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Der Geist des Konzils

Ein Blick auf seine Deutungsgeschichte

Von Bischof Rudolf Voderholzer

Im Rahmen der Erarbeitung einer reflektierten Verstehenslehre hinsichtlich der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich seit geraumer Zeit die Rede vom „Geist des Konzils“ eingebürgert. Bestimmte Lehren oder Maßnahmen in der Kirche entsprächen entweder oder widersprächen dem „Geist des Konzils“, so lautet eine häufig vorgetragene Qualifizierung. Auch ist in der Regel die Berufung auf den „Geist des Konzils“ ihrerseits nicht weiter begründungspflichtig, sondern eine Art Machtwort. Mit der Berufung auf den „Geist des Konzils“ hat die letzte Instanz gesprochen.

Auch sagt man gewiss nichts gänzlich Unbelegbares, wenn man behauptet, dass die Berufung auf den „Geist des Konzils“ zumindest gegenwärtig eher in sogenannten progressiven Kreisen anzutreffen ist, die Vorbehalte dagegen eher von Konzilsinterpreten stammen, die stärker die Kontinuität der Lehrverkündigung betonen.

Bemerkenswert ist, dass es wohl bei keinem der früheren Konzilien eine vergleichbare Rede von einem „Geist des Konzils“ gegeben hat. Gewiss, das erste Nizänum war bald nach seiner Verabschiedung wieder umstritten. Aber statt sich auf einen „Geist des Konzils“ zu berufen, hat man versucht, gleich den Buchstaben selbst zu verändern, indem man das „homoousios“ in ein „homöousios“ verwässern wollte. Das Tridentinum war offensichtlich in seinem Buchstaben hinreichend eindeutig, auch wenn es mancherorts lange gedauert hat, bis es umgesetzt wurde. Gibt es aber im Zusammenhang mit einem anderen Konzil die Rede von dessen Geist in Spannung zum Buchstaben? Es sei denn, wir projizieren aus unserer heutigen Wahrnehmung diese Denkfigur zurück? Sieht man nun näher zu, zeigt sich, dass die Häufigkeit der Berufung auf den „Geist des Konzils“ in einem merkwürdigen Kontrast steht zur Bemühung, Auskunft darüber zu geben, was oder wer dies denn nun eigentlich sei, der „Geist des Konzils“, wo man seiner habhaft werden, wie man ihn empfangen oder näher bestimmen und somit dem Vorwurf entgehen könne, nur die jeweils eigene Lieblingsidee damit zu identifizieren. Es gibt keine wissenschaftliche Arbeit, die sich dieser Frage in aller Gründlichkeit gestellt hätte.

Immerhin: Der „Geist des Konzils“ taucht als Interpretationsfigur bereits während des Konzils auf. Nach dem Tod von Johannes XXIII. liest man in Presseorganen erstmals 1963 vom „Geist des Konzils“, und zwar mit der deutlichen Zielsetzung, dem Konzil die engagierte Fortführung des unter Johannes XXIII. begonnenen zu empfehlen. Der römische Korrespondent der FAZ schreibt in der Ausgabe vom 22. November 1963: „Hier aber geht es darum, die Kommissionen mit dem ,Geist des Konzils‘ in Übereinstimmung zu bringen. Die Kommissionen, allen voran die Theologische Kommission (Kardinal Ottaviani), erwiesen sich bisher als das hemmende Element, von geringen Ausnahmen abgesehen, zu denen das Sekretariat Bea, die Liturgische Kommission und die Kommission für das Laienapostolat gehören.“ Bemerkenswert ist, dass hier vom „Geist des Konzils“ gesprochen wird ohne einen erkennbaren Hinweis darauf, dass es sich um einen neuen Begriff handelt. Diesen Fund verdanken wir der liebevollen Gestaltung des nach wie vor unveröffentlichten Konzilstagebuchs von Otto Semmelroth, der besondere Tage und Ereignisse während des Konzils dadurch gewürdigt hat, dass er Zeitungsausschnitte dazuklebte.

Ein weiteres Beispiel ebenfalls aus dem Konzilstagebuch von Semmelroth wäre ein Beitrag aus der FAZ vom 4. November 1964, wo wiederum „Geist des Konzils“, hier allerdings in der Formulierung „der neue Geist, der hinter allem steht“, also schon während der Entstehung des Konzils, in diesem Fall während der dritten Konzilssession, auftaucht.

Die zweite bemerkenswerte Tatsache ist, dass sich Papst Paul VI. diese Redefigur zu Eigen gemacht hat. Die Rede vom „Geist des Konzils“ ist interessanterweise sehr früh vom Konzilspapst Paul VI. selbst aufgegriffen worden. Man kann seine Einführung also nicht allein Konzilsinterpreten oder gar der sich um die Zeitschrift Concilium versammelnden Theologengruppe zuschreiben, wie man dies vielleicht zunächst vermuten würde. Aufgrund seiner sehr frühen päpstlichen Rezeption ist die Denkfigur ernst zu nehmen. Wenn der Papst selbst vom „Geist des Konzils“ spricht, kann man es nicht als eine unzulässige Interpretationsfigur kritisieren.

Die erste Verwendung bei Paul VI. steht in seiner Eröffnungsrede zur vierten Konzilssessio vom 14. September 1965. Der Papst macht darin in einer Passage auf das Schicksal der Kirche in der Verfolgung aufmerksam. Immerhin war es einer nicht geringen Zahl von Bischöfen aus politischen Gründen nicht möglich, zum Konzil zu erscheinen, manche saßen womöglich wegen ihres Glaubens im Gefängnis. Die zweifache Reaktion des Papstes, ein doppelter Akt der Liebe, wie Paul VI. sich ausdrückt, ist zum einen der herzliche Gruß an die Bischöfe in der Verfolgung als Zeichen der Ermutigung und zum anderen die Erinnerung an die ganze Kirche, auch die Feinde zu lieben und für sie zu beten. Diese zweifache Reaktion wird als Ausdruck der Treue zum „Geist des Konzils“ eingeführt. Ist diese Verwendung noch eher beiläufig und kaum gezielt, handelt es sich bei der zweiten Verwendung bereits eher um eine programmatische Aussage.

Bei der Ansprache in der Öffentlichen Sitzung vom 18. November 1965 lässt Paul VI. das Auditorium mit dem Problem zurück, dass er eine Unbekannte mit einer anderen erklärt. Paul VI. ist sich des Umstands bewusst, dass die Kirche an der Schwelle zwischen der Erarbeitung der Konzilstexte und seiner künftig zu leistenden Umsetzung steht. Immerhin war die Zielgerade erreicht und der Abschluss für den 8. Dezember angesetzt. Der Papst blickt zurück, rekapituliert die zurückliegenden Jahre, erkennt darin drei Phasen und bestimmt die gegenwärtige Phase als die „der Vorsätze, Annahme und Durchführung der Konzilsdekrete“. Diese Phase sei die des eigentlichen Aggiornamento, also der eigentlichen Verheutigung. Diesem Wort, so Paul VI. schon durchaus in Abgrenzung zu bestimmten Deutungen, habe Johannes XXIII. durchaus „nicht die Bedeutung geben wollen, die ihr vielleicht jemand beilegen möchte, als besage es etwa die Relativierung all dessen, was die Kirche beinhaltet, Dogmen, Gesetze, Strukturen, Traditionen, gemäß dem Geist der Welt“. Der „Geist des Konzils“ wird dem „Geist der Welt“ entgegengestellt – eine fast johanneische Dualität. „In Wirklichkeit“, so fährt der Papst fort, „war in ihm der Sinn für die Stabilität der Lehre und der Struktur der Kirche so lebendig, dass er sie zum Angelpunkt seines Denkens und seines Wirkens machte. Aggiornamento will von jetzt an sagen: alles klug mit dem ,Geist des Konzils‘ durchdringen und gewissenhaft die Normen anwenden, die es aufgestellt hat.“ Abgesehen davon, dass hier der Begriff Aggiornamento durch den Begriff „Geist des Konzils“ aktualisiert und damit ein zu klärender Begriff durch einen anderen ebenso mehrdeutigen erklärt wird, sollte doch festgehalten werden, dass Paul VI. das nunmehr notwendige Aggiornamento, also die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse im Sinne der Durchdringung des kirchlichen Lebens mit dem „Geist des Konzils“, an die gewissenhafte Anwendung der konziliaren Normen knüpft.

Wenige Wochen nach Beendigung des Konzils hält es der Papst offenbar selbst für notwendig, die Frage zu beantworten: Che cosa s’intende per „spirito del Concilio“? Er beantwortet sie in einer Ansprache bei der Audienz vom 29.12.1965. Diese kurze Rede ist bislang kaum beachtet und auch nicht ins Deutsche übersetzt. Der Papst führt aus: „Der erste Aspekt des ,Geistes des Konzils‘ ist der Eifer. Das ist klar. Dieses allererste Ziel strebte das Konzil an, nämlich im Volk Gottes ein Aufwachen, eine Bewusstheit, guten Willen, Hingabe, Eifer, neue Vorsätze, neue Hoffnungen, neue Tätigkeiten, geistliche Kraft, Feuer zu wecken. […] Ein Verlangen nach Authentizität, Großmut, Vollkommenheit und Heiligkeit […]: durch ein neu erwachtes Bewusstsein seiner Berufung und durch einen lebhaften Spürsinn der Verteidigung gegen das Eindringen des Geistes der Zeit und auch durch einen wiedererwachten apostolischen Wagemut, die moderne Welt, wie sie ist, mit dem heilsamen Sauerteig der Botschaft des Evangeliums zu durchsetzen.“ Es handelt sich also weniger um eine inhaltlich zu bestimmende Größe, als vielmehr eine Haltung, eine Tugend, man könnte sagen: Paul VI. versteht hier unter „Geist des Konzils“ eine Art von „Begeisterung“, eine Leidenschaft für das Evangelium und seine Verwirklichung durch die Kirche in all ihren Lebensbereichen. Eine missionarische Begeisterung und auch eine leidenschaftliche Hinwendung zur Suche nach Heiligkeit. Wiederum stellt er den „Geist des Konzils“ dem Geist der Welt entgegen.

Ein Jahr nach Beendigung des Konzils findet sich die Rede vom „Geist des Konzils“ schließlich auch im Munde der Deutschen Bischöfe. In ihrem Hirtenwort im Anschluss an die Vollversammlung der DBK vom 27. bis 30. September 1966 in Fulda sprechen die Bischöfe von der bevorstehenden Liturgiereform und warnen vor zwei extremen und je auf ihre Weise gefährlichen Gegnern: „die Verständnislosen, die starr an dem Vergangenen festhalten, und die Ungeduldigen, die nicht anerkennen wollen, dass man den zweiten Schritt nicht zugleich mit dem ersten tun kann. Beide liefern die Argumente für ihre Fehlhaltung, beide sind vom Geist des Konzils gleich weit entfernt.“ Der Begriff wird also hier als Beschreibung der gesunden Mitte zwischen unbeweglicher Beharrlichkeit und ungestümer Reformwut in Bezug auf die Durchführung der durch Sacrosanctum concilium geforderten und angestoßenen Liturgiereform verwendet. Die Rede vom „Geist des Konzils“ ist päpstlich und bischöflich legitimiert. Sie steht freilich nicht im Vordergrund und beansprucht nicht, der Generalschlüssel für alle Fragen der Interpretation und Umsetzung des Konzils zu sein.

Wie verwendete Joseph Ratzinger, einer der bedeutendsten Periti, Berichterstatter und Kommentatoren des Konzils, den Begriff „Geist des Konzils“? In seinem 1966 erschienenen kleinen Band „Die letzte Sitzungsperiode des Konzils“ spricht Joseph Ratzinger davon, dass der Text und die Lösungen, die das Zweite Vatikanische Konzil liefern, in seiner Bedeutung für die Kirche beinahe überboten wird von dem „hinter ihm stehenden Ethos, das eine neue Art kirchlichen Redens hervorbrachte“. Geradezu enthusiastisch identifiziert der damalige Professor in Münster den „Geist des Konzils“ mit dem Pfingstgeist, der zu einer neuen Sprache der Verkündigung und Lehre befähigt. Papst Johannes XXIII. hatte die Rede vom Zweiten Vatikanischen Konzil als ein „neues Pfingsten“ geprägt. Er verband damit die große Hoffnung, dass die Kirche eine wirkliche Erneuerung im Heiligen Geist erfahre, dass sie in dem großartigen und einmütigen Glaubenszeugnis angesichts der modernen Welt wirklich in allen Sprachen spricht, dass jeder sie verstehen kann. Diese Vision muss auch für den jungen Konzilstheologen Joseph Ratzinger leitend gewesen sein. Seine Beiträge für das Konzil, angefangen bei der Genueser Rede (Entwurf für Kardinal Frings, 1961), in der er empfiehlt, die Kirche möge alles ablegen, was das Glaubenszeugnis unnötig erschwert, über die Randbemerkungen an den Schemata, in denen er immer wieder auf den mangelnden ökumenischen und pastoralen Sprachstil hinweist, bis zu den Entwürfen für die Konzilsreden von Kardinal Frings, in denen er nicht zuletzt die allzu schulmäßige Sprache kritisiert.

Nur sieben Jahre später klingt es bei Joseph Ratzinger wesentlich nüchterner. In einem Vortrag zum 10. Jahrestag der Konzilseröffnung beklagt er die Korrumpierung des Begriffs: „[…] wie schnell [konnten] die tatsächlichen Aussagen und Absichten des Vaticanum II der Vergessenheit anheimfallen […], um zunächst durch die Utopie eines kommenden Vaticanum III und dann durch Synoden abgelöst zu werden, die vom Vaticanum II allenfalls den ,Geist‘, aber nicht die Texte gelten lassen – den Geist, das bedeutet hier: die Zuwendung zur Zukunft als dem Feld der unbegrenzten Möglichkeiten.“ So Joseph Ratzinger in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks am 8.10.1972.

Drei Schritte können zu dieser Entwicklung geführt haben: Die Denkfigur „Geist des Konzils“ wurde von Vertretern eines eher utopistischen Geschichtsverständnisses in Beschlag genommen, vom Buchstaben des Konzils gelöst und gleichzeitig rückt die Rede auf zu einem Universalschlüssel. Als Beleg könnte man einen Vortrag von Karl Rahner anführen, den dieser noch vor Abschluss des Konzils im Februar 1965 gehalten hat. Rahner sagt hier:

„Habe ich wenig vom Konzil geredet? Ich meine nicht, auch wenn es natürlich wahr bleibt, dass ich nur sehr weniges berühren konnte aus dem Kirchendekret unter sehr vielem anderen, das jetzt wie ein trockenes Samenkorn aussieht und morgen zu unerwarteter Fülle erblühen wird. Ich meine nicht. Denn das Wichtigste an diesem Konzil sind nicht die Buchstaben der Dekrete, die erlassen wurden. Schon darum nicht, weil sie erst noch in Leben und Tat durch uns alle übersetzt werden müssen. Der Geist, die letzten Tendenzen, Perspektiven und Sinnspitzen dessen, was da geschah, sind das Wichtigste.“

Im Kontext eines Vortrages für Studierende kann man Karl Rahner hier durchaus auch richtig verstehen, in dem Sinne, wie auch Paul VI. den „Geist des Konzils“ als Begeisterung für eine neue, lebendige Evangeliumsverkündigung und Kirchlichkeit verstanden hatte und diesen Geist auch zu befeuern versucht hatte.

Aber im Unterschied zu Paul VI. kommt bei Rahner ein Zungenschlag herein, der den Buchstaben der Texte eher marginal erscheinen lässt. Hatte Paul VI. den „Geist des Konzils“ an die gewissenhafte Umsetzung der Dekrete geknüpft, sei es nach Rahner entscheidend, „Tendenzen, Perspektiven und Sinnspitzen“ zu erkennen, die offenbar jenseits der Texte anzusiedeln sind.

Demgegenüber gibt Joseph Ratzinger in seinem Interview „Zur Lage des Glaubens“ aus dem Jahr 1985 erneut und sehr dezidiert zu bedenken, dass die wahre Rezeption des Konzils noch gar nicht begonnen habe. Seine Dokumente seien umgehend von einem Wust oberflächlicher Deutungen zugeschüttet worden und müssten erst wieder freigelegt werden. Die entsprechende Interviewpassage des Präfekten der Glaubenskongregation mündet in die Aussage: „Die Lektüre des Buchstabens der Dokumente wird uns ihren wahren Geist entdecken lassen können.“ Buchstabe und Geist sind zu unterscheiden. In der Lektüre, so sagt der Kardinal, wird sich der Geist entdecken lassen. Es bedarf also einer Anstrengung und einer Verstehensbemühung.

Mit der Aussage, dass der Geist im Buchstaben verborgen liegt, ist ein Grundsatz schon der Bibelhermeneutik angesprochen, der natürlich im Hintergrund aller Rede vom Buchstaben und Geist präsent ist (vgl. 2 Kor 3). Der Geist ist der Geist Christi, und nur im Blick auf Christus erschließt sich der Geist des Buchstabens der Schrift (= unseres Alten Testaments). Die Erkenntnisse der Bibelhermeneutik müssen auch bei der Rede vom „Geist des Konzils“ bedacht werden. Die Darstellung der Position Ratzingers in unserer Frage wäre freilich nicht vollständig, wenn nicht abschließend ein sehr schönes Wort aus dem Vorwort zu Band 7 der JRGS (= Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften, worin alle oben genannten Texte auch versammelt sind) vom 2. August 2012 in Erinnerung gerufen würde. Es bezieht sich auf Kardinal Frings, dem Joseph Ratzinger als Peritus zur Seite stehen durfte. „Die Bischöfe wussten sich als Lernende in der Schule des Heiligen Geistes und in der Schule der gegenseitigen Zusammenarbeit, aber gerade so als im Glauben lebende und wirkende Diener des Gotteswortes. Die Konzilsväter konnten und wollten nicht eine neue, eine andere Kirche schaffen. Dafür hatten sie weder Vollmacht noch Auftrag. ... In Kardinal Frings hatte ich einen ,Vater‘, der diesen „Geist des Konzils“ beispielhaft lebte. Er war von großer Offenheit und Weite, aber er wusste auch, dass nur der Glaube ins Freie, in die Weite hinausführt, die der positivistischen Einstellung verschlossen bleibt.“

Wir bringen diesen Text mit freundlicher Genehmigung der Tagespost, die ihn in ihrer Ausgabe vom 8. März 2014 veröffentlicht hat. Es handelt sich bei diesem Text gemäß Auskunft der Tagespost um einen Auszug aus dem Vortrag Der Geist des Konzils - Überlegungen zur Konzilshermeneutik, den Bischof Rudolf Voderholzer am 24. Januar 2014 beim Konzilssymposium der Theologischen Fakultät Trier gehalten hat. Im Original gehen ihm grundsätzliche Ausführungen zur Konzilshermeneutik voraus, und es schließen sich Ausführungen zur einer Kriteriologie zur Bestimmung des Konzilsgeistes an.


Perfide Methode

Nicht nur Theologen, sondern auch Bischöfe fordern eine Hermeneutik der apostolischen Tradition, die lange schon nicht mehr der Verständlichmachung der Wahrheit in der jeweiligen Zeit dienen will, sondern die Botschaften der Zeit in kirchliches Vokabular kleidet, damit man an sie glaubt. Man krönt diesen betrügerischen Ersatz der Verkündigungsinhalte mit den Begriffen „Fortschreibung“ oder „Weiterentwicklung“ der Lehre, eine perfide Methode des Durcheinanderwerfens.

Aus: Dr. Guido Rodheudt, Octavius und die Kirche in Deutschland, VATICAN-Magazin Mai 2021

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Zum Thema: Der Streit um das Konzil

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