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Wie das Studium in der DDR eine Amerikanerin in die Kirche führte von Dr. Jennifer S. Bryson Als ich 19 Jahre alt war, geschah es eines Tages im Jahre 1986 in Leipzig, als ich einen Aufsatz von Lenin über den Atheismus las, dass Gott ohne Vorwarnung in mein Leben trat. Wusste Er, dass angesichts meiner Gleichgültigkeit Ihm gegenüber, meines Liebäugelns mit dem Atheismus und der Unabhängigkeit meines Geistes nur ein derartiger Schock zu mir durchdringen konnte? Was auch immer Er sich dachte, Er hatte meine Aufmerksamkeit. In meiner frühen Kindheit nahm meine Mutter mich und meine beiden Brüder sonntags mit in eine lutherische Kirche. Mein Vater war der Kirche gegenüber gleichgültig, kam aber meistens mit. Die Kirche war einfach ein Ort, den wir sonntags ungern besuchten, etwas, das wenig oder gar keine Bedeutung für unser Familienleben zu Hause hatte. Das war in den 1970er Jahren in Kalifornien, in der Nähe von San Francisco. In Vororten wie dem unseren wurde der Wohlstand mehr verehrt als Gott. In den Städten Oakland, Berkeley und San Francisco, auf der anderen Seite der Hügel unserer Stadt, wo der Geist von 1968 noch frisch war, galt die Verehrung allem, was neu, neuer und am neuesten war, allem, was die Vergangenheit ablehnte. Religion war an beiden Orten passé. Als ich als Kind in der Sonntagsschule der Kirche Ärger wegen meiner Fragen bekam, wurde mein Zweifel an der Religion noch größer. Trotzdem erwartete meine Mutter, dass ich weiterhin in die Kirche ging. Als ich auf dem Gymnasium war, kam ein sehr intelligenter, tiefgläubiger Jugendpfarrer in unsere Gemeinde; er war ein Samenpflanzer. Irgendwie, selbst auf dem trockenen, felsigen Boden meiner desinteressierten Seele, blieb eines der Samenkörner, die er ausstreute, in einer Ritze stecken. Er lag dort und wartete auf den richtigen Moment, um aufzugehen. Als ich an der Stanford University zu studieren begann, war ich ein „Nichts“, ein Mensch ohne Religion. Die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, beschäftigte mich einfach nicht. Ich wusste, wenn ich in den Himmel schaute und mich fragte, was sich hinter den Sternen verbarg, dass das Universum etwas Geheimnisvolles hatte, aber ich verfolgte solche Gedanken nicht weiter. Außerdem waren wir in Stanford die „Intelligenten“, die Art von Leuten, die Religion nicht ernst nahmen - oder so schien es mir in meinem Weltbild als Achtzehnjährige. Ich war mehr an Abenteuern interessiert, zum Beispiel an einem Auslandssemester im zweiten Studienjahr. Als die Regierung der DDR ein Stipendium für Stanford ausschrieb, um zwei Semester an einer Universität in der DDR zu studieren, bewarb ich mich und bekam das Stipendium. (Deutsch hatte ich als Austauschschülerin in Österreich während meiner Highschool-Zeit gelernt). Im Herbst 1986, mit 19 Jahren, schrieb ich mich für zwei Semester an der Karl-Marx-Universität in Leipzig ein. Ich war fasziniert von diesem fremden, kommunistischen Land - und ich war mehr als nur ein bisschen naiv. Als mich ein Student fragte, ob ich Marxistin sei, antwortete ich ihm, dass ich nicht genug über den Marxismus wüsste, um „ja“ oder „nein“ zu sagen. Ich spürte, dass ich diese Frage müsste beantworten können. Also entschied ich mich, Marxismus-Leninismus in Leipzig zu studieren. Ich schrieb mich für die drei Kurse ein, die alle Vollzeitstudenten belegen mussten (normalerweise nacheinander über drei Jahre): zwei Semester Philosophie (auch bekannt als dialektischer und historischer Materialismus), Wirtschaft und Politik. Das Philosophiestudium galt als das „sine qua non“ des Studiengangs, als unverzichtbare Grundlage für alles andere. Von Anfang an war klar, dass der Marxismus-Leninismus eine Weltanschauung ist und nicht nur ein Wirtschaftssystem, wie ich es in den USA gehört hatte. Ich hatte das Glück, einen ausgezeichneten Professor für Philosophie zu haben. Er war ein wahrer Gläubiger des Marxismus-Leninismus, ein freundlicher Mensch und ein begabter Lehrer. Zweiter Teil Am ersten Tag unseres Philosophiekurses sagte der Professor, das Ziel des Philosophiestudiums sei es, die Wahrheit über die Wirklichkeit herauszufinden. Ich war fasziniert. Das war ernst. Und es markierte einen Paradigmenwechsel in meinem Studium und in meinem Leben. Im Jahr zuvor hatte ich an der Stanford University zu einem der letzten Jahrgänge gehört, die die „Großen Bücher“ der westlichen Zivilisation studierten (leider ersetzte Stanford dieses Programm später durch einen Lehrplan des linken Progressismus). Während des Studiums der „Großen Bücher“ hatte ich das vage Gefühl, dass ich mit einigen Autoren mehr übereinstimmte als mit anderen, aber ich hatte keinen klaren Sinn für „wahr“ oder „falsch“, den ich artikulieren konnte. Alles, was ich aus meiner Kindheit wusste, war, dass ich mich auf Wohlstand, feministische Erfolge für Frauen und Karriere konzentrieren sollte. Ich dachte, Karriere sei das Ziel von Bildung. Aber in der DDR, als die Unterscheidung zwischen richtig und falsch eingeführt wurde, erwies sich meine Orientierung „Karriere über alles“ als unzureichend. Der Philosophiekurs hat mich fasziniert. Ich hatte noch nie etwas vom Materialismus gehört. Ich lernte fleißig, um mich jede Woche auf das Seminar vorzubereiten. Wir lasen über die alten griechischen materialistischen Philosophen wie Anaxagoras, Thales und Anaximander. Wir sprangen von ihnen direkt zu Feuerbach weil dazwischen in der Philosophie nichts passiert war (haha!). Als nächstes studierten wir die moderne Entwicklung der materialistischen Philosophie, lasen Werke von Feuerbach, Marx, Engels und Lenin. Was ich lernte, war so neu und wenn es wahr war so bedeutsam, dass ich mich ärgerte, dass mir das vorher niemand gesagt hatte. Es war eine Weltanschauung, die den Anspruch erhob, die Wirklichkeit zu erklären. Im ersten Jahr meines Studiums an der Stanford University habe ich gelernt, Ideen so zu erforschen, wie wenn man in einer Eisdiele Geschmacksrichtungen ausprobiert: Ich probierte eine, dann eine andere, mochte vielleicht einige Geschmacksrichtungen mehr als andere, aber ich unterschied sie nur auf der Ebene der Präferenz. Im Gegensatz dazu machte die Einführung der Kategorien „wahr“ und „falsch“ in Leipzig die Sache so ernst, wie sie nur sein konnte; ein neues Gefühl entstand, dass ich wissen musste, ob das, was ich studierte, wahr oder falsch war. Nach einigen Wochen des Seminars kamen wir zum Thema Atheismus. Der Atheismus war natürlich schon die ganze Zeit impliziert, aber nur als unausgesprochene Annahme. Jetzt sprachen wir das Thema direkt an. Zu diesem Zeitpunkt meines Lebens hätte ich mich, wenn mich jemand gefragt hätte, wahrscheinlich als Agnostikerin bezeichnet. Aber ich hatte nie einen Grund gesehen, darüber nachzudenken. Der Philosophie-Lehrplan in der DDR war so aufgebaut, dass er die Puzzlestücke so anordnete, dass, wenn wir zum Thema Atheismus kamen, sich nur ein Bild ergab: dass nämlich die Materie das Erste war, was es gab, und deshalb in der Hierarchie des Seins von primärer Bedeutung war. (Wie oder warum sie existierte, wurde nie erklärt oder in Frage gestellt.) Mehr und mehr erschien mir das logisch, und ich begann ernsthaft darüber nachzudenken, ob das alles wahr sein könnte. Früher hatte ich die Natur mit Staunen betrachtet, aber nie ernsthaft darüber nachgedacht, woher das alles kommt oder wie oder warum etwas überhaupt existiert. Und da stand ich nun, ein amerikanisches Mädchen in der DDR, das sich immer mehr dem Rand einer Klippe näherte und nur noch in den dunklen Abgrund des Atheismus blicken konnte. Ich war so auf diese neue Erklärung der Wirklichkeit fixiert, dass mir die Möglichkeit alternativer Wege, die vom Abgrund wegführten, nicht in den Sinn kam. Doch eines Tages, in einem einzigen Augenblick, sollte sich alles ändern. |
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