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Dietrich von Hildebrand

Von Christa Pfenningberger

„Ihr, die ihr den Herrn liebt, hasst das Böse.“ Ps 97,10

„Wenn in Zukunft einmal die intellektuelle Geschichte der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert geschrieben wird, so wird der Name Dietrich von Hildebrand unter den Gestalten unserer Zeit herausragend sein.“
Josef Kardinal Ratzinger

Kindheit und Jugend

Am 11. Oktober 1889 kommt Dietrich, der von Geburt an mit besonderer Liebe umhegt wird, in Italien, in Florenz zur Welt. Nach fünf Töchtern des deutschen Ehepaares Adolf und Irene von Hildebrand ist der kleine Dietrich der langersehnte Sohn. In der Welt der von Hildebrands steht die Kunst an erster Stelle. Eine Welt der Kultur und der Schönheit, nichts Geschmackloses oder Hässliches, geschweige denn Vulgäres darf in das Haus oder zu den Kindern gelangen. Ein Familienleben, in dem die klassischer Literatur und vor allem die Musik allgegenwärtig sind. So ist Dietrich von Schönheit umgeben, jedoch nicht von Luxus oder bequemen Komfort. Eine Unterscheidung, die für ihn zeitlebens maßgelblich bleiben wird. Der Vater Adolf, ein bekannter Bildhauer, zieht mit 19 Jahren nach Italien und erwirbt ein Kloster aus dem 16. Jahrhundert, in dem er mit seiner Familie leben wird. Auch die Mutter Irene ist geformt von der Welt der Kultur, große Schriftsteller und Dichter finden sich in ihrem Freundeskreis. Alle sechs Kinder sind künstlerisch reich begabt.

Der kleine Dietrich sprüht vor Vitalität, Ungestüm und Lebensfreude. Ins Schulalter gekommen, erhält Dietrich eine französische Erzieherin und so spricht er mit neun Jahren fließend Deutsch, Italienisch und Französisch. Danach erteilen ihm sorgfältig ausgewählte Privatlehrer Unterricht, was für das begabte Kind sehr von Vorteil ist. Das Familienleben, die künstlerischen Neigungen der Geschwister, die Gespräche bei Tisch, die vielen Besuche angesehener Künstler, das alles förderte in Dietrich eine tiefe Liebe und ein Verständnis für große Literatur und eine lebenslange Liebe zur Musik.

Eines allerdings fehlt im Hause Hildebrand: die Religion. Die Eltern sind liebevoll und großmütig, aber sie haben kein religiöses Interesse, sie sind im Grunde Heiden. Gleichzeitig herrscht im Haus ein Klima der Ehrfurcht, der zynische Liberalismus des 19. Jhds. ist den Eltern fremd. Trotz dieses areligiösen Umfeldes fühlt sich Dietrich sehr zur Religion hingezogen und hat ein ausgeprägtes Gespür für das Heilige. Als junger Knabe liest er eine Kinderbibel, die ihm seine Mutter der schönen Bilder wegen gibt. Dietrich spürt, dass die Geschichten der Bibel anders sind als die Märchen, die er kennt und die Kinderbibel zieht in ganz in ihren Bann.

Mit acht Jahren nimmt ihn eine seiner Schwestern mit nach Mailand, wo sie die berühmte Kathedrale besuchen. Dort zeigt man ihm die architektonische Schönheit des Baues. Er aber besteht darauf, sich vor jedem einzelnen Altar niederzuknien. Die Schwester ist nicht begeistert: „Wenn du mit diesem verrückten Theater weitermachst, zeige ich dir die Kathedrale nicht!“ So sehr Dietrich seine Familie liebt, so teilt er doch nicht ihre Anschauung, dass die ästhetischen die höchsten Werte seien. In einer Diskussion mit seiner Schwester, die die Anschauung vertritt, dass die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele sinnlos sei, meint er: „Wie kannst du das behaupten? Verstehst du nicht, dass die Frage, ob wir eine unsterbliche Seele haben oder nicht, von entscheidender Bedeutung ist?“

Diese beiden Episoden zeigen zwei Grundzüge in Dietrichs Wesen: Eine große geistige Unabhängigkeit von der Meinung anderer oder vom sogenannten Zeitgeist; und: die Überzeugung, dass manche Dinge höher stehen als andere und dass diese Ordnung objektiv ist und geachtet werden muss.

Auf dem Weg

Mit 17 Jahren beginnt für Dietrich in München das Universitätsleben und er verbringt nun die meiste Zeit in Deutschland. Das von ihm gewählte Fach: Philosophie. Die Begegnung mit dem Philosophen Max Scheler wird entscheidend: Dieser ist sozusagen der erste Katholik, den Dietrich kennenlernt, denn er ist ja nie mit der Lehre der Kirche, geschweige denn mit einem praktizierenden Katholiken in Berührung gekommen. Kirchen galten in seinem Elternhaus ja als Stätten künstlerischer Schönheit, für deren sakralen Charakter war man blind. So ist es für den jungen Studenten sehr erstaunlich von Scheler zu hören, dass die römische Kirche die einzig wahre Kirche sei und er bittet ihn, dies zu erklären. Mit Leichtigkeit widerlegt Scheler die Vorurteile gegen die Kirche und erklärt: „Die Kirche bringt Heilige hervor.“ - „Was ist ein Heiliger“, fragt Dietrich zurück. Da beginnt Scheler ihm anhand des Lebens des heiligen Franz von Assisi das Wesen der Heiligkeit zu veranschaulichen. Für Dietrich ist klar: Ein solches Leben wie das des heiligen Franz lässt sich nicht rein menschlich erklären, es muss einen anderen Ursprung haben. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis Dietrich in die katholische Kirche findet, doch – und das ist wesentlich – er ist auf dem Weg.

Das Studentenleben genießt er in vollen Zügen, besucht vergnügliche Partys, geht auf Bälle, besucht die Oper und das Theater. Drei Jahre später finden wir ihn in Göttingen, wo er seine Studien fortsetzt. Dort lernt er eine junge Dame kennen, Margarete, seine zukünftige Frau. Sie ist wie Dietrich evangelisch und praktiziert wie er ihren Glauben nicht. Die beiden haben sehr viele gemeinsame Interessen, unter anderem die Musik, und vor allem: in beiden wohnt eine religiöse Sehnsucht. Bald ist Dietrich in Margarete, Gretchen, wie er sie zu nennen pflegt, verliebt und trägt sich mit Heiratsabsichten. Die Eltern Dietrichs verweigern allerdings die damals für eine Eheschließung notwendige Zustimmung.

So bleibt das Paar ohne offizielle Ehe zusammen. Im Februar 1912 bringt Margarete ein Kind zur Welt, das den Namen Franz erhält, aus Verehrung zum heiligen Franz von Assisi. Die Geburt seines Sohnes ist für Dietrich eine tiefe Erfahrung, indem ihm bewusst wird, wie geheimnisvoll Gott und Mensch in der Zeugung eines Menschen zusammenwirken und das vertieft seine Ehrfurcht vor der Sexualität und dem menschlichen Leben. Jahre später wird er schreiben: „Wir müssen uns von der Vorstellung frei machen, die körperliche Vereinigung von Mann und Frau sei etwas Schlechtes, und man müsse verzweifelt nach einer Entschuldigung für ihre Verwirklichung in der Ehe suchen, deretwegen man dieses Übel in der Ehe dulden könne. Wir müssen sehen, dass die körperliche Vereinigung (…) etwas in sich Edles ist, ein großes Geheimnis, ein Bereich, dem wir uns mit tiefer Ehrfurcht nahen sollten.“ Nach der Geburt geben die Eltern schließlich die Zustimmung zur Hochzeit, die im Mai 1912 stattfindet. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit beginnt Dietrich eine akademische Laufbahn mit Vorlesungen an der Hochschule in München.

Die Frage nach Gott, die Beziehung zu Gott wird im Leben des jungen Ehepaares immer dringender. Zur großen Überraschung Dietrichs konvertiert eine seiner Schwestern zur katholischen Kirche. Sie ist es auch, die ihrem Bruder sagt: „Die Gnade klopft an die Tür einer Seele und wenn man nicht antwortet, mag es sich nie wiederholen. Versprich mir, dass du Unterricht nimmst.“ Bald darauf gehen Dietrich und Margarete zu einem Franziskanerpater, der sie auf den großen Tag des Eintrittes in die katholische Kirche vorbereitet. „Wir hoffen beide, mit Gottes Gnade gute Katholiken zu werden.“

Die Schönheit Christi und seiner Kirche

Jedes Mal, wenn Dietrich später von seiner Konversion spricht, strahlt er vor Freude. Er tritt nun in eine neue Welt ein, und so reich sein Leben vorher auch gewesen sein mag, was er jetzt an Übernatürlichkeit, an Glanz, Erhabenheit und Schönheit entdeckt, lässt alles andere verblassen. Seine leidenschaftliche Liebe zur Schönheit und zur Wahrheit haben nicht nachgelassen, aber er findet eine Schönheit, die unendlich viel herrlicher ist: Das Antlitz Christi und seiner Kirche und ihre Botschaft von Demut und Liebe, die zur Heiligkeit führt. Er ist zu Hause, im tiefsten Sinne des Wortes. Seit dem Tag seiner Konversion bis zu seinem Lebensende geht Dietrich jeden Tag zur heiligen Messe und führt ein intensives Gebetsleben.

Ein entscheidender Faktor im Zuge seiner Konversion ist die Entdeckung der Autorität: So wie Christus autorativ und mit Vollmacht gelehrt hat (nicht wie die Schriftgelehrten, vgl. Mk 1, 22), so soll die Kirche dem irrenden Menschen den Weg zum Himmel weisen. Dietrich lässt sich sozusagen intellektuell „entthronen“, indem er gehorsam die Lehre der Kirche annimmt, auch wenn nicht alles und jedes sofort einsichtig ist. Er richtet sich wirklich nach dem Wort des heiligen Augustinus: „Credo ut intelligam“- „Ich glaube, um zu verstehen.“ Kurz vor seinem Tod wird er zu seiner Frau sagen: „Wenn du nach meinem Tod einen Text von mir oder nur einen Satz findest, der nicht völlig mit der Lehre der Kirche übereinstimmt, dann verbrenne ihn sofort.“

Katholisch sein bedeutet für ihn in beständiger Dankbarkeit zu leben für die unverdienten Geschenke des Glaubens, der Sakramente und der Leitung der Kirche. Nach seiner Konversion ist es sein glühender Wunsch, dass alle Menschen, die er achtet und liebt, sein neues Glück teilen. Tatsächlich konvertieren bald seine Schwestern zum katholischen Glauben. Mehr als hundert Freunde und Bekannte werden in die Kirche eintreten, weil Dietrich seinen Glauben mit ihnen teilt.

Nach den schweren Jahren des Ersten Weltkrieges, Dietrich dient als Soldat und Sanitäter, nimmt er seine Vorlesungstätigkeit wieder auf. Für ihn steht fest, dass er seinen Glauben nicht am Eingang der Universität ablegen wird. Nach der Veröffentlichung seines Buches Reinheit und Jungfräulichkeit meint ein Kollege: „Wenn sie an der Universität aufsteigen wollen, dann schreiben sie keine solchen Bücher über Reinheit, das ist ihrem Ruf nicht dienlich. Ein Buch über Reinheit richtet sich nur an Schulmädchen.“ Doch das macht auf Dietrich keinen Eindruck.

Ihr, die ihr den Herrn liebt, hasst das Böse!

In Deutschland beginnt sich das nationalsozialistische Unheil zu verdichten. Dietrich zieht schon in den 20er-Jahren die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten auf sich und bald steht er aufgrund seiner kompromisslosen Ablehnung dieser teuflischen Ideologie auf deren „Schwarzer Liste“. Sehr schmerzlich ist für ihn, dass unter den Katholiken viele dem Zeitgeist nicht widerstehen und sich verführen lassen. Selbst der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe aus dem Jahr 1933 nimmt der NS-Regierung gegenüber einen positiven Standpunkt ein [Die deutschen Bischöfe nahmen ihre Verurteilung der nationalsozialistischen Ideologie von 1931 nicht zurück, lockerten aber aufgrund feierlicher Versprechungen Hitlers vom 23. März 1933 das Verbot der Parteimitgliedschaft in der NSDAP, vgl. die ausgewogene Darstellung von Gerhard Senninger. Die Haltung der katholischen Bischöfe blieb weitaus distanzierter als die der protestantischen, die teilweise enthusiastisch reagierten und beispielsweise "das Morgenrot einer besseren Zeit" zu erkennen glaubten (so der badische Landesbischof Julius Kühlewein) oder sich ausdrücklich zur NSDAP bekannten (so der Landesbischof von Mecklenburg-Schwerin Heinrich Rendtorff), cf. Georg May, Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung, Stein am Rhein 1991, S. 209 f] – für Dietrich unverständlich, er ist voller Trauer. Dieses Versagen der Kirche, die er so glühend liebt, ist für ihn ein besonderes Kreuz.

Als Hitler 1933 Reichskanzler wird, ist klar, dass es für ihn kein Bleiben mehr in Deutschland gibt. Konzentrationslager oder Exekution wären sein Los, das sieht er unbestechlich klar. So entschließt er sich mit Frau und Kind zur Flucht. Das heißt: alles zurücklassen, die völlige Mittellosigkeit in Kauf zu nehmen und von außerhalb Deutschlands in Wort und Schrift gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen. Deutlich vernimmt er den Ruf, die Ideologie der Nazis öffentlich anzuprangern und andere Länder auf die täglich verübten Verbrechen des Regimes aufmerksam zu machen. An seine Freunde schreibt er folgende Zeilen: „Die Verbrechen der Nazis beleidigen Gott ganz unabhängig davon, ob das Opfer ein Jude, ein Kommunist, ein Sozialist oder ein Bischof ist. Das unschuldig vergossene Blut schreit zum Himmel.“

Dietrich lässt sich mit seiner Familie in Wien nieder, wo er mit Unterstützung des österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß das anti-nazistische Wochenblatt Der christliche Ständestaat herausgibt, eine aufreibende und wenig Dank einbringende Tätigkeit. Daneben setzt er seine Vortragstätigkeit in verschiedenen Städten Europas fort. Dass Der christliche Ständestaat bis 1938 herausgegeben werden kann, grenzt an ein Wunder. Als Dietrich eine Professur an der Universität Wien erhält, erfährt er aufgrund seiner entschiedenen Ablehnung des Nationalsozialismus und seiner Liebe zur Kirche viel Antipathie. Er weiß, dass er in Lebensgefahr schwebt, doch das hält ihn nicht davon ab, den Nationalsozialismus überall öffentlich zu verurteilen. In einem Brief des deutschen Botschafters Franz von Papen an Hitler aus dem Jahr 1937 wird Dietrich als „gefährlichster Feind und das größte Hindernis für den Nationalsozialismus in Österreich“ bezeichnet.

1938, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, gelingt ihm mit seiner Frau in letzter Minute die Flucht. Wenige Stunden nach seiner Flucht sind die Nazischergen schon in seiner Wiener Wohnung, ihn zu verhaften. Elf Monate bleiben von Hildebrands mit ihrem Sohn in der Schweiz, dann erhält Dietrich ein Lehrangebot an der Universität in Toulouse, in Südfrankreich. Während dieser Zeit der Flucht bis zu ihrer Ankunft in Amerika 1940 sind die Hildebrands ständig der Gefahr der Verhaftung ausgesetzt und völlig von der Hilfe anderer abhängig; sie haben buchstäblich kein Geld in der Tasche. Später sagt er darüber: „Wahre christliche Nächstenliebe zu erfahren, ist ein unvergleichliches Geschenk.“

1940 fallen die Nazis in Frankreich ein und Dietrich unternimmt verzweifelt Anstrengungen, um wiederum fliehen zu können; ein Unterfangen, das sich als äußerst schwierig erweist, denn es braucht gefälschte Pässe und Visa für Spanien und Portugal. Und es drohen stündlich Verhaftung und Exekution durch die Nazischergen. Die Familie leidet unbeschreibliche Angst auf ihrer Flucht durch die verschiedensten französischen Städte. Es scheint beinahe schon aussichtslos, als sich unverhofft eine Tür zu einem Ausreisevisum eröffnet, ohne dass die Nazis davon Kenntnis erhalten. Am 23. Dezember 1940 kommen Dietrich und Margarete im Schutz der Vorsehung in New York an.

In New York nimmt er an der privaten Jesuiten Hochschule eine Lehrtätigkeit an, die er bis 1960 ausüben wird. Papst Pius XII., dem er freundschaftlich verbunden ist, bezeichnet ihn als „Kirchenlehrer des 20. Jahrhunderts“ 1957 stirbt Margarete. Zwei Jahre später heiratet Dietrich eine seiner ehemaligen Studentinnen, die Philosophin Alice Jourdain. Er schreibt unter anderem mehrere Werke, in denen er die Lehre der Kirche verteidigt. So verfasst er die Schrift: „Humanae Vitae – ein Zeichen des Widerspruchs.“ Papst Benedikt über dieses Buch: „Es war die Liebe zur Schönheit der Wahrheit, die ihn viele Jahre später inmitten der Krise, welche die Kirche nach der Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae erschütterte, immer treu bleiben und die Lehre des Magisteriums in einer kleinen Schrift verteidigen ließ.“

Am 26. Januar 1977 stirbt Dietrich von Hildebrand in New York.

Textquelle: Alice von Hildebrand: Die Seele eines Löwen. Verlag Dr. Müller, 2003.
D. v. Hildebrand: Sittliche Grundhaltungen, Matthias Grünewald-Verlag.
D. v. Hildebrand: Marriage, Sophia Institute Press, Manchester, 1991.
Siehe auch: www.hildebrandlegacy.org

Der Artikel erschien in der Zeitschrift Feuer und Licht Nr. 163, Februar 2009.

Als Philosoph hat sich Dietrich von Hildebrand vor allem um die Grundlegung der Ethik verdient gemacht, indem er die Wertethik Max Schelers von vorkommenden Irrtümern befreit und weiter ausgebaut hat. Einen Ausschnitt aus seiner Ethik ist auf kath-info veröffentlicht:

Wert und Motivation


Balduin Schwarz, ein Schüler Hildebrands

Edmund Husserl, der Begründer der Phänomenologie


Anselm von Aosta

Vor 900 Jahren, am 21. April 1109, starb der hl. Anselm von Canterbury. Nach Canterbury wird er benannt, weil er dort zuletzt Erzbischof war und als solcher im englischen Investiturstreit für die Freiheit der Kirche stritt und dafür auch die Verbannung in Kauf nahm. Er stammte allerdings nicht aus England, sondern aus Aosta. In Bec in der Normandie trat er unter Abt Lanfrank in den Benediktinerorden ein. Hier wurde er der “Vater der Scholastik”, indem er die Geheimnisse des Glaubens so weit wie möglich rational zu durchdringen versuchte. Fides quaerens intellectum: Der Glaube, der das Verständnis sucht: Das ist das Motto, welches das Streben der ganzen Scholastik kennzeichnet.

Es gibt zwei Werke, durch welche Anselm bis in die Gegenwart geistesgeschichtlich nachwirkt: Das Proslogion, in dem er seinen Gottesbeweis entfaltet, der später der ontologische genannt wurde, und Cur Deus homo, in dem er u.a. den biblischen Gedanken des Sühnopfertodes Jesu Christi systematisiert. Während sein Gottesbeweis stets umstritten war und z.B. vom hl. Thomas von Aquin abgelehnt wurde, wurde seine Satisfaktionslehre von der Theologie allgemein übernommen. Noch Ludwig Ott qualifizierte in seiner Dogmatik die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung Christi als Sententia fidei proxima, also als eine Wahrheit, die von den Theologen als Offenbarungswahrheit angesehen wird, ohne dass dies von der Kirche bereits endgültig entschieden wurde. Erst der “modernen” Theologie blieb es vorbehalten, dem Sühnegedanken mit Unverständnis zu begegnen, ihn zu karikieren und zu einer Anselmschen Erfindung germanischen Ursprungs zu machen. Das neueste Paradebeispiel dieses Unfugs finden wir im Artikel von Christian Feldmann im Sonntagsblatt vom 19. April.

Sein Gottesbeweis, demgemäß dasjenige, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, als existierend erkannt wird, sobald es gedacht wird, ist meines Erachtens korrekt, sobald der Begriff der Größe nicht inhaltsleer bleibt, sondern als ein ethisch qualifizierter Begriff gedacht wird, der mit dem Gedanken der Gerechtigkeit zusammenfällt, wie Anselm ihn in De veritate entfaltet hat. Dies habe ich in einer eigenen Studie zu zeigen versucht.


Denken, was recht ist

In dieser Predigt zum 5. Sonntag nach Ostern setze ich Anselms Rechtheit, Kants Gesetz der Freiheit, den Spiegel des hl. Jakobus und den Verzicht des hl. Königs Ludwig IX. von Frankreich in Beziehung zueinander.

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