres, eines neuen zu den vielen von Gott schon empfangenen und so oft nicht für Gott genutzten hinzu, der Anlaß, endlich die Route auf Gott hin zu wählen und tapfer voranzueilen auf ihr. Das forderte von uns, nicht mehr im Kreis zu laufen wie bisher, nicht ferner den Zickzack-Wegen unserer Laune zu folgen, noch gar den Stab der Pilgerschaft müde beiseite zu setzen. Es gälte vielmehr, einzuschwenken auf den steilen, direkten Pfad, der emporführt, und mit neuer, lange nicht mehr verspürter Lust das heilige Abenteuer solchen Aufstieges in Angriff zu nehmen. Wieviel Zeit unseres Lebens haben wir schon mit Dingen vertan, die nicht Gott sind; mit Plänen und Eigensinnigkeiten, die nicht im Dienste seines Werkes standen, noch uns in Wahrheit voranbringen konnten. Und mag auch der frühe Morgen des neuen Jahres mit seiner wagemutigen Zuversicht und jugendlichen Spannkraft die elfte Stunde unseres Lebenstages sein - wir wissen es nicht -, sollten wir uns durch keine Bedenken davon abhalten lassen, endlich das Wesentliche zu tun. »Seht, jetzt ist die Zeit der Gnade. Jetzt ist der Tag des Heiles.«

Wenn uns die stete Gegenwart dieses »Jetzt« dämmert, sind wir dem Herzschlag der Ewigkeit schon nahe. Wenn uns keine Angst und keine Trauer mehr anficht ob des Dahingehens von allem, was Welt in ihrer Unzulänglichkeit ist, haben wir angefangen, unser Herz in einer höheren Sphäre heimisch zu machen. Wenn wir fühlen, wie Kampf und Not dieser Zeit unaufhaltsam verebben und verblassen hinter uns, dürfen wir frohen Glaubens hoffen, schon unterwegs zu sein - der Zukunft entgegen, die Gott heißt.

Anmerkung:

[1] Es handelt sich um ein Wort aus dem apokryphen Thomasevangelium (PER)

Der Text erschien zuerst im FELS, Januar 1978


Kamenicky: Gold außer Kurs. Was es mit der "Geschichtlichkeit der Wahrheit" auf sich hat

Recktenwald: Der Gott des Lobpreises


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