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Calvin und die Reformation in Genf Von Franz-Xaver von Funk Vor 500 Jahren, am 10. Juli 1509, wurde Calvin geboren. Aus diesem Grund geben wir hier den Artikel über Calvin aus Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon. Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften wieder, Zweiter Band, 2. Auflage, Freiburg im Breisgau 1883, Spalten 1728 - 1744. Der Autor ist kein Geringerer als Franz-Xaver von Funk (1840 - 1907), der Kirchenhistoriker der Tübinger Schule in der Nachfolge Hefeles. Von Funk war “im In- und Ausland geschätzt als hervorragender Kirchenhistoriker”, dessen Arbeiten sich “durch Scharfsinn, sicheres Urteil, strenge Methode und unbestechliche Wahrheitsliebe” auszeichnen (Karl Bihlmeyer im LThK, 1. Auflage, dem sich Hermann Tüchle in der zweiten Auflage im wesentlichen anschließt). In der dritten Auflage des LThK beschreibt ihn Rudolf Reinhardt als den ersten Vertreter einer kritischen Geschichtsschreibung an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen, der heftig angefeindet wurde, dessen Meinungen sich aber heute durchgesetzt hätten. Johann Calvin oder Cauvin, Caulvin, wie der Name französisch lautete, wurde den 10. Juli 1509 zu Noyon in der Picardie [ca. 95 km nordöstlich von Paris] geboren. Seine Familie war bürgerlich, weshalb er sich in der Vorrede zu seinem Commentar über Seneca Unus de plebe homuncio nennt. Sein Großvater hatte in dem Städtchen Pont l’Evêque das Böttcherhandwerk betrieben. Sein Vater war bischöflicher Sekretär, Fiskalprokurator der Grafschaft und Syndikus des Domcapitels zu Noyon. Seine Mutter starb frühzeitig, und dieser Umstand war vielleicht der Grund, dass ihn die mit seinen Eltern befreundete adelige Familie von Mommor zu sich aufnahm und gemeinschaftlich mit ihren Kindern erziehen ließ. Der Vater bestimmte ihn zum geistlichen Stand und wußte bei seiner amtlichen Stellung ihm bereits in seinem 12. Lebensjahre eine Kaplanei an der Kathedrale von Noyon zu verschaffen (29. Mai 1521). Damit waren ihm die Mittel zu weiteren Studien gegeben. Im Jahr 1523 siedelte er zu diesem Behufe nach Paris über und wohnte daselbst zuerst in dem Collegium de la Marche, spätern in dem Collegium de Montaigu. Dort hatte er an Mathurin Cordier einen sehr anregenden Lehrer in der Grammatik; hier führte ihn ein bedeutender spanischer Gelehrter in die Dialektik ein. Bald nachdem er das 18. Lebensjahr zurückgelegt hatte, erhielt er durch die Fürsorge seines Vaters eine zweite Pfründe, die Pfarrstelle von Marteville (27. Sept. 1527), und zwei Jahre später konnte er dieselbe bereits mit der Pfarrstelle von Pont l’Evêque vertauschen. Die geistliche Laufbahn eröffnete ihm unter diesen Umständen günstige Aussichten. Doch wurde ihm plötzlich ein anderer Beruf zugewiesen. Sei es, weil er mit den geistlichen Behörden in Noyon in Konflikt geraten war, sei es, weil er sich von der neuen Laufbahn noch größere Vorteile versprach: der Vater befahl ihm, sich dem Studium der Rechtswissenschaft zuzuwenden. Er bezog zu diesem Behufe gegen Ende 1527 die Universität Orleans, später die Universität Bourges. Dort hörte er namentlich den berühmten Juristen Peter de l’Etoile und scheint sich daselbst auch den Grad de Licentiaten erworben zu haben; hier hörte er die Vorträge des ebenso angesehenen Andreas Alciati. Zugleich nahm er in dieser Zeit seine humanistischen Studien wieder auf und fand für diese einen trefflichen Führer an dem Deutschen Melchior Volmar aus Rottweil, der damals nacheinander an jenen beiden Hochschulen lehrte. Der Verkehr mit diesem Gelehrten wurde für ihn auch in religiöser Beziehung bedeutsam, da derselben den Grundsätzen Luthers huldigte. Volmar soll in seinem jungen Freund sogar den künftigen Reformator erkannt und ihn auf die Theologie als seinen eigentlichen Beruf hingewiesen haben. Die Nachricht ist indessen nicht hinlänglich verbürgt, und durchaus irrig ist die herkömmliche Meinung, als habe Calvin schon damals mit der katholischen Kirche gebrochen. Denn wenn auch der Umgang mit Volmar nicht ohne Bedeutung war, so tat er nach dem Zeugnis seiner Briefe den entscheidenden Schritt in jener Zeit noch nicht, und wenn er zu der Neuerung auch eine teilnahmsvolle Stellung einnahm, so ging er mit seiner Opposition zunächst doch nicht über den Boden der alten Kirche hinaus. Die religiöse Frage stand damals sogar noch nicht einmal im Vordergrund seines geistigen Lebens. Mehr als sie beschäftigten ihn die humanistischen Studien, und als ihn der Tod seines Vaters im Mai 1531 von der Jurisprudenz befreite, gab er sich denselben eine Zeitlang wieder ganz hin. Im Sommer dieses Jahres wandte er sich zum zweiten Mal nach Paris, und im Frühjahr 1532 erschien als die Frucht seiner Bemühungen seine Erstlingsarbeit, ein Kommentar zud Senecas Abhandlung über die Milde (L. Annaei Senecae libri duo de clementia ad Neronem Caesarem J. Calvini Noviodunaei commentariis illustrati). Doch hielt diese Stellung nicht mehr lange an; wahrscheinlich noch in demselben Jahre erfolgte der Umschlag. Als er seine humanistischen Studien zu einem gewissen Abschluss gebracht hatte, wollte er sich eine genauere Rechenschaft von der religiösen Frage geben, und seine Untersuchung fiel zu Gunsten der Neuerung aus. Zu diesem Ergebnis trugen wohl auch persönliche Verhältnisse bei; sein Vater war im kirchlichen Bann gestorben; sein ältester Bruder, ein Geistlicher, lebte ebenfalls im Streit mit den kirchlichen Behörden; ein naher Anverwandter, Robert Olivetan, ein Anhänger des neuen Glaubens, soll sich überdies bemüht haben, ihn für diesen zu gewinnen. Nachdem er den entscheidenden Schritt getan, gab er sich der neuen Lehre mit dem ganzen Eifer eines Konvertiten hin. Als sein Freund Nikolaus Cop von Basel, der damalige Rektor der Universität, an Allerheiligen 1533 nach dem Herkommen eine öffentliche Rede zu halten hatte, bewog er ihn, eine von ihm ausgearbeitete Rede “über die christliche Philosophie” vorzulesen, in welcher ganz entschieden Partei für das neue Evangelium genommen war. Diese Kühnheit machte freilich, da die Sache an den Tag kam, seinem Aufenthalt in Paris ein Ende. Er mußte die Stadt verkleidet verlassen und hielt sich nun eine Zeitlang unter falschem Namen im südlichen Frankreich, hauptsächlich in Angoulême, auf, wo er bei dem jungen Kanonikus Louis du Tillet freundliche Aufnahme fand und bereits die Vorstudien zu seinem theologischen Hauptwerk begann. Später befand er sich auch wieder im mittleren und nördlichen Teil des Landes. Im Mai 1534 z.B. entäußerte er sich zu Noyon seiner kirchlichen Pfründen, und zwar um Geld, indem er, wenn ihm sein Gewissen auch nicht gestattete, sie noch länger beizubehalten, es dennoch als zulässig ansah, für den Verzicht eine Entschädigung zu fordern. In Orleans vollendete er noch im Laufe desselben Jahres seine theologische Erstlingsarbeit, eine gegen die Sekte der Anabaptisten gerichtete Abhandlung über den Seelenschlaf, bezw. gegen die Ansicht, daß die Seele des Menschen nach ihrem Abscheiden aus dem Körper bis zu ihrer Wiedervereinigung mit demselben bei der Auferstehung in einen todesähnlichen Schlaf versinke (Psychopannychia. Vivere apud Christum, non dormire animos sanctos, qui in fide Christi decedunt). Selbst seine alten Bekannten in Paris wagte er zu besuchen. Aber die Verfolgung, welche seine Glaubensgenossen durch ihre fanatischen Angriffe auf die alte Kirche, namentlich durch die Verbreitung des berüchtigten Flugblattes “Über die abscheulichen und großen Mißbräuche der päpstlichen Messe” eben damals gegen sich heraufbeschworen, bestimmte ihn, das Vaterland ganz zu verlassen. Er begab sich in Begleitung seines Freundes Louis du Tillet über Straßburg nach Basel, wo er im Anfang des Jahres 1535 anlangte, und widmete sich zunächst ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Im Herbst 1535 war die Institutio religionis christianae, die ihn schon länger beschäftigte, vollendet, im Frühjahr 1536 verließ sie die Presse. Die Vorrede ist eine Zuschrift an den König Franz I. von Frankreich, in welcher dem Fürsten wegen der Verfolgung der Protestanten kräftige Vorstellungen gemacht werden. Sie gilt als ein besonders hervorragendes Denkmal der Literatur und wurde den zwei größten Vorreden, welche das geistesmächtige 16. Jahrhundert hervorgebracht haben sollte, der des Casaubonus zu seiner Ausgabe des Polybius und der des Thuanus zu seiner Weltgeschichte, als die dritte beigezählt. Die Schrift selbst handelte in sechs Kapiteln 1.vom Dekalog, 2. vom Glauben, 3. vom Gebet, 4. von den Sakramenten, näherhin von der Taufe und vom Abendmahl, 5. von den falschen Sakramenten, als welche die fünf anderen Sakramente der Kirche betrachtet werden, 6. von der kirchlichen Freiheit, der kirchlichen Gewalt und der politischen Verwaltung. In den späteren Auflagen hat sie indessen die ursprüngliche Gestalt fast gänzlich verloren. Die zweite Ausgabe, welche 1539 veranstaltet wurde, und mit der die Ausgaben der Jahre 1543, 1545, 1550, 1553, 1554, von einzelnen Erweiterungen abgesehen, übereinstimmen, zählt 21 Kapitel. Die Ausgabe von 1559 zerfällt in vier Bücher (1. de cognitione Dei creatoris, 2. de cognitione Dei redemptoris, 3. de modo percipiendae Christi gratiae, 4. de externis mediis ad salutem) mit 80 Kapiteln, und ihr Umfang beträgt fast das Fünffache der ersten. Indes beschränkt sich die Veränderung vorwiegend auf die Form; die Grundgedanken sind im Wesentlichen durch alle Auflagen die nämlichen. Die jüngste Gesamtausgabe der Werke Calvins (Braunschweig 1863 ff.) enthält in den beiden ersten Bänden den Text der Ausgaben der Jahre 1536, 1539 und 1559 nebst den Zutaten der übrigen. Bald nachdem Calvin die Institutio, sein literarisches Hauptwerk, vollendet hatte, verließ er Basel und begab sich an den Hof der Herzogin Renata von Ferrara, der evangelisch gesinnten Tochter des Königs Ludwig XII. von Frankreich. Er erfreute sich daselbst der wohlwollendsten Aufnahme, und die Fürstin blieb fortan mit ihm in brieflichem Verkehr. Ein längerer Aufenthalt in Italien war ihm indessen bei dem wachen Auge der Inquisition nicht möglich, und so kehrte er alsbald über die Alpen zurück, um nach einigen Wanderungen in Frankreich sich dauernd in Straßburg oder Basel niederzulassen. Allein es sollte anders kommen, als er geplant hatte. Die herrschenden Kriegsunruhen nötigten ihn den Weg über Savoyen und Genf zu nehmen, und hier wurde er festgehalten. Sein Freund Louis du Tillet, der sich gleich nach der Rückkehr aus Italien von ihm getrennt und in Genf Wohnung genommen hatte, verriet einigen Freunden seine Anwesenheit. Die Kunde kam auch zu den Ohren Farels, und dieser bestimmte ihn durch Bitten und, als diese nichts halfen, durch Dohungen zum Bleiben. Er sollte ihn im Aufbau einer neuen Kirche daselbst unterstützen. Die alte Kirche war nämlich damals in Genf bereits beseitigt. Die Stadt am Lemansee hatte an den benachbarten Fürsten von Savoyen gefährliche Nachbarn, und Jahrhunderte lang sahen es diese auf ihre Unterwerfung ab. Da der einmütige Widerstand von Bischof und Bürgerschaft ihre Bemühungen stets vereitelte, so suchten sie schließlich diese Allianz zu sprengen, indem sie den Bischofsstuhl mit Mitgliedern ihres Hauses besetzten. Die Wendung beginnt mit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Herzog Amadeus VIII. [Seit 1391 Graf von Savoyen, wurde er 1416 von Kaiser Sigismund zum ersten Herzog von Savoyen erhoben], der in seinen späteren Jahren als Felix V. die Rolle eines Gegenpapstes [1439 - 1449] spielte, ließ sich 1444 zur Befestigung seiner kirchlichen Stellung zum Bischof von Genf wählen, und fortan blieb das Bistum fast ununterbrochen in seiner Familie (ihm selbst folgten zwei Enkel), indem der römische Stuhl, ohne zu ahnen, wohin diese Politik führen sollte, die Bestrebungen der savoyischen Fürsten unterstützte. Die Folgen machten sich bald bemerkbar. Der savoyische Einfluß erstarkte nach und nach, so daß Karl III. [Herzog von Savoyen 1504 - 1553] am Anfang des 16. Jahrhunderts es endlich wagen konnte, an die eigentliche Unterjochung der Stadt zu denken. Aber der Angriff von der einen Seite bewog die Genfer, Schutz auf der andern zu suchen, und schon im Anfang des Jahres 1519 ließen sie sich in das Burgrecht von Freiburg aufnehmen. Das Bündnis mußte zwar nach einigen Monaten wieder aufgehoben werden, als Karl III. mit einer starken Streitmacht gegen die Stadt anrückte. Gegen Ende des Jahres 1525 erzwang derselbe sogar die Anerkennung seiner Herrschaft. Mit seinem Sieg beginnt indessen zugleich seine Niederlage. Schon wenige Tage nach seinem Abzug nahm der Geist der Unabhängigkeit in Genf den kräftigsten Aufschwung. Sofort wurden wieder Verhandlungen über das Burgrecht mit Freiburg und Bern angeknüpft, und dieses Mal auch letzterem gegenüber mit Erfolg, während sie früher zu keinem Ergebnis geführt hatten. Am 12. März 1526 wurde das Bündnis in allen drei Städten beschworen. Peter de la Baume, seit 1522 Bischof von Genf und früher schon einige Zeit Coadjutor des Bischofs Johann von Savoyen, als diesem unwürdigen Kirchenfürsten von Rom aus das weitere Verweilen in der Stadt untersagt wurde, stand damals auf der Seite der Bürgerschaft. Leider kam seine Aufnahme in das Burgrecht nicht zustande, und so wandte er sich, unentschieden wie er war, wieder dem Herzog zu, der ihn wegen seiner Haltung kurz zuvor aufs Schmählichste behandelt hatte. Der Schritt war unheilvoll. Er zog ihn in den Sturz des Herzogs hinein, und dieser war bei der Macht der Verbündeten der Stadt nur mehr eine Frage der Zeit. Im Jahr 1530 wurde die savoyische Streitmacht geschlagen; am 6. Januar 1531 mußte Karl im Vertrag von Payerne das Burgrecht vom Jahre 1526 in aller Form anerkennen. Das Vizedominat, das er seit langer Zeit in Genf besaß, wurde zwar noch anerkannt, aber tatsächlich war Genf jetzt eine unabhängige Stadt. Freilich ruhte seine Unabhängigkeit auf dem Beistand seiner Verbündeten, und der eine derselben benutzte diese seine Stellung, um dem neuen Evangelium eine weitere Bahn zu brechen. Die religiösen Verhältnisse waren in Genf ähnlich, wie an anderen Orten in der damaligen Zeit. Der Klerus war vielfach entartet. Doch behauptete die Kirche immer noch eine große Macht über die Gemüter, und ohne das Andringen Berns wäre es daselbst schwerlich zu einem religiösen Umsturz gekommen. Die erste bedeutsame Tat vollzog sich in dieser Beziehung im Herbst 1530. Die zumeist aus deutsch redenden Lutheranern bestehenden Mannschaften, welche Freiburg und Bern gegen Savoyen schickten, veranstalteten einen förmlichen Bildersturm, und so lange sie in der Stadt weilten, mußte in allen Kirchen und Klöstern, das Klarissenkloster allein ausgenommen, der katholische Gottesdienst eingestellt werden. Nach ihrem Abzug wurde der alte Kult zwar wiederhergestellt, aber der Vorgang war immerhin bedeutungsvoll. Die katholische Tradition war, wenn auch nur für kurze Zeit, einmal unterbrochen, und der Rat nahm fortan eine veränderte Stellung zum Klerus ein, wenngleich er an einen völligen Bruch mit der Kirche noch keineswegs dachte. Die kirchliche Opposition, welche in Genf, zumal nach den letzten Ereignissen, nicht fehlen konnte, gewann an Boden und wagte im Jahr 1532 sich bereits an die Öffentlichkeit. Als Clemens VII. in Genf den allgemeinen Jubelablaß verkünden ließ, wurden in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni auf dem Molardplatz und an den Kirchentüren Plakate angeschlagen, auf welchen im Namen “des himmlischen Vaters jedem ein vollkommener Ablaß unter der einzigen Bedingung der Reue und des Glaubens an die Verheißungen Christi” angeboten war. Der Rat verbot zwar ein solches Tun für die Zukunft. Da er aber gegen die Urheber der Tat nicht einschritt, machte die Oppositionspartei weitere Fortschritte. Zudem fanden sich in der nächsten Zeit ganz entschieden protestantisch gesinnte Männer in der Stadt ein. Vor allem gehörte zu diesen der bereits erwähnte Verwandte Robert Olivetan. Noch im Herbst 1532 erschien ferner, in Begleitung seines Freundes Saunier und mit einem Empfehlungsschreiben der Behörden Berns versehen, Wilhelm Farel [1489 - 1565], um Calvin die Bahn zu ebnen. Seine Anwesenheit dauerte dieses Mal zwar nur einige Tage. So mächtig war noch der katholische Geist, daß dieser fanatische Gegner der Kirche nicht ertragen wurde. Derselbe fand aber, als er weichen mußte, in dem jungen Anton Fromment aus dem waadtländischen Orbe einen Landsmann, der ihm für die fragliche Mission wie geschaffen zu sein schien, und diesem gelang es in der Tat, einige Monate in Genf für die Neuerung zu wirken. Im Anfang des nächsten Jahres mußte freilich auch er die Stadt verlassen, und das katholische Bewußtsein, durch den Angriff aus seinem Schlummer geweckt, machte sich entschiedener geltend. Als aus der nächsten Wahl unter vier Syndiken drei aufrichtige Katholiken hervorgingen, wurden verschiedene Neuerer aus der Stadt gewiesen, und es schien sich ein Umschwung zu Gunsten der alten Religion zu vollziehen. Aber die Neuerer hatten einen mächtigen Rückhalt an Bern, und dessen Einfluß hielt sie. Das erste Schreiben, das die Stadt auf das Anrufen ihrer Hilfe durch Baudichon, das Haupt der Freunde der Neuerung in Genf, erließ, rief zwar auf Seite der Katholiken eine große Entrüstung hervor, und es drohte zwischen den Parteien zum Handgemenge zu kommen, als es den anwesenden Freiburgern noch gelang, die Gemüter zu beschwichtigen. Der Friede war indessen von keinem Bestand. Am 4. Mai erfolgte wirklich ein Zusammenstoß, und der Domherr Peter Werly verlor das Leben. Da er ein geborener Freiburger war, legte sich seine Vaterstadt ernstlich ins Mittel. Sie verlangte nicht bloß Genugtuung, sondern sie drang auch entschieden in den Bischof, der seit fast sechs Jahren, seit August 1527, fern von seiner Herde auf seinen Gütern in Burgund weilte, endlich wieder nach Genf zurückzukehren. Derselbe kam wirklich, aber nur, um die Stadt schon nach 14 Tagen (am 15. Juli 1533) und zwar für immer zu verlassen. Es begreift sich, welche Folge dieses Verhalten für die katholische Sache haben mußte. Das Übergewicht war von nun an auf der protestantischen Seite. Schon nach einigen Tagen nahm Fromment seine Predigt in Genf wieder auf, und das Verbot der Winkelpredigt, das der flüchtige Bischof erließ, war unter den obwaltenden Umständen eher geeignet, ihr Vorschub zu leisten, als Einhalt zu tun. Durch die Berufung eines tüchtigen Predigers für den Advent 1533, des Dominikaners Guy Furbity aus Montmelian, wurde das katholische Bewußtsein noch einmal gehoben, allein umsonst; von den Protestanten um Hilfe angegangen, verlangte Bern die Prozessierung des Predigers, und da es mit Kündigung des Burgrechts drohte, so gab Genf nach, obwohl Freiburg, das seit 1530 eine beträchtliche Schuldforderung in die Waagschale zu werfen in der Lage war, entgegengesetzte Vorstellungen machte. Bern war aber damit noch nicht zufrieden. Es verlangte überdies für seine Glaubensgenossen eine Kirche in der Stadt, und wenn der Rat diese Forderung auch mit dem Bemerken abwies, daß ihre Bewilligung ihre Kompetenz überschreite, so gab er doch zugleich zu verstehen, daß er es nicht verhindern werde, wenn die Protestanten sich in den Besitz einer Kirche setzten. Der Wink wurde befolgt, und am 1. März 1534 hielt Farel, der in der letzten Zeit wieder in Genf sich eingefunden hatte, eine Predigt in der Rivekirche, die erste protestantische Predigt an geweihter Stätte. Die Neuerung errang so in kurzer Zeit die beträchtlichsten Erfolge, und ihre Lage war um so günstiger, als Freiburg, ungehalten über die ihm widerfahrene Behandlung, in Bälde das Burgrecht kündigte. Die religiöse Frage war damit im Grunde entschieden. Hatte die protestantische Schutzmacht schon bisher in Genf das Übergewicht behauptet, so stand sie fortan allein. Der Bischof tat das Seinige, um den Ausgang zu beschleunigen. Nachdem er der Bewegung lange Zeit untätig zugeschaut und dann ein einfaches Verbot gegen sie erlassen hatte, wollte er sie nunmehr mit äußerer Gewalt unterdrücken. Allein der Krieg, den er im Sommer 1534 mit Hilfe Savoyens begann, fiel unglücklich aus. Genf kündigte ihm den Gehorsam auf, und bald nach dem Verluste der weltlichen war es auch um seine geistliche Herrschaft geschehen. Durch den Erfolg ermutigt, taten die Neuerer schon 1535 den letzten Schritt. Ein Religionsgespräch sollte definitiv zwischen der alten und neuen Religion entscheiden. Sein Anfang war auf den 30. Mai angesetzt, und sein Ausgang war um so eher vorauszusehen, als die Verteidigung der katholischen Kirche nur durch zwei Geistliche übernommen wurde, die derselben zum Teil bereits entfremdet waren und später ihr wirklich den Rücken kehrten. Der Rat wollte zwar die Konsequenz noch nicht so rasch ziehen. Aber die Prediger drängten weiter. Farel riß nacheinander die verschiedenen Kirchen an sich. Am 8. August nahm er selbst von der Kathedrale St. Peter Besitz, und noch am nämlichen Tage kam es zu einem verheerenden Bildersturm. Derselbe wurde am nächsten Tage fortgesetzt. Am 10. August wurde zwar das Treiben untersagt; zugleich wurde auch das Messelesen verboten, und tatsächlich seit diesem Tage kein katholischer Gottesdienst mehr geduldet. Die Disputation, welche zwei Tage später statthaben sollte, diente dem Geschehenen nur zur Bestätigung. Die Ordensgeistlichen lehnten ebenso, wie die Weltgeistlichen, gemäß bischöflicher Weisung die Unterredung ab. Als die Berner mit Beginn des nächsten Jahres zum zweiten Male ihre Kriegssscharen aussandten, um die von Seiten des Bischofs und des Herzogs von Savoyen drohende Gefahr abzuwehren, kam es zu neuen Leiden für die Katholiken. Ihre Schlösser und Dörfer in der Umgegend wurden eingeäschert, und Gewalttaten aller Art erfolgten, so daß selbst die Prediger ihre Stimme dagegen erheben mußten. Daß der katholische Gottesdienst in den Landgemeinden wie in der Stadt ausgerottet wurde, braucht nach dem Gange, den das neue Evangelium überall nahm, wo es zur Macht gelangte, kaum mehr bemerkt werden. Hervorzuheben ist nur, daß dieses mit einem Schlage geschah, und daß nicht einmal die Frist von einem Monat gewährt wurde, als die Landpfarrer auf so lange um Verzug baten, um sich zunächst mit der neuen Lehre bekannt machen zu können. Indessen war damit erst das alte Gebäude niedergerissen. Von einem Neubau war man noch weit entfernt, und Farel, mehr Stürmer als Gesetzgeber, war dieser Aufgabe in Genf um so weniger gewachsen, als ihn damals die tüchtigsten seiner Gehilfen verließen. Viret, der 1534 in Begleitung der Berner Gesandten sich eingefunden hatte, begab sich nach Neuenburg, Fromment zog sich ins Privatleben zurück. Die Verluste wurden indessen bald reichlich ersetzt, indem noch im nämlichen Jahre Calvin ankam. Wie bereits oben gezeigt, leistete derselbe der Aufforderung, in Genf zu bleiben, nicht ohne Widerstreben Folge. Doch vermochte er den Drohungen Farels nicht zu widerstehen und nahm die Einladung an. Nur bat er, zur Ordnung seiner Angelegenheiten zuvor noch nach Basel gehen zu dürfen. Als er gegen Ende August von da zurückkehrte, begann er sofort seine Wirksamkeit, indem er zunächst neutestamentliche exegetische Vorlesungen hielt. In Bälde wurde er zum Prediger gewählt, und nun folgten rasch drei wichtige Schritte. Es wurde eine Bekenntnisformel aufgestellt, ein protestantischer Katechismus verfaßt und eine Denkschrift über die künftige Organisation der Kirche in Genf ausgearbeitet. Der Rat ging in der Hauptsache auf die Vorschläge ein. In der Bürgerschaft erhob sich indessen Widerspruch, als die Glaubensformel beschworen werden sollte, und nicht Wenige entzogen sich der Eidesleistung. Der Rat drohte zwar den Renitenten mit Verweisung aus der Stadt. Aber das Dekret wurde nicht ausgeführt, und als die Prediger die Einführung der schon früher beantragten Exkommunikation verlangten, stießen sie auf Widerstand. Zu ihrem Unglück gerieten sie noch mit Bern in Konflikt, indem sie in einigen Punkten (Feier von vier alten Festtagen, Gebrauch des ungesäuerten Brotes beim Abendmahl, Beibehaltung der Taufsteine, Duldung des Haarschmuckes der Bräute) in ihrem radikalen Ungestüm über die Berner Theologen hinausgegangen waren und hartnäckig auf ihrem Standpunkt beharrten, als man von ihnen die Annahme der sogenannten Berner Gebräuche verlangte. Um die Differenz zum Austrag zu bringen, wurde im März 1538 eine Synode nach Lausanne berufen. Die Entscheidung fiel gegen sie aus, und am kommenden Osterfest sollte die Kommunion bereits nach dem Berner Ritus gehalten werden. Da sie auch jetzt noch auf ihrer Weigerung beharrten, wurde ihnen die Predigt verboten, und als sie dessen ungeachtet die Kanzel bestiegen und heftige Reden hielten, wurde schon am anderen Tag die Strafe der Amtsentsetzung und Verbannung durch den Rat der Zweihundert über sie verhängt. Sie traten sofort die Abreise an, und da die Vermittlungsversuche der Berner und der schweizerischen Synode erfolglos waren, sahen sie die Stadt längere Zeit nicht wieder. Von Basel aus, wo sie mehrere Wochen verweilten, wandte sich Farel nach Neuenburg; Calvin begab sich, einer Einladung Butzers folgend, nach Straßburg. Die Wirksamkeit des Ersteren in Genf hatte damit, von wiederholten kurzen Besuchen in späterer Zeit abgesehen, überhaupt ihr Ende erreicht. Der Letztere sollte sie nach einigen Jahren mit größerem Erfolge wieder aufnehmen. Während der Zwischenzeit bekleidete Calvin in Straßburg das Predigeramt bei der französischen Emigrantengemeinde. Außerdem hielt er theologische Vorlesungen, und im Frühjahr 1539 wurde er förmlich als theologischer Lehrer angestellt. Im Anfang desselben Jahres begleitete er Butzer zum Reichstag nach Frankfurt und machte hier die persönliche Bekanntschaft Melanchthons. Im nächsten Jahr war er bei den Religionsgesprächen zu Hagenau und Worms, 1541 auf dem Reichstag zu Regensburg. Letzterem wohnte er sogar in amtlicher Eigenschaft bei, indem ihm die Stadt Straßburg auf den Wunsch Melanchthons zu ihrem Abgeordneten ernannte. So hatte er reichlich Gelegenheit, die religiösen Verhältnisse in Deutschland aus eigener Anschauung kennen zu lernen, und die Verbannung brachte ihm dadurch nicht unbedeutenden Gewinn. Bezüglich seiner persönlichen Verhältnisse ist noch zu bemerken, daß er im Herbst 1540 mit der Witwe Idelette von Buren sich verehelichte. Wenn er aber vorwiegend mit den Vorgängen in Deutschland sich beschäftigte, so verlor er doch auch Genf nicht aus den Augen. Seine Freunde blieben in Verkehr mit ihm, und als der gelehrte Bischof von Carpentras, Kardinal Sadolet, im Auftrag des Bischofs Baume und anderer Kirchenfürsten im Frühjahr 1539 ein Sendschreiben an die Stadt richtete, um sie zur Rückkehr zum alten Glauben einzuladen, verfaßte er eine Gegenschrift. Dieselbe brachte eine bedeutsame Wirkung hervor. Seine Anhänger faßten neuen Mut. Selbst manche seiner Gegner wurden durch die Schrift gewonnen. Verwicklungen mit Bern führten überdies zum Sturz der Männer, unter deren Regiment er verbannt worden war, der sogenannten Artichauts, und zum Siege seiner Freunde, der Guillermins, wie sie nach Guillaume Farel genannt wurden. So wurde eine Zurückberufung beschlossen, und noch im Herbst 1540 wurde er zur Rückkehr eingeladen. Er folgte dem Rufe noch nicht, da er noch eine gewisse Abneigung gegen Genf fühlte und andererseits Verpflichtungen gegen Straßburg hatte; allein er konnte doch nicht widerstehen, als die Bitten stets dringlicher sich erneuerten und als selbst der ihn verbannende Volksbeschluß in aller Form zurückgenommen wurde, um ihm die Rückkehr zu erleichtern. Am 13. September 1541 fand er sich wieder in der Stadt ein, um fortan ganz ihr zu gehören. Die Stadt war jetzt unterwürfiger gesinnt als früher. Die Kirchenordnung, welche Calvin nunmehr entwarf, die Ordonnances ecclésiastiques, wurde, wenn auch mit einigem Sträuben und mit einigen Milderungen versehen, doch in der Hauptsache angenommen. Sie bestimmte die Rechte und Pflichten der Geistlichen, und ihren Mittelpunkt bildete die sog. Congegation, eine wöchentliche Versammlung der Geistlichen und der übrigen mit „Erhaltung der Reinheit und Einigkeit der Lehre“ beauftragten Personen. Die Geistlichen der Stadt mußten sich an jeder Sitzung beteiligen, die Landgeistlichen wenigstens einmal im Monat einfinden. Zur Verhandlung kamen ebensowohl wissenschaftlich-theologische als auch praktisch-kirchliche Fragen, der Sittenzustand, die Pastoration der Gemeinde u.dgl. In jener Beziehung wurde regelmäßig ein Vortrag über eine Schriftstelle gehalten, und daran schloß sich eine freie Erörterung über das behandelte Thema. Auf die neue geistliche Ordnung folgte eine neue bürgerliche, und auch an ihrer Feststellung hatte Calvin einen hervorragenden Anteil. Seinem Einfluß ist insbesondere die Bevorzugung der aristokratischen Elemente der Verfassung und die rücksichtslose Strenge in Ausübung der Strafgewalt zuzuschreiben. Wichtiger indessen war die Gründung des Konsistoriums, eines teils geistlichen, teils weltlichen Instituts mit der Aufgabe, das sittlich-religiöse Leben in seinem ganzen Umfang zu überwachen und für die Aufrechterhaltung der reinen Gottesverehrung zu sorgen. Seine Mitglieder waren einerseits die fest angestellten städtischen Geistlichen, andererseits zwölf Laienälteste, die durch den kleinen Rat teils (2) aus seiner Mitte, teils (4) aus dem Rat der Sechzig, teils (6) aus dem Rat der Zweihundert gewählt wurden. Das Konsistorium hatte insbesondere den Kirchbesuch und den Empfang des Abendmahles zu kontrollieren und den sittlichen Wandel des Einzelnen zu beaufsichtigen und mußte zu diesem Zwecke jährlich wenigstens einmal die Häuser besuchen. Wurden Fehler und Mißstände entdeckt, so hatten die Ältesten, die zur Kenntnis derselben gelangten, die Betreffenden zunächst auf gütlichem Wege zur Besserung anzuhalten. Waren die Zureden vergeblich, oder handelte es sich um eine erhebliche Verfehlung, so wurde die Sache vor das Kollegium gebracht. Dasselbe trat jeden Donnerstag zu einer Sitzung zusammen, und da Kläger, Zeugen und Richter in einer Person vereinigt waren, so folgte auf die Anzeige in der Regel auch die Verurteilung. Die zur Anwendung kommenden Strafen waren Rüge, Zurechtweisung, Kirchenbuße, öffentliche und kniefällige Abbitte, endlich der Kirchenbann. Doch hatte es bei den geistlichen Strafmitteln noch nicht sein Bewenden. Schien das Vergehen auch eine bürgerliche Strafe zu fordern, so wurde der Angeklagte noch weiterhin der weltlichen Behörde zur Aburteilung übergeben. Letzteres geschah keineswegs selten, denn Calvin hielt die Grenzen zwischen den beiden Gebieten nicht sehr auseinander. Schon die Kirchenordnung sprach den Grundsatz aus, daß die Verunehrung des göttlichen Namens mit bürgerlichen Strafen zu ahnden sei, und die Geschichte zeigt, daß der Reformator in dieser Beziehung selbst vor dem Scheiterhaufen nicht zurückschreckte. Der papistischen Gesetzgebung macht er geradezu sträfliche Nachsicht zum Vorwurf. Genf aber erhielt, wie bei der Anwendung solcher Mittel und bei der strengen und herben Lebensansicht des Reformators nicht zu verwundern ist, in kurzer Zeit ein wesentlich verändertes Aussehen. Die lärmenden Kundgebungen und Aufzüge wichen einem düsteren Ernst. Tanz, Spiel u. dgl. waren fast ganz untersagt. In wenigen Jahren nahmen auch die Theateraufführungen ein Ende. Selbst die Wirtshäuser wurden aufgehoben, und an ihre Stelle traten in den sog. Abteien gewissermaßen geistliche Casinos, fünf an der Zahl. Dieselben waren auf die einzelnen Stadtbezirke verteilt, und im Interesse der Ordnung wurde jeder Bürger streng auf die Abtei seines Quartiers hingewiesen. Nicht einmal die Namen entgingen dem Reformeifer Calvins. Eine ganze Reihe wurde als unstatthaft bezeichnet und darauf gedrungen, daß echt biblische, insbesondere alttestamentliche Namen gewählt würden. Was den Gottesdienst anlangt, so bestand er aus Predigt, Gebet und Psalmengesang, und jene bildete seinen Hauptbestandteil. Festtage gab es außer dem Sonntag nicht. Calvin forderte zwar jetzt nicht die völlige Beseitigung der Berner Feiertage; dieselben gingen gleichwohl alsbald wieder ein. Nicht einmal das Weihnachtsfest vermochte sich zu behaupten. Um so strenger aber wurde der Sonntag durch wiederholten Gottesdienst gefeiert. Auch an den Werktagen wurden zahlreiche Predigten gehalten. Das Abendmahl fand viermal im Jahre statt, am Sonntag vor oder nach Weihnachten, an Ostern, um Pfingsten und am ersten Sonntag im September. Calvin wünschte eine monatliche Kommunion, drang damit aber nicht durch. Ebenso mußte er, um sich nicht dem Verdacht des Papismus auszusetzen, darauf verzichten, die einzelnen Gläubigen vor der Kommunion, wie er in Straßburg getan, eine Art Privatbeichte ablegen zu lassen. Die Vorbereitung auf den Empfang des Sakramentes beschränkte sich auf Erweckung der Reue über die begangenen Sünden, auf den laut erklärten Vorsatz der Besserung und auf Erweckung und öffentliches Bekenntnis des Glaubens. Die Spendung des Sakramentes erfolgte im Anschluß an den Sonntagsgottesdienst unter Gebet, Psalmengesang und biblischer Lesung. Die Kirchenordnung erfreute sich eines seltenen Erfolges. Obwohl sie tief in das soziale Leben und die Freiheit der Einzelnen einschnitt, so wurde sie doch angenommen. Die Pest, welche damals die Stadt heimsuchte, und eine Hungersnot machten die Herzen gefügiger. Freilich war es bei nicht Wenigen nur ein äußerer Gehorsam, der der neuen Ordnung gegenüber beobachtet wurde. Im Innern des Herzens schlummerte manche Opposition. Mit der Zeit trat die Stimmung auch ans Tageslicht, und es kam zu einem neunjährigen, freilich mehrfach unterbrochenen Kampfe (1546 - 1555). Schon einige Jahre früher waren an verschiedenen Orten pantheistische Grundsätze aufgetaucht, und ihre Verfechter hatten auch ungescheut die praktischen Konsequenzen ihrer Lehre gezogen, den Unterschied von Gut und Bös geleugnet u. dgl.. Sie nannten sich die Geistigen, Spirituels; ihre ungebundene Moral trug ihnen den Namen Libertiner ein. Calvin bekämpfte sie zunächst in einem Schreiben an die Königin Margaretha von Navarra, 1544 auf Bitten der Prediger von Neuenburg in der Schrift Contre la secte fanatique et furieuse des Libertins qui se disent Spirituels. Im Frühjahr 1546 machte sich diese Richtung auch in Genf bemerkbar; doch hatte sie hier zum Teil einen politischen Charakter und äußerte sich als Opposition gegen die Tyrannei des Reformators. Zunächst wurden wegen derselben Peter Ameaux und seine Gattin vor das Konsistorium geladen. Ersterer mußte, da er sich überdies in Schmähungen gegen Calvin erging, in einem demütigen Aufzug öffentlich Abbitte leisten. Nur kurze Zeit später wurden mehrere Personen aus den höchsten Familien, darunter Ami Perrin, eingesperrt, weil sie bei einer Hochzeit das altbeliebte Vergnügen des Tanzes sich wieder erlaubt hatten. Der Vorfall gab zu einem erbitteren Streit Anlaß. Die Frau Perrins und ihr Vater Favre griffen Calvin auf das Heftigste an. Im nächsten Jahr wurden diese beiden Personen, da sie von den gesetzlich verbotenen Vergnügungen nicht lassen wollten, aus der Stadt verwiesen. Um dieselbe Zeit erhob sich in Jacob Gruet gegen den Reformator ein Libertiner im vollen Sinne des Wortes und büßte am 26. Juni sein Auftreten auf dem Schaffot. Calvin hoffte durch die Strenge seine Gegner einzuschüchtern. Aber das Blutvergießen rief eine ganz unglaubliche Erbitterung hervor, und es drohte zum Äußersten zu kommen. Zwar wurde der Friede wieder hergestellt, allein er war von keinem Bestand. Im Herbst 1548 und im Frühjahr 1550 brachen wegen harter Urteile des Reformators über das Volk von Genf und wegen der Taufnamen neue Konflikte aus. Im Jahr darauf sah sich Calvin auch wegen seiner Prädestinationslehre angegriffen. Sein Gegner Hieronymus Bolsec, ein ehemaliger Carmelitermönch, trat schließlich sogar in einer Congregation gegen die Lehre auf, und wenn er für sich auch keinen Erfolg erzielte, vielmehr aus dem Gebiet von Genf ausgewiesen wurde, so machte sein Auftreten doch einigen Eindruck. Im Herbst 1552 wurde der Angriff durch einen Anderen, und zwar ohne Strafe, aufgenommen. Bedeutsamer ist ein weiterer Streit, der im nächsten Jahr einen tragischen Abschluß fand. Der Spanier Michael Servede kam auf der Flucht vor der Verfolgung, die er sich durch seine Christianismi Restitutio zugezogen hatte, im Sommer 1553 nach Genf, und er wollte die Stadt nach ungefähr fünfwöchigem Aufenthalt bereits wieder verlassen, als er auf Andringen Calvins verhaftet wurde. Sofort wurde wegen Ketzerei und Gotteslästerung (er war Antitrinitarier) ein Prozeß gegen ihn instruiert, und er endete 2½ Monate später, am 26. Oktober, auf dem Scheiterhaufen. Calvin hatte ihm dieses Los schon vor einigen Jahren in Aussicht gestellt, indem er, als derselbe von einer Reise nach Genf sprach, an Farel schrieb: “Wenn er kommt, so geht er nicht mehr lebendig von hier weg, wofern meine Meinung noch etwas gilt.” Später, als der Unglückliche in seiner Gewalt war, sprach er klagend von der Untätigkeit derjenigen, denen Gott das Schwert gab, um die Ehre seines Namens zu schützen. Sein Anteil an diesem Blutvergießen kann daher keinem Zweifel unterliegen. Daß er einmal von der Hoffnung sprach, Servede werde widerrufen, und die Sache werde nicht zum Äußersten kommen, spricht ihn nicht frei. Welches Recht hatte er, von einem Mann, der der Stadt Genf gar nicht angehörte, und der auch nicht den Willen hatte, in ihr zu bleiben, einen Widerruf zu fordern? Der Prozeß drängte die Sache der Libertiner in den Hintergrund; nahm er doch nicht bloß Genf, sondern auch die übrigen reformierten Hauptstädte der Schweiz in Anspruch, indem Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen um ihre Meinung in der Angelegenheit befragt wurden. Aber zu Ende war die Opposition gegen die neue Kirchenordnung und namentlich gegen die Institution des Ausschlusses vom Abendmahl noch keineswegs. Sie bestand fort, und zu weiterer Unzufriedenheit gab die zahlreiche Aufnahme von Fremden in die Stadt Anlaß. Nach den Bruchstücken der Register der Republik, welche erhalten blieben, wurden allein in den Jahren 1549 bis 1554 1376 Personen die Niederlassung bewilligt. Es waren Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, welche wegen ihrer Zuneigung zum neuen Evangelium die Heimat hatten verlassen müssen. Die Fremden drohten bei ihrer großen Anzahl die Einheimischen aus der Verwaltung zu verdrängen, und es begreift sich daher, wenn letztere denselben nicht günstig gesinnt waren. Ebenso ist aber auf der andern Seite zu begreifen, daß Calvin, selbst ein Fremdling, sich auf die neuen Bürger stützte, zumal dieselben williger auf seine Ideen eingingen, als die alten. Durch diesen Zuwachs von außen hatte der Reformator allmählich ein entschiedenes Übergewicht erlangt. Seine Partei fühlte sich ihrer Sache bereits so sicher, daß sie, als gegen die im Anfang des Jahres 1555 erfolgte Aufnahme von 60 neuen Bürgern Einsprache erhoben wurde, mit der Erklärung antwortete, sie werde demnächst 50 weiteren Anmeldungen entsprechen. Die Gegenpartei war so überwunden. Die neuen Elemente hatten die Oberhand, und der Angriff, den das alte Genf in der Nacht des 18. Mai 1555 machte, diente nur zur Vergrößerung und Besiegelung seiner Ohnmacht. Vier der Beteiligten wurden hingerichtet. Ami Perrin und andere Angesehene aber verließen die Heimat. Nachdem der Reformator damit in Genf Ruhe gefunden, beschäftigte ihn noch der Streit über das Abendmahl, der in den letzten Jahren ausgebrochen war. Seine Lehre galt den Lutheranern in Deutschland ebenso als irrtümlich wie die der deutschen Schweizer, mit denen er sich im Consensus Tigurinus 1549 über eine gemeinsame Formel verständigt hatte, und der Prediger Westphal in Hamburg begann 1552 einen heftigen Kampf gegen sie. Im nächsten Jahr erneuerte er seinen Angriff, und als Calvin 1554 endlich antwortete, entspann sich ein Streit, der bis 1557 beziehungsweise 1561 dauerte, da Calvin in diesem Jahr seine Lehre noch gegen den Lutheraner Heßhus verteidigte. Im Übrigen verliefen die letzten Jahre ruhig. Zu erwähnen ist nur noch die Gründung der Genfer Akademie. Die Anstalt, zum großen Teil aus freiwilligen Beiträgen und hauptsächlich zur Heranbildung von Theologen gestiftet, wurde 1559 eröffnet, und ihr erster Rektor wurde Theodor Beza, der kurz zuvor aus Anlaß eines Streites mit der Berner Regierung nebst deren waadtländischen Geistlichen in Genf sich angesiedelt hatte. Calvin selbst übernahm Vorlesungen und setzte damit seine Lehrtätigkeit fort, welche er schon bisher ausgeübt hatte. Die Anstalt zerfiel in zwei Abteilungen, eine niedere und eine höhere Schule, beziehungsweise ein Collegium oder Gymnasium und die eigentliche Akademie. Die theologischen Vorlesungen waren vorzugsweise exegetische, in zweiter Linie dogmatische. Die Schule erfreute sich einer hohen Blüte. Schon im ersten Jahr wird die Zahl der regelmäßigen Schüler mit mehr als 900 angegeben. Ebenso viele junge Männer sollen die theologischen Vorlesungen Calvins gehört haben, zumeist Franzosen und Engländer, welche die Vertreibung aus der Heimat nach Genf geführt hatte. Die Schule erhielt dadurch eine hohe Bedeutung. Sie setzte das Werk des Reformators fort, als derselbe am 27. Mai 1564 starb, und sicherte seiner Lehre Befestigung und eine weite Verbreitung. Wie in England und Schottland und einem Teil von Frankreich, wurde die calvinische Anschauung in der nächsten Zeit auch in Holland herrschend. Selbst mehrere deutsche Staaten nahmen sie an, hauptsächlich die Pfalz 1563, Hessen-Kassel 1604, Kurbrandenburg 1614. Die schriftstellerische Tätigkeit Calvins war sehr umfangreich. Die wichtigsten Werke wurden bereits erwähnt. Gesamtausgaben existieren drei. Die erste in 12 Bänden Fol. erschien 1617 in Genf, die zweite in 9 Bänden Fol. 1671 in Amsterdam, die dritte, veranstaltet von den Straßburger Professoren Baum, Cunitz und Reuß, erscheint seit 1863 in Braunschweig und umfaßt gegenwärtig (1882) 25 Quartbände. Briefsammlungen veranstalteten Bretschneider, Leipzig 1835, und Jules Bonnet, Paris 1854. Die Kommentare zum Neuen Testament edierte Tholuck, 7 Bde., Berlin 1833. Die erste Biographie verfaßte Beza 1564, 2. Aufl. 1565. Deutsche Monographien existieren von Henry, 3 Bde., Hamburg 1835 1844; Stähelin, 2 Bde., Elberfeld 1863, und Kampfschulte, Leipzig 1869. Letzteres Werk, dem wir hauptsächlich folgten, blieb indessen in Folge des frühen Todes des Verfassers unvollendet. Der allein erschienene erste Band geht nur bis 1546. Außerdem mag noch erwähnt werden: Audin, Hist. de la vie, des ouvrages et doctrines de Calvin, 2. vols. Paris 1841, 6 éd. 1873; deutsch Augsburg 1843 -1844; Lobstein, Die Ethik Calvins, Straßburg 1877; Pierson, Studien over Joh. Kalvijn, Haarlem 1881. Jacques Davy Duperron, ein bekehrter Calvinist Mordanschläge Vor 300 Jahren, Ende März 1711, scheiterte der erste von zwei Mordanschlägen, die Calvinisten auf den hl. Ludwig Grignion von Montfort (1673 - 1716) planten. Dieser hielt in La Rochelle Volksmissionen, die so erfolgreich waren, dass sie den Neid und Hass der Calvinisten erregten. Als er nun eines Tages die Straße erreichte, auf der sie ihm auflauerten, fühlte er sich aus unerklärlichen Gründen wie gelähmt, so dass er nicht weitergehen konnte und sein Ziel erst auf einem Umweg erreichte. |
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