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Zum Tode des Philosophen Robert Spaemann

* * *

Am 10. Dezember 2018 starb in seinem Haus in Stuttgart der Philosoph Robert Spaemann. Am 19. Dezember wurde er von P. Bernhard Gerstle FSSP in Stuttgart-Botnang beerdigt. Die Predigt Gerstles wurde in der Tagespost veröffentlicht.


Mensch der Wahrheitsliebe

Mein Nachruf auf Robert Spaemann in der Tagespost.


Warnung vor dem naturalistischen Fehlschluss

Eine der praktischen Lektionen [von Spaemanns Buch Moralische Grundbegriffe]: eine Warnung vor Surrogaten. Wo „gut“ durch ein anderes Eigenschaftswort bestimmt und dann ersetzt wird, verliert das Gute seine Qualität eines Maßstabs, der von außen herangetragen wird. Beispiele für solche trügerischen, zeitgemäß erscheinenden Definitionen von „gut“ waren „fortschrittlich“ und „emanzipatorisch“.

Patrick Bahners in seiner Spaemann-Würdigung Individualist aus dem Unterholz, FAZ vom 12. Dezember 2018.


Unschätzbares geleistet

Wer diese komplizierten Zusammenhänge mit der Hilfe dieses großen Denkers einmal durchdacht hat, der wird das innere Band der gesamten Breite seiner Stellungnahmen zu ethischen und politischen Brennpunkten der neueren Zeit und die innere Logik und Konsequenz seines Einsatzes für die Verteidigung der Unteilbarkeit der Menschenwürde ganz von selbst, mit rein vernünftigen Argumenten und ohne „weltanschauliche“ Dezisionen, nachvollziehen können. Darin hat Spaemann Unschätzbares zur Verteidigung von Humanität und Rationalität in einer der geistigen Orientierung immer mehr entbehrenden Zeit und in einer zutiefst den Quellen ihrer Legitimität entfremdeten politischen und gesellschaftlichen Ordnung geleistet.

Dieses Zitat entstammt der großartigen Würdigung Spaemanns aus der Hand von dessem Schüler Walter Schweidler. Tatsächlich ist es so: So verständlich und klar Spaemann in seinen Aufsätzen zu argumentieren wusste: Die ganze Tiefe vieler Argumente kann man nur ermessen, wenn man sich in die “komplizierten Zusammenhänge” hineingedacht hat, die er in seinen systematischen Werken entfaltete. Da ist außer dem von Schweidler erwähnten Werk “Personen” noch “Glück und Wohlwollen” zu erwähnen. Für jemanden, der sich der Philosophie Spaemanns nähern will, empfehle ich als Einstieg “Moralische Grundbegriffe” und dann “Glück und Wohlwollen”.


Spaemann und Franziskus: Die fehlende Antwort

In diesem ausführlichen Gespräch mit Silke Arning im SWR 2 (45 Minuten Länge) aus dem Jahr 2016 erwähnt Robert Spaemann einen langen Brief, den er an Papst Franziskus geschrieben hatte: Der Papst habe durch seine unklare Ausdrucksweise z.B. in Bezug auf die wiederverheirateten Geschiedenen große Verwirrung und Ratlosigkeit erzeugt. Papst Franziskus antwortete ihm mit einem noch längeren Brief. Darin entfaltete der Papst einige seiner Gesichtspunkte, aber zum größten Teil ging er wie die Katze um den heißen Brei herum. Auf die entscheidenden Punkte ging er nicht ein.
Ansonsten bringt das Interview viele Stationen des Spaemann-Lebens zur Sprache, z.B. seine Kindheit unter der Nazi-Diktatur, sein Studium bei Joachim Ritter, wo es kein philosophisches Tabuthema gab außer Fichte, seine Lehrtätigkeit in Stuttgart, Heidelberg und München u.v.m.

Zum Thema: Spaemann über die wiederverheirateten Geschiedenen


Kritiker der Utopie

Spaemann wendet sich auch gegen den von der Kritischen Theorie unter dem Stichwort der Herrschaftsfreiheit favorisierten Gedanken der radikalen Vernunftherrschaft, da sie «doch meistens nur die eigene Herrschaft meint». In einem der «10 Kapitel politischer Philosophie» im Buch «Zur Kritik der politischen Utopie» lehnt Spaemann die Emanzipation als Bildungsziel ab. Ihr Modell sei nämlich die «Psychoanalyse Kranker». «Nicht sehen will sie lehren, sondern durchschauen, nicht fragen, sondern ‹hinterfragen›, nicht wissen, sondern besser wissen.»

Aus dem Nachruf des Philosophen Otfried Höffe Wahre Freiheit liegt im Denken – der Philosoph Robert Spaemann ist gestorben in der NZZ.


Einfühlsamer Freund

Robert Spaemann war ein großer Philosoph, ein konsequenter Verteidiger des Lebensrechts und ein einfühlsamer und hilfreicher Freund. Nicht erst im Streit um den Schein in der Schwangerschaftskonfliktberatung Ende der 90er Jahre war er mir eine große Stütze. Schon in den 80er Jahren halfen mir seine 1982 veröffentlichten "Moralischen Grundbegriffe", Studenten der katholischen Theologie und der Wirtschaftswissenschaften die Grundlagen der Ethik zu vermitteln. Am Anfang dieser Grundlagen steht, wie schon in der aristotelischen Ethik, die Frage nach dem Guten. Vor dieser Frage drücken sich viele mit einem Verweis auf die vielen gegensätzlichen Antworten, weshalb man besser von Interessen als von dem Guten und der Wahrheit sprechen solle. Spaemann hielt dem entgegen, dass unterschiedliche Interessen, ja Gegensätze dem antiken Denken nicht unbekannt waren, vielmehr erst den Anstoß gegeben hätten, nach dem Guten zu fragen.

Aus: Prof. Dr. Manfred Spieker, Den Stimmlosen eine Stimme geben. Ad memoriam Robert Spaemann, CNA vom 19. Dezember 2018


Gegen totalitäre Zumutungen

Das Absolute, so war er [Spaemann] überzeugt, biete den einzigen zuverlässigen Schutz gegen die Zumutungen totalitärer Herrschaft. Unter Linksliberalen machte sich Spaemann zudem wenig Freunde, indem er das permanente Hinterfragenmüssen geißelte: „In einem Zeitalter, das im Wesentlichen bestimmt ist durch Kritik und in dem Affirmation fast ein Schimpfwort geworden ist, wendet sich meine kritische Mentalität gegen die Kritik als herrschende Daseinsform.“

Aus dem Nachruf Die Taube in der Hand von Gregor Dotzauer im Tagesspiegel vom 11. Dezember 2018.


Nicht konservativ, sondern kritisch

Die Philosophie “darf aber auch nicht - wie zum Beispiel in einer bürgerlich orientierten Philosophie - den gerade geltenden Vorstellungen, Vorlieben, Gesetzen oder Ordnungen untergeordnet werden, sondern hat diese kritisch zu prüfen. Insofern ist Spaemann viel radikaler und weit weniger konservativ als Habermas. Wer ihn einfach nur ‘konservativ’ nennt (wie in diesen Tagen oft zu lesen ist), tut ihm Unrecht. Denn er ruft die Möglichkeit eines Denkens in Erinnerung, das jenseits des modernen Gegensatzes von links oder rechts, progressiv oder konservativ liegt.”

Aus: Holger Zaborowski, Ein zeitgenössischer Sokrates. Von der Unbürgerlichkeit der Philosophie. Zum Tod von Robert Spaemann, in: Vatican-Magazin, Januar 2019, S. 14 f.


Vermisste Hellsichtigkeit

Robert Spaemann sei wegen seines Engagements gegen Euthanasie dort angekommen, “wogegen er sich in seinen Jugendjahren hellsichtig verwahrt hatte: bei der politischen Rechten", so schrieb die Frankfurter Rundschau in ihrem Nachruf zum Tode Spaemanns, unkommentiert und offensichtlich zustimmend zitiert von Information Philosophie (März 2019).
Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Wenn man sich heute gegen Euthanasie engagiert, also gegen etwas, was seinerzeit von den Nazis praktiziert wurde, gehört man zur politischen Rechten. Aber seien wir fair: Nicht nur das Engagement gegen Euthanasie ist unseren Freunden von FR und IP ein Dorn im Auge: Außer Euthanasie werden noch Abtreibung, Empfängnisverhütung und künstliche Befruchtung genannt. Aber das macht die Sache nicht besser. Denn in allen Fällen geht es um eine Bedrohung der “Idee der menschlichen Person als ‘transzendentes Wesen.’”
Wer sich also für die Würde der menschlichen Person einsetzt, ist heute rechts. Allerdings hat nicht Spaemann sich gewandelt, sondern das politische Koordinatensystem. Das nicht zu durchschauen, ist gerade ein Mangel an jener Hellsichtigkeit, die sich Spaemann über all die Jahre hinweg bewahrt hat.


Erinnerungen an Spaemann

Meine Erinnerungen an Robert Spaemann auf meinem Podcast.


Robert Spaemann: Rationalität und Gottesglaube

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