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Wandlungsworte: Streit um des Kaisers Bart?

Kardinal Lehmann auf dem Katholikentag

Von P. Engelbert Recktenwald

Als ich am Freitag, den 18. Mai 2012, um etwa 11 Uhr zum Katholikentag in Mannheim kam, stieß ich gerade auf eine Podiumsdiskussion mit Karl Kardinal Lehmann. Er wurde von seinem Interviewpartner - es dürfte Ludwig Ring-Eifel von der kna gewesen sein - nach der Änderung der deutschen Übersetzung der Wandlungsworte gefragt, die Papst Benedikt XVI. angeordnet habe. Wer geglaubt hatte, Kardinal Lehmann würde jetzt die Entscheidung des Papstes nach der Art der Katechesen, wie dieser sie gefordert habe, verständlich machen, sah sich getäuscht. Er gestand lediglich zu, dass vom philologischen Standpunkt aus die Übersetzung des griechischen Urtextes mit “für viele” genauer sei und dass die Auffassung des Theologen Joachim Jeremias, “für alle” sei die genaue Übersetzung des hebräischen Urtextes, in dem es kein Wort für “alle” gäbe, heute nicht mehr so allgemein anerkannt sei wie zur Zeit der Einführung der deutschen Übersetzung “für alle”. Darüber hinaus wurde er nicht müde zu betonen, dass Christus für alle gestorben sei und dass auch das für viele auf die Gesamtheit abziele, so dass sein Interviewpartner die richtige Folgerung zog, dass das “für viele” eigentlich “für alle” meine - und unter diesem Titel wurde die Meldung dann auch in den Medien gebracht. Von all den im Papstbrief gebrachten Erläuterungen, welchen Sinn das “für viele” hat, gab Kardinal Lehmann keine einzige wieder. Statt dessen sagte er, dass auch nach Meinung des Papstes die Übersetzung mit für alle richtig sei. Warum er sie aber dennoch geändert haben wolle, wisse er auch nicht. Damit gab er die Anordnung des Papstes der Lächerlichkeit preis. Tatsächlich erntete er für seine Bemerkung Applaus, der mit Gelächter verbunden war. Sicherlich wollte Kardinal Lehmann den Papst nicht mit Absicht der Lächerlichkeit preisgeben. Spätestens die genannte Publikumsreaktion hätte ihn aber dazu bewegen müssen, wenigstens den Versuch zu machen, die Entscheidung des Papstes dem Publikum nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Statt dessen gab er noch eins drauf, indem er sagte, das Ganze sei ein Streit um des Kaisers Bart.

Auf youtube ist das Interview mit Kardinal Lehmann veröffentlicht worden. Ab der 14. Minute spricht er über die Wandlungworte.

Nochmals zu Lehmanns Papstkritik

Sebastian Berndt weist auf seinem Blog nach, wie Kardinal Lehmann in seinem Statement über das Übersetzungsproblem der Wandlungsworte den Brief des Papstes sinnentstellend zitiert. Er schreibt:

“Der Papst hat die Übersetzung nicht als ‘ist und bleibt sehr gut’ gewürdigt, sondern die Interpretation als ‘sehr wohl begründet’ bezeichnet, gleich aber hinterhergeschoben, daß sie eben eine Interpretation und keine Übersetzung ist.
Mit diesem Originalzitat wäre es jedoch nicht möglich gewesen hinterherzuschieben, wie es Lehmann tut: ‘Natürlich hat man dann etwas Schwierigkeiten zu verstehen, warum es geändert werden muß.’ Dabei hat Lehmann durchaus verstanden, daß es um die Frage von Übersetzung oder Interpretation geht, auch wenn er nur ‘ein Stück weit Interpretation’ in dem ‘für alle’ sieht (16:29).
Nunja, die Lektüre des Briefes offenbart auch noch eine zweite Schwäche der Argumentation des Kardinals. Denn er meint, man hätte Mißverständnisse vermeiden können, wenn man vorangestellt hätte, daß das Fundament der ganzen Debatte natürlich sei, daß Christus für alle gestorben ist (14:36, 16:00 u.ö.). Der Papst verwendet in seinem Brief 15x ‘für alle’, dabei 4x als Benennung der Übersetzung, einmal in ganz anderem Kontext (‘in alle Hochgebete übernommen’), aber 10x (ZEHN MAL) im Sinne von 'Christus IST FÜR ALLE gestorben'."


Monopoltheologie

Damit eng zusammen hängt – fünftens – der Anspruch auf eine Monopoltheologie. Fast nur säkularkirchliche Progressivtheologen kommen zu Wort, um eine Hoheit über die Fakultäten vorzuführen – sei’s zu Recht, sei’s zu Unrecht. Die programmatische Abkehr von den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Hinwendung zu dessen „Geist“ soll auf diese Weise wissenschaftsrhetorisch abgesichert werden.

Alexander Kissler in seiner Glosse über den Katholikentag in Mannheim, The European vom 16.Mai 2012.


Entsetzt

Sein Entsetzen über den Mannheimer Aufruf, der leere Aussage an leere Aussage reihe, gibt P. Bernd Hagenkord SJ, der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, auf seinem Blog kund.


Rufschädigung

Alois Glück, der Vorsitzende der Zentralkomitees der deutschen Katholiken, zeigte sich in der von Uwe Bork geleiteten SWR Sendung Menschen unter uns. Das war der Katholikentag vom 20. Mai nicht informiert über das im Programmheft des Katholikentags angekündigte levitierte Hochamt im außerordentlichen Ritus, zelebriert von P. Bernward Deneke in der Kirche Maria Hilf in Mannheim-Almenhof. Bei 1200 Veranstaltungen ist das nichts Besonderes. Dass er im Interview trotzdem so tat, als ob er informiert wäre, und die Zelebration - frei phantasierend - als ein Ereignis der Gemeide hinstellte, “die hier ohnehin ihren Gottesdienst so feiert”, ist man doch von manchem Politiker gewohnt. Insofern halte ich es für überflüssig, sich darüber aufzuregen. Schlimm dagegen ist die Tatsache, dass er die überlieferte Liturgie als “eine bewusste Absage an das Zweite Vatikanische Konzil” hinstellte, die deshalb “bei uns hier keinen Platz im Katholikentagsprogramm” habe. Die passende Antwort darauf gab u.a. Cicero im katholon-Blog: “Jetzt gehöre ich plötzlich und unerwartet zu denen, die das Zweitevatikanischekonzil ablehnen. Ich habe es echt nicht gewußt. Und dabei habe ich immer ganz fleißig die Texte gelesen und auch dieses Konzil verteidigt. Ein bißchen Glück habe ich ja noch, denn ich lehne das Konzil nur ungefähr alle drei bis vier Wochen für ca. eine Stunde ab. Am Tag danach ist alles wieder gut.”

Noch schlimmer und rufschädigend ist in meinen Augen die Moderation zum Levitierten Amt, in der es über die Predigt von P. Bernward Deneke heißt: “Dies sei die einzig wahre Form der Messfeier, so der zelebrierende Petrusbruder Bernward Deneke, ihm grause es in einem normalen Sonntags-Gemeindegottesdienst.” Weder hatte P. Deneke die überlieferte Liturgie als “die einzig wahre Form der Messfeier” bezeichnet, noch den normalen Sonntagsgottesdienst verunglimpft. Vielmehr meinte er, ihm grause es vor dem, was an manchen Orten aus der hl. Messe gemacht werde. Solche Fälle gibt es leider und sind auch dokumentiert worden.

______

Die Predigt von P. Bernward Deneke kann auf gloria.tv gehört werden. Gloria.tv brachte am 24. Mai 2012 dankenswerterweise auch meine Zurückweisung der SWR-Darstellung dieser Predigt. Auf kath.net hat der Liturgiker der Petrusbruderschaft P. Sven Conrad ausführlich und geduldig die Meinung des ZdK-Vorsitzenden Alois Glück über das Verhältnis von überlieferter Liturgie und Zweitem Vatikanum widerlegt.


Aufbruchsrhetorik

Der evangelische Journalist Karsten Huhn beklagt in IdeaSpektrum vom 23. Mai 2012 die “abgestandenen Pathos-Formeln, die blasse Appell-Rhetorik” des Katholikentags. Er zitiert aus der Predigt des Abschlussgottesdienstes vom 20. Mai in Mannheim: “Aufbruch hat immer mit Wagnis zu tun. Es ist ungewiss, was kommen wird. Wer sein gewärmtes Nest verlässt, der muss sich auf Unvorhergesehenes einstellen. Neu aufzubrechen ist damit ein Protest gegen jegliche Versicherungsmentalität, die sich in unserer Gesellschaft, aber auch in der Kirche, nur allzu gerne breit macht. Ja, es braucht den Mut, sich auf neue Wege einzulassen und nach vorne zu gehen! Wir haben allen Grund, dieses Wagnis einzugehen!” Und kommentiert: “Konkreter wurde es nicht. Danach war man als Hörer ratlos: Was sollen wir wagen? Welches Nest müssen wir verlassen? Welche Wege sollen eingeschlagen werden? Und wo ist vorne? Es war eine nebulöse, undurchführbare Handlungsanweisung.” Schließlich meint er, dass die katholische Kirche derzeit viele Krisen zu bewältigen habe, aber eine Krise, die kaum diskutiert werde, gehöre dazu: die Krise der Verkündigung.

Dabei wäre es so einfach, diese Krise zu beheben. Papst Benedikt XVI. macht es uns vor. Sein Wort kommt an und dringt in die Herzen, weil es aus der Fülle des Glaubens kommt und konkret wird: “Habt den Mut, euch an Jesus Christus zu orientieren! Stärkt euch gegenseitig im Glauben! Steht in eurem Freundeskreis, in Schule und Beruf für die Botschaft des Evangeliums ein! Wie Christus die Kirche liebt (vgl. Eph 5,25), wollen auch wir die Kirche lieben. Ja, identifiziert euch mit der Kirche, weil sich Christus mit der Kirche identifiziert, weil sich Christus mit uns identifiziert! Schöpft aus dem Leben und aus der Wahrheit, die uns Christus in der Kirche schenkt! Wir alle wollen diesen Schatz der Liebe Gottes den Menschen in unserem Land bringen. Auf sein Wort hin wollen wir aufbrechen (vgl. Lk 5,5) und so Gottes Aufbruch zu uns Menschen erwidern” (Aus dem Grußwort zum Katholikentag vom 14. Mai).

Doch wenn man den Beobachtungen Stefan Rehders in der Tagespost vom 22. Mai (Artikel Die Saat geht auf) glauben darf, stießen diese Worte bei vielen Katholikentagsbesuchern auf taube Ohren: “Selten einmal haben die Besucher von Katholikentagen so deutlich gemacht, dass sie die Gesellschaft nicht christlicher, sondern die Kirche weltlicher machen wollen, wie in Mannheim.” Denn: “Die Mehrzahl der Katholikentagsbesucher wollen nicht nur 'Sex vor der Ehe' und verhüten, sondern mit gutem Gewissen auch abtreiben, im Labor zeugen und zu einem selbstgewählten Zeitpunkt aus dem Leben scheiden können.”

Vielleicht sollte man den nächsten Katholikentag unter das Motto Bekehrung stellen. Denn die muss dem Aufbruch vorausgehen.


Verfehlte Themen auf dem Katholikentag

Bestellte Monologe kreisen um innerkirchliche Strukturfragen. So schafft man Empörungsrituale, aber keine gesellschaftliche Präsenz katholischer Laien in der Welt. Vor allem dem Trauerspiel um die Rolle der Frau haftet etwas Weltfremdes an. Der „wenig förderlichen“ Debatte (Bischof Overbeck) um den Diakonat misst man mehr Gewicht zu als Fragen nach Familie, Erziehung und Berufstätigkeit.

Regina Einig über den Mannheimer Katholikentag in ihrem Artikel Bestellte Monologe, Tagespost vom 22. Mai 2012.


Nur nicht ängstlich sein

Der Katholikentag vollzog eine mentale Generalprobe für eine Spaltung der Katholiken: Fragen nach Lehre und Tradition der Kirche wurden teilweise apodiktisch vom Tisch gewischt und mit Selbstgesprächen übertönt. Die Strategie, den kirchenpolitischen Gegner zu überfahren, war nicht frei von psychologischem Druck: Marginalisierung durch Diffamierung lautete die Losung. Es dürfe nicht ängstlich gefragt werden, was nicht gehe, ließ sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx vernehmen. Wer will schon als Zauderer und Blockierer dastehen?

Aus: Regina Einig, Generalprobe für eine Spaltung (über den Katholikentag, der vom 9. bis 13. Mai 2018 in Münster stattfand), in der Tagespost.


Über den Dialogprozess

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