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Katholische Kirche und Nationalsozialismus

Von Prof. Dr. Georg May

Der katholische Klerus verhielt sich auch im Jahre 1934 wesentlich anders als die protestantische Geistlichkeit. Er hatte in erster Linie die unüberbrückbare Kluft im Auge, die zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und der katholischen Glaubenslehre bestand, und er lehnte die nationalsozialistische Weltanschauung geschlossen und kompromißlos ab. Von ganz wenigen Illusionisten abgesehen, hielt der gesamte katholische Klerus Nationalsozialismus und katholisches Christentum für unvereinbar. Diese Feststellung wird auch von protestantischen Autoren zugegeben. Kupisch bescheinigt der katholischen Kirche und damit an erster Stelle ihren Priestern, "daß ein Einbruch in die Lehrtradition niemals erfolgt ist" (Kupisch, Zwischen Idealismus und Massendemokratie 221). Darin lag ein wesentlicher Unterschied zum Protestantismus, wo die nationalsozialistische Ideologie Heimatrecht in vielen Kirchen und Unterrichtsräumen erhielt. Die katholischen Priester wandten sich aber auch gegen den totalitären Zugriff des Regimes auf die Gesellschaft und verteidigten den Freiheitsraum von Individuen und Gruppen. Ihr Kampf für die Bekenntnis- und Privatschulen sowie ihr Ringen für die Vereine und Verbände waren Versuche, Menschen- und Bürgerrecht zu wahren.

Die klare und entschiedene Haltung der katholischen Priester blieb dem Regime nicht verborgen; es erkannte, daß ihm hier unversöhnliche Gegner gegenüberstanden. Der katholische Klerus wurde daher von vornherein anders eingestuft als die protestantische Pfarrerschaft. Die Berichte der Regierungen und der Polizei reden diesbezüglich eine deutliche Sprache. Einige seien vorgeführt. Die Regierung in Unterfranken bemerkte am 18. Januar 1934: "Die Konflikte mit der katholischen Geistlichkeit nehmen in auffallender Weise zu" (Wittstadt, Die kirchliche Lage in Bayern VI, 20). Die Staatspolizeistelle Düsseldorf warf im April 1934 der katholischen Kirche im Regierungsbezirk Düsseldorf vor, von den Katholiken würde "vielfach die ablehnende Haltung gegen den Staat und seine Ziele zum Ausdruck gebracht" (Bludau, Gestapo - geheim! 178). Daß dafür in der Hauptsache die Priester verantwortlich waren, ist sicher. Es muß als ein Ruhmesblatt für den Klerus gelten, daß die Gestapo für den Regierungsbezirk Düsseldorf im April 1934 feststellte: "Die Darlegungen fast aller in der letzten Zeit gehaltenen Predigten stellen scharf und deutlich Gottes Wort nach den Glaubensgrundsätzen der katholischen Kirche heraus und wenden sich oft in harten und scharfen Worten gegen das ‘Neuheidentum' und gegen heidnische und weltanschauliche Irrlehren" (Bludau, Gestapo - geheim! 178). Die Regierung in Niederbayern und Oberpfalz berichtete am 5. April 1934 von der in Teilen der katholischen Landbevölkerung verbreiteten Furcht, "es möchte der Protestantismus die Rechte der katholischen Kirche beeinträchtigen" (Ziegler, Die kirchliche Lage in Bayern IV, 24). Man war also auf die Bevorzugung der Protestanten durch das Regime aufmerksam geworden. Die Staatspolizei Kassel bemerkte am 4. Mai 1934: "Die überwiegende Anzahl der katholischen Geistlichen steht nach wie vor dem Staat ablehnend gegenüber" (Klein, Die Lageberichte I, 90). Am 1. Juni 1934 behauptete dieselbe Behörde, "der größte Teil der katholischen Geistlichkeit" stehe "dem neuen Staat nach wie vor ablehnend, zum mindesten aber sehr zurückhaltend gegenüber" (Klein, Die Lageberichte I, 107). Von den protestantischen Pastoren wurde nichts Vergleichbares bemerkt. Die Regierung der Pfalz konstatierte am 2. Juni 1934: "Die ablehnende Haltung eines großen Teils des katholischen Klerus gegenüber dem neuen Staat und seinen Einrichtungen hält an" (Prantl, Die kirchliche Lage in Bayern V, 32). Der katholische Klerus stand nicht, wie die protestantischen Bekenntnispfarrer, gegen eine innerkirchliche Gruppierung auf, sondern setzte sich gegen kulturkämpferische Bestrebungen des Staates zur Wehr. Der Lagebericht des SD vom Mai/Juni 1934 umriß die Haltung der Priester mit zwei markanten Sätzen: "Gegnerische Betätigung katholischer Geistlicher ist in derart zahlreichen Fällen in allen Teilen des Reiches nachgewiesen worden, daß eine Aufzählung von Einzelfällen unmöglich und auch unnötig ist." Sowie: "Katholische Geistliche, die sich voll und ganz zum Nationalsozialismus bekennen, sind äußerst gering an Zahl. Sie werden um ihrer Überzeugung willen von ihren Amtsbrüdern und ihren vorgesetzten krichlichen Behörden verfolgt" (Boberach, Berichte 22f.). Rühmenderes konnte über die Priester der Kirche nicht gesagt werden. In der Folgezeit beharrte die Gestapo auf dieser Sicht. Die Staatspolizeistelle Frankfurt a.M. stellte am 5. August 1934 lapidar fest: "Der Kampf des katholische Klerus gegen die NSDAP setzt sich weiter fort" (Klein, Die Lageberichte I, 394). Nach der Regierung von Unterfranken war "die Einstellung der katholischen Kirche zum nationalsozialistischen Staate" am 7. August 1934 "mehr ablehnend als bejahend" (Wittstadt, Die kirchliche Lage in Bayern VI, 37). Die Staatspolizeistelle Aachen berichtete am 4. September 1934: "Die Reserviertheit der katholischen Geistlichkeit nimmt stetig zu" (Vollmer, Volksopposition 83). Am 5. Oktober 1934 erinnerte die Gestapostelle Düsseldorf an die "in vielen Fällen ... offen gegnerische" Einstellung des katholischen Klerus (Bludau, Gestapo - geheim! 184 A. 32.). Am 4. November 1934 behauptete die Staatspolizeistelle Aachen, die katholische Kirche sei "inzwischen auf der ganzen Linie zum Angriff übergegangen" (Vollmer, Volksopposition 111). Der Regierungspräsident von Aachen stimmte am 4. Dezember 1934 dieser Beurteilung zu, insofern die Zahl der katholischen Geistlichen, "an deren Willen zur positiven Mitarbeit an dem Aufbau des nationalsozialistischen Staates gezweifelt werden muß, sich ... verstärkt hat" (Vollmer, Volksopposition 119). Während des ganzen Jahres 1934 meldete die Regierung von Oberbayern immer wieder Handlungen katholischer Geistlicher, die auf Ablehnung des Nationalsozialismus schließen ließen (Witetschek, Die kirchliche Lage in Bayern I, 10-47). Auf protestantischer Seite erfolgte Fehlanzeige. Die Fülle der Zeugnisse, die leicht vermehrt werden können, läßt keinen Zweifel daran, daß der katholische Klerus zwar nicht staatsfeindlich, wohl aber ideologiefeindlich war, daß er mit dieser Überzeugung nicht hinter dem Berge hielt und daß das Regime diesem Gegner starke Beachtung schenkte. Am 20. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1269. Vgl. Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 832f.; Bisson, Sieben Speyrer Bischöfe 322-324.) schuf es sich mit dem Heimtückegesetz eine gefährliche Waffe, mit der bald zahlreiche Priester getroffen wurden.

Es handelt sich um einen Abschnitt aus dem Buch von Georg May, Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung? Ein Beitrag zu dem gegenseitigen Verhältnis von Nationalsozialismus und christlichen Bekenntnissen", Stein am Rhein 1991, S. 328 f.
In diesem 700 Seiten starken Werk belegt Georg May an Hand einer Fülle von Quellen und Belegen den Widerstand der katholischen Kirche gegen den Nationalsozialismus und den dadurch gegebenen Unterschied zum Verhalten der Protestanten. Der abgedruckte Abschnitt ist dem 2. Teil entnommen: Das Gegenüber von nationalsozialistischer Bewegung bzw. Regierung und christlichen Bekenntnissen, 3. Kapitel: Die protestantische Pastorenschaft und der katholische Klerus, §2 Streit und Abwehr (1934-1935, I. 1934). In diesem dem Jahr 1934 gewidmeten Kapitel untersucht May zuerst das Verhalten der protestantischen Pastoren in den Unterkapiteln a) Der Einbruch nationalsozialistischer Vorstellungen, b) Das Wirken der Deutschen Christen, c) Der Pfarrernotbund, d) Aufbau und Tätigkeit der Bekennenden Kirche, e) Der Fall Karl Barth und f) Der Wille des Regimes zur Neutralität. Dann wendet er sich den katholischen Priestern zu und untersucht unter a) zuerst deren "Einstufung durch das Regime". Das ist der abgedruckte Abschnitt. Es folgt b) Das Scheitern von Spaltungsversuchen.
May untersucht darüberhinaus u.a. das konfessionelle Verhalten bei Wahlen und bei der Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen, die Einstellung der katholischen Bischöfe und der protestantischen Kirchenführer, den Kampf um Jugend und Schule u.v.m. Das Werk ist eine unerschöpfliche Fundgrube und ein Muß für jeden, der sich mit dem Thema beschäftigt.

Liste der im abgedruckten Abschnitt benutzten Literatur:

Bisson Jakob, Sieben Speyrer Bischöfe und ihre Zeit. 1870 bis 1950. Beiträge zur heimatlichen Kirchengeschichte, Speyer 1956

Bludau Kuno, Gestapo - geheim! Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933-1945 (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung Bd. 98), Bonn-Bad Godesberg 1973

Boberach Heinz (Bearb.), Berichte des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934-1944 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayern Reihe A: Quellen Bd. 12), Mainz 1971

Gruchmann Lothar, Justiz im Dritten Reich 1933-1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Bd. 28), München 1988

Klein Thomas (Hrsg.), Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei über die Provinz Hessen-Nassau 1933-1936. Mit ergänzenden Materialien herausgegeben, eingeleitet und erläutert, 2 Teilbände (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz Bd. 22), Köln, Wien 1986

Kupisch Karl, Zwischen Idealismus und Massendemokratie. Eine Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland von 1815-1945, Berlin 1955

Prantl Helmut (Bearb.), Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten 1933-1943. V. Regierungsbezirk Pfalz 1933-1940 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe A: Quellen Bd. 24), Mainz 1978

Vollmer Bernhard, Volksopposition im Polizeistaat. Gestapo- und Regierungsberichte 1934-1936 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Bd. 2), Stuttgart 1957

Witetschek Helmut, Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten 1933-1943. I. Regierungsbezirk Oberbayern (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe A: Quellen Bd. 3), Mainz 1966

Wittstadt Klaus (Bearb.), Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten 1933-1943. VI. Regierungsbezirk Unterfranken 1933-1944 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe A: Quellen Bd. 31), Mainz 1981

Ziegler Walter (Bearb.), Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten 1933-1943. IV. Regierungsbezirk Niederbayern und Oberpfalz 1933-1943 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe A: Quellen Bd. 16), Mainz 1973


Geschichtsfälschung um den "Löwen von Münster"

Die IK-Nachrichten (Ausgabe vom Aug./Sept. 2006) haben auf einen Artikel in der FAZ vom 26. Juni 2006 (S. 48) hingewiesen, der leider nicht online zugänglich ist. Er stammt aus der Feder von Rudolf Willenborg, einem Fachmann für Kirchengeschichte während der Nazizeit, und trägt den Titel "Hitlers williger Vollzieher? Wie das Internet schwarze Legenden wuchern läßt: Kardinal von Galen als Exempel". In diesem Artikel geht Willenborg einem Zitat nach, das dem "Löwen von Münster", Clemens August Kardinal von Galen, von interessierter Seite oft in den Mund gelegt wird und ihn als Kriegstreiber entlarven soll. Das Zitat lautet: "Gott hat es zugelassen, daß das Vergeltungsschwert gegen England in unsere Hände gelegt wurde. Wir sind die Vollzieher seines gerechten Willens." Willenborg hat herausgefunden, daß es erstmals vom linkskatholischen Publizisten Josef Fleischer im Jahre 1956 aufgebracht wurde. Als Quelle gab dieser das "Katholische Kirchenblatt für das nördliche Münsterland" vom 9. März 1941 an. Willenborg hat nun herausgefunden, dass der zitierte Text gar nicht von Bischof Galen stammt, sondern Teil eines fiktiven Textes eines Autors namens Willi Lindner ist. Das Kirchenblatt selber erschien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Billigung des Bischofs. Dieser hatte ihm bereits vier Jahre zuvor die Anerkennung als "kirchenamtliches Bistumsblatt" entzogen, weil es einem Verbot des Bischofs entgegengehandelt und eine vom "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" angeordnete Nachricht veröffentlicht hatte. Weil Bischof Galen die Veröffentlichung für seine Diözese untersagt hatte, war es zu einem scharfen Konflikt mit Propagandaminister Joseph Goebbels gekommen. Die Geschichtsfälschung Fleischers wurde in der Folge von vielen kirchenfeindlichen Schreibern übernommen, darunter zuletzt auch von Uta Ranke-Heinemann, zuvor in abgewandelter Form von Karlheinz Deschner, und kursiert offensichtlich unausrottbar in einschlägigen Broschüren und Websites.

Doch ebenso schlimm ist die Tatsache, daß man sich teilweise auch innerkirchlich der Stimmungsmache gegen Kardinal von Galen anschließt. So hat letztes Jahr die Bischofsstelle Rottenburg-Stuttgart der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in einer Presseerklärung vom 14. Februar 2005 gegen die damals noch geplante (und inzwischen durchgeführte) Seligsprechung protestiert. Sie vermeidet darin zwar das Fleischerzitat, versucht aber durch einseitige Zusammenstellung ihren Vorwurf zu belegen, daß Graf von Galen die Politik Hitlers in vielen Bereichen unterstützt habe. Dadurch schadet Pax Christi der Glaubwürdigkeit der Kirche und versagt vor der Herausforderung, die Kirche und die Wahrheit vor ihren Verleumdern zu verteidigen. Schützenhilfe in dieser Beziehung darf eher von der nüchternen Wissenschaft erwartet werden, die zuletzt auf zwei Tagungen in Cloppenburg und Münster interessante Einzelheiten ans Tageslicht brachte, z.B. daß 1942 Gerhard Thümmel, damals der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche in Westfalen, die ihm unterstellten Pfarrer angewiesen hatte, die Weiterverbreitung der antinazistischen Galen-Predigten bei der Gestapo anzuzeigen. Damals waren Bischof Galen die evangelischen Brüder in den Rücken gefallen. Tun es heute die Katholiken?


Helfer verfolgter Juden

Der Schriftsteller Thomas Mann und der jüdische Sozialphilosoph Max Horkheimer, beide nicht gerade Freunde der katholischen Kirche, ließen nach 1945 untersuchen, welche Bevölkerungsschichten den Juden am meisten geholfen haben. Prof. Horkheimer nannte in einem "Spiegel"-Interview das Ergebnis seiner Studie, das ihn und Thomas Mann überraschte: "Gläubige Katholiken haben die größte Bereitschaft gezeigt, den Verfolgten zu helfen."
Quelle.

Übrigens waren das alles "vorkonziliare" Katholiken.


Ungleiches Verhalten

Johannes 4, 23 [“Das Heil kommt von den Juden”] spielte eine traurige Rolle in der Nazizeit. Am 15. März 1938 teilte der evangelische Landesbischof der Kirche in Baden dem zuständigen NS-Kultusminister in Karlsruhe [Otto Wacker] mit, Johannes 4 solle zukünftig ohne 4, 23 durchgenommen und aus den „Biblischen Geschichten“ gestrichen werden, damit die Gefahr einer Behandlung des Satzes im Unterricht nicht mehr bestehe. Der Erzbischof von Freiburg hatte am 3. Dezember 1937 dieses Ansinnen strikt abgelehnt. Er schrieb: „Ich lasse mich auch nicht in Auseinandersetzungen darüber ein, ob das jüdische Volk das von Gott auserwählte Volk ist... weil auch der neue Staat nicht befugt ist, Gott Vorschriften darüber zu machen, welches Volk er etwa zum Träger seiner Offenbarungen macht.
Prof. Dr. Klaus Berger in der Tagespost.

Beim Freiburger Erzbischof, der dem antisemitischen Ansinnen der Nazis widerstand, handelte es sich um Conrad Gröber, beim evangelischen Landesbischof, der ihm nachgab, um Julius Kühlewein.


Die Bischöfe gegen die NSDAP

Vor 75 Jahren, vom 17. bis 19. August 1932, tagte in Fulda die gesamtdeutsche Bischofskonferenz und sprach sich gegen die NSDAP auf. Sie verbot die Zugehörigkeit zur Partei und ihre Unterstützung. Aus dem Protokoll:

Sämtliche Ordinariate haben die Zugehörigkeit zu dieser Partei für unerlaubt erklärt, weil

1. Teile des offiziellen Programms derselben, so wie sie lauten und wie sie ohne Umdeutung verstanden werden müssen, Irrlehren enthalten,

2. weil die Kundgebungen zahlreicher führender Vertreter und Publizisten der Partei glaubensfeindlichen Charakter, namentlich feindliche Stellung zu grundsätzlichen Lehren und Forderungen der katholischen Kirche enthalten, und diese Kundgebungen keine Ablehnung oder Widerspruch seitens der obersten Parteileitung erfahren haben; es gilt dies auch von der Stellungnahme in Fragen der konfessionellen Schule, der christlichen Ehe u.a.m.

3. Es ist das Gesamturteil des katholischen Klerus und der treu katholischen Vorkämpfer der kirchlichen Interessen im öffentlichen Leben, daß, wenn die Partei die heiß erstrebte Alleinherrschaft in Deutschland erlangt, für die kirchlichen Interessen der Katholiken die dunkelsten Aussichten sich eröffnen.

4. Es ist nicht entschuldbar, wenn weite Kreise der Partei sich anschließen in der Absicht, nur die wirtschaftlichen Interessen und die Ziele des weltlich politischen Gebietes, wie sie in der Partei vertreten sind, damit unterstützen zu wollen. Denn die Unterstützung der Partei selbst schließt, man mag wollen oder nicht, die Förderung ihrer Gesamtziele ein. Es kommt hinzu, dass die Verheißungen der Partei als unerfüllbar erscheinen.


Verurteilung des Nationalsozialismus

Am 18. August 1936 richtete der deutsche Episkopat an Papst Pius XI. eine Grußadresse mit der Bitte um eine Enzyklika an die Deutschen. Das Ziel sollte sein, den deutschen Katholiken durch eine Verurteilung des Nationalsozialismus Orientierung zu geben. Zwar gab es diese Orientierung schon durch einschlägige Veröffentlichungen im Osservatore Romano, in der Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica und durch ein Buch Alfredo Ottavianis, des damaligen Assessors des Heiligen Offiziums, aber aufgrund der nationalsozialistischen Zensur drang dies nicht bis Deutschland vor. Das änderte sich dann durch die Enzyklika “Mit brennender Sorge” (vgl. Heinz Hürten, Deutsche Katholiken 1918 bis 1945, Paderborn 1992, S. 370 f).


Bedauern

Am 9. Februar 1937 ordnete NS-Reichsleiter Martin Bormann an, dass Geistliche nicht mehr in die NSDAP aufgenommen werden dürfen. Georg May, der in seinem Buch Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung? (Stein am Rhein 1991) das Verhalten der evangelischen und katholischen Kirche miteinander vergleicht, schreibt über die Reaktionen: “Das Verbot wurde auf protestantischer Seite von vielen bedauert; die Sache kam lange nicht zur Ruhe. Dass Theologen (seit 1937) nicht mehr in die NSDAP aufgenommen und Pastoren (seit 1938) ein etwa innegehabtes Amt in der Parteil niederlegen mußten, löste ‘eine Flut von Beschwerden’ aus. ‘Überzeugt nationalsozialistische Pastoren, keinesweg nur Deutsche Christen, konnten es nicht fassen, dass der von ihnen so vehement bejahte Staat sie zu Bürgern zweiter Klasse degradierte’ (Allmuth Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus und evangelische Kirche in Bremen, Bremen 1985, 211). Ein solches Schauspiel gab es auf katholischer Seite nicht” (S. 350).


Predigtverbot

Am 7. April 1937 verhängte das Geheime Staatspolizeiamt Berlin ohne Prozess und richterliches Urteil über P. Rupert Mayer SJ “wegen seiner staatsschädigenden Reden Redeverbot für das gesamte Reichsgebiet”. Es geschah dies einen Tag nach der Anordnung Hitlers, die Sittlichkeitsprozesse gegen Priester wieder aufzunehmen. Provinzial Augustinus Rösch SJ stellte sich hinter P. Mayer und kam nach Beratungen zu dem Schluss: “Der Kampf zwischen Partei und Kirche ist - vor allem wegen der Schule - in eine neue Entscheidung getreten. Da ist es Aufgabe unseres Ordens, der Kirche und damit den Eltern und der Jugend zu helfen, soviel in seinen Kräften liegt; wenn daher P. Rupert Mayer gegen das ausdrückliche Predigtverbot weiterpredigen will, danken wir ihm dafür und für alles, was er damit auf sich zu nehmen bereit ist” (zitiert in: Heinz Hürten, Deutsche Katholiken 1918 bis 1945, Paderborn 1992, S. 391). Auch Kardinal Faulhaber protestierte gegen das Verbot, was nicht verhindern konnte, dass P. Rupert Mayer am 5. Juni 1937 wegen Übertretung des Verbots verhaftet wurde.


Eine Million

Am 27. Juni 1937 äußerte der Münchner Nazi-Gauleiter Adolf Wagner: “Ich muß mit Bedauern feststellen, dass es heute noch eine Kraft und eine Macht gibt, die sich störend in unserem völkischen Leben bemerkbar macht! Diese Kraft sind die Kirchen” (zitiert in: Heinrich Hürten, Deutsche Katholiken 1918 bis 1945, Paderborn 1992, S. 399). Besonders die katholische Kirche erregte den verbitterten Unmut des Naziregimes, das deshalb durch die Sittlichkeitsprozesse ihr Ansehen demolieren wollte. Außerdem wollten die Nazis katholische Großereignisse verhindern. Dazu gehörte 1937 an erster Stelle die Aachener Heiltumsfahrt, die vom 10. bis 25. Juli stattfand und an der etwa eine Million Katholiken teilnahmen, mehr als je zuvor. Damit brachten diese u.a. ihren Protest gegen das Naziregime zum Ausdruck.


Merkwürdig

Pinchas E. Lapide, jüdischer Religionswissenschaftler, gibt die Thesen Hochhuths auf folgende Weise wieder: “Der höchste Vertreter der christlichen Moral hätte den Barbaren entgegentreten müssen, er hätte die Sturmglocke läuten, besser noch den Bannstrahl der Kirche schleudern sollen, dem ein Gang nach Canossa gefolgt wäre und damit die triumphale Befreiung aller Juden.” Dann kommentiert er: “In der Tat, eine aufrüttelnde Vision, die aber so gut wie nichts mit der harten, grausamen Wirklichkeit des Zweiten Weltkriegs zu tun hat. Merkwürdig ist vor allem, dass es 18 Jahre nach diesem Weltkrieg brauchte, ehe dieses ‘Schweigen’ zur Anklage hochstilisiert wurde - ein Vorwurf, der von jüdischer Seite vorher nie erhoben worden war.”

Zitiert von P. Lothar Groppe SJ in der Rezension des Buches Francesco Merlino, Pius XII. wie er wirklich war, Bad Schussenried 2012, in: Theologisches Juli/August 2012


Unterwerfung und Widerstandsrecht

Der Philosoph Vittorio Hösle beklagt, dass es neben vielen positiven Wirkungen Luthers auch den unerfreulichen Zug gebe, “dass Luther, um überleben zu können, einen Pakt mit den deutschen Fürsten eingehen musste und daher eine Lehre der absoluten Unterwerfung unter die Obrigkeit vertreten hat, die dem Katholizismus und erst recht dem Calvinismus fremd war.” Deshalb gehöre zu seinem wie auch Kants Erbe das Ausbleiben von Klassikern des Widerstandsrechts in der deutschen Philosophie. Diesen Umstand macht Hösle mitverantwortlich für die Tatsache, dass Hitler an der Macht bleiben konnte. Das berichtete Christoph Schulte in Christ in der Gegenwart (22/2012, S. 246).


Historisch unzutreffend

Insgesamt haben über 4000 Priester, Mönche und Nonnen durch die Hand der Nazis den Tod erlitten, nicht wenige, weil sie Juden geholfen hatten. Wenn man Vergleiche mit irgendeiner Institution, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gegnern des Nationalsozialismus anstellen will, wird man feststellen, dass die katholische Kirche bei allem partiellen Versagen doch noch weitaus am besten abschneidet. Die oben erwähnten Bücher von Gross und Käßmann/Silomon entsprechen damit nicht den geforderten Prinzipien von Wahrheit und Gerechtigkeit.

So lautet der resümierende Schlußabsatz einer ausführlichen Besprechung (“Entschieden gegen die Rassenideologie”) zweier Bücher durch Gerhard Senninger in der Tagespost vom 8. Februar 2014. Es handelt sich um folgende Bücher: Raphael Gross, November 1938 - Die Katastrophe vor der Katastrophe, C. H. Beck 2013; Margot Käßmann / Anke Silomon, Gott will Taten sehen. Christlicher Widerstand gegen Hitler, C. H. Beck 2013. Senninger wirft diesen Werken vor, “die damalige Situation und das Verhalten der katholischen Kirche historisch völlig unzutreffend” darzustellen und “den katholischen Widerstand weitgehend” auszublenden oder teilweise sogar zu bestreiten. Senninger liefert dann viele Belege für diesen Widerstand.


Distanziert und verfolgt

Im Dritten Reich waren 8021 Priester aus politischen Gründen während der Jahre 1933-1945 von insgesamt 22703 nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen betroffen worden. Die Katholiken waren in allen nationalsozialistischen Organisationen nachweislich unterrepräsentiert. “Der Katholizismus hat im Dritten Reich als weitgehend geschlossene Gruppe seine Distanz zur Naziideologie bewahren können. Von 1866 Priestern der Erzdiözese Köln hätten beispielsweise nur 10 mit dem Regime sympathisiert, lediglich drei von ihnen seien Mitglied der NSDAP gewesen.”

So Lothar Groppe in seinem Artikel Kirche des Versagens?, in: Theologisches November/Dezember 2014, Sp. 587-596. Er stützt sich auf die statistisch gesicherten Erhebungen, die 1984 unter dem Titel Priester unter Hitlers Terror erschienen sind.


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