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Themen68er |
Corona-Exerzitien Von P. Engelbert Recktenwald Am 24. März 2020 startete die Tagespost auf ihrer Website die Serie "Corona-Exerzitien" mit täglichen Beiträgen verschiedener Autoren. Ich durfte den Auftakt machen und jeden Dienstag meinen Text beisteuern. Hier veröffentliche ich sie wieder. 1. Freude aus dem Wort Gottes Auf der Tagespost-Website erschienen am 24. März 2020. Im „Buch vom strömenden Lob“, der von Hans Urs von Balthasar herausgegebenen Anthologie aus dem Werk der heiligen Mechthild von Hackeborn, können wir lesen, was der Herr einmal zu ihr über den Fall sagt, dass jemand aus irgendeinem Grund am Empfang der heiligen Kommunion gehindert ist: „Er mag sich aufhalten, wo er will, ich bin dort und ihm gegenwärtig.“ Und er verrät auch, was passiert, wenn jemand nur aus der Entfernung die heilige Messe anhören kann. In diesem Fall kann er noch Gottes Wort aufnehmen, das „lebendig und wirksam und durchdringend“ (Hebr. 4, 12) ist. Und der Herr fügt hinzu: „Gottes Wort verlebendigt die Seele und gießt ihr geistliche Freude ein.“ Wenn uns also in dieser Zeit der Trennung vom eucharistischen Herrn Trauer überkommen will, dann nehmen wir Zuflucht zu seinem Wort als einer Arznei gegen diese Trauer: Es gießt uns geistliche Freude ein. Schlagen wir zum Beispiel die Heilige Schrift oder den Schott auf und betrachten wir die liturgischen Texte vom Tag! Nutzen wir die Coronazeit für Meditation und das Vertrautwerden mit dem Wort Gottes! Doch wann stellt sich jene Freude ein? Es geschieht dann, wenn sich uns das Wort in seiner inneren Bedeutung erschließt. Wenn wir einen biblischen Text bloß lesen und es dabei belassen, dann ist er zunächst etwas Totes. Dass ein Wort uns auf Anhieb trifft und ins Herz geht, kann vorkommen, ist aber eher die Ausnahme. Der Normalfall besteht darin, dass wir das Wort meditieren, es im Herzen bewegen, es gewissermaßen ausbrüten. Das tat auch Maria, von der im Evangelium mehrere Male berichtet wird, sie habe die Worte ihres göttlichen Sohnes nicht verstanden, aber in ihrem Herzen bewahrt. Der erste Schritt besteht also darin, beim bedächtigen Lesen Wort für Wort aufmerksam, mit Liebe und mit tiefem Glauben an seine Wirksamkeit in die Seele aufzunehmen. Vor der Schriftlesung sollten wir diesen Glauben und diese Liebe ausdrücklich in einem Gebet erwecken. Und dann denken wir über das Gelesene nach. Das Ziel dieses Nachdenkens ist das Kennenlernen des Herrn und die Entdeckung dessen, was Er uns durch sein Wort sagen will. Dazu können wir uns Fragen stellen. Wenn es sich zum Beispiel um eine Szene aus seinem Leben handelt, können wir uns etwa fragen: Warum tut Jesus das? Warum geht er ausgerechnet so vor, zum Beispiel in der Art, wie er jemanden heilt? Warum stellt er diese Frage? Warum sagt er das jetzt? Wie muss es auf den Zuhörer gewirkt haben? Was hat dieser erwartet? Was hätte ich erwartet? Wie hätte das Wort, das Handeln des Herrn auf mich gewirkt, wenn ich damals davon betroffen gewesen wäre? Wir können die Szene mit anderen Szenen aus dem Leben Jesu vergleichen. Je besser wir die Heilige Schrift kennenlernen, um so mehr Vergleiche und Querverbindungen fallen uns ein, die sich gegenseitig erhellen. So schreiten wir von Entdeckung zu Entdeckung. Das Wort Gottes wird immer lebendiger, der Herr kommt uns immer näher. Denn jedes Wort, das Jesus spricht, kommt aus seinem Herzen. Immer mehr erspüren wir aus seinen Worten seine glühende Liebe zu uns, seinen unbändigen Willen, uns zu retten, seine Sehnsucht, unser Vertrauen zu gewinnen. Er wusste damals, dass wir es jetzt lesen. Sein Wort wird ein unmittelbarer Anruf an uns. Wir hören seine Stimme. Der heilige Alfons berichtet, dass Christus einmal zur heiligen Theresa von Avila gesagt habe: „Ich würde zu vielen Seelen reden, aber die Welt macht so viel Geräusch in ihren Ohren, dass sie meine Stimme nicht vernehmen können. O, wenn sie sich doch nur ein wenig von der Welt zurückziehen wollten!” Wenn uns nun der Staat zum Rückzug aus der Welt zwingt, dann erkennt der gläubige Christ dahinter den Ruf Jesu, den Lärm der Welt hinter sich zu lassen, um seine Stimme zu hören. So kann diese Prüfungszeit zu einer Exerzitienzeit für uns werden. Es liegt an uns, sie in diesem Sinne zu nutzen. Und wenn wir dann nach langer Zeit den Herrn endlich wieder sakramental in der heiligen Kommunion empfangen können, wie ganz anders wird es dann sein! Es wird sein wie die Wiederbegegnung mit einem geliebten Menschen, den wir inzwischen viel besser kennen gelernt haben. Es wird die Wiedersehensfreude sein wie zwischen zwei sich liebenden Menschen, die nach langer Trennung wieder zusammen kommen und sich vor lauter Freude um den Hals fallen. Diesen Text können Sie auch hören. 2. Buße statt Streit Auf der Tagespost-Website erschienen am 31. März 2020. Wenn die Pandemie erst einmal vorüber ist, wird man im Rückblick sine ira et studio prüfen müssen, wie weit die radikalen staatlichen Maßnahmen tatsächlich angemessen waren. Auch im Hinblick auf die kirchlichen Maßnahmen wird darüber zu debattieren sein, ob sie allzu schnell oder über das angemessene Maß hinaus den staatlichen Vorgaben gefolgt sind. War die Kirche manchmal sogar noch staatlicher als der Staat? Den Eindruck, von dem ein Teil des Gottesvolkes heimgesucht wird, nämlich dass es durch seine Hirten allzu bereitwillig von den Sakramenten, den Quellen des Heils, abgeschnitten wurde, sollte man jedenfalls nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auf der anderen Seite erschreckt mich der Alarmismus, mit dem manche die Kirche heftig anklagen und verurteilen - so als ob Feigheit das einzige Motiv wäre, das in Frage kommt, um das Verhalten der Bischöfe zu erklären, und nicht in Wirklichkeit die Verantwortung, die auch auf der Kirche liegt, das Ihrige beizutragen, um die Pandemie einzudämmen. Insofern befinden sich die Bischöfe in einem Dilemma, und man sollte es ihnen - bei aller möglichen Verschiedenheit in der Situationseinschätzung - abnehmen, dass sie aus Verantwortung handeln. Auch den pauschalen Vorwurf, die Kirche gehe auf Tauchstation, kann nur erheben, wer all die Anstrengungen übersieht, die gemacht werden, um auf den verbliebenen Kanälen bei den Menschen zu sein und sie zu stärken. Als ein Beispiel von vielen will ich den Youtube-Kanal von Bischof Stefan Oster erwähnen. Sorge bereitet mir auch die Gefahr von neuen Parteiungen und Spaltungen unter den Gläubigen aufgrund des Streits darüber, was man von all dem zu halten habe. Die einen haben Angst vor der Pandemie, die anderen vor den Schutzmaßnahmen. Die eine Seite wirft der anderen mangelnden Gauben vor, die andere der einen mangelndes Verantwortungsgefühl. Merken wir nicht, dass wir in Gefahr sind, dem Durcheinanderwerfer auf den Leim zu gehen? Wie sehr bräuchte jetzt die Welt unser christliches Zeugnis gegenseitiger Liebe! Sollten wir nicht eher darauf bedacht sein, zusammenzurücken, uns gegenseitig zu stärken, Verständnis füreinander zu haben, auch für jene Befürchtungen und Sorgen, die wir selber gerade nicht teilen? Sollte das geistliche Band im gemeinsamen Glauben nicht stärker sein als unsere Meinungsverschiedenheiten in Dingen, die wir kaum vollständig überblicken können? Auch ich selber muss mich in diesem Zusammenhang wegen meiner Diskussionsfreudigkeit an der Nase fassen und mich daran erinnern, dass über die ersten Christen laut Apostelgeschichte nicht gesagt wurde: “Seht, wie sie miteinander diskutieren!”, sondern: “Seht, wie sie einander lieben!” Und damit komme ich zum Kernpunkt: Alles Diskutieren, Streiten und Kritisieren hält uns nur von dem ab, was wir in der Fastenzeit tun sollten: in uns gehen und Buße tun! Wenn wir in der Oration des Vierten Fastensonntags Gott um den Trost seiner Gnade bitten, weil “wir mit Recht für unsere Missetaten gezüchtigt werden”, dann lehrt uns die alte Liturgie, den Blick auf uns selbst zu wenden, um vor Gott Gnade zu finden, statt ungnädig über andere zu richten. Fastenzeit ist nicht die Zeit, von Anderen Umkehr zu fordern, sondern selber umzukehren. 3. Die schlimmere Seuche haben wir schon überlebt Auf der Tagespost-Website erschienen am 7. April 2020. Es ist beeindruckend, mit welch äußerster Gewissenhaftigkeit die Kirche alles daran setzt, die Menschen vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus zu bewahren. In manchen Diözesen sind nicht nur die öffentlichen Gottesdienste abgesetzt, sondern es ist den Priestern untersagt, Gläubigen selbst in Einzelfällen die Sakramente zu spenden, sei es das Bußsakrament, die Taufe, die Krankensalbung oder die heilige Kommunion. Nur die Fälle von Lebensgefahr sind ausgenommen. Doch genau solche Gewissenhaftigkeit vermisse ich seit Jahrzehnten in dem Bemühen, die Gläubigen vor der Ansteckung mit dem Virus der Häresie zu bewahren. Jener Virus bringt den leiblichen Tod, dieser den geistlichen. Jener ist unsichtbar, dieser liegt offen zutage. Hotspots sind theologische Fakultäten; Infektionsketten setzen sich fort über kirchliche Akademien, den schulischen Religionsunterricht bis in die normale Verkündigung in den Pfarreien. Sowohl Betroffene als auch kompetente Virologen wie Dietrich von Hildebrand, Paul Hacker, Georg May, Joseph Ratzinger und viele andere warnen seit langem unermüdlich davor. Doch vergeblich. Das Ergebnis sind zahllose Toten, deren einziges Lebenszeichen noch darin besteht, Kirchensteuer zu zahlen. Natürlich hatten viele dieser Opfer eine Vorerkrankung. Aber die hätte in vielen Fällen durch die Medizin der unverfälschten Lehre geheilt werden können. Doch genau die wurde ihnen vorenthalten. Um von den innerkirchlichen Ursachen der Glaubensverdunstung abzulenken, gibt man in diesem Fall plötzlich allein der bösen Welt um uns herum die Schuld - während man in anderem Zusammenhang gerade von einer Öffnung zur Welt das Heil für die Kirche erwartet. Um ein Bild zu benutzen: Jetzt verhindern Bischöfe, den Gläubigen geistliche Nahrung in Form der Sakramente zu geben wegen eines Risikos für das leibliche Leben des Empfängers, während sie seit langem sehenden Auges dulden, dass Gläubigen vergiftete Nahrung gereicht wird, die tödlich ist für die Seele. Dort liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit im Bruchteil eines Promillebereichs, hier ist die Schädlichkeit manifest. Natürlich gibt es auch pflichtbewusste Bischöfe, die um so mehr unsere Bewunderung und Dankbarkeit verdienen, als sie offensichtlich in eine Außenseiterrolle geraten. Aber das allgemeine Klima in der Kirche wird geprägt durch die schon von Dietrich von Hildebrand beklagte “Lethargie der Wächter” gegenüber Glaubensgefahren, die in krassem Gegensatz steht zur jetzt zu beobachtenden Beflissenheit in Sachen Corona. Hat Jesus gesagt: „Was nützt es dem Menschen, wenn er seine Seele rettet, an seiner Gesundheit aber Schaden leidet?” Irgendwie klang das doch anders. Was folgt daraus für Sie und mich? Wenn wir in dieser Zeit noch treu und ohne Abstriche zum katholischen Glauben stehen, ist das ein Gnadenwunder. Aber dann gilt auch: Gott ist treu. Wenn wir schon Jahrzehnte des Vergiftungstodes überlebt haben, dann werden wir auch die jetzigen Wochen des Hungertodes überleben. Schon im Alten Bund mahnten die Propheten, nicht auf Menschen, sondern auf Gott alle unsere Hoffnung zu setzen. Auch das ist eine Form von Mündigkeit! Zu der sind wir heute in besonderer Weise gerufen. “Die auf den HERRN hoffen, gewinnen neue Kraft. Ihnen wachsen Schwingen gleich den Adlern. Sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht” (Jes 40, 31). Diesen Text können Sie auch hören. 4. Auferstehung jetzt Auf der Tagespost-Website erschienen am 14. April 2020. In der Osternacht hörten wir in der Lesung aus dem Kolosserbrief diese merkwürdige Stelle: „Seid ihr auferstanden mit Christus, so suchet, was droben ist...” (Kol 3, 1). Haben wir unsere eigene Auferstehung also schon hinter uns? Ja, tatsächlich! Im antiken Taufritus wurde das auch symbolisiert: Das Untertauchen unter Wasser bedeutete das paulinische Mit-Christus-Begraben-Werden, das Wiederauftauchen das Mit-Ihm-Auferstehen. Das betrifft unsere Seele. Sie ist durch die Taufe zu einem neuen Leben auferstanden, „verborgen mit Christus in Gott” (Kol 3, 3). Wenn am jüngsten Tag unser Leib auferstehen wird, dann wird er bloß nachziehen und an dem verklärten Leben teilhaben, das jetzt schon unserer Seele geschenkt ist. Diese übernatürliche Osterwirklichkeit in unserer Seele kann durch keinen Virus bedroht, durch keine staatliche Maßnahme unterdrückt werden. Aber es liegt an uns, wie weit aus ihr leben oder nicht. Denn wir sind zerrissen zwischen der inneren Herrlichkeit unserer Seele und der äußeren Gebrechlichkeit unseres Leibes. Der heilige Paulus schreibt: „Wenn auch unser äußerer Mensch vergeht, unser innerer erneuert sich von Tag zu Tag“ (2 Kor 4, 16). Krisenzeiten offenbaren, woraus wir leben. Leben wir aus dieser inneren Wirklichkeit oder sind wir dem Vergänglichen um uns herum verfallen? Natürlich sind wir in der Welt und haben unser Leben hier einzurichten und zu führen, wir haben zu handeln und einzugreifen, aber in dem Sinne, dass wir Gottes Willen tun, d.h. den göttlichen Sendungsauftrag in der Welt erfüllen. Aber das, was wir für uns selber suchen, wonach wir trachten, soll allein das sein, “was droben ist, wo Christus thront zur Rechten Gottes” (Kol 3, 1). Von Ihm sollen wir die Erfüllung unserer tiefsten Sehnsüchte erwarten, nicht von der Welt. Er allein soll die Quelle unseres Friedens sein. Wenn das der Fall ist, dann ist unser Friede unerschütterlich. Der Starez Seraphim von Sarow sagt: „Wer den Frieden erwirbt und in seinem Herzen bewahrt, um den herum werden Tausende Rettung finden und zum Heil gelangen.“ Das ist unsere Mission! Krisenzeiten wie die jetzige offenbaren, wie missionstauglich wir sind. Gründen wir tief genug im Frieden unseres Herrn? Lassen wir uns gleich den Kindern dieser Welt wie aufgeschreckte Hühner von der Verwirrung erfassen und stecken wir andere Menschen mit unserer Verunsicherung oder Unzufriedenheit an? Oder wirken wir, weil wir aus ganz anderen Quellen leben, wie ein Fels in der Brandung, indem wir Frieden ausstrahlen, Orientierung geben und die siegreiche Macht unseres Glaubens bezeugen? „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube“ (1 Joh 5, 4). Dieses Zeugnis sind wir dem Auferstandenen schuldig, heute mehr denn je! Diesen Text können Sie auch hören. 5. Den Sündern gnädig Auf der Tagespost-Website erschienen am 21. April 2020. In seinen “Betrachtungen über die christliche Lehre” fragt der hl. John Henry Newman, woher es komme, dass wir in einer so elenden Welt leben. Von diesem Elend gibt er eine ausführliche Schilderung, in der es unter anderem heißt: “Welch schreckliche Plagen ziehen hin über die Erde: Krieg, Hungersnot und Seuchen! Warum das alles, o mein Gott!” Seine Antwort ist eindeutig: Alle diese Übel sind eine Frucht der Sünde, “sie sind nur die erste Rate der Sündenstrafe.” Newman schildert drastisch alle möglichen Leiden, “Schmerzen in jedem Glied, Durst, Ruhelosigkeit und Fieberwahn”, um dann zu sagen, dass dies alles nichts im Vergleich sei zu der “furchtbaren Krankheit der Seele, die wir Sünde nennen.” Sie sind nur ein schwaches Bild der Sünde, ihr Schatten. “Lehre mich, was die Sünde ist!”, bittet Newman den Herrn in diesem Gebet, das sich an den “unendlich barmherzigen Gott” richtet. Es geht darum, zu erkennen, dass die Sünde “ein unendlich größeres Übel als Pest, Hunger und Krieg” sei. Es ist interessant zu sehen, wie sehr selbst fromme Christen diese Sichtweise verlernt haben. Statt angesichts des Elends in der Welt eine klarere Erkenntnis über den Charakter der Sünde zu gewinnen, verdunkelt sich eher ihr Bild von Gottes Güte. Sie schieben Gott den Schwarzen Peter zu: “Wie kannst du das zulassen? Warum hast du das getan?” Die richtige Sichtweise geht genau in die umgekehrte Richtung und wird uns in den Improperien, den Heilandsklagen des Karfreitags gelehrt. Da ist es der geschundene Herr, der uns fragt: “Mein Volk, was habe ich dir getan, womit nur habe ich dich betrübt? Antworte mir.” So lautet der Refrain nach jeder Aufzählung dessen, was der Herr für sein Volk getan hat, z.B.: “Vierzig Jahre habe ich dich geleitet durch die Wüste. Ich habe dich mit Manna gespeist und dich hineingeführt in das Land der Verheißung. Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.” Newman hatte das verstanden: “Ich habe Dich ans Kreuz geschlagen, meine Sünde hat es getan”, schreibt er in seiner Betrachtung über die Hässlichkeit der Sünde. Er bekennt in vielen Wendungen vor dem Herrn seine Strafwürdigkeit. Und gerade deshalb ist die Barmherzigkeit des Herrn seine große Hoffnung, und wird er nicht müde, den Herrn zu loben: “Du bist überaus schön in Deiner ewigen Natur, o Herr. Du bist auch schön in Deinen Leiden.” Was für ein Gegensatz zur heutigen Mentalität, die glaubt, dass erfahrenes Leid irgendeine Richterkompetenz über Gott verleihe! Als Seelsorger begegne ich immer wieder Menschen, die unter einem schweren Kreuz stöhnen. Diese meine ich nicht. Sie haben alles Recht auf Ernstgenommenwerden, Hilfe und Trost. Ich meine eher jene Betroffenheitsrhetorik und das Pseudopathos, mit dem selbst manche Theologen Gott anklagen, aber auch manche Fälle von Weinerlichkeit, mit der fromme Christen in Coronazeiten mehr sich selbst als den leidenden Herrn beklagen und bejammern! Sind wir unzufrieden mit Gott? Bei vielen Heiligen können wir erkennen, dass sie nicht ein Problem damit hatten, dass Gott zu wenig, sondern dass er zu viel liebt. Seine kostbare Liebe verschwendet er an ein undankbares, widerspenstiges Geschlecht, dem er immer und immer wieder verzeiht. Deshalb wollte die kleine hl. Theresia sich als ein Ganz-Brandopfer der barmherzigen Liebe weihen, damit diese eine Herz findet, wo sie angenommen wird. Wenn Christus im Gleichnis uns das Gebet des Zöllners „Sei mir Sünder gnädig“ als Vorbild hinstellt, dann bedeutet dies eine Absage an jede Anspruchsmentalität Gott gegenüber. Die Betrachtungen des hl. John Henry Newman sind nichts anderes als eine ausführliche Entfaltung dieses Gebets. Sie sind für uns ein kostbarer Wegführer, um uns auch in diesen schweren Zeiten dankbar als von Gottes Liebe Beschenkte zu wissen. Diesen Text können Sie auch hören. 6. Standhaftigkeit, die überzeugt Auf der Tagespost-Website erschienen am 28. April 2020. In einem seiner interessanten Videos zur Coronakrise weist Bischof Stefan Oster darauf hin, dass wir aus der Statistik der Gottesdienstbesucher schließen können, dass einem großen Teil der Katholiken die Eucharistie nicht sehr wichtig ist. Es sind etwa 90%. Und auch den restlichen 10% gelinge es offensichtlich nicht, jene von der Wichtigkeit der Eucharistie zu überzeugen. Natürlich geht es jetzt nicht darum, den treuen Kirchgängern die Schuld am niedrigen Gottesdienstbesuch zu geben. Aber es sollte uns trotzdem ein Anlass sein, über unsere Mission in dieser Hinsicht nachzudenken. Wie würde es wohl in der Kirche aussehen, wenn jene, die jetzt (zurecht) von den Bischöfen den Zugang zur hl. Eucharistie erbitten, mit derselben Leidenschaft die Abständigen vom Wert zu Eucharistie zu überzeugen versuchten? Allerdings bedürfte es dazu einer Überzeugungskraft, die wir uns nicht selber geben können. Klagen und fordern ist leicht, überzeugen ist schwer. Wie wirken wir überzeugend? Dazu befähigt uns der Herr. Er will in uns leben und durch uns wirken. Und gerade das ist ja auch das Ziel des Kommunionempfangs. Der Grad unserer Überzeugungskraft ist ein zuverlässigerer Maßstab unserer Liebe zur Eucharistie als das Ausmaß unserer Unzufriedenheit über die erzwungene eucharistische Abstinenz. Aber der Herr kann in uns nur wirksam werden, wenn wir für seine Stimme hellhörig sind. “Meine Schafe hören meine Stimme”, sagt der Gute Hirte in Joh 10, 27. Wann haben Sie zuletzt seine Stimme gehört? Um sie zu hören, brauchen wir nicht lange zu warten. In jeder Situation unseres Lebens gibt es zwei Stimmen, die zu uns sprechen: die Stimme der Natur und die Stimme der Gnade. In der “Nachfolge Christi” heißt es: “Die Natur klagt schnell über Mangel und Beschwerde. Die Gnade weiß die Not standhaft zu ertragen. Die Natur bezieht alles auf sich, streitet und klagt für sich. Die Gnade hingegen führt alles auf Gott zurück, von welchem es ursprünglich ausgeht.” Das ist für uns ein sicherer Kompass, um zu erkennen, welcher Stimme wir folgen. Die Stimme unseres Hirten ist immer eine Stimme der Gnade. Kardinal Bona ergänzt in seiner berühmten Abhandlung über die Unterscheidung der Geister diesen Kompass mit der treffenden Bemerkung, dass jene, die vom göttlichen Geist getrieben sind, sich in Prüfungen innerer Ruhe erfreuen. Solche Standhaftigkeit wirkt überzeugend. Die hl. Edith Stein hat es uns vorgemacht. Als sie ins KZ abtransportiert wurde, hatte sie wahrlich Grund, der Stimme der Natur zu folgen und in Klagen auszubrechen. Ein holländischer Beamter, der sie im Durchgangslager Westerbork traf, bezeugt von ihr das Gegenteil. Er staunte über “ihr Lächeln, ihre ungebrochene Festigkeit.” Er war davon so beeindruckt, dass er sagte: “Ein Gespräch mit ihr, das war eine Reise in eine andere Welt. In solchen Minuten bestand Westerbork nicht mehr.” Mehr Menschen vom Schlage einer Edith Stein - das ist es, was die Kirche heute braucht. Diesen Text können Sie auch hören. 7. Plädoyer für mehr Humor Auf der Tagespost-Website erschienen am 5. Mai 2020. Krisenzeiten offenbaren den Charakter. Angesichts der Corona-Pandemie und der gegen sie ergriffenen Maßnahmen haben sich schnell zwei Lager herausgebildet (natürlich mit fließenden Übergängen zwischen ihnen): Die einen fürchten sich vor Ansteckung und begrüßen den Shutdown, die anderen beklagen dessen Kollateralschäden und halten die dahinter stehende Furcht vor Ansteckung für übertrieben. Das sind zwei Lager aufgrund verschiedener Ansichten. Das meine ich nicht. Die beiden Charaktertypen, die ich meine (mit ebenfalls fließenden Übergängen zwischen ihnen), finden sich in beiden Lagern. Man kann sie an einem Bonmot Chestertons festmachen, der einmal gesagt hat: “Die Menschen streiten im allgemeinen nur deshalb, weil sie nicht diskutieren können.” Zu einer guten Diskussionskultur gehört es, dem anderen ehrliche Absichten zu unterstellen, ihm zuzuhören, um wirklich zu verstehen, wie er es meint, und seine Argumente sachlich zu prüfen. In den scholastischen Disputationen des Mittelalters war man verpflichtet, zunächst die Argumente des Gegners zu wiederholen. Erst wenn der Gegner signalisierte, dass man seine Argumente richtig verstanden hatte, durfte man antworten. Im übrigen war es eine noble Angewohnheit des hl. Thomas von Aquin, die Argumente des Gegners möglichst stark zu machen. Hält man sich nicht an diese Regeln, kommt es zum Streit. Niveauvolle Diskussionen sind ein Genuss, streitende Christen sind ein Trauerspiel. Wenn man bloß streitet, entzieht man sich der Mühe des Verstehenwollens. Statt dessen macht man es sich einfach, indem man z.B. mit Unterstellungen arbeitet: Wer den Shutdown verteidigt, führt die Abschaffung unserer Freiheit im Schilde, wer ihn kritisiert, frönt seinem Egoismus und geht über Leichen. Die Kirche hat dann, je nachdem wie sich dazu stellt, nur die Wahl zwischen Feigheit und Verantwortungslosigkeit. Wer sich einbildet, den Gegner in seinen geheimen Absichten zu durchschauen, hat es nicht mehr nötig, sich mit seinen Argumenten unvoreingenommen auseinanderzusetzen. Es fehlt an gegenseitigem Respekt. Dieser Respekt ist das Mindestmaß dessen, was wir Nächstenliebe nennen. Das Netz und die sozialen Medien sind voll von Streit. Ich würde mir wünschen, dass Christen sich wohltuend davon abheben. Das Tragische ist, dass Streit viel Lärm macht, der Verzicht auf ihn aber eher unauffällig ist. Chesterton zeigt uns, dass man mit Humor dem gegensteuern kann. Berühmt ist seine persönliche Freundschaft mit Bernard Shaw bei gleichzeitiger ideologischer Gegnerschaft. Ihre Debatten waren bei allem Scharfsinn gewürzt mit Humor, mit dem sie sich gegenseitig liebevoll-ironisch auf den Arm nahmen. So soll Shaw zum beleibten Chesterton einmal gesagt haben: “Wenn ich so dick wäre wie du, würde ich mich erhängen.” Daraufhin Chesterton: “Ja, und dich würde ich als Strick benutzen.” Humor ist ein enger Verbündeter der Nächstenliebe. Wer weiß, vielleicht würde es mit Humor sogar gelingen, einzelne Freundschaften zwischen Shutdowngegnern und -befürwortern zu schließen. Das wäre ein Sieg der Nächstenliebe. Und der ist wertvoller als ein Sieg der eigenen Meinung, bei der die Liebe auf der Strecke bleibt. Geistliches Überleben in Coronazeiten Der Introitus des 3. Fastensonntag, der hl. Alfons und die heilige Elisabeth von Dijon zeigen uns, wie wir die Wüstenzeit, die uns durch das Coronavirus aufgezwungen wird, in eine Gnadenzeit verwandeln können.
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