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Satan im Vormarsch? Klingenberg und der katholische Glaube Von Dr. Eduard Kamenicky Durch die Veröffentlichung der Würzburger Doktorarbeit Der Fall Anneliese Michel. Kirche, Justiz, Presse der Historikerin Petra Ney-Hellmuth sind das Thema Besessenheit und Exorzismus und die Vorgänge von 1976 wieder in die Öffentlichkeit gekommen. Am 1. Juli 1976 starb die 23jährige Studentin Anneliese Michel an Unterernährung, nachdem Pater Arnold Renz und Pfarrer Ernst Alt mit Genehmigung des Würzburger Bischofs Josef Stangl den großen Exorzismus nach dem Rituale Romanum durchgeführt hatten. Damals gingen in der Presse die Wogen hoch und wurde die kirchliche Lehre über die Existenz des Teufels, über Besessenheit und Exorzismus auf die Anklagebank gesetzt. Diesem Phänomen widmet sich der Artikel Satan im Vormarsch? Klingenberg und der katholische Glaube von Dr. Eduard Kamenicky, der 1976 im FELS (in der September- und Novemberausgabe) erschien. Auch wenn man nicht jeder Detailkritik, z.B. an der Verwendung des Wortes Vermessenheit in der Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz, zustimmen mag, wird man doch seiner Zeitdiagnose über die Gründe des Unverständnisses gegenüber dieser Lehre viel Erhellendes abgewinnen können. Immer öfter dringen Nachrichten in die Öffentlichkeit, die Schrecken erregende Details von satanischen Aktivitäten, Besessenheit, Dämonie und versuchter Teufelsaustreibung zum Inhalt haben. Zum Teil mag es auf das Konto unserer sensationsgierigen und indiskreten Zeit gehen, die alles schonungslos in das grelle Licht der Fernsehstudios zerrt, daß sich die Publizität derartiger Vorgänge häuft. Zum andern Teil spielt für die Erweckung dieses Eindrucks sicher die Leichtfertigkeit eine Rolle, mit der höchst verschiedene Erscheinungen - von der echten Manifestation dämonischer Mächte bis zur abgeschmackten Scharlatanerie - von den auffallend unbeholfenen und ahnungslosen Berichterstattern in einen Topf geworfen werden. Dennoch kann man sich nicht ganz des Gefühles erwehren, daß sich in unseren Tagen die Hölle mehr regt als zu anderen Zeiten. Vor allem springt ins Auge, daß der Gegenwartsmensch solche Vorkommnisse in keiner Weise einordnen kann. Es stellt sich also zunächst die Frage, wie es zu dieser spektakulären Hilflosigkeit einer Generation kommt, die andererseits fast nach Belieben auf dem Mond lustwandelt und auf den Mars gesetzte, komplizierte Apparate par distance zu reparieren versteht. 1. Einbruch einer verdrängten Realität Allen Stellungnahmen zu dämonischen Erscheinungen wie etwa jüngst zu dem Fall Klingenberg ist es gemeinsam, daß man das Teuflische in der Bedeutung eines unkontrollierbar-übersinnlich Bösen als Zumutung, ja schlechterdings als Fremdkörper in unserer modernen Welt empfindet. So etwas hat es nicht zu geben, es paßt nicht zur Lebensauffassung der Zeit, es stört beträchtlich das Weltbild der Gegenwart, das mit Hilfe von globaler Kommunikation, Gleichschaltung und einem alle Kulturen durchdringenden Regime der Wissenschaft im Begriffe steht, zum Gemeingut aller zu werden. Die Reaktionen schwanken wohl nach dem jeweiligen Temperament des aufgestörten Zeitgenossen; während der eine solche Vorgänge rundweg in Abrede stellt (»weil nicht sein kann, was nicht sein darf«), findet es der andere bloß empörend, daß man mit einem Unfug dieser Art nicht fertig wird; wieder andere helfen sich mit dem Urteil »Wahn« oder» Verbrechen« weiter und schieben die Sache unwillig von sich. Eine echte Antwort oder Lösung hat die säkularistische Welt nicht anzubieten. Das ist an sich nicht verwunderlich. Denn hier wird in der Tat die Gesellschaft urplötzlich und massiv mit einer Realität konfrontiert, die für sie im Grunde schon längst nicht mehr existent ist. Ein durch Jahrhunderte voranschreitender und immer radikalerer Säkularisationsprozeß hat den Menschen - zumindest den der westlichen Zivilisation - der lebendigen Begegnung und Auseinandersetzung mit außerirdischen Geistmächten entwöhnt. Dieser wohldurchdachte Vorgang, durch den das Diesseits für das menschliche Bewußtsein zunächst dominant und schließlich einzig reell werden sollte, war von der Absicht gesteuert, die Welt des Menschen als autonomen und in sich geschlossenen Bereich gegen alle fremden, transzendenten Einflüsse dicht zu machen. Welcher Erfolg dieser Bemühung beschieden war, in deren Sinn Hunderte von Vertretern der Wissenschaft, der Literatur, der Philosophie und der Erziehung durch viele Generationen zusammenwirkten, wird in der zuletzt völlig veränderten Bewußtseinslage des Menschen deutlich. Sie bringt mit sich, daß im 20. Jahrhundert selbst der Theologe meint, seine Arbeit nur mehr unter der Voraussetzung leisten zu können, daß die Welt jene geschlossene, dichte, unaufbrechbare Größe darstellt, die von einer transzendenzfreien Ideologie gefordert worden war. Jedes andere Vorstellungsmoment müsse, so es in der Religion noch vorhanden sein sollte, als Mythos, das heißt als ein wirklichkeitsfremdes Vorurteil eines überholten Weltbildes erkannt und ausgeschaltet werden. Der Vorgang, der den Menschen allen außerirdischen Mächten nach und nach entfremdet hat, war, wie angedeutet, eine »interessierte Maßnahme«, und als solche gerade das Gegenteil von realistisch. Man gab ihm bloß den Anschein der Wissenschaftlichkeit, nüchterner Bescheidung und der Rückführung des menschlichen Geistes auf das Tatsächliche; in Wahrheit stellte er eine bewußte Abblendung entscheidender Erkenntnisinhalte dar und den Versuch, dem Menschen das Mitdenken derselben abzugewöhnen. Gewiß kann eine Theorie auch unter Vernachlässigung unwillkommener Fakten und somit gegen die Wirklichkeit entworfen werden - nur stimmt sie dann nicht. Gerade so verhielt es sich aber mit dem programmatischen und schrittweise intensivierten Abbau des Bewußtseins von dem, was außerhalb und über dieser Welt ist und nicht aus irdischen Ursachen erklärt werden kann. An der Spitze stand dabei die Negierung des Satans und der Dämonen, begleitet und gefolgt von der Ablehnung der guten Geisterwelt. Daran schloß sich, durchaus konsequent, die Zurückweisung von Gnade und Übernatur als einer göttlichen »res« (eines wirklichen Etwas) - dies alles bereits im Dienste einer immer keckeren Leugnung des persönlichen, transzendenten Gottes selbst. Die damit gegebene Beschränkung auf das Sichtbar-Innerweltliche, Meßbare, der naturwissenschaftlichen Prüfung Zugängliche und der Manipulation Unterworfene zog im Extrem die theoretische Ausmerzung von allem Immateriellen, Geistigen nach sich, bis zur Bestreitung der Existenz der Seele des Menschen in einer entarteten Philosophie und einer nicht minder pervertierten, angeblich kirchlichen Neubesinnung auf die kritisch akzeptablen Strukturelemente der Welt und des Menschen »heute«. Es ist wichtig zu erkennen, daß es sich bei diesem großen geistesgeschichtlichen Vorgang entgegen dem von ihm selbst erhobenen Anspruch nicht um einen Prozeß der Aufklärung, das heißt der besseren und vollständigeren Information des Menschen über die Realität, deren Faktoren und Gesetze, handelt, sondern umgekehrt um eine zunehmende Verdunkelung weiter Zonen der Wirklichkeit für das menschliche Bewußtsein und dadurch um eine fortschreitende Beschneidung, ja Verstümmelung der menschlichen Erkenntnis. Der Horizont des Menschen hat sich in den Jahrhunderten dieser zielstrebigen Zurückdrängung, Verschleierung und schließlich Ausklammerung der Transzendenz nicht, wie man vorgegeben hat, erweitert, sondern in Wahrheit, wie heute deutlich wird, verengt und zuletzt so verfinstert, daß eine sachgerechte und befriedigende Deutung der menschlichen Existenz auch »theologisch« nicht mehr möglich war. Denn selbst das Wissen um das Irdische, so weit es auch von den Gelehrten im Detail vorangetrieben werden mag, gerät im ganzen schief, fehlerhaft und unkomplett, wenn der Hintergrund der Transzendenz wegfällt. Man kann dann die Dinge weder mehr von ihrem Ursprung, dem allmächtigen, in unendlicher Weisheit planenden Schöpfergott noch von ihrem Zweck und Ziel her begreifen, nämlich ihrer Rolle, Gott zu offenbaren, und ihrer Bestimmung, Gott zu verherrlichen. Eine Welt, die im Ernste weder mit Gott, noch mit Engel und Teufel rechnet, steht natürlich vor einem Wunder ebenso ratlos wie vor einer Besessenheit. Wenn sich nun die seit langem vergessenen Mächte der Geisterwelt nachhaltig in Erinnerung bringen, kann dies geradezu einen Schock auslösen. Wir haben hier lediglich die Tatsache einer Häufung dämonischer Phänomene im Auge, welche bereits zu einer fühlbaren Unruhe führt. Über den vermutlichen Anlaß zu solch erhöhter Aktivität der Hölle wird weiter unten zu reden sein. 2. Motive für die Leugnung des Teufels Wenden wir uns nun der Frage zu, welche Motive wohl dafür maßgebend gewesen sein mögen, daß man schon seit langem darum bemüht war, die außerirdischen Kräfte - und wir sprechen jetzt nur mehr von den Mächten der Finsternis, Satan und seinem Anhang (vgl. Apk 12,7. 9; Mt 25, 41) - aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Es ist ja von Haus aus nicht ohne weiteres einzusehen, daß die Menschen sich über die wahren Verhältnisse und für sie bedeutsamen Gegebenheiten zu täuschen wünschen. Also müssen besondere Gründe für eine solche Neigung zu unrealistischem Verhalten zu entdecken sein. Was nun das bewußte Wegschauen des Menschen von der Wirklichkeit in unserem Falle betrifft, das in den herrschenden Überzeugungen bis zur völligen Absenz des Teufels und seines Einflusses auf das Leben des Menschen sowie auf den Gang der Welt führt, verbinden sich, wie es scheint, eine ganze Reihe von Motiven und Antrieben verschiedener Art, die aber gemeinsam auf das Ziel hin wirken, einen Lebensraum zu konstruieren, in dem Satan und Dämonen keinen Platz mehr haben. Als allgemeinstes und gewissermaßen neutralstes Motiv muß hier wahrscheinlich das Motiv der Angst genannt werden. Angst vor dem Teufel und vor der Hölle drückt keinen mangelnden Glauben an die Existenz von Teufel und Hölle aus, sondern nur das Gefühl des Bedrohtseins, das bei besonderer Veranlagung und seelischer Gestimmtheit unerträglich zu werden vermag. In solcher Situation kann der Mensch versuchen, ins Vergessen zu fliehen. Gewiß ist derartige Angst dem Glauben und Vertrauen, wie es dem Christen ziemt, nicht angemessen. Andererseits läßt sich seelisch labilen, schreckhaften, hypersensiblen Personen gegenüber so nicht erfolgreich argumentieren. Es wäre alles unendlich leichter für sie, wenn es keinen Teufel, keine Verführungskunst des Widersachers, keine Aktivität des Erzfeindes und keine drohende Hölle gäbe. So leistet die Angst der durchaus Gläubigen, praktisch aber allzu Kleingläubigen, dem Streben nach Verdrängung des Teufels Vorschub. Daß zudem eine gewisse allgemeine Ermüdung als Folge langen Ertragens der Spannung zwischen dem Reich Gottes und dem Reich der Finsternis auch geschichtlich eingetreten ist, gerade als sich die Feinde der Offenbarung und der Religion mit Macht erhoben, wird kaum zu bezweifeln sein. Hiezu gesellt sich - um noch im Bereich des Glaubens zu verbleiben - ein zweites Motiv von mehr theologischer Natur: die etwas ungestüme und jedenfalls ungeduldige gedankliche Vorwegnahme des Endzustandes. Man kann den glorreichen Vollzug der Erlösung, den nicht mehr zu bedrohenden Sieg Christi über den Teufel, die Sünde und die Hölle, den erfolgten Anbruch des Gottesreiches und der Herrschaft des Lammes in einer Weise betonen und aus dem Ganzen des Heilsgeschehens herauslösen, daß der Satan und seine Macht zu einer ein für allemal überwundenen Größe werden. »Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzen« (Lk 10, 18); »jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen« (Jo 12, 31); »dazu ist der Sohn Gottes erschienen, daß er die Werke des Teufels zerstöre« (1 Jo 3, 8). Das sind Sätze, die eine solche Sicht zu ermutigen scheinen. Heißt es nicht, daß »der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist« (Jo 16, 11)? Ist unser Wandel nicht »im Himmel« (Phil 3, 20)? Ist nicht »unser Leben mit Christus verborgen in Gott« (Ko1 3, 3)? Solche Worte können, isoliert betrachtet, ein vorzeitiges Auslangen nach der Vollendung stimulieren, das den Wunsch bedeutet, die Bewährung in der irdischen Kampfzeit zu überspringen. In der spätmittelalterlichen Sehnsucht nach dem dritten Aion, dem Weltalter des Heiligen Geistes und der vollkommenen Gottesherrschaft in ihm, einer schwärmerischen Erwartung, die auch in der Reformationszeit noch sehr virulent war und heute neu in manchen Sekten aufbricht, ist diese theologische Antizipation lebendig, die auf ihre Weise zur Verdrängung des Teufels und seines Wirkens aus dem Bewußtsein der Menschen beiträgt. Auf ganz anderer Linie liegt freilich das Verlangen nach voller Freiheit und Autonomie des Geschöpfes, das sich bei allen jenen findet, denen das Kampfleben des Christen mit seinem unausgesetzten sittlichen Ringen einfach zu strapaziös ist. Will man sich nicht im täglich neuen Widerstand gegen das Böse, gegen die tausendfältigen Verlockungen der »Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens« (1 Joh 2,16) zur Bewährung vor Gott aufraffen, »der jedem vergelten wird nach seinen Werken« (Röm 2, 6), »der die Macht hat, in die Hölle zu verstoßen« (Mt 10,28), der Satan zugestehen wollte, uns »sieben zu dürfen wie den Weizen« (Lk 22,31), dann darf es kein Gericht und keine Rechenschaft, vor allem aber keinen Teufel und keine Hölle geben. Dann muß man zumindest trachten, vor diesen Wirklichkeiten beharrlich das Auge geschlossen zu halten, da anders sogar die bloße Illusion von menschlicher Autonomie und Schrankenlosigkeit unmöglich wird. So ist denn auch allen jenen, die in der Welt das Reich des Menschen entdeckt zu haben meinen, angefangen von der frühen Renaissance bis zur Gegenwart, der Affront gegen jede Form von Teufelsglauben, Höllenfurcht und jenseitiger Vergeltung gemeinsam. Je mehr sich der Anspruch des Menschen auf totale Eigengesetzlichkeit zur Klarheit des mit ihm Geforderten durchficht, desto ausdrücklicher und leidenschaftlicher wird die Zurückweisung jeder transzendenten Instanz. Hält man noch hinzu, welche Faszination der menschliche Geist im gleichen geschichtlichen Zeitraum angesichts seiner gewaltigen Leistungen auf dem Felde der Wissenschaft, der Forschung und der Technik auf sich selbst zu üben beginnt, wird ein gewisser Rausch von kollektiver Allmacht und vermeintlicher Unabhängigkeit verständlich. Bietet die Wissenschaft schließlich von sich aus innerweltliche Deutung dämonischer Phänomene an, scheint die geglückte Emanzipation von den Einflüssen außerirdischer Mächte feindlicher Natur geradezu perfekt. Eine relative Selbständigkeit behauptet ein weiteres Motiv für die Verdrängung des Wissens um Teufel und Hölle, das zwar mit dem eben gekennzeichneten oft vereint auftritt, aber nicht eigentlich mit ihm identisch ist und hier sogleich angefügt werden muß: der antireligiöse Affekt. Für nicht wenige Menschen stellt die überhebliche Leugnung des Teufels nichts anderes als die Kehrseite ihrer nicht minder hochmütigen Leugnung Gottes dar. Tatsächlich hält der Teufel durch seine Existenz und Wirksamkeit, ja schon dadurch, daß der Mensch von seinem Dasein überzeugt ist, im Bewußtsein des Menschen Gott präsent; denn nur mit dem Teufel zu rechnen, aber nicht mit Gott, ist logisch so gut wie unmöglich. Der Faktor der Unberechenbarkeit, den der Teufel mit seinen dunkeln Machenschaften in das irdische Leben hineinträgt, wirkt dem Aufbau einer konsequent areligiösen Weltanschauung entgegen. Wer darum jede Erinnerung an Gott zum Schweigen bringen möchte, kann den Teufel nicht gelten lassen. Konträr zum absoluten Nullpunkt an Glaubensbereitschaft verhält sich eine andere, nicht viel weniger ungesunde Einstellung, nämlich der ins Krause und Groteske auswuchernde Aberglaube. Obschon dem antireligiösen Affekt diametral entgegengesetzt, trägt er doch kaum weniger dazu bei, daß Satan und Dämonen unglaubwürdig werden. Subjektiv fromme und gutgemeinende, aber in ihrem Urteil höchst unsichere und in ihrem Pessimismus maßlose Christen vergangener Zeiten, die heute sehr leicht Nachfahren finden könnten, haben durch die Unausgewogenheit ihrer einseitigen Überzeugungen, nach welchen Welt und Gesellschaft von Dämonen geradezu durchsetzt sein sollen, dem Glauben, ohne es zu wollen, viel geschadet. Wer zuletzt immer, überall und in allem den Teufel sieht, hört, riecht und am Werke weiß, gibt eine überaus ernste Wahrheit dem Odium der Lächerlichkeit preis. Wollte man sich solche extreme Auffassungen zu eigen machen, würde man vermutlich verrückt; denn einer gleichsam kompletten Besetztheit aller Weltpunkte mit Teufeln und deren Fallstricken fühlt sich begreiflicherweise niemand gewachsen. Daß der Aberglaube gerade auf diesem Gebiet seine üppigsten Blüten treibt, ist bekannt. Die Gefahren für die seelische Gesundheit derer, die sich derartigen Verstiegenheiten öffnen und zuweilen wie magisch angezogen erscheinen von der Vision einer durch und durch dämonisierten Welt, sind beträchtlich. Abgesehen davon, daß eine solche, bisweilen wirklich krankhafte Schau des totalen Verderbens praktisch keinen Raum mehr für Gott, für die Engel und Heiligen, für Glaube und Gnade, für Friede und Freude im Heiligen Geiste offen läßt, widerspricht sie auch ganz dem kindlichen Vertrauen zu Gott, der Hoffnung, dem Bewußtsein der Heiligen. Wenn heute viele Menschen den Teufel kaum mehr ernst nehmen können, sind auch glaubenswidrige Übertreibungen der Vergangenheit (und Gegenwart?) schuld daran. Verwandt damit ist ein anderes, unfreiwilliges Motiv für die Ausschaltung des Satans und aller bösen Geister aus dem modernen Weltbild: die Teufelsposse - der sehr alte und in seinen Ausdrucksformen sehr merkwürdige Drang, den Teufel und seine Künste zu verspotten. Heute noch kann man mancherorts religiöse Volksbräuche antreffen, in denen der Teufel regelrecht verulkt wird. Auch das hat eine genuin christliche Wurzel: den Jubel der Erlösten über die Fesselung des Erzfeindes der Menschheit durch Christus. Aber der Schößling, den diese Wurzel hervortreibt, bleibt unveredelt oder verwildert rasch. Und es kann nicht wundernehmen, daß sich jene elementare Freude bei wenig gebildeten, eher naturbelassenen und naiven Typen mitunter recht derb manifestiert. Das wäre an sich kein Unglück. Wenn man aber beobachtet, wie jahrhundertelange Gepflogenheiten dieser Art den gefallenen Engelsfürsten schließlich zu einer komischen Figur abgleiten lassen, zum Krampus, zu Perchten und Fratzen der Fastnacht, wird der Vorgang religiös bedenklich. Sieht man sich durch ernste Phänomene plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, diese fast kasperlhafte Gestalt mit der ihr in Wahrheit eigenen geistigen Potenz zu füllen, gelingt das nicht mehr - sehr zum Nachteil einer dämonisch heimgesuchten Welt und sehr zum Vorteil ihres listigen Feindes. An letzter Stelle muß endlich noch ein Motiv für die Verdrängung Satans genannt werden: der Wille zur Distanz von allem, was mit diesem dunkeln Bereich zusammenhängt. Er äußert sich als eine im Kern gesunde Abwehrreaktion gegen die seltsamen Anbiederungsversuche an diese Sphäre, zu welchen sich gar nicht so wenige Menschen angestachelt fühlen, gegen das oft von törichter Neugierde inspirierte Bestreben, mit dem Teufel und den Dämonen in Kontakt zu treten, und gegen die ganz und gar widerliche Ausnützung der Möglichkeit hiezu, die vom Spiritismus über schwarze Magie bis zum Teufelskult reicht. Diese Dinge wecken bei vielen Menschen einen solchen Abscheu, daß sie vom Teufel überhaupt nichts mehr hören und wissen wollen. Auch diese begreifliche Protesthaltung kommt den dunkeln Mächten zugute: an die Stelle wissender Vorsicht tritt eine »ignorantia affectata«, eine erkünstelte Unwissenheit, die den Feind desto ungehinderter agieren läßt. Alle genannten Motive tragen dazu bei und haben schließlich bewirkt, daß sehr viele Menschen, Gläubige und Ungläubige, christlich Gesinnte und Indifferente, religiöse Eiferer und erklärte Atheisten vor der Szene Satan, Hölle und Dämonen gerne den Vorhang fallen sehen, was allerdings ebenfalls zu den Listen und Tücken des Widersachers gehört: er wünscht kaum etwas mehr, als daß man nicht an ihn glaubt und sich so wenig als möglich um ihn kümmert. Er hat beides in hohem Maße erreicht, wie man an dem Resultat der geistesgeschichtlichen Entwicklungen ablesen kann. 3. Negative Merkmale der Lage Wo sich die höllischen Mächte regen - und sie tun das, wie man kaum bezweifeln kann, heute in beängstigendem Maß -, stoßen wir auf eine völlige Hilflosigkeit der Realität des Teufels gegenüber, auf Ratlosigkeit angesichts der Phänomene, die er hervorruft. Dieser Zustand erlaubt uns, einige negative Momente der gegenwärtigen Lage hervorzuheben, die in diesem Zusammenhang nicht ignoriert werden dürfen. Wir weisen sie der Verständlichkeit halber an dem allgemein bekannten Fall von Klingenberg auf, der uns in mancher Hinsicht symptomatisch zu sein scheint. Die verbürgten Tatsachen als solche setzen wir dabei als bekannt voraus und beziehen uns im einzelnen auf charakteristische Stellungnahmen, die in der deutschen Öffentlichkeit weithin publik sind. a) Fehlreaktion der Gesellschaft Für die Reaktion der Gesellschaft auf Vorkommnisse, die ein allgemeines Echo wecken, dürfen die Äußerungen in Funk und Presse aus einem doppelten Grund als repräsentativ gelten: sie stützen sich nicht selten auf Meinungsumfragen im Volk und sie beeinflussen zugleich die Meinungsbildung in hervorragender Weise. Wenn man nun die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Fall Klingenberg im Spiegel der Pressestimmen betrachtet (die hier nur in kleiner Auswahl wörtlich zitiert werden können), fällt auf, wie unernst voreingenommen, übelwollend, ja feindselig bis zur Hysterie sich diese Reaktion in der überwiegenden Mehrzahl der Stellungnahmen sogar in sonst seriösen Organen ausnimmt. Anlaß der merkwürdigen Empörung ist »ein von seiner überfrommen Umwelt in religiösen Wahn getriebenes Mädchen«, was etwa für die »Süddeutsche Zeitung« ohne nähere Untersuchung der Sache von vornherein feststeht (SZ vom 4.8.76, Streiflicht), ist der »Humbug mit den rituellen kirchenamtlichen Teufelsaustreibungen« (ebd.), bei dem »geistliche Kurpfuscher« sich der »okkulten Seelenfolter für psychisch Kranke« (ebd.) bedient hätten, die man Exorzismus nennt. Wir hören von einem »religiösen Terror-Akt« (AZ, 5.8.76, S. 3), bei dem »ein junger, schwerkranker Mensch in seiner namenlosen Angst nicht getröstet, sondern in die völlige Verzweiflung getrieben wurde« (Ingeborg Münzing in der AZ vom 5.8.76, S. 3). Dabei bleibt nicht zwischen den Zeilen, daß man den gemeinten kirchlichen Ritus für ein Verbrechen hält (»Wer ein Kind mißhandelt, gehört vor den Richter«, und: »Teufeleien dieser Art dürfen sich nicht wiederholen« - ebd.). Selbst Heinz-Joachim Fischer von der »Frankfurter Allgemeinen« sieht den im Auftrag der Kirche wirkenden und nach allgemeiner Schilderung frommen und gewissenhaften Priester vom »Jagdfieber auf den Teufel gepackt« (FAZ vom 7.8.76, S. 17) und ist ohne eindringendes Studium des Falles, das ihm noch gar nicht möglich sein kann, davon überzeugt, daß der Fachmann P. Dr. Adolf Rodewyk SJ »ein dubioses Teufelsgutachten« (ebd.) erstellt hat - ein Mann, den man anderswo sogleich zum »fanatischen Altvater deutscher Exorzisten« stempelt (AZ, 5.8.76, S. 3). So gut wie alle Stimmen sind sich darin einig, daß die Kirche in dieser Affäre kläglich versagt habe, übergehen aber gänzlich das vorausgehende Versagen der Medizin. Wenn es zutrifft, was die» Welt« berichtet: »Seit der Pubertät litt Anneliese unter psychischen Störungen: sie sah Teufelsfratzen. Eine Ärztin diagnostizierte Epilepsie« (Franz Barthel in der »Welt« vom 7.8.76, S. 7), so war dies wohl ein dubioseres Gutachten als das des P. Rodewyk . Ausgesprochen unseriös und gehässig werden die Reportagen aber in dem Vorwurf, die kirchliche Aktivität hätte die notwendige und lebenrettende ärztliche Hilfe verhindert. Wie ungerecht dieser Vorwurf ist, geht aus der Mitteilung des Berliner »Petrusblattes« vom 8.8.76 hervor: »Erst nachdem die Patientin sechs Jahre lang medizinischer und psychiatrischer Behandlung war - ohne Erfolg, leider -, bemühte man die Kirche, und nach gründlicher zweifacher Prüfung wurde die Erlaubnis erteilt, den Exorzismus vorzunehmen.” (S. 3) b) Mangel an Glauben Will man die auffallend unsachliche, negative und gereizte Reaktion der Öffentlichkeit auf das Ereignis von Klingenberg nicht kurzerhand antikirchlichen Affekten und religionsfeindlichen Ressentiments zuschreiben, kann man nicht umhin - und die aufmerksame Lektüre der einschlägigen Wortmeldungen nötigt dazu -, objektiv eine viel umfassendere Unfähigkeit wahrzunehmen, die den einzelnen hindert, einem solchen Phänomen gerecht zu werden, nämlich den Mangel an Glauben, ja dessen totale Absenz. Wie sehr hier die eigentlichen Wurzeln der aufgewiesenen Fehlhaltung liegen, kann an einigen Außerungen mühelos aufgezeigt werden. So steht etwa für die angeblich so kritische und wissenschaftlich gesinnte Gegenwart ohne weitere Untersuchung des Falles fest, daß es sich nur um »religiöse Wahnideen« gehandelt haben kann (FAZ, Nr. 173, S. 17). Ist das »kritisch«? Oder »wissenschaftlich«? Kann man, mit solchen Präokkupationen belastet, überhaupt in die sachliche Prüfung eines Phänomens eintreten? Wird das Urteil dessen, der das zu beurteilende Objekt oder Faktum in seiner Eigengesetzlichkeit prinzipiell ignoriert, nicht sehr einer Rezension ähnlich, die ein des Chinesischen Unkundiger über ein chinesisches Buch verfaßt? Unter einem derart künstlich verengten Aspekt zeigt sich lediglich jene Alternative, die Heinz-Joachim Fischer zu formulieren sich nicht scheut: »Wer sich nicht mit der Entrüstung über eine anscheinend immer noch finstere mittelalterliche Kirche begnügt, möchte wissen, warum die katholische Kirche im Jahre 1976 noch nicht dem Teufelsglauben abgeschworen hat« (FAZ, a. a. O.). Diese Frage verrät eine dem Glauben entgegengesetzte Auffassung von Religion: daß deren Veränderung nämlich in das Belieben des Menschen gestellt sei, da sie in jedem Falle aus dem Innern des Menschen stamme, nicht aber von dem sich offenbarenden Gott. Offenbarung vermag Fischer - echt modernistisch - nur als »Offenbarung Gottes im Menschen« zu denken; daher spielt es für ihn »nur eine geringe Rolle, ob man annimmt, der religiöse Inhalt sei einer Offenbarung Gottes im Menschen oder einer rein menschlichen Anlage zu verdanken«. Demzufolge ließen sich (als gleicherweise menschliche Leistungen!) »Primitivreligionen oder ausgeklügelte theologische Systeme« unterscheiden, ja dieselbe Religion könne in beiden Gestalten auftreten, wie man bei der Kirche sehe, wo er den »rationalen Hochglauben« von »katholischer Volksfrömmigkeit« scharf abhebt. Unter solchen Voraussetzungen ist eine »Revision der Glaubensvorstellungen« ebenso denkbar, wie sie für den Glauben unmöglich ist. Die jüngsten diesbezüglichen »Anträge« an die Adresse der Kirchenleitung stellen mit ernüchternder Deutlichkeit klar, welch platter Rationalismus in Deutschland heute herrscht. Unbegrenztes Vertrauen in die Wissenschaft und die ganze ahnungslose Fortschrittsgläubigkeit des Aufgeklärten von Anno Dazumal spricht aus den Worten Heinz-Joachim Fischers: »Es ist im Jahre 1976 unbegreiflich, daß eine religionspsychopathologische Krankheit nicht durch das umsichtige Gespräch eines Priesters und die einfühlende Diagnose und Therapie eines Arztes geheilt werden können« (FAZ, a. a. O.). Wenn man in dieser Angelegenheit irgendeiner Seite Naivität attestieren muß, dann wohl jener, die mit stolzem Ernst verkündet: »Die durch Aufklärung, Naturwissenschaft und Technik ermöglichte Einflußnahme des Menschen auf die Gestaltung der Welt verdrängte seit dem 18. Jahrhundert die Dämonen aus der Natur« (ebd.). Von dieser Meinung bis zur Einstufung Edisons, Watts und Einsteins als erfolgreichster Exorzisten ist fast nur mehr ein Schritt. Im Lichte solcher Auffassungen wird die Ungeduld verständlich, mit der die »Süddeutsche Zeitung« fragt: »Wie lange mag es da noch dauern, bis selbst in Europa in die letzten magischen Sektiererzirkel (zu welchen offenbar auch das Ordinariat Würzburg gehört; Anmerkung von uns) die schlichte Wahrheit vorgedrungen ist: nicht der Böse spukt in uns, sondern das Böse.« (SZ, 4.8.76, Streiflicht) Dann läßt sich auch begreifen, daß Hannes Burger - ein Katholik, früher bei der »Münchener Katholischen Kirchenzeitung«! - gegen den »Anachronismus dieses kirchenamtlich praktizierten Aberglaubens« wettert und von »blauäugiger Borniertheit« spricht (SZ, 4.8.76, »Entlarvung durch das Medium«). Für ihn ist Prof. Haag, der Leugner des Teufels - und damit des katholischen Glaubens - der Ehrenretter der Kirche. Allein dieses Moment läßt fühlen, wie sehr hier alles auch innerkirchlich auf eine Entscheidung hindrängt. Denn daß der Unglaube für Glaube und der Glaube für Aberglaube gilt, ist unerträglich. c) Mangel an Verständnis Der offenkundige Mangel an Glauben, der sich aus der Fehlreaktion der Öffentlichkeit auf den Fall Klingenberg als deren Ursache ohne Mühe erheben läßt, zieht als unmittelbare Folge den Mangel an Verständnis nach sich für das, was sich in jener Stadt am Main ereignet hat, und für das, was von seiten der Kirche, ihrer Aufgabe entsprechend, unternommen wurde. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich nicht nur ein erschreckendes Vakuum an Glaubenskraft und Glaubensbereitschaft, sondern auch eine so große Lückenhaftigkeit des religiösen Wissens bei im übrigen vielseitig versierten Mitgliedern der Gesellschaft, wie es Journalisten sind, daß man sich ein sinnvolles und fruchtbares Gespräch über die in Frage stehenden Gegenstände kaum vorstellen kann. Fundamental fällt hier, wie schon zu bemerken war, bereits das Verständnis für Religion im Sinne des Christentums aus - ein Umstand, der mehr als manches andere zu der erstaunten Frage reizen könnte, wie denn so etwas »im Jahre 1976« möglich sei. Denn wer unter Religion nichts anderes als eine primitive oder intelligente Projektion des menschlichen Inneren zu denken vermag, hat sich von vornherein jeden Zugang zur »Sache selbst«, um die es sich hier handelt, verbaut. Solange der Mensch, »der kleine Gott der Welt«, nicht bereit ist, von seinem selbstgezimmerten Thron zu steigen und aus dem Spiegelkabinett jener Einbildung zu treten, das ihm ein trügerisches Alleinsein mit sich und seinesgleichen suggeriert, sollte er sich redlicherweise in Dingen der Religion der Stimme enthalten. Wo die Koordinaten für jenen Raum fehlen, in dem bestimmte Erscheinungen zu orten sind, kann auch mit keinem Verständnis für die Ursache der betreffenden Phänomene gerechnet werden. Kein Wunder, daß diesbezüglich die ärgsten Entgleisungen passiert sind. Was soll es denn etwa heißen, wenn die »Frankfurter Allgemeine« in dem zitierten Artikel den Satz wagt: »Auf der Kirche bleibt nach allgemeiner Meinung der Vorwurf lasten, daß sie die Geister, die sie rief, nicht zu bannen imstande sei«? Man muß schon richtig durchdrungen sein von der freisinnigen Ansicht, Glaubenssätze seien Erfindung der Priester und religiöse Überzeugungen Produkte der menschlichen Phantasie, wenn man diesem Passus einen Sinn unterlegen will. Dann wäre die Kirche durch die ihr opportune Kreation der Teufelsidee und die jahrhundertelange Einschüchterung ihrer Gläubigen mit der Hölle und deren Qualen die schuldbar Verantwortliche für alles, was je Christen seitens dämonischer Mächte zu erleiden wähnten. Die Kirche hätte ihnen ja den Stoff und Anlaß zu derlei Hirngespinsten geliefert und sie in jene latente Angst versetzt, in der sie schließlich den vermeintlichen Einfluß von Teufel und Hölle an sich zu erleben begannen. Dann hätte die Kirche mittelbar auch jene Geister gerufen, die Anneliese Michel in Klingenberg durch Jahre hindurch gepeinigt haben. Davon kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Der Teufel ist so wenig ein Geschöpf der Priester wie Gott. Die Hölle ist so wenig eine Erfindung der Kirche wie das Himmelreich. Die Ursachen von Heil und Unheil, von Gnade und Verstockung, von außerordentlichen Geistesgaben wie von Besessenheit, so selten die letzterwähnten Befindlichkeiten auch sein mögen, liegen nicht im Menschen, sondern außerhalb. Wer das aus »weltanschaulichen« Gründen nicht anzuerkennen bereit ist, kann zu keiner Interpretation dieser Erscheinungen gelangen, die deren innere Wahrheit trifft. Es kommt jedoch nicht nur ein weit verbreitetes Fehlen des Sensoriums für das Übersinnliche und Außerirdische zum Vorschein, sondern ein spezifischer Mangel an Verständnis für das Wesen und Wirken der Dämonen. »Dem aufklärerischen Rationalismus entgeht diese Seite der Wirklichkeit, in die der Mensch hineingestellt ist«, merkt der »Rheinische Merkur« schlicht und richtig an (Nr. 31/1976, S. 8). Es ist blinde Überheblichkeit, wenn man jeden ernsten Gedanken an dämonische Mächte und ihr verderbliches Treiben in der Welt mit dem Hinweis beiseite schiebt, an derlei Dinge hätten die Menschen vor Jahrtausenden geglaubt, und nur Stämmen auf der Stufe der Steinzeit könne man heute noch solche Vorstellungen interimistisch gestatten. Hier müßte einmal die dünkelhafte Annahme ausgeräumt werden, daß die je jüngere Meinung die je tiefere Einsicht verbürge. In ungezählten Fällen verhält es sich umgekehrt. Wo die Bereitschaft fehlt, Teufel und Dämonen als hochintelligente, willensstarke, aber durch ihre Empörung gegen Gott ganz und gar böse gewordene personale Geistwesen ernst zu nehmen, welche die - wenn auch eingeschränkte - Freiheit besitzen, den Menschen zu versuchen, zu gefährden, ja mitunter zu beherrschen, kann auch kein Verständnis für Besessenheit erwartet werden. Diese Weise der möglichen Einwohnung des bösen Geistes im Menschen ist etwas der Art nach vollkommen anderes als irgendeine körperliche oder seelische Krankheit, so sehr solche natürlichen Krankheiten mit einer Besessenheit verknüpft sein können oder, völlig unabhängig und getrennt von ihr, ähnliche Symptome wie der Zustand der Besessenheit aufweisen mögen. Es ist darum auch der Besessenheit als solcher so wenig mit medizinisch-therapeutischen Maßnahmen beizukommen, wie ein Exorzismus geeignet wäre, jemanden von Typhus oder Tuberkulose zu heilen. Man ersieht daraus, wie sehr jene Äußerung an dem konkreten Problem von Klingenberg vorbeigeht, die H.-J. Fischer in dem oben erwähnten Aufsatz macht: »Bei einer gewissenhaften Behandlung durch Vertreter beider Wissenschaften (gemeint sind Medizin und Theologie; Anmerkung von uns) wäre es auch unerheblich gewesen, sich dergleichen als böse Teufel oder als aus dem Innern des Menschen aufsteigende Wahnideen vorzustellen« (FAZ vom 7.8.76, S. 17). Nein, das ist keineswegs unerheblich. Und man ist dankbar, daß Oskar Simmel SJ hinsichtlich der dämonischen Mächte jüngst klargestellt hat: »Der Mensch ist ihnen zwar nicht ausgeliefert - er steht unter der ausschließenden Herrschaft Gottes -, aber die Mächte können sich seiner bemächtigen, sie können Wohnung in ihm nehmen, ihn zerstören, ihn sich selbst entfremden (vgl. Mt 17, 14; 8,28)« (»Rheinischer Merkur« vom 13.8.76, S. 20). Gewiß kann Besessenheit bestimmte Zustände zur Folge haben, die ein Krankheitsbild liefern - »’Der Starke’ greift nicht die uneinnehmbaren Bastionen des Menschen an, sondern die schwachen Stellen körperlicher und psychischer Art« (Simmel, ebd.) -, was aber nicht berechtigt, das biblisch verbürgte Faktum von Einwohnung des Teufels rein medizinisch zu umschreiben. »Diese Ausdrücke durch Begriffe der modernen Medizin ersetzen wollen, heißt, das innere Ausmaß mancher Krankheiten verkennen. Gerade die ärztliche Kunst von heute zeigt, wie sehr manche Krankheiten über organische und individuelle Verursachung hinausreichen, wie hier Kräfte ins Spiel kommen, über die man nicht nur beim heutigen Stand der, Wissenschaft nicht Bescheid weiß, sondern wo die Medizin überhaupt an eine Grenze gekommen ist.« (Simmel, a. a. O.) Wer kein Verständnis für das Wesen der Besessenheit hat, dem geht notwendigerweise auch das Verständnis für den Exorzismus ab. Man spricht dann fälschlich von »Glaube oder Aberglaube ... , den bösen Geistern könne man allein durch fromme Worte beikommen« (FAZ vom 7.8.76, S. 17). Das nimmt indes kein Unterrichteter in der Kirche an, die aus zwei Jahrtausenden Erfahrung weiß, wie schwer es sein kann, den Teufel zu überwinden und zum Auszug aus dem von ihm besetzten Menschen zu bewegen. Es verharmlost auch ungebührlich die lange währende und intensive geistliche Bemühung des im konkreten Fall vom Bischof zum Exorzismus ermächtigten Priesters, wenn man leichthin und fast salopp sagt, er »ging hin ... und suchte mit lateinischen Formeln die Geister zu bannen« (FAZ, a. a. O.). Wenn aber schon, wie in den meisten erwähnten Kritiken zu Klingenberg, sowohl die glaubens- wie die wissensmäßigen Grundlagen für eine kompetente Äußerung zu diesen Vorgängen nicht gegeben sind, dürfte man doch eine der Wortmeldung vorausgehende Information an Hand der seriösen Fachliteratur, die es auch zu diesem Themenkreis gibt, erwarten, verbunden mit der Bereitschaft, die Dinge von innen her zu verstehen, mögen sie einem auch noch so fremd erscheinen und bisher unbekannt geblieben sein. Daß man augenscheinlich fast allgemein auf einen solchen ergänzenden Wissenserwerb verzichtet hat, läßt hier zuletzt noch einen Mangel an Ernst und Verantwortung erkennen, der das Bild der Blöße rundet, die sich die Gesellschaft und ihre beruflichen Sprecher in dieser Sache gegeben haben. d) Versagen der Kirche Dennoch wollen wir keineswegs an dem Tenor der Proteststimmen vorbeigehen, der vor allem von einem Versagen der Kirche spricht. Es ist durchaus möglich, ein solches zu konstatieren; nur liegt es in ganz anderen Fakten vor, als die Öffentlichkeit vermutet. Nicht daß P. Rodewyk das von ihm verlangte Gutachten erstellte, nicht daß der Bischof von Würzburg die Erlaubnis zum Exorzismus gab und P. Renz sich mit dessen Ermächtigung dieser schwierigen Aufgabe unterzog, kann der Kirche als Versagen angekreidet werden - denn in all diesen Punkten haben die betreffenden Männer der Kirche im Sinn ihrer Hirtenpflicht und priesterlichen Sendung gehandelt. Aber es gibt andere Momente, die das Wort vom Versagen der Kirche nicht ganz unterdrücken lassen. An erster Stelle muß hier die mit größtem Nachdruck und unter Einsatz seiner persönlichen wissenschaftlichen Autorität wiederholt vorgebrachte Erklärung Prof. Herbert Haags, Tübingen, genannt werden, daß es nach seiner festen Überzeugung einen Teufel nicht gibt, weder Satan, noch Dämonen, noch sonst einen bösen Geist. Er läßt nur »das Böse« gelten und spricht zum bassen Erstaunen nicht Weniger von der »Tatsache, daß nach dem einmütigen Zeugnis der gesamten Bibel für das Böse in der Welt allein der Mensch verantwortlich ist« (»Die Welt«, Nr. 182, S. 7) - ein geradezu ungeheuerlicher Satz aus dem Munde eines Fachmannes der Bibelwissenschaft. »Haag setzt sich mit der Leugnung des Teufels in radikalen Widerspruch zur Lehre der Kirche«, stellt Winfried Jestaedt in der »Deutschen Tagespost« trocken fest (4.8.76, S. 6). »Darüber wird sich jetzt nicht nur der Bischof von Rottenburg, Dr. Georg Moser als zuständiger Ortsordinarius, sondern darüber werden sich auch die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz und womöglich die Glaubenskongregation im Vatikan ernsthaft Gedanken machen müssen.« (ebd.) Gewiß, Haag ist nicht die Kirche. Aber er lehrt in ihrem Namen - und zwar seit langem schon die merkwürdigsten Dinge. Ob man höheren Orts nun meint, das dulden zu können, oder nicht - daß sich ein Lehrer der Kirche in der gegebenen Situation ungestraft so äußern kann, wie er es getan hat, stellt jedenfalls ein schmerzliches Versagen der Kirche dar. Das läßt sich nicht beschönigen. Als ein weiteres bedauerliches Versagen der Kirche in dieser schon genug verworrenen Sache muß man die Presseerklärung des Bischöfliche Ordinariates Limburg bezeichnen, die dem bei Haag offen zutage tretenden Unglauben, was die Existenz des Teufels betrifft, Vorschub leistet. Was soll es heißen; »daß der Exorzismus in der augenblicklichen öffentlichen Diskussion im Sinne einer magischen Teufelsbeschwörung mißverstanden werde«? (Deutsche Tagespost, 6./7.8.76, »Im Blickpunkt«). Kann sich die Kirche in der Anwendung ihrer Heilsmittel, in der Spendung von Sakramenten und Sakramentalien von der jeweiligen öffentlichen Diskussion abhängig machen? Dann genügte es ja, die Grundakte des kirchlichen Lebens darin permanent in Frage zu stellen, um die Kirche mattzusetzen! Und ist es ein Mißverständnis, wenn man im Exorzismus eine Beschwörung des Teufels sieht, den von ihm Besessenen zu verlassen? Bringen die Texte des Exorzismus dies nicht klar zum Ausdruck? Was heißt hier »magisch«? »Von seinem Wesen her, so betont die Limburger Kirchenbehörde, sei der Exorzismus als ein fürbittendes Gebet der Kirche zur Befreiung vom Geist des Bösen zu verstehen.« (DT a.a.O.) Das ist nicht richtig, denn der Kern des Exorzismus hat keine deprekative, fürbittende, sondern eine imperative, befehlende Form und wendet sich direkt an den Teufel, wie wir das beim Wirken des Herrn selbst sehen nach dem Bericht des Evangeliums, wo es beispielsweise heißt: »Als Jesus sah, daß das Volk zusammenlief, herrschte er den unreinen Geist an mit den Worten: Du stummer und tauber Geist, ich befehle dir, fahre aus von ihm und kehre nie mehr in ihn zurück« (Mk 9,25). Von denen, die glauben, sagt Christus, daß sie in seinem Namen Teufel austreiben werden (Mk 16,17); die Kirche hat es nach dem Vorbild des Herrn zu allen Zeiten getan, aber eben in der Form des Exorzismus, der etwas ganz anderes ist als das Gebetsgedenken für einen Kranken. Was aber soll die »Befreiung vom Geist des Bösen« bedeuten? Das ist doch nicht die Befreiung vom bösen Geist, dem Teufel! Gibt es auch in Limburg nur mehr »das Böse«, »den Bösen« aber nicht? Wenn ferner das Ordinariat Limburg erklärt: »Das Bittgebet eines Christen für einen Kranken könne selbstverständlich in keinem Fall das ärztliche Bemühen um Heilung von einer Krankheit ersetzen« (DT, a.a.O.), verfehlt diese Äußerung überhaupt das Thema: denn der Exorzismus ist kein bloßes Bittgebet und Besessenheit keine gewöhnliche Krankheit. Für die Befreiung aus der Besessenheit ist aber einzig die Kirche mit dem Exorzismus zuständig, was Limburg offenbar aus Scheu und Menschenfurcht, mit einem solchen Bekenntnis als rückständig und mittelalterlich zu erscheinen, nicht wahrhaben will. Hier hat die Kirche tatsächlich versagt. Aber auch die schmerzliche Widersprüchlichkeit kirchenamtlicher Stellungnahmen kann in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Ist sie ja leider sehr geeignet, den von vielen schon seit langem befürchteten oder bei Behandlung von Einzelproblemen beobachteten Zustand einer tatsächlichen Uneinigkeit in wichtigen Glaubensfragen blitzartig zu beleuchten, einer Uneinigkeit, die sich nicht nur in unmaßgeblichen Kreisen verschieden orientierter Katholiken wahrnehmen läßt, sondern eben auch bei kompetenten Organen der verantwortlichen Kirchenführung. Man atmet zwar geradezu auf in dem frohen Gefühl der Dankbarkeit für eine notwendige Klarstellung, wenn man erfährt, der Bischof von Augsburg lasse »aus dem Urlaub mitteilen, daß er in voller Übereinstimmung mit der Kirche an die Gegenwart des Teufels glaube«, wie in der »Welt« vom 12.8.76 zu lesen war, womit zweifellos die Überzeugung dieses Oberhirten von der Existenz des Teufels zum Ausdruck gebracht werden soll. Indes, daß es überhaupt der Beteuerung solcher Glaubenshaltung bedarf in einem Punkte, der, wie man meinen möchte, für jeden katholischen Bischof eine fraglose Selbstverständlichkeit und kein kontroverses Problem darstellt, berührt schon etwas seltsam. Was aber soll man sich dabei denken, wenn man nur einen Tag später aus der »Passauer Neuen Presse« erfährt, in Limburg sei »ein Anfang des Jahres gestellter Antrag«, den Exorzismus vorzunehmen, »aus religiösen und psychologischen Gründen abgelehnt in worden« (13.8.1976, Seite 4)? Während laut bischöflicher Pressestelle Augsburg »es ‘jemanden’ in der Diözese gibt, der mit dieser Aufgabe betraut ist« (ebd.), in Würzburg die Erlaubnis zum Exorzismus erteilt wurde und auch in Passau »nach Auskunft des Pressesprechers des Ordinariates ... im Landkreis Altötting ... Februar 1973« ein Exorzismus vorgenommen worden war, erklärt Essen apodiktisch, »es habe hier keinen Exorzismus gegeben und es werde ihn hier auch nicht geben«, was wohl nur als grundsätzliche Zurückweisung der Lehre vom Teufel und der Aufgabe der Kirche, Besessene vom Dämon zu befreien, verstanden werden kann. Die Linie einer zumindest großen Skepsis scheint München-Freising einzuhalten, das wissen läßt, »es seien verschiedene Anträge gestellt worden, doch habe in keinem Fall der Nachweis geführt werden können, daß es sich um ein Phänomen handle, das nicht natürlich erklärt werden könne«. Zu den vorsichtig zurückhaltenden Diözesen gehört etwa Speyer mit der Bemerkung, »seit Menschengedenken sei kein Antrag zu ‘feierlichen Exorzismen’ gestellt werden«. (Alle Zitate »Neue Passauer Presse«, Nr. 183, Seite 4.) Wie verhält es sich nun aber mit dem Teufel, der Besessenheit und dem Exorzismus wirklich? Spürt niemand von den Verantwortlichen, die hier bereitwillig Auskunft geben, wie peinlich und oneros diese sommerliche Protokollierung dogmatischer Differenzen für die Kirche wird? Welch dornenvolle Aufgabe für die Deutsche Bischofskonferenz, einmütig Stellung zu beziehen, wenn vor ihrem nächsten Zusammentritt feststeht, daß es den Teufel in Bayern zwar gibt, aber im Ruhrgebiet nicht! Unterdessen hat sich die Erwartung, die Deutsche Bischofskonferenz werde in ihrer Äußerung zu den von Klingenberg aufgeworfenen Fragen zwischen Scylla und Charybdis zu lavieren versuchen, prompt erfüllt. Wie ließe sich auch ein zwiespältiges Wort in dieser Sache vermeiden, wenn man sich gehalten fühlt, weder die aufgeklärten Kreise, die Teufel und Hölle längst hinter sich gelassen haben, noch die schon so sehr enervierten Gläubigen vor den Kopf stoßen zu sollen? So geriet denn die Erklärung von Fulda vage und schillernd. Was den die Öffentlichkeit so sehr beschäftigenden Fall betrifft, können sich die Bischöfe unter Hinweis auf das noch im Gang befindliche Verfahren des Urteils enthalten. Was aber die Lehre der Kirche angeht, müßte diese mit weit größerer Klarheit ausgesprochen werden. Immer wieder fällt auf, wie hart das die berufenen Lehrer der Wahrheit heute ankommt. Zunächst wirkt es natürlich gut und verpflichtet zu nichts, bei Verdacht von Besessenheit zu höchster Umsicht und Zurückhaltung zu mahnen. Hier steht der Wunsch, sich mit der theoretischen Bejahung einer Realität, die praktisch doch nie mit voller Sicherheit faßbar wird, aus der Affäre ziehen zu können, spürbar zwischen den Zeilen. Wo indes das überlieferte Wort der Kirche massiv und eindeutig spricht, geht man ebenso unmißverständlich auf Distanz: »Hinweise und Texte des Großen Exorzismus im Rituale Romanum entspringen dem Denken und Empfinden einer anderen Zeit und bedürfen deshalb einer Neufassung, die seit längerem in Vorbereitung ist.« Daß die Anwendung dieses bestbekannten Prinzips alles zu verändern erlaubt, was einem neuen »Empfinden« nicht entspricht, leuchtet von selbst ein; nicht weniger durchsichtig ist, daß solche beanstandeten Texte tatsächlich keinem speziellen »Empfinden« entspringen, sondern schlicht jenem Glauben, den zu bekennen den Bischöfen heute zumindest inopportun scheint. Diesem Bekenntnis geht auch der folgende Satz gekonnt aus dem Wege: »Weder Mißdeutungen einer überlieferten Lehre, noch Mißbräuche, noch die Aussagen einzelner Theologen rechtfertigen es, Glaubensinhalte preiszugeben.« Man müßte präzise wissen, was hier als Glaubensinhalt betrachtet wird, um klar erfassen zu können, worin man »Mißdeutungen« der Lehre erblickt, was als »Mißbrauch« zu verstehen ist, welche Aussagen welcher Theologen gemeint sind. Auch die Beteuerung hilft wenig: »Wir können einfach nicht aus der Bibel herausstreichen, daß sie an vielen Stellen von Mächten und Gewalten, von Engeln und vom Teufel spricht.« Zu sehr ist schon geläufig geworden, was aus allen derartigen Texten unter Anwendung zeitgemäßer Exegese und unter Berücksichtigung hermeneutischer Regeln der Sinnerschließung modern durchaus Tragbares herausgelesen werden kann! So bewegt sich denn auch auf minimalistischer Spur der seltsame Satz: »Es wäre vermessen, wenn der Mensch sich als einzig mögliches geistbegabtes Wesen der Schöpfung verstünde.« Genügt es etwa dem Glauben des katholischen Christen, Engel und Teufel für möglich zu halten? Und: Was soll denn hier die Rede von “Vermessenheit”? Wie in vielen anderen Fällen scheint auch in der Erklärung von Fulda zum Problemkreis Teufel, Besessenheit, Exorzismus schließlich doch alles befriedigend gelöst und aufs beste bestellt, da die einschlägige Lehrentscheidung des IV. Lateran-Konzils von 1215 wörtlich zitiert wird. Leider kommt solcher Einbeziehung klassischer Dokumente des Magisteriums in zeitgenössische Stellungnahmen der Kirche keineswegs mehr die Bedeutung fragloser Übernahme und Bekräftigung der in jenen Zeugnissen formulierten Doktrin zu; gelten ja auch sie einem Denken und Empfinden entsprungen, das nicht mehr das unsere ist. Der naive Gläubige fühlt sich beruhigt, der wissende »Glaubende von heute« in seiner neuen Sicht der Dinge ungestört. Er liest mit Genugtuung, was die Bischöfe anfügen: »Die Theologie steht vor der Aufgabe, die unaufgebbare Wahrheit über das Böse und den Bösen so zu vermitteln, daß auch der heutige Mensch zu ihr einen verläßlichen Zugang findet.« Damit ist zum bedenklichen Ende aller Relativierung Tür und Tor geöffnet. Selbst in der frommen Erinnerung daran, daß Christus »die Macht des Teufels und der Dämonen überwunden hat«, dominiert dann für den, der zu lesen versteht, die kaum verhohlene Billigung der Ansicht, daß der Satan »passé« sei. Wenn schon das Stichwort »Versagen der Kirche« gefallen ist, kann man nicht ganz übergehen, daß der Exorzismus von Klingenberg dem äußeren Schein nach ohne Erfolg war. Freilich wird der gläubige Betrachter dieses Geschehens nicht vergessen dürfen, daß Anneliese Michel am letzten Abend ihres Erdenlebens um die Absolution gebeten und diese empfangen hat. Niemand wird sich auch erkühnen, P. Renz nachträglich daran zu erinnern, daß »solche Geister nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden« (Mt 17,21), das heißt, durch den rückhaltlosen und opferbereiten Einsatz der mit den finsteren Mächten ringenden Priesterpersönlichkeit - denn das weiß P. Renz selber gut genug, ohne Zweifel. Daß der Exorzismus in schweren Fällen von Besessenheit oft wiederholt und durch lange Zeit hindurch vorgenommen werden muß, ist der Kirche bekannt, ebenso, daß zuweilen, wenn auch sehr selten, alle Anstrengung vergeblich bleibt. Hier sieht der Gläubige kein »Versagen«. Was sich allerdings im nachhinein an fast stolzer Bereitwilligkeit gezeigt hat, die Details der vollzogenen Riten samt allen sie begleitenden Ereignissen auf dem Markte der Neugier und Sensationslust auszubreiten - vom Interview bis zur Fernsehsendung, von der Schilderung der eigenen Erfahrungen bis zum Abspielen des Tonbandmaterials -, kann uns nicht gefallen. Nicht nur der Beichtstuhl ist streng versiegelt; im Grunde haben alle Belange der Seelsorge und erst recht so ernste wie die des erörterten Falles Anspruch auf Diskretion. Sie ist verletzt worden und zwar gröblich. Leider. Auch das gehört zu dem Punkt, den wir hier berühren wollten: »Versagen der Kirche«. Sicher, hier kommen Fehler zur Sprache. Nicht deshalb, weil es uns ein Anliegen wäre, Vorwürfe zu erheben. Auch darum nicht, weil es heute fast dazugehört. nach der Kirche mit Steinen zu werfen. Nein. Aber man muß Fehler sehen, um sie einzusehen. Man muß sie einsehen, um sie künftig verändern zu können. Oder sollte nur der Kirche die Fähigkeit mangeln, aus Fehlern zu lernen? 4. Gläubige Beurteilung Was sich für Menschen säkularistischer Haltung, die sich hier einzig vom Ungewöhnlichen und Sensationellen angezogen fühlen, als Phänomenkomplex des psychischen Grenzbereichs darstellt, kann aus dem Glauben weit sicherer und zugleich nüchterner beurteilt werden; der ohne Abstriche gläubige Katholik sieht in solchen Erscheinungen, die der Kirche nicht fremd sind, Satan am Werk, den Erzfeind Gottes und der Menschheit, der seit dem Morgen der Geschichte die Pläne des Schöpfers zu durchkreuzen strebt, der sich mit dem Aufgebot seiner ganzen Intelligenz und geistigen Macht Christus entgegenstellte und seither das Wirken der Gnade in der Welt mit den diabolischen Querschüssen von Verführung, Lüge und Destruktion begleitet. Ohne zu einem abschließenden theologischen Fachurteil in dem Fall von Klingenberg - mangels Möglichkeit zur Überprüfung aller hier zu berücksichtigenden Fakten - befähigt, noch gar hiezu autorisiert zu sein, ist es doch zulässig zu sagen, daß alle bekannt gewordenen Details dieses jüngstvergangenen Ereignisses, mögen sie auch nicht selten sichtlich entstellt und ohne religiösen Einblick in die Vorgänge berichtet worden sein, in theologischer Schau mit großer Zuverlässigkeit als typische Momente dämonischer Aktivität verifiziert werden können, daß also der betreffende Fall mit einem hohen Grad von Sicherheit als echte obsessio (Besessenheit) angesprochen werden darf. Eine solche Einwohnung des Dämons (oder mehrerer Dämonen) im Menschen stellt den Gläubigen vor keine unüberwindlichen Verständnisschwierigkeiten. Allein die biblischen Berichte über entsprechende Vorkommnisse, ihre Ursachen, ihre Erscheinungsweisen und ihre Behandlung, sind so klar und zahlreich, daß maßloses Erstaunen und schreckhafte Hilflosigkeit einem solchen Geschehen gegenüber den Ungläubigen vorbehalten bleiben müßte, den Christen aber keineswegs ansteht. Die mit Entsetzen gemischte Verwunderung hierüber, die wir in Deutschland eben erlebt haben, erklärt sich gewiß zum Teil aus der Eigenart und Seltenheit des Phänomens, welch letztere gefühlsmäßig noch größer erscheint, als sie tatsächlich ist, da man zu anderen Zeiten in glücklichem Gegensatz zu heute derlei nicht an die große Glocke gehängt hat. Daß aber so sehr der Eindruck vorherrscht, die Sache selbst geistig nicht bewältigen zu können, hat ohne Zweifel mit dem geradezu epidemischen Dahinschwinden des Glaubens zu tun, das in solchen Reaktionen alarmierend ans Licht tritt. Der Gläubige sieht indes auch umgekehrt einen Zusammenhang: das offensichtlich mächtige Anwachsen satanischen Einflusses auf das Leben der Völker und der Einzelnen, das sich ja in den verschiedensten Formen zu erkennen gibt, wird selber als Folge einer schwerwiegenden Veränderung der geistigen Machtverhältnisse im seelischen Bereich faßbar; das tausendfache Aufgeben der Orientierung unseres Lebens auf Gott in Gleichgültigkeit und Abfall und das hieraus resultierende gewaltige Anwachsen von Sünde und Schuld hat im Verlust von Glaube und Tugend das Potential der Gnade in der Welt dermaßen geschwächt, daß ein Vorpreschen des Feindes und sein Erstarken in den Seelen fast zwangsläufig eintreten muß. Gewiß sind geistige Größen nicht auf die Weise materieller wägbar und meßbar; dennoch haben sie eine ihnen eigene Kapazität und Kraft, auf Grund welcher sie, ob gut oder böse, in einem Verhältnis zueinander stehen, einander die Waage halten oder sich gegenseitig überwinden können. Unter Bedachtnahme auf diese geistige Grundgegebenheit, die dem Gläubigen durchaus geläufig ist - das sittliche Streben jedes Menschen spielt sich auf dem Felde der heilsgeschichtlichen Auseinandersetzung des Geistes Gottes mit dem Geiste Satans, des Widersachers, ab -, können Ereignisse wie jenes von Klingenberg die wahren geistigen Kräfteverhältnisse in einer bestimmten historischen Situation, die aus den freien Entscheidungen der Menschen für oder gegen Gott hervorgehen, und den ernsten Charakter einer solchen Lage blitzartig sichtbar machen. Dies wird jedoch legitimerweise nur in dem allgemeinen Sinne richtig verstanden, daß hier und jetzt das Ringen zwischen Christus und Antichrist vielleicht einem neuen Höhepunkt zustrebt. Nicht aber dürfte man aus dem bekannten Vorfall auch schon schließen, der dabei unter dem offenkundigen Einfluß des Teufels stehende Mensch wäre als ein Hauptschuldiger und vorzüglicher Verbündeter Satans in dem erwähnten Kampf zu betrachten. Es kann sich sehr leicht ganz anders verhalten: nämlich daß eine gläubige, fromme Seele, der ein tiefer Einblick in die furchtbare Not vieler geschenkt ist, dieses grausige Los der Besessenheit gleichsam stellvertretend auf sich nimmt, um so zur Befreiung anderer aus der Gewalt Satans beizutragen, die ja kein geringeres Übel darstellt, auch wenn sie nicht in der Form der Besessenheit auftritt. Was über Charakter und Religiosität der Anneliese Michel aus Klingenberg bekannt geworden ist, läßt gerade bei ihr an eine solche Möglichkeit denken. Dennoch bliebe das Ereignis ein Signal für die weit gediehene Bedrohung der gegenwärtigen Welt durch Satan; denn nur äußerste Gefahr läßt solche äußerste Schritte zu ihrer Bannung ins Auge fassen. Der geistige Kampf, der hier mit großer Deutlichkeit sichtbar wird, steht in keinem Gegensatz zu dem von Christus über den Teufel erfochtenen Sieg: beides, Kampf und Sieg, erfüllen den christlichen Aion, die Endzeit, die von der ersten bis zur zweiten Ankunft des Sohnes Gottes währt. Erst mit der Parusie des Herrn zum Gericht wird dieser Kampf beendet sein und Satan für immer gefesselt werden, mit allen Dämonen und den Verdammten verstoßen in den Abgrund der Finsternis. So lehrt uns Christus, und so lehrt im Auftrag Christi die Kirche. Solange aber die Vorläufigkeit dieser Weltzeit anhält, ist Satan noch ein Spielraum des Wirkens in dieser Welt gegeben. Aufgabe des Menschen ist es, ihm im Geist und der Kraft Christi zu widerstehen und so in die Teilnahme an Christi Triumph hineinzuwachsen. 5. Positive Aspekte So düster das Erscheinungsbild einer Besessenheit vom Teufel auch ist und so ernst der Zustand einer von satanischen Mächten heimgesuchten Welt, auf den jenes Phänomen aufmerksam macht, mangeln doch einem derartigen Vorgang nicht die positiven Aspekte. Zu diesen gehört der Rückgewinn jenes größeren Horizontes, der dem Menschen der Neuzeit verlorengegangen war. Für viele ist es wohl eine grundstürzende Erkenntnis, die radikales Umdenken verlangt, daß sich das Geflecht von Ursachen und Wirkungen, in das sie verwoben sind, nicht allein in innerweltliche Faktoren auflösen läßt. Die neue Zurkenntnisnahme der außerirdischen Geistmächte mag manchem etwas wie eine bedingungslose Kapitulation seiner bisher behaupteten Standpunkte abfordern - sie ist aber für jeden, der sie noch nicht in Rechnung gestellt hatte, gleich notwendig wie heilsam. Wenn auf dem Wege dieser schmerzlichen Erfahrungen der Dünkel der Moderne vom autonomen Menschen allmählich abgebaut und das Syndrom der rationalistischen Wahnvorstellungen schließlich überwunden wird, muß auch hier der böse Geist wider Willen einem guten Zwecke dienen. Nicht nur der bislang Ungläubige kann aus der Manifestation Satans Nutzen ziehen; jeder Einbruch der höllischen Macht bewirkt auch für den Gläubigen eine Aufrüttelung des Gewissens. Wie oft ist gerade ein falsch gedeutetes Bewußtsein völliger Geborgenheit im Glauben für den Christen Anlaß zu zunehmender Leichtfertigkeit gegenüber dem Feind und zu riskanter Schlummrigkeit in der Gefahr! Wie leicht geraten unter dem Einfluß der allgemeinen Bagatellisierung der Sünde und frivoler Oberflächlichkeit der Gesellschaft die Maßstäbe für Gut und Böse außer Gebrauch, um zuletzt gänzlich abhanden zu kommen! Muß nicht ein so fataler Frontbericht wie der aus Klingenberg manchem miles christianus (Soldat Christi) bewußt machen, daß er sich - ohne Urlaub von seiten seines himmlischen Kriegsherrn - längst aus der Geistesschlacht absentiert hat, um irgendwo in der Etappe das träge Vagantenleben eines kampfscheuen Deserteurs zu führen? Muß er nicht jedem, der sich noch einen Rest von Glauben bewahrt hat, ein Ansporn sein, die Festung seines Herzens dicht zu machen gegen das heimliche, ränkevolle Eindringen des Feindes? Gewiß nicht gering dürfen wir des weiteren jenes Moment in Anschlag bringen, das die Theologie »Scheidung der Geister« nennt. Je herausfordernder, wenn wir so sagen dürfen, sich das Außerirdische in dieser Welt zur Geltung bringt, desto unumgänglicher wird die Parteinahme des Menschen pro oder contra. Je beißender der Spott über den Teufel auf der einen Seite wird, desto klarer muß sich auf der anderen der Glaube kundgeben. Man komme nun ja nicht damit, daß dies - allem Pluralismus und Irenismus zum Trotz - ein Aufruf zur »Polarisierung« sei. Ohne eine solche ist nämlich weder christliche Existenz noch der Kampf dieser Endzeit denkbar. Und wenn es in der Bibel, bezogen auf jene letzte Phase der Geschichte, heißt: »Der Frevler mag noch mehr Frevel tun und der Unreine noch mehr Unreines. Der Gerechte aber handle noch gerechter, und der Heilige heilige sich noch mehr« (Apk 22,1.1) - was ist dies anderes als der gültige Hinweis auf die Unerläßlichkeit der Polarisierung? Verschämtes Verschweigen der Wahrheit dient keinem Frieden, sondern kommt schuldbarer Irreführung gleich. Von hoher Bedeutung ist ferner der Aufblick zu Gott, der uns gerade in der Begegnung mit den höllischen Mächten zu einem lebendigen Bedürfnis des Herzens wird. Was könnte uns auch mehr antreiben, in Angst und Not, aber auch in Sorge und Sehnsucht das Antlitz des Herrn zu suchen, als solch dreister Vorstoß des Satans ins unseren Lebensraum? Die Hinkehr zu Gott wird uns lehren, daß er auch in derartigen Zulassungen immer noch seine Güte beweist. Gott scheut nicht davor zurück, unsere Welt mit den drastischesten Mitteln zu warnen, aufzuwecken und vom Abgrund zurückzureißen. Daß wir das Opfer der Besessenheit nicht als notwendig verloren betrachten müssen, wurde schon erwähnt. Ward nicht auch Christi Leib und Leben durch den Einfluß Satans auf die Menschen, die er zu unerbittlichen, haßerfüllten Feinden Jesu machte, zerstört, ohne daß der Teufel in Wahrheit vermocht hätte, über Christus zu triumphieren? Was will Gott in allem, was er tut und zuläßt auf Erden, erreichen? Doch dies: unser aller Abkehr von der Sünde und unsere Rettung ins Heil, das Er selber ist. Ein letzter, positiver Aspekt des Vormarsches Satans soll nicht unausgesprochen bleiben: es ist die ernste Mahnung an die Kirche, der Verweltlichung zu steuern, allen Tand irdischer Eitelkeit und menschlichen Ehrgeizes beiseite zu legen, aufzugeben das törichte Verlangen nach dem Beifall der Welt, weil dies die verhängnisvollen Dinge sind, die sie den finsteren Mächten der Hölle gegenüber schwächen, ja lähmen. Es ist die eindringliche Mahnung an sie, sich auf ihr Wesen und ihre Sendung zu besinnen und sich aufs neue dem Heiligen Geist zu öffnen, der durch sie wirken will. Der Augenblick solchen Sich-Aufraffens der Kirche in Demut und Reue wird die göttliche Macht Christi über den Fürsten der Finsternis glanzvoll aufstrahlen lassen. |
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