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Wider alle Regeln

Das Konklave auf dem Konzil von Konstanz

Von Ulrich Nersinger

Ein Konzil, das von einem König erzwungen wird, ein Konklave, das der Tradition und den kirchlichen Gesetzen widerspricht, wäre in normalen Zeiten ein Skandal. Doch zu Beginn des 15. Jahrhunderts erfordern die Umstände ein drastisches Vorgehen …

In Konstanz am Bodensee, der einzigen deutschen Stadt, in der ein Konzil abgehalten wurde, entstand 1990 der kleinste Triumphbogen Europas. Das rund acht Meter hohe Monument wurde von dem aus Nürnberg stammenden Bildhauer Peter Lenk geschaffen. Der eigenwillige Triumphbogen zeichnet sich durch bildlich-zeitliche Gegensätzlichkeit aus. So ist auf einem Relief Papst Johannes Paul II. (1978-2005) im Papamobil zu sehen, auf der gegenüberliegenden Seite sieht man einen berühmten Zwischenfall, der im Jahre 1414 Papst Johannes XXIII. auf dem Weg nach Konstanz ereilte.

Johannes XXIII. ist kein Schreibfehler. Es handelt sich bei dem Betreffenden um Baldassarre Cossa, der gegen den in Avignon residierenden Benedikt XIII. und den in Rom herrschenden Gregor XII. am 17. Mai 1410 in Bologna zum „Papst“ gewählt worden war. Es ist die Zeit des Großen Abendländischen Schismas, das im Jahr 1378 begonnen hat. Drei Päpste kämpfen verbittert um die Anerkennung als Oberhaupt der Kirche. Unter den Gläubigen herrschen Verwirrung und Verzweiflung. „Wie nötig und nützlich eine Reform der Kirche ist, weiß die ganze Welt, weiß der Klerus, weiß alles christliche Volk“, klagt ein Theologe der Zeit. „Es ruft der Himmel, es rufen die Elemente, es ruft es der täglich umkommenden Opfer zum Himmel spritzendes Blut. Mit ihnen werden schon die Steine zum gleichen Ruf gezwungen.“ Da ergreift der römisch-deutsche König Sigismund die Initiative. Das kirchliche Recht kann er nicht brechen — doch er beugt es. Er kündigt ein Konzil an. Dann zwingt er Johannes XXIII., es offiziell einzuberufen. Stattfinden soll die Kirchenversammlung am Bodensee, in Konstanz.

Der ehrgeizige und skrupellose Baldassarre Cossa macht sich widerwillig zum Konzil auf, um für seine Sache, den päpstlichen Thron zu kämpfen. Auf der Fahrt dorthin ist er gezwungen, den nicht ungefährlichen Albergpass zu überqueren. Die Pferde, die den Karren Johannes’ XXIII. ziehen, versagen auf der beschwerlichen Passstraße den Gehorsam. Sie werden unruhig und versuchen auszubrechen. Reitknechte und Dienerschaft versuchen der heiklen Lage Herr zu werden. Doch ohne Erfolg. Der Karren kippt um, und der „Heilige Vater“ findet sich auf dem Boden wieder. In Ulrich von Richentals Chronik des Konstanzer Konzils zeigt ein Holzschnitt das Unglück. Johannes XXIII. soll nach dem Sturz gerufen haben, nun liege er hier in Gottes Namen. Eine anonyme Hand fügt dem Holzschnitt später in Latein und Deutsch die Worte hinzu: „hic iacet inanimus dyabilus — hie leich der teufel im drecke“.

Zum Einzug in die Bodenseestadt wählt Baldassarre Cossa die Form des feierlichen adventus. Durch den Adventus umgaben sich in der Antike orientalische Herrscher und die selbstbewussten Cäsaren Roms mit göttlichem Nimbus und präsentierten sich dem Volk gleichsam als überirdische Heilsbringer. So reitet Cossa mit großem Gepränge in Konstanz ein. Das Schicksal ereilt ihn am Ende der Prozession. Noch bevor Johannes XXIII. von seinem prachtvoll geschmückten Schimmel herabsteigen kann, streiten sich die Stratoren — die Halter der Zügel — um den Besitz des Pferdes. Eine uralte Tradition gesteht dem ältesten der Stratoren nach dem Adventus als Belohnung das päpstliche Reittier zu. Der Kampf um den Schimmel bringt Cossa in Bedrängnis. Krampfhaft, doch sehr unvorteilhaft, hält er sich fest. Dann aber folgt der unvermeidliche Sturz. Das Gelächter der Umstehenden ist für Johannes XXIII. demütigender als die Angriffe seiner „Mitpäpste“.

König Sigismund und der Großteil der in Konstanz versammelten Kirchenmänner finden sich durch die Episode nurmehr bestärkt, der Kirche ein neues Oberhaupt zu geben. Man handelt rigoros. Johannes XXIII. wird in Haft genommen, ihn und die beiden anderen „Päpste“ fordert der König zum freiwilligen Rücktritt auf. Sie alle drei werden für abgesetzt erklärt. Das Konzil nimmt das Heft in die Hand. Am 28. Oktober 1417 einigt man sich feierlich auf die folgende Wahlordnung: „Es sollen zu den Kardinälen 30 Wahlmänner, sechs aus jeder Nation, hinzutreten. Papst solle derjenige sein, welcher Zweidrittel von den Stimmen der Kardinäle und Zweidrittel jeder Nation erhalte. Die Wahl solle innerhalb von zehn Tagen beginnen.“ Mit den Nationen sind Deutschland, Frankreich, Italien, England und Spanien gemeint.

So wird für den 8. November das Konklave angesetzt. Zum Ort der Wahl, wo die 23 Kardinäle und 30 „Deputierte“ ihren Entscheid zu fällen haben, bestimmt man das alte Kaufhaus der Freien Reichsstadt. Es wird zu einer regelrechten Festung ausgebaut. Alle Fenster und Türen werden sorgfältig vermauert. Zum See hin ist das Gebäude mit hohen Balken abgesperrt; so „hoch wie ein Kriegsspieß“, heißt es in einer Chronik. Diese stehen so dicht nebeneinander, dass niemand eine Hand hindurchstrecken kann. Zwölf Söldner des Rates der Stadt und die gleiche Anzahl von königlichen Soldaten halten hier Tag und Nacht Wache. Kein Schiff darf sich auf dem Bodensee weiter als auf Pfeilschussweite dem Haus nähern. Zum Schutz vom Wasser her sind in dem See, „soweit eine Armbrust reicht“, große, aneinander gebundene Holzstämme eingelassen worden, die eine Fahrt zu dem Kaufhaus unmöglich machen.

Nur eine einzige Tür führt in das Gebäude. Auch sie wird von 24 Bewaffneten gesichert. Die Tür kann mit einem gewaltigen Schloss versperrt werden. Drei Schlüssel sind nötig, es zu öffnen oder zu schließen. Einen hat der König in Verwahrung, einen anderen das Konzil, den dritten das Domkapitel von Konstanz. Wer in das Kaufhaus eintritt, gelangt an eine zweite Tür mit einer viereckigen Durchreiche, die ebenfalls mit einem Vorhängeschloss versperrt werden kann. Türhüter und Träger des Schlüssels ist der Hochmeister des Hospitalordens der Ritter von Rhodos, der Johanniter. Bei diesem Zugang halten sich Tag und Nacht zwei Bischöfe und Abgesandte des Konzils auf. Auch drei Fürsten und Grafen sind dort postiert. Sie alle sind für die Überwachung der Verpflegung der Konklaveteilnehmer zuständig. Zu den Essenszeiten bringen zwei Knechte jedem der Papstwähler eine Gelte (hölzerne Truhe). Sie ist aus Holz und mit dem Wappen des Adressaten bemalt. In ihr befinden sich Brot, Fleisch, Fisch und Gemüse. Ein weiterer Knecht trägt der Gelte zwei durchsichtige Gefäße voran, eines mit weißem, das andere mit rotem Wein gefüllt. Die Bischöfe, Prälaten, Fürsten und Grafen öffnen dann die Gelten, zerschneiden die Lebensmittel und überprüfen, ob sich darin irgendwelche Nachrichten befinden. Das Gemüse und die Getränke probieren sie mit Löffeln. Wird alles für unbedenklich befunden, reicht man es dem Hochmeister, der es durch die Durchreiche in der Tür an denjenigen weitergibt, für den es bestimmt ist.

Den Teilnehmern am Konklave ist gestattet worden, einen Diener mitzunehmen. Dieser bezieht einen Verschlag vor der Kammer seines Herrn. „Vor dem kämerlin war ain clains kämerlin gebuwen, das yegliches knecht inlag, won jeglicher mit ainem knecht inhin gieng, und nit mer“, berichtet als Zeitzeuge Ulrich von Richental. Der König und das Konzil haben zudem verfügt, dass Teilnehmer gleicher Nationalität keine Zellen nebeneinander erhalten dürfen. So hofft man, vertraute Gespräche und Abmachungen zu unterbinden. Das Zimmer der Papstwähler ist mit einem Bett, einem Tischchen und Sitzgelegenheiten ausgestattet. Kein Sonnenstrahl, kein Licht von draußen dringt in die ehemalige Kaufhalle. Im Erdgeschoss würden große Laternen mit mehreren Kerzen brennen, berichtet Ulrich von Richental, ebenso im ersten Stock. Dort, im ersten Stock des Gebäudes, bei der Treppe, haben Zimmerleute eilends eine kleine Kapelle mit drei Altären errichtet. Auch sie muss ohne Tageslicht auskommen, und die Zelebranten sind gezwungen, die heilige Messe allein bei Kerzenschein zu feiern.

Schon in der Nacht zum 11. November kommen die Mitglieder des Konklave zu einer Einigung, und in den Morgenstunden des Tages steht das neue Oberhaupt der Kirche fest: Oddone Colonna. Der Kardinaldiakon von San Giorgio in Velabro gibt sich den Namen des Tagesheiligen. Als Papst Martin V. wird der Spross eines der vornehmsten Adelsgeschlechter der Ewigen Stadt dem Volk verkündet. „Die Menschen konnten vor Freude kaum sprechen“, berichtet ein Augenzeuge. Die Konstanzer Wahl findet allgemeine Anerkennung. Über Mantua und Florenz kehrt Martin V. nach Rom zurück. Unter seiner Herrschaft wird die halb zerstörte Stadt am Tiber zu neuer Blüte geführt. Der fromme und bescheidene Pontifex erweist sich als ein fähiger, die Reform unterstützender Verwalter der Kirche. Aber er besitzt auch ein Ohr für die weltlichen Bedürfnisse seiner Untertanen. Den Römern gestattet er, die Feier des Karnevals auf mehrere Tage auszudehnen. Sie danken es ihm auf ihre eigene Art und nennen ihn il Papa Carnevale. Am 20. Februar 1431 stirbt Martin V. Die Inschrift an seinem Grabmal bezeichnet den Colonna-Papst als „temporum suorum felicitas — das Glück seiner Zeit“.

Seinem „Vorgänger“, Johannes XXIII., bleibt ein solcher Zuspruch verwehrt. Wie seine Reise nach Konstanz und der verunglückte Adventus, so wird auch seine Abreise aus der Bodenseestadt zu einer tiefen Demütigung. Noch bevor das Konzil richtig tagt und das Konklave beginnt, flieht er in der Nacht vom 20. auf den 21. März des Jahres 1415 — als Reitknecht verkleidet — „uff ainem klainen rösly“ nach Schaffhausen. Die Flucht wird ihm durch Herzog Friedrich von Tirol ermöglicht. In Konstanz ist man bestürzt. Angst kommt auf, das Schisma könnte weiterbestehen. Doch bevor Baldassarre Cossa von außen auf das Konzil Einfluss nehmen kann, handelt König Sigismund. Er lässt den Flüchtigen am 29. April in Freiburg im Breisgau gefangen nehmen und befiehlt dem Reichsvikar Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, ihn im Heidelberger Schloss festzusetzen, bis in Konstanz ein neuer Papst gewählt ist. Das Konzil unternimmt den nächsten, folgerichtigen Schritt. Es erklärt Johannes XXIII. für abgesetzt. Zu guter Letzt nimmt aber auch der weitere Lebensweg des Ex-Papstes ein positives Ende. Die Ereignisse haben ihn geläutert. Baldassare Cossa reist zu Martin V. und wirft sich ihm zu Füßen. Der Papst begnadigt ihn nicht nur, sondern ernennt ihn darüber hinaus zum Kardinalbischof von Tusculum und Dekan des Heiligen Kollegiums.

Am Ende einer der schwersten Krisen, in die die katholische Kirche geraten war, urteilt der protestantische Geschichtsschreiber und erklärte Gegner des Papsttums, Ferdinand Gregorovius: „Jedes weltliche Reich würde darin untergegangen sein; doch so wunderbar war die Organisation des geistlichen Reiches und so unzerstörlich die Idee des Papsttums selbst, dass diese tiefste der Spaltungen nur dessen Unteilbarkeit bewies.“

Aus dem Buch: Ulrich Nersinger, Tatort Konklave, Verlag Petra Kehl. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags.


Der Streit um das Zweite Vatikanische Konzil

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