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Über das nachsynodale Schreiben "Amoris lætitia"

Erklärung von P. Bernhard Gerstle

Das Rundschreiben Amoris laetitia von Papst Franziskus ist mit Spannung erwartet worden. Es enthält die Sichtweise des Papstes zum Thema „Ehe und Familie“, das bei der Bischofssynode in Rom ausführlich und kontrovers diskutiert wurde.

Der nun veröffentlichte Text des Heiligen Vaters enthält zweifellos zahlreiche schöne und wertvolle Gedanken über die menschliche Liebe, über Ehe und Familie. Während der Papst das brisante und heiß diskutierte Thema „Homosexualität“ unerwähnt lässt, geht er auf die Frage des Umgangs mit wiederverheiratet Geschiedenen näher ein. Ebenso auf die Frage, ob es möglich ist, ihnen die hl. Sakramente der Buße und der hl. Eucharistie zu spenden.

Die Kirche hat in dieser Frage bisher stets eine eindeutige Haltung bezogen, auch wenn sich längst in vielen Kirchengemeinden eine Praxis des Kommunionempfangs entwickelt hat, die von den objektiven kirchlichen Normen abweicht. Aus gewissen innerkirchlichen Kreisen wird ja schon seit vielen Jahren immer wieder die Forderung erhoben, die Kirche solle sich mit ihren moralischen Ansprüchen endlich an die „Lebenswirklichkeit“ vieler Menschen anpassen. In Verbindung mit der Forderung nach dem Kommunionempfang von wiederverheiratet geschiedenen Katholiken geht es deshalb bei Etlichen letztlich nur darum, dass die Kirche eine bisher unerlaubte Praxis, die sich im Ungehorsam breit gemacht hat, nachträglich absegnet.

Papst Franziskus ermächtigt nun in „Amoris lætitia“ die einzelnen Priester und Seelsorger, jeden Einzelfall im Hinblick auf die Spendung der heiligen Sakramente (Buße und Kommunion) zu prüfen. Ohne dies von sexueller Enthaltsamkeit abhängig zu machen, falls eine äußere Trennung aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, schließt er nun solche, die in einer irregulären Situation leben (das gilt auch für unverheiratet Zusammenlebende) nicht mehr generell vom Sakramentenempfang aus. Das ist tatsächlich ein Novum und wird demzufolge von den Vertretern der liberalen Richtung als bahnbrechend und richtungsweisend bejubelt. Von jenen hingegen, die sich an die gültige Lehre der Kirche gebunden fühlen und eine Aufweichung der Unauflöslichkeit der Ehe befürchten, besteht ein berechtigter Anlass zu großer Sorge, dass nun vollends ein Dammbruch in dieser Frage erfolgt.

Die kirchliche Lehre, wonach die Gültigkeit der hl. Beichte und die Erlaubtheit der hl. Kommunion von wahrer Reue abhängig ist, welche immer auch die Bereitschaft einschließt, die schwere Sünde nach Möglichkeit zu meiden, wäre damit aus den Angeln gehoben. Dies würde einen Bruch mit den elementaren Prinzipien der kirchlichen Morallehre bedeuten, wie sie zuletzt noch der hl. Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Veritatis Splendor“ sowie in seinem apostolischen Schreiben „Familiaris Consortio“ als unveränderliche Lehre der Kirche bekräftigt hat.

Insofern haben wir nun mit diesem postsynodalen Schreiben des Papstes ein großes Problem, das innerhalb der Kirche Spaltungen provoziert und die Einheit gefährdet. Dass Kardinal Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation in seinem Bemühen um Schadensbegrenzung betont, Papst Franziskus hätte sich deutlicher äußern müssen, wenn er die Absicht gehabt hätte, die Lehre der Kirche zu ändern, lässt das Dilemma nur umso schärfer hervortreten. Gleichzeitig macht sich die Kirche mit der Möglichkeit, die Sakramente auch jenen zu spenden, welche in einer schweren moralischen Unordnung leben, gegenüber jenen Gläubigen unglaubwürdig, die teilweise unter großen persönlichen Opfern nach einer gescheiterten Ehe aus Liebe zu Gott und aus Treue gegenüber seinen Geboten auf einen neuen Partner verzichtet haben und sexuell enthaltsam leben. Müssen sie sich nicht betrogen fühlen, indem sie im Gehorsam gegenüber Gott und der Kirche auf ein großes menschliches Glück verzichtet haben, um ihr ewiges Heil nicht zu gefährden und die hl. Sakramente guten Gewissens zu empfangen?

Wir können nur hoffen und beten, dass Papst Franziskus der entstandenen Verunsicherung begegnet, indem er nachträglich einige Klarstellungen vornimmt.

Wigratzbad, 19. Mai 2016
P. Bernhard Gerstle FSSP
Distriktsoberer des deutschsprachigen Raumes


Amoris Laetitia: ein Paradigmenwechsel?

Von P. Engelbert Recktenwald

Das Gleichnis, in dem der Herr uns mahnt, Unkraut und Weizen wachsen zu lassen, ist vielleicht das Lieblingsgleichnis vieler Bischöfe. Aber das soll jetzt nicht unser Thema sein. Schauen wir lieber auf die Begründung: Die Knechte sollen das Unkraut deshalb nicht ausreißen, weil sie sonst mit ihm zusammen auch den Weizen ausreißen könnten. Das liegt daran, dass sich das Unkraut manchmal um den Weizen schlingt, so dass eine Trennung nicht möglich ist. Das bedeutet aber nicht, dass es Unklarheiten gibt in Bezug auf die Frage, was Weizen und was Unkraut ist. Der Blick des kundigen Bauern kann sie genau unterscheiden. Er weiß: Das ist Weizen, und das ist Unkraut. Und es gibt auch kein Mittleres. Die Kunst des Unterscheidens wird in diesem Gleichnis vorausgesetzt. Die tatsächliche Trennung ist ja auch nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben, nämlich auf den Tag des Gerichts.

Die Kunst des Unterscheidens ist eine Frage der Klugheit und des gebildeten Gewissens. Sie setzt den klaren Unterschied zwischen Gut und Böse voraus. Die Kirche hat immer gelehrt, dass es Handlungen gibt, die ihrer Natur nach moralisch verwerflich sind, z.B. der Ehebruch. Der hl. Paulus nennt im Römerbrief in der Aufzählung der Gebote, die das eine große Gebot der Nächstenliebe ausmachen, das Verbot des Ehebruchs sogar an erster Stelle (13,9). Es ist vollkommen klar: Etwas ist entweder ein Ehebruch oder es ist kein Ehebruch. Tertium non datur, ein Drittes gibt es nicht. Es gibt auch keinen graduellen Übergang. Ein bisschen Ehebruch ist nicht möglich. Die Handlung ist entweder erlaubt oder unerlaubt, richtig oder falsch, Weizen oder Unkraut. Die Gewissensbildung der Gläubigen, die durch die Morallehre der Kirche erreicht werden soll, hat zum Ziel die Fähigkeit, Weizen und Unkraut, richtige und falsche Handlungen möglichst gut zu unterscheiden.

Doch das soll sich jetzt geändert haben. Björn Odendahl spricht auf katholisch.de, das laut Impressum das Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland ist, von einem Paradigmenwechsel, den Papst Franziskus mit Amoris laetitia vollzogen habe: Es gebe “kein letztes Unterteilen mehr von Handlungen in ‘richtig’ oder ‘falsch’”. Das ist schon lange ein Lieblingsthema von Moraltheologen einer bestimmten Richtung, die die Vorstellung von in sich schlechten Handlungen ablehnen und sich deshalb schon 1989 in der sogenannten Kölner Erklärung in offene Opposition zu Papst Johannes Paul II. stellten. Sie reagierten damit unter anderem auf die Aussage Johannes Pauls II.: “Die Existenz besonderer Normen für das innerweltliche Handeln des Menschen, die von so verpflichtender Kraft sind, dass sie immer und überall die Möglichkeit von Ausnahmen ausschließen, ist eine ständige Lehre der Überlieferung und des Lehramtes der Kirche gewesen, die von einem katholischen Theologen nicht in Zweifel gezogen werden darf.” Wir sehen, dass es im Streit um die Deutung von Amoris laetitia um noch viel mehr geht als um die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe.

Wenn nun also Papst Franziskus für diesen grundlegenden Paradigmenwechsel in Anspruch genommen wird - und das beileibe nicht nur von Herrn Odendahl -, dann bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder er weist diese Vereinnahmung zurück oder nicht.

Papst Johannes Paul II. hatte in seiner Enzyklika Familiaris Consortio die Verwirrung der Gläubigen vorausgesagt für den Fall, dass die Kirche wiederverheiratete Geschiedene zum eucharistischen Mahle zulasse. In welche Tiefen diese Verwirrung reicht, zeigen die Auslassungen von Herrn Odendahl.


Barmherzigkeit: Wer ist ihr authentischer Interpret?

Wie zuvor schon Karl Rahner in den 1950-iger Jahren in einem Aufsatz, der alle wesentlichen, noch heute gültigen Argumente enthält, hat Johannes Paul II. die Situationsethik abgelehnt und in seiner Enzyklika Veritatis Splendor verurteilt. Auch mit diesem Lehrschreiben bricht Amoris Laetitia. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass es Johannes Paul II. war, der sein Pontifikat unter das Thema der göttlichen Barmherzigkeit gestellt hat, ihr seine zweite Enzyklika widmete, in Krakau das Tagebuch der Schwester Faustyna entdeckte und sie später heiligsprach. Er ist ihr authentischer Interpret.

Robert Spaemann im Interview mit Anian Christoph Wimmer von der CNA: “Ein Bruch mit der Lehrtradition" – Robert Spaemann über Amoris Laetitia


Das Gewissen als Ersatzerlöser

Schriftlich gibt es diesen Beitrag auf der Seite über die Familiensynode.


Sorgen

Ich muss zugeben, dass mir also manches Sorgen macht. Allerdings will ich mich nicht in Debatten über den Wert von Fußnoten, vollständigen oder unvollständigen Zitaten einlassen. Zu denken gibt aber der Applaus, der aus dem Lager jener kommt, die sehnsuchtsvoll eine Änderung der kirchlichen Morallehre erwartet haben, die seit Jahrzehnten, die Pastoral von der Lehre lösen und zweite Verbindungen segnen. Sollte ein Dokument, das Ergebnis einer zweijährigen weltweiten Debatte ist, nicht so klar formuliert werden, dass es keiner langatmigen Interpretationen lehramtstreuer Bischöfe und Theologen bedarf, um hervorzuheben, es stelle keinen Bruch in der Lehre der Kirche dar?

Aus: Christof Gaspari, Amoris laetitia - heftig umstritten, Vision2000 3/2016, S. 25


Bitte um Richtigstellung

Prof. Dr. Josef Seifert, ein katholischer Philosoph aus der Schule Dietrichs von Hildebrand, hat unter dem Titel Die Freude der Liebe: Freuden, Betrübnisse und Hoffnungen einen ausführlichen Aufsatz über Amoris laetitia veröffentlicht, dessen Quintessenz nach eigenen Worten so lautet:

“Wenn es nicht möglich ist, wie es nicht möglich scheint, die im Artikel genannten und andere Erklärungen in AL in Kontinuität mit dem beständigen Lehramt der Kirche zu interpretieren, bitten wir demütig, aber stark und entschieden den Papst Franziskus, den Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, Sätze, die fast jeder Leser von AL in irrigem Sinn, der der Heiligen Schrift und der Lehre der Kirche widerspricht, verstehen muß, richtigzustellen und verheerende Interpretationen der Aussagen von AL entschieden zurückzuweisen. Geschieht dies nicht, werden immer mehr Bischofskonferenzen (wie die philippinische) zwangsläufig recht bald AL schlecht oder falsch interpretieren oder irrige Sätze ihrer Pastoral und ihrem Lehramt zugrundelegen. Da der Papst selbst, und nicht bösartige Journalisten oder Interpreten diese und andere Dinge gesagt oder geschrieben haben, halte ich es für die Pflicht aller Katholiken, den Papst demütig, aber mit aller Entschiedenheit zu bitten, Irrtümer durch die Wahrheit, falsche Interpretationen durch richtige, verworrene durch klare Aussagen zu ersetzen. So daß das Wort der Heiligen Schrift und der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium, daß die Kirche die ‘feste Säule der Wahrheit’ ist und der Papst, wenn er in Einklang mit dem Evangelium und der Kirche lehrt, unser höchster Lehrer der Wahrheit ist, in ihrem Glanz neu aufleuchten.”


Eine fatale Situation

Das ernüchternde Fazit lautet: Kapitel 8 von AL (Amoris Laetitia) ist so formuliert, dass sich sowohl Befürworter als auch Gegner einer Kommunionzulassung in ihrer Auffassung bestärkt fühlen können. Wer den Text in Kontinuität mit der bisherigen Praxis der Kirche lesen will, kann dies tun; wer die Einführung einer neuen Praxis favorisiert, kann sich ebenfalls auf den Text berufen. Eine fatale Situation.

Aus dem Artikel: P. Markus Christoph SJM, Papstschreiben in Diskussion, eine Analyse von Amoris Laetitia, in: Der Ruf des Königs Nr. 58, 2/2016, S. 4.


Unterschiedlich begrüßt

Das Dokument Amoris laetitia wird von den deutschen Bischöfen überaus zustimmend begrüßt. Wäre das Schreiben Familiaris consortio nach der Familiensynode 1980 von Papst Johannes Paul II. damals so aufgenommen und pastoral ernsthaft umgesetzt worden, dann stünden wir heute ungleich besser da.

Renate und Norbert Martin in ihrem Kommentar: Wer hält den Dammbruch auf? in der Tagespost vom 4. Februar 2017, S. 4.


Wahn der Machbarkeit

Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung, die sich aus diesem Verständnis von Barmherzigkeit ergibt. Beim slippery slope, der schiefen Ebene, lässt sich in der Regel ziemlich genau vorhersagen, was kommen wird. Man muss nur der Logik folgen. Was hier passiert ist auch deshalb fatal, weil in den entsprechenden kirchlichen Dokumenten offensichtlich kein vernunftgeleiteter Anschluss mehr an die kirchliche Tradition gesucht wird. Die innere Einheit von Glaube und Vernunft wird so infrage gestellt. Für viele Gläubigen entsteht damit der Eindruck einer Art Machbarkeit in Sachen Glaube, Moral und Pastoral. Das leistet natürlich dem Relativismus Vorschub. Zu der sich ausbreitenden Vorstellung, katholisches Christentum könne ohne so etwas wie Naturrecht, Anthropologie und inhaltliche Stringenz ihrer Lehre auskommen, scheint der kurze Tweet des italienischen Jesuiten Antonio Spadaro, Mitglied des Redaktionskomitees für den Schlussbericht der Bischofssynode, zu passen: „Theologie ist nicht Mathematik. 2 + 2 kann in der Theologie 5 ergeben…“ (Epiphanie 2017).

Aus: Christian Spaemann, Die Erosion der katholischen Sakramentenordnung in Deutschland, vom 17. Februar 2017. Ein Weckruf, der diesen Namen verdient.


Verwirrung, Jubel

“Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung.”
Der hl. Papst Johannes Paul II. in Familiaris Consortio, 84.

Damals herrschte bei den Gläubigen keine Verwirrung, sondern Klarheit, bei den Gegnern dieser Lehre aber Unzufriedenheit.
Nach der "Weiterentwicklung" dieser Lehre herrscht bei den Gläubigen Verwirrung, bei ihren Gegnern Jubel.


Manipulation der Quellen

FAZ: Dieses reformatorische Unternehmen ist ja nicht unelegant. Man lässt die überkommene Lehre, die Katechismuswahrheiten unberührt, aber lockert ihren Verpflichtungsgrad, ihre Bindungskraft. Demnach hätte Kardinal Walter Kasper ins Schwarze getroffen, als er sagte: Nichts wurde verändert durch dieses Schreiben „Amoris laetitia“, und doch hat sich alles verändert.

Kardinal Brandmüller: Was man da an Belegstellen vorbringt, sticht nicht. Man hat sich auf einen einzigen Autor gestützt, der seinerseits nicht nur schlampig, sondern ideologisch gearbeitet hatte. Und dann will man mir weismachen, dass man sich auf die Väter stützt. Ich sage: Quod non. Das Ganze ist eine unehrliche Geschichte, das ist Manipulation der Quellen. Und dagegen ist man als Historiker besonders allergisch. Das soll man nie tun.

Aus einem Interview, das Christian Geyer und Hannes Hintermeier mit Walter Kardinal Brandmüller, ehemals Professor für Kirchengeschichte, führten, gestern veröffentlicht in der FAZ online. In dem Interview erfahren wir von den FAZ-Redakteuren, dass der “liberale” Theologe Magnus Striet in der Herder Korrespondenz sich gegen jene Beschwichtigungsphrase gewandt habe, mit Amoris laetitia sei die Lehre der Kirche nur tiefer verstanden, nicht aber verändert worden. Dazu Brandmüller: “Da hat er natürlich recht. Es gibt tatsächlich Leute, die noch denken können.”


Ist Klarheit kasuistisch?

Als Blaise Pascal in seinem Kampf gegen die Jesuiten denselben Kasuistik vorwarf, meinte er damit (ob zu Recht oder Unrecht, spielt jetzt keine Rolle) deren Geschicklichkeit, in klaren moralischen Normen durch spitzfindige Unterscheidungen irgendwelche Schlupflöcher zu finden, um diese Normen im Einzelfall zu umgehen.
Heute erleben wir das merkwürdige Gegenteil: Gerade jenen, die in der Kontroverse um Amoris laetitia an der Klarheit der Normen, wie sie der hl. Johannes Paul II. von neuem immer wieder einschärfte, festhalten wollen, wird nun der Vorwurf der Kasuistik von jenen gemacht, die diese Normen durch Unterscheidungen, deren Kriterien weitgehend im Unklaren bleiben, aufweichen wollen.


AL auf dem moraltheologischen Schlachtfeld

“Thomas von Aquin behauptet unmissverständlich, dass kein menschliches Handeln von moralischer Bedeutung moralisch richtig sein kann, wenn das gewählte Objekt nicht dem moralischen Gesetz entspricht. Johannes Paul II. erklärte: „Einige Sünden sind aufgrund ihrer Materie an sich schon schwerwiegend und tödlich, d. h. es gibt Handlungen, die an sich und in sich, unabhängig von den Umständen, aufgrund ihres Gegenstands schwerwiegend falsch sind“ (Reconciliatio et Paenitenia, Abs. 17). Die bewusste Entscheidung, Unschuldige zu töten, ist immer falsch, unabhängig von der Situation oder den Umständen. Diese Überzeugung, die der von vielen liberalen Moraltheologen favorisierten proportionalistischen Ethik völlig fremd ist, wurde in Veritatis Splendor nachdrücklich bekräftigt, aber von dieser Argumentationslinie ist in Amoris Laetitia keine Spur zu finden. Stattdessen gibt es Andeutungen, dass es Ausnahmen von Normen geben müsse, die auf den konkreten Lebensumständen einer Person beruhen, denn es sei “kleinlich, nur bei der Erwägung stehen zu bleiben, ob das Handeln einer Person einem Gesetz oder einer allgemeinen Norm entspricht oder nicht” (Absatz 304). Papst Franziskus und seine Unterstützer behaupten, dass sie dem hl. Thomas treu sind, wenn sie behaupten, „je mehr wir uns den Details zuwenden, desto häufiger begegnen wir der Ungewissheit“ (304). Aber für Thomas von Aquin könnte eine solche moralische Zweideutigkeit entstehen, wenn affirmative Normen auf dem Spiel stehen. Amoris Laetitia ignoriert völlig die essentielle thomistische Unterscheidung zwischen affirmativen Regeln (wie z.B. „man muss geliehene Dinge zurückgeben“), die immer, aber nicht in jeder Situation gelten, und bestimmten negativen Regeln („begehe keinen Ehebruch“), die ausnahmslos gültig sind.”

Aus dem Artikel von Richard A. Spinello The Morality of Amoris Laetitia Is Not Thomistic, der am 14. November 2017 auf Crisis Magazine erschienen ist, in deutscher Übersetzung auf dem Blog des Scholastikers.

Vergleiche zur Frage der ausnahmslosen Geltung bestimmter negativer Normen die Aussagen von Papst Johannes Paul II.: "Die Existenz besonderer Normen für das innerweltliche Handeln des Menschen, die von so verpflichtender Kraft sind, daß sie immer und überall die Möglichkeit von Ausnahmen ausschließen, ist eine ständige Lehre der Überlieferung und des Lehramtes der Kirche gewesen, die von einem katholischen Theologen nicht in Zweifel gezogen werden darf."


AL: Applaus von der falschen Seite

Der Theologe Karl-Heinz Menke berichtet in seinem Buch Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr? (Regensburg 2017), dass der in Mainz lehrende Moraltheologe Stephan Goertz Amoris laetitia als einen Wendepunkt feiert, den Papst Franziskus eingeleitet habe. Diese Wende bestehe in der Verkehrung des Primates der Wahrheit (vor der Freiheit) in einen Primat der Freiheit (vor der Wahrheit). Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss man wissen, was mit diesem Primat der Wahrheit gemeint ist. Darunter versteht Goertz die Auffassung, dass der Inhalt der Moral uns vorgegeben sei und dass es Gebote gebe, die für alle Zeiten und alle Kulturen gelten. Das lehnt er ab! Wegen dieser Lehre kritisiert er die Enzyklika Veritatis splendor und den Katechismus der Katholischen Kirche. Für ihn kommt die Freiheit vor der Wahrheit. Die Moralnormen müssten der Freiheit dienen, und was der Freiheit dient, entscheidet der Einzelne selber. Die Anerkennung der Freiheit jedes Menschen sei die höchste Norm. Das ist zu deutsch der Bankrott der Moraltheologie und die Abschaffung des Naturrechts und der Zehn Gebote bis auf einen Rest, der sich an der Achtung der Freiheit festmacht. Vor allem wird hier das Verhältnis zwischen dem Lehramt und dem einzelnen Gläubigen auf den Kopf gestellt. Aus der Pflicht des Einzelnen, auf das Lehramt zu hören, wird die Pflicht des Lehramtes, die Freiheit des Einzelnen zu achten.

Menke nimmt Amoris laetitia gegen die Goertzsche Vereinnahmung in Schutz, indem er zeigt, dass Papst Franziskus an wichtigen Lehren seiner Vorgänger festhält. Aber das ist, so denke ich, nicht der entscheidende Punkt. In Amoris laetitia werden an einer wichtigen Stelle die Weichen neu gestellt. Wenn im Bahnverkehr eine Weiche falsch gestellt wird, ist das ein winzig kleiner Vorgang, der von der Allgemeinheit nicht bemerkt wird. Für die Züge, die auf den betroffenen Gleisen fahren, aber hat es weitreichende, ja fatale Konsequenzen. Die Weichenstellung in Amoris laetitia besteht darin, dass Papst Franziskus es in einem Fall zugelassen hat, dass die Pastoral die Norm aushebelt. Goertz drückt es so aus: Papst Franziskus “beschweigt in der Sexualmoral den klassischen deontologischen Normenkatalog, er verschiebt Normen aus der Abteilung in sich schlecht in die Abteilung im allgemeinen verboten (vgl. AL 304), er spricht mehr von Tugenden als von Gesetzen, er zieht in moralischen Fragen häufig einen narrativen einem präskriptiven Stil vor” (so Goertz, zitiert von Menke).

Goertz freut sich also über den Sprengstoff, der in Amoris laetitia enthalten ist. Eben dieser Sprengstoff ist der Kritikgegenstand der lehramtstreuen Kritiker von AL. Warum weisen die Advokaten von AL die Kritik als unberechtigt zurück, nicht aber die Vereinnahmung? Ist das neue Feindbild jetzt nicht mehr der Leugner, sondern der Bewahrer der Lehre? Nicht mehr der Falschlehrer, sondern der Rechtgläubige? Wenn jemand den Vorwurf des Diebstahls zurückweist, muss er auch das Ansinnen der Diebe zurückweisen, die ihn in seinen Reihen jubelnd begrüßen wollen. Ich kann nicht den Traditionsbruch leugnen und mich gleichzeitig für ihn feiern lassen.


Nachgiebigkeit statt Barmherzigkeit

Selbst auf den Seiten des konservativ-libertären Amerikanischen Politmagazins "National Review" staunte man über die Tatsache, dass unter der Leitung des Papstes aus "Sünde" nun "das objektive Ideal nicht gänzlich leben" geworden sei und dabei gesellschaftliche Konventionen die Christliche Lehre als Maßstab ersetzten. Das mag vorhersehbar "konservativ" klingen, doch der Autor Michael Brendan Dougherty interessiert sich vor allem für die Logik dieser Transformation. Wenn aus normativen Geboten Ideale würden, die nur bis zu einem gewissen Grad realisiert werden müssen, dann gebe es keine Sünden mehr, sondern nur noch "Halbtugenden". Dougherty sieht darin einen B-Klasse Katholizismus.
In dieser vom Papst propagierten Version des Glaubens sei Gott nicht wirklich barmherzig, sondern eher nachgiebig und indifferent. Ein Gott, der dem Stereotyp des Baby-Boomer-Papis zum Verwechseln ähnlich sieht: er erwarte sich weniger von seinen Kindern, die können sich aber umgekehrt auch weniger von ihm erwarten. So ein Gott wäre freilich nicht in der Position zu richten - und Erlösung wäre er uns geradezu schuldig, wenn er denn ein lieber Gott sein soll. Erst recht, wenn er die Kirche bis vor Kurzem mit den Qualen einer nicht lebbaren Moral in die Irre hat laufen lassen.

Aus: Raphaela Schmid, Wer ist wie Gott? Die Kirche und ihre Hirten vor dem Letzten Gericht, in: VATICAN-Magazin 11/2018.


Die vorbereitenden Familiensynoden


Der Philosoph Josef Seifert spricht über Amoris laetitia

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