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Bekehrung in der Todeszelle Als Jean Maria Kardinal Lustiger, der damalige Erzbischof von Paris und geschätzter Freund Papst Johannes Pauls II., im Dezember 1993 eine Voruntersuchung für die Seligsprechung des 27-jährigen Polizistenmörders einleitete, erregte er damit in Frankreich viel Anstoß. Ein zum Tod verurteilter Krimineller als Heiliger? Welche Provokation! Dennoch zögerte der Kardinal nicht, allen kritischen Stimmen entgegenzuhalten: “Vor Gott ist keiner endgültig verloren, auch nicht wenn die Gesellschaft ihn verurteilt hat. Ich hoffe, dass Jacques Fesch eines Tages als Heiliger verehrt wird. Dies würde all jenen große Hoffnung geben, die sich selbst verachten und die sich als unverbesserlich und hoffnungslos verloren glauben.” Rastlos und unglücklich In einer Vorstadt in Paris wuchs Jacques Fesch als Jüngster einer reichen Familie auf. Der Vater war Bankdirektor, Atheist, zynisch und an seinen Kindern kaum interessiert. Die Mutter, religiös und von gutem Charakter, war so sehr in sich gekehrt, dass sie der Familie keine Wärme, Vertrautheit und Führung schenken konnte. Vom Elternhaus vernachlässigt, war Jacques also schon als Kind ganz auf sich gestellt. “Meine Eltern verstanden sich nicht. Die Folge war eine unerträgliche Atmosphäre in unserer Familie. Es gab keine gegenseitige Achtung, keine Liebe. Wir waren wie Monster an Egoismus und Stolz.” Der verschlossene Bub musste wegen seines Leistungsabfalls mehrmals die Schule wechseln. Zwar war “der große Blonde mit der vielen Kohle” wegen seiner Freigebigkeit in der Jugendbande und auf Partys gern gesehen und von vielen Mädchen wegen seines guten Aussehens umschwärmt, aber in Wirklichkeit hatte er keinen einzigen Freund. Mit 19 Jahren unterbrach er schließlich seine Studien und arbeitete lustlos beim Vater in der Bank, bis er zum Militärdienst nach Deutschland musste. Seine Liebesaffäre mit Pierrette Polack, einem katholischen Mädchen ebenfalls aus reichem Hause, mündete 1951 für die beiden Gleichaltrigen in einer standesamtlichen Ehe. Einen Monat später kam ihre Tochter Veronique zur Welt. “Ich liebte meine Frau nicht wirklich, aber wir waren gute Freunde... Meine Tochter hingegen liebte ich... Ich war eine schwache Natur und hatte einen sehr labilen Charakter, suchte immer den bequemsten Weg.” So schlug nicht nur sein beruflicher Einsatz im Betrieb seines Schwagers fehl, sondern es dauerte auch nicht lange, bis Pierrette mit dem Kind zu ihrer Familie zurückkehrte. Wieder einmal half Mutter Fesch ihrem Sohn und überwies im eine Million Francs, um ein Geschäft aufzubauen. “Beim ersten Mißerfolg habe ich alles hingeworfen. Meine Mutter hatte mich vor die Tür gesetzt, und in der Firma hatte ich hohe Schulden. Was sollte ich in dieser Lage tun? Es war besser, sich einfach aus dem Staub zu machen.” Allein, ohne wirkliches Lebensziel, wurde ihm der Wunsch nach fernen Inseln und einem Segelboot zur fixen Idee. Dafür beging der 23-Jährige im Februar 1954 einen dramatischen Überfall auf den jüdischen Geldwechsler Silberstein, bei dem er eine große Menge Goldbarren bestellt hatte. Anstatt zu bezahlen, schlug er dem alten Mann die Pistole seines Vaters über den Kopf und flüchtete kopflos ohne große Beute. Jacques verlor die Brille, und als ihn ein Polizist stellte, drückte er unter seinem Mantel einfach ab. Herzschuss! “Ich sah nichts, ich handelte wie unter Zwang, wie ein Besessener: Was dann kam, war... ein Mord und das Einfangen eines wilden Tieres. Dann saß ich im Gefängnis”, angeklagt des bewaffneten Raubüberfalls und des Mordes am 35-jährigen Polizisten Georges Vergnes, der als Witwer und Alleinerzieher für seine vierjährige Tochter gesorgt hatte. Ich habe keinen GlaubenZu Beginn seiner gut dreieinhalb Jahre in strenger Einzelhaft wollte Jacques Fesch nichts von Gott hören. “Sechs oder sieben Jahre hatte ich ein Leben ohne Gott geführt ... aus Egoismus und Kälte. Ich war nicht fähig zu lieben. Wenn man von Gott sprach, war meine Antwort: Eine schöne Legende, ein Trost für Menschen, die leiden. Religion ist etwas für Sklaven und Unterdrückte.” Schroff wies er P. Devoyod, den Gefängnisseelsorger, beim ersten Besuch zurück: “Ich habe keinen Glauben. Die Mühe lohnt sich nicht.” Als überzeugter Atheist wollte er sogar seinen brillanten Anwalt, Paul Baudet, einen eifrigen Neubekehrten und Karmeliter-Terziar, mit intellektuellen Argumenten davon überzeugen, dass es kein geistiges Leben gebe. Im Laufe der folgenden acht Monate jedoch sehnte Jacques die täglichen Gespräche mit dem gütigen und geduldigen P. Devoyod geradezu herbei: "Schritt für Schritt kam ich so weit, dass ich meine früheren Anschauungen überprüfte. Ich wurde empfänglich für den Glauben, ohne ihn jedoch zu besitzen. Ich versuchte mit dem Verstand zu glauben." Bekehrungsnacht “Nach einem Jahr Haft, als ich eines Abends mit offenen Augen auf dem Bett lag und litt wie nie zuvor, da entrang sich meinem Herzen ein Hilferuf: ‘Mein Gott!’ Und augenblicklich - wie ein heftiger Wind, von dem ich nicht wusste, woher er kam - packte mich der Geist des Herrn am Hals. Es war keine Einbildung, ich spürte ganz deutlich, wie der Hals zugeschnürt war und ein neuer Geist in mich hineinkam. Es durchdrang mich ein Empfinden unendlicher Kraft und Sanftmut, ein so starker Eindruck, den man nicht lange ertragen könnte. Ab diesem Moment glaubte ich mit einer unerschütterlichen Gewissheit, die mich nie mehr verließ.” In einem von vielen wunderschönen Briefen an Br. Thomas, Benediktiner und selbst Bekehrter, der Jacques zum vertrautesten Freund auf dem Bekehrungsweg wurde, hieß es: “Ich verstehe nicht, wie ich es vorher überhaupt fertigbrachte, nicht zu glauben. Die Gnade ist bei mir eingekehrt, eine große Freude überkam mich, und vor allem erfüllt mich ein tiefer Friede. Alles wurde hell und klar in wenigen Augenblicken. Ich bin völlig 'umgekrempelt'. Eine starke Hand hat mich umgewendet wie einen Handschuh. Vorher war ich nur ein lebendiger Leichnam. Ich danke dem Herrn mit all meinen Kräften, dass Er in meiner höchsten Not Mitleid mit mir hatte und auf mein Verbrechen mit Seiner Liebe antwortete. Ich musste zum ersten Mal weinen, als ich die Gewissheit hatte, dass Gott mir verziehen hat.” In den letzten zwei Lebensjahren begann der 25-jährige Gefangene sich intensiv auf Gott auszurichten: Rosenkranz, Kreuzwegmeditation, Lesen der Messtexte, der Hl. Schrift und des Breviers gehörten bald zu seinem neuen Alltag. Dennoch blieb stets ein geistiges Ringen “in der Einsamkeit und dem ewigen Eingeschlossensein in den vier Wänden. Oft falle ich noch in eine Art Apathie und Resignation zurück. Zu meiner Bestürzung stelle ich fest, dass alles, was ich längst hinter mir wähnte ... noch immer vor meiner Seele hockt. Die ganzen schlechten Gedanken, wie ich sie vor meiner Bekehrung kannte, überfallen mich mit gleicher Heftigkeit und bringen mein Denken auf Abwege, so dass ich alle Kraft zusammennehmen muss, um sie niederzukämpfen. Doch ich glaube und vertraue alle meine Leiden und Schmerzen Christus an. Er versteht sie.” Sühneopfer für alle, die ich liebe Mit der Familie kam es zu ganz neuen Kontakten. Die krebskranke Mutter Fesch konnte zwar ihren Sohn nicht besuchen, fand aber selbst tief zum Glauben zurück und begann für Jacques zu beten. Sie bot Gott sogar ihr Leben für seine Rettung an, “für einen guten Tod”. War sie doch von Anfang an überzeugt, er werde einmal hingerichtet werden. Sie schickte ihm auch ein Buch über Fatima, das Jacques mehrmals begeistert las. Als er dann am 6. April 1957, an seinem 27. Geburtstag, tatsächlich zum Tod verurteilt wurde, erinnerte er sich an die Worte Mariens an die drei Fatimakinder: für die Bekehrung der Sünder zu beten und Opfer zu bringen als Wiedergutmachung für ihre Sünden. Er fiel in der Todeszelle Nr. 18 auf die Knie und betete: “Herr, hilf mir! Ich opfere Dir meine Leiden auf!” Er entschloss sich: “Anstatt sinnlos zu sterben, werde ich meinen Tod für alle aufopfern, die ich liebe. In meiner Familie ist eine komplette Auferstehung zu wirken. Ich habe noch zwei Monate vor mir und weiß jetzt, was Jesus von mir will: dass ich meinen Willen ganz dem Seinen unterwerfe, dass ich ja sage zum Sühneopfer. Möge mein Blut, das fließen wird, von Gott als ein Ganzopfer angenommen werden und jeder Tropfen meines Blutes eine schwere Todsünde auslöschen.” Doch auch schwere Stunden folgten, in denen Jacques offen gestand: “Ich murre immer wieder gegen den Ratschluss des Herrn (die Verurteilung zum Tode). Ich komme mir vor wie ein böser, alter Gaul, der fest an der Kandare gehalten wird und sich dauernd auf die Hinterbeine stellt, weil er wieder in den Stall der Sünde zurücktraben möchte ... Wenn ich weiterleben würde, könnte ich nicht auf diesem Niveau bleiben, das ich erreicht habe. Es ist besser, dass ich sterbe.” Jacques als Missionar In den letzten Wochen hatte Jacques die Freude, in seinem engsten Kreis mehrere Bekehrungen zu erleben. Seine Mutter hatte 1956 ein christliches Sterben. Seine Schwiegermutter “Mama Marinette” Polack, seine “kostbare Vertraute”, versöhnte sich mit der Kirche, und auch eine seiner Schwestern bekehrte sich. “Seitdem ich hier bin, sind alle in sich gegangen. Die Familie trifft sich wieder und erlebt eine allmähliche Wandlung”, konnte er glücklich feststellen. “Jetzt müssen nur mehr meine zweite Schwester und mein Vater gewonnen werden. Er besucht mich jede Woche und ist als eingefleischter Atheist immer noch genauso fanatisch wie früher. Seit wenigstens 45 Jahren hat er keinen Beichtstuhl mehr von innen gesehen. Ich opfere mein Leben für ihn auf und bin sicher, dass Jesus Mitleid mit ihm haben wird. Wann das sein wird, das weiß allerdings nur Er.” Am allermeisten lagen Jacques aber seine sechsjährige Tochter und seine Frau Pierrette am Herzen. Eine ganz neue ungekannte Liebe war in ihm aufgebrochen, und er schrieb seiner Frau mehr als 350 Briefe aus dem Gefängnis. Sie ihrerseits besuchte ihn pünktlich jeden Samstag, spürte aber: “Mein Jacques ist schon im Himmel, und ich befinde mich irgendwo unten auf dem Fußschemel. Er ist ein ganz anderer geworden.” Doch sein inneres Ringen war nicht umsonst! “Langsam beginnt auch sie Gott zu suchen, aber der Weg ist schwer. Ich glaube, sie fängt an zu begreifen.” Sein größter Wunsch war, dass sie auch vor Gott ein Paar würden. “In der Frage der kirchlichen Trauung wusste ich nicht, was ich tun sollte, und habe deshalb die Gottesmutter gebeten, dass sie sich der Sache annimmt. Und plötzlich gibt es keine Probleme mehr!” Pierrette teilt ihm beim allerletzten Besuch sogar mit Freude mit, sie werde als Vorbereitung auf die Heirat beichten und kommunizieren. Das erste Mal seit Kindertagen! Ein Wunder! Am Abend vor der Enthauptung fand die Ferntrauung statt. Selbst seine Aufseher und Mithäftlinge wollte Jacques bis zuletzt für den Glauben gewinnen. So schrieb er im letzten Lebensmonat: “Heute morgen habe ich eine gute Nachricht erhalten: Man sagte mir, dass ein Kamerad sich taufen ließ und in diesen Tagen die Erstkommunion empfing. Es scheint, dass meine Gespräche (beim Gehen im Hof) ihn allmählich dazu geführt haben, über sein Leben nachzudenken und sich zu bekehren! Ich bin glücklich, dass ich dem Herrn bei einer so lobenswerten Sache als Werkzeug dienen konnte.” Sein liebster Mithäftling war André Hirth, der in der Zelle über ihm war. Ohne einander je zu sehen, hatten die beiden durch die vergitterten Fenster oft lange Gespräche geführt, welche die Bekehrung von André vorbereiteten, der 1987, 30 Jahre später, berichtete: “Ich bewunderte seinen großen Mut, diesen Glauben, den er hatte. Diesen Glauben, den ich noch nicht hatte, den ich anfangs überhaupt nicht verstand.” In der Nacht vor der Hinrichtung nahm Jacques Abschied: “Weißt du, André, wir können nicht wirklich sagen, dass wir uns kennen. Trotzdem weiß ich ... du musst den Weg ändern, sonst ergeht es dir wie mir ... Andre, wenn wir uns dann dort oben treffen, werde ich dich sicher an deiner Stimme erkennen. So sage ich dir ganz einfach: ‘Auf Wiedersehen!’ Wenn du einmal meine Tochter siehst, sag ihr, wie sehr mir alles leid tut und wie sehr ich sie liebe.” “Und ich habe zu ihm gesagt: ‘Ciao, sei tapfer, Brüderchen!’, und ich weinte wie ein kleiner Bub.” Bald werde ich Jesus sehen Die Hinrichtung wurde für den 1. Oktober 1957 festgelegt. Die ganze letzte Nacht schrieb Jacques Abschiedsbriefe und an seinem Tagebuch, das er vor zwei Monaten begonnen hatte, um es als kostbares Testament seiner Tochter Veronique zu hinterlassen. Darin hieß es: “Jesus hat mir versprochen, dass er mich sofort ins Paradies führen wird. Meine Augen sind auf das Kreuz geheftet, und meine Blicke hängen an den Wunden meines Erlösers. Ich wiederhole ohne Unterlass: ‘Es geschieht für DICH!’ Dieses Bild will ich mir bewahren bis zu meinem Ende, denn verglichen mit dem, was Er erlitten hat, ist mein Leiden gering. Ich erwarte die Liebe. In fünf Stunden werde ich Jesus sehen!” Während des Wartens in der Zelle brach unerwartet eine wahre Agonie in diese geläuterte Seele ein: “Mein Herz klopft wie wild in meiner Brust. Heilige Jungfrau, hilf mir! Ich spüre die ganze Bitterkeit dieser Stunde.” Das Tagebuch endet mit den Worten: “Heilige Jungfrau, steh mir bei! Adieu, lebt wohl! Der Herr segne euch!” Um 5.30 Uhr war es so weit: Man fand Jacques neben dem Bett kniend im Gebet. Bleich, aber gefasst beichtete und kommunizierte er ein letztes Mal. Als man ihn vor die Guillotine geführt hatte, wünschte er, man möge ihm ein Kreuz reichen. Er küsste es lange und innig. Nachdem er alle erneut um Vergebung gebeten hatte, legte er sein Haupt unter das Fallbeil mit den Worten: “Herr, verlass mich nicht!” Quelle: Französisches Tagebuch von J. Fesch und Briefe aus der Todeszelle, Herder Verlag 1974. Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift "Triumph des Herzens" Nr. 79, V/2006. Darf ein Christ sich wehren? In meiner 77. Podcast-Folge gehe ich der Frage nach, was der Sinn jener Forderung Jesu sein soll, die andere Wange hinzuhalten.
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