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Themen68er |
Das vergessene Massaker Vor 150 Jahren wurden im Libanon die maronitischen Christen Opfer blutiger Massaker durch die Drusen. Die Verfolgung dauerte von Mai bis Oktober 1860 und fand in dem Blutbad, das vom 9. bis 16. Juli in Damaskus stattfand, ihren Höhepunkt. Ihm fielen Tausende von Christen zum Opfer. Der Konflikt zwischen den Maroniten und den Drusen, einer islamischen Sekte, hat im Libanon eine lange Tradition, seitdem im elften Jahrhundert die ursprünglich arabischen Drusen in den Libanon eindrangen. Ein erstes Vorspiel der Verfolgung von 1860 gab es bereits 1841, so dass der Libanon in eine maronitische Region im Norden und eine drusische im Süden eingeteilt wurde. Er gehörte damals zum Osmanischen Reich. Doch diese Maßnahme war angesichts des drusischen Fanatismus vergeblich. Als die Ausschreitungen 1860 wieder aufflammten, wurde der muslimische Statthalter von Beirut “mit sechshundert Soldaten abgeordnet, um dem grausamen Morden an den Maroniten Einhalt zu tun und die Schuldigen zu bestrafen. Aber der verschlagene Mann tat das Gegenteil. Er begünstigte die fanatischen Horden und wiegelte sie noch mehr auf. Überdies lieferte er ihnen Waffen und Munition” (Arnulf Götz, Heilige, Märtyrer und Helden. Aus der Missionsgeschichte des Ordens des heiligen Franziskus, Aschaffenburg 1957, S. 339 im Kapitel über den Märtyrer Engelbert Kolland). Insgesamt wurden im Libanon und im benachbarten Syrien ca. 100.000 Christen vertrieben. “Am 1. Juni 1860 stürmten die Drusen das katholische Kloster Deir El Mochalles, zwei nahegelegene Frauenklöster und zwei Maronitenklöster. Sie steckten die Klöster in Brand, erschlugen die Mönche, schändeten die Klosterfrauen und metzelten an die dreihundert fliehende Christen nieder” (in: Vinzentinische Nachrichten Nr. 99, 30. Jahrgang). Die Verfolgung breitete sich immer weiter aus und erreichte schließlich das syrische Damaskus, von dessen ca. 150.000 Einwohnern über zwei Drittel Muslime waren. Hier waren der Statthalter Achmed Pascha und der Mufti Abdallah gegen die Christen besonders seit 1856 aufgebracht, als die Franzosen, die als Schutzmacht der Maroniten fungierten, im Vertrag von Paris die Sonderbesteuerung der Christen unterbunden hatten. Deshalb waren ihnen die Unruhen ein willkommener Anlass, gegen die Christen vorzugehen und den christlichen Glauben auszurotten. Doch ein erster Versuch am 30. Juni 1860 scheiterte am Einschreiten des Emir Abd-el-Kader (1808 - 1883), “der im Freiheitskampf seines Vaterlandes Algier der französischen Übermacht zwar unterlegen war und nach Damaskus flüchten mußte”, aber “trotzdem nichts wissen [wollte] von Rache an schuldlosen Christen und Europäern. Im Gegenteil, der trat den ruchlosen Mordplänen der türkischen Behörden in den Weg und war entschlossen, mit seinen tapferen Algerern für Recht und Gerechtigkeit im Interesse der Christen zu handeln” (Götz, 340). Doch am 9. und 10. Juli 1860 drang der aufgehetzte Pöbel, unterstützt von türkischen Soldaten, in den Wohnbereich der Christen ein, plünderten 2400 Häuser, vergewaltigten über tausend Frauen und Mädchen und töteten etwa 6000 Christen, darunter 30 Priester und drei Bischöfe. Der zu spät kommende Emir Abd-el-Kader konnte noch einige tausend Christen retten und in der Zitadelle in Sicherheit bringen, darunter die Jesuiten, Lazaristen und Barmherzigen Schwestern. “Wie von einem Erdbeben zerstört, liegt das Christenviertel da”, fasste Lavigerie seinen Eindruck zusammen, als er einige Monate später Damaskus besuchte. Die Drusen gingen mit äußerster Grausamkeit vor. Ausführliche Beschreibungen wurden in der Zeitschrift Die katholischen Missionen, Jahrgang 1889, veröffentlicht. Ein Beispiel: “Eine von ihren Verfolgern hart bedrängte Mutter von fünf Kindern suchte in dem allgemeinen Getümmel zu entkommen. Man ergriff sie und bot ihr und den Kindern das Leben an, wenn sie [vom christlichen Glauben] abfallen wolle. ‘Wir sind und bleiben Christen,’ war die Antwort. Da zwang man das unglückliche Weib, sich zu setzen und benützte die Knie der Mutter als Block für die Enthauptung ihrer Kinder. Vom Blute ihrer eigenen Kinder überströmt, wahnsinnig vor Schmerz, sank sie bewußtlos zur Erde. Die Unmenschen brachten sie mit kaltem Wasser wieder zu sich. Noch einmal ward ihr das Leben angeboten für den Abfall. Sie schüttelte den Kopf und ihr letztes Kind war vor ihren Augen zertreten; dann empfing sie selbst den Erlösungsstreich.” Zu den in Damaskus am 10. Juli 1860 Ermordeten gehören jene elf Märtyrer, die Papst Pius XI. 1926 seligsprach, darunter der selige Engelbert Kolland aus dem Zillertal in Tirol. Eine Überlebende war die heilige Rafqa (Rebecca) Ar-Rayyes (1832-1914), Ordensname Anissa (Agnes), die zur Zeit des Massakers als Ordensschwester in Deir El-Qamar bei den Jesuiten eingesetzt war und nicht nur sich selbst, sondern das Leben vieler Kinder retten konnte. Über ein solches Erlebnis schreibt sie selbst: “In jenem Jahr [1860] kam es auch zu den allseits bekannten Kämpfen und Massakern. Als ich eines Tages durch die Stadt ging, sah ich, wie ein Soldat ein Kind verfolgte, um es zu töten. Als es mich erblickte, lief es auf mich zu. Ich umhüllte es mit meinen Gewändern und rettete es so vor Grausamkeit und Barbarei” (zitiert in: Andreas Resch, Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 - 1985, Innsbruck 2000, S. 214 f). Sie wurde am 17. November 1985 seliggesprochen. Eine ergreifende Geschichte aus jener Zeit hat Joseph Spillmann unter dem Titel Maron, der Christenknabe aus dem Libanon. Eine Erzählung aus der letzten großen Christenverfolgung durch die Drusen veröffentlicht. 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