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Die hierokratische Zweigewaltenlehre

Ein mittelalterliches Problem und seine Aktualität

Eine Buchbesprechung von Sabine Düren

Das Verhältnis von Vater Staat und Mutter Kirche hat in der modernen Zeit schon viele Gemüter erhitzt. Auch im Mittelalter war das Verhältnis von kirchlicher und staatlicher Gewalt nicht immer ganz harmonisch und ausgewogen, das wird dem Leser bereits nach wenigen Seiten der vorliegenden Studie klar. Recktenwald stellt die spätmittelalterliche Zweigewaltenlehre anhand der Zweischwerterlehre dar, die sich auf eine allegorische Deutung von Lk 22,35-38 stützt, und beleuchtet kritisch die vom heutigen Standpunkt aus gesehen überzogenen Ansprüche der damaligen kurialen Seite.

Zwei Teile des Buches führen zum Thema hin: Der erste skizziert die mittelalterliche Entwicklung der Zweigewaltenlehre, der zweite stellt die wichtigsten Dokumente zum Thema vor, wobei Recktenwald den Schwerpunkt auf die propäpstliche Position legt. Im Hauptteil schließlich werden die Motive und Argumente dieser sogenannten kurialen Partei analysiert.

Das erste Kapitel führt den Leser in komprimierter Form in die Problematik ein und weist darauf hin, daß die Zweischwerterlehre zunächst von kaiserlicher Seite aus bemüht wurde, um päpstliche Anspruchssteigerungen zurückzuweisen und die eigene potestas zu sichern. Recktenwald skizziert zwei Traditionslinien, die ab dem 12. Jahrhundert zu beobachten sind, nämlich die theologische und die kanonistische. Die theologische Traditionslinie möchte im Hinblick auf die alles umfassende Heilsordnung die plenitudo potestatis der Kirche zuschreiben; die kanonistische dagegen hält länger an der Gleichgewichtigkeit der beiden Gewalten fest: Das weltliche wie auch das kirchliche Oberhaupt erhalten ihr ,Schwert' von Gott. Doch was ist nun, wenn der weltliche Herrscher seine potestas temporalis mißbraucht? Recktenwald zeigt auf, wie sich die potestas indirecta in temporalibus des Papstes in diesem Fall zu einer potestas directa in temporalibus entwickelte, was letztendlich in der Ansicht kulminierte, der Kaiser habe sein gladius temporalis vom Papst erhalten und dieser habe darum auch das Recht, es ihm wieder aus gegebenem Anlaß zu entziehen. Die Ausformung des ,vicarius-Christi'-Titels für den Papst stärkte schließlich die sogenannte hierokratische Theorie, nach der der Papst rechtmäßiger Besitzer bei der Schwerter ist, dem Kaiser dagegen lediglich die executio gladii temporalis zugestanden wird. Recktenwaids Position wird klar, wenn er aufzeigt, wie Thomas von Aquin in einer Synthese "die berechtigten Anliegen beider Seiten für einen weltgeschichtlichen Augenblick zu einer ausgewogenen Balance" (13) geführt habe: "Nach Thomas ist der Staat eine Gesellschaftsform, die sich aus der Natur des Menschen ergibt und einen natürlichen Zweck verfolgt. Dieser Zweck ist das irdische Glück des Menschen durch ein tugendhaftes Leben. Dem Grundsatz gemäß, daß die Gnade die Natur nicht zerstört, bleibt dieser dem Staat eigentümliche Zweck auch im Neuen Bund bestehen. Doch im Neuen Bund obliegt es den Priestern, die Menschen zu einem übernatürlichen Ziel hinzuführen. Diesem Ziel muß auch das Staatsziel untergeordnet werden. Aus diesem Grund müssen die Könige dem Papst unterworfen sein wie Christus selbst. Wie diese Unterwerfung unter die geistliche Gewalt mit der relativen Eigenständigkeit der zeitlichen Gewalt harmonisierbar ist, läßt Thomas offen. In dieser offen gelassenen Spannung aber liegt der Keim zu jener maßvollen Theorie der potestas indirecta in temporalibus, zu deren reiferen Ausbildung der Weg erst durch den Zusammenbruch der päpstlichen Machtansprüche freigelegt wurde." (14)

Im zweiten Kapitel bietet Recktenwald eine Übersicht über Autoren des 14. Jahrhunderts bezüglich der Auseinandersetzungen zwischen sacerdotium und regnum und deckt in einem konklusierenden dritten Kapitel die Motive und Argumentationsstränge der sogenannten kurialen Partei auf. Recktenwald erläutert anhand der Begriffe ,vicarius Christi' und ,plenitudo potestatis', "wie ein ursprünglich richtig gesehener Sachverhalt, sobald seiner Deutung eine bestimmte Richtung gegeben wird, eine Eigendynamik entfalten kann, die die Behandlung eines Problems immer mehr unter die Herrschaft der eigenen Perspektive reißt, so daß er zum alles beherrschenden und einzig entscheidenden Faktor der Untersuchung wird" (32). Die Bedeutung der beiden Schlüsselbegriffe sei im Laufe der Zeit durch ihre "Offenheit für eine immer mehr ausufernde Deutung von den Hierokraten" (34) immer mehr ausgedehnt worden. Doch die eigentliche Wurzel des hierokratischen Systems macht Recktenwald im ,Augustinismus' aus, jener theologischen Richtung, die "im engen Anschluß an die Gnadenlehre des hl. Augustinus so sehr von der Notwendigkeit der Gnade überzeugt ist, daß ohne sie der Mensch vor Gott zu nichts Gutem fähig ist. Die Verderbnis seiner Natur infolge des Sündenfalls reicht so tief, daß der Mensch selbst zur Wiederherstellung einer rein natürlichen Integrität vollständig auf die Heilung durch die Gnade angewiesen ist. Sünde oder Gnade lautet die Alternative. Ein Zwischenbereich des bloß Natürlichen und Naturrechtlichen existiert nicht" (35). Die Übertragung dieses Augustinismus beobachtet Recktenwald vor allem bei Aegidius Romanus: Nach Aegidius verliere der Mensch durch die Sünde jede potestas. "Der einzige Weg aber vom Zustand der Sünde in den der Gnade führt über die Taufe ... bzw. über das Bußsakrament ... und das heißt: über die Kirche ... Der Begriff der ,Kirche' ist aber bei Aegidius austauschbar mit dem des Papstes ... Der Papst ist - wie Gott - Quelle aller Gewalt. Er ist der vicarius Dei ... So absorbiert bei Aegidius Romanus die Überzeugung von der Notwendigkeit der Heilsvermittlung durch die Kirche jeden Gedanken an ein natürliches Rechts- und Herrschaftssystem." (35 ff) Eine gerechte Herrschaft gebe es für die Vertreter der hierokratischen Richtung nur aufgrund der Verleihung durch die Kirche bzw. den Papst. Nach und nach, so Recktenwald, sei die potestas des Papstes nicht mehr als ethische Verantwortung und moralische Last verstanden worden, sondern als dominium. "Diese Verrechtlichung zugunsten eines selbstgenügsamen Machtbegriffs auf Kosten der ethischen Verantwortung bedeutet der eigentliche Verrat am alten Ideal der Theologen." (45) Das bedeutet hinsichtlich der päpstlichen Gewalt: "Bei den Hierokraten steigt der Papst in dem Sinne zum vicarius Dei auf, daß auf ihn wie auf Gott alles hingeordnet ist wie auf das letzte Ziel; bei den alten Theologen hat Gott sich herabgelassen in die Konkretion eines Stellvertreters, damit dieser alle Menschen und Dinge hinlenke auf die Gerechtigkeit und damit zu ihrer eigenen Vollendung" (46).

Wo liegt nun der Bezug dieser historischen Arbeit zum Heute? "Nicht Anfechtung von außen, sondern falsche Reaktion im Inneren der Kirche sind normalerweise für Kirchenkrisen verantwortlich. Ein ursprünglich positives Anliegen verselbständigt sich und fuhrt zu einer Störung und Umkehrung der richtigen Rangordnung kirchlicher Ziele und Werte." (50)

Als Mitglied der Priesterbruderschaft St. Petrus sieht Recktenwald die Parallelen zu den liturgischen Erneuerungen im Umfeld des letzten Konzils. "Gewisse Zielgrößen der Liturgiereform wie z.B. die participatio actuosa haben eine solch beherrschende Stellung im Urteilen über das, wie Liturgie sein soll, erlangt, daß demgegenüber sogar noch konstitutivere Elemente der Liturgie wie z.B. ihr Geheimnischarakter oder ihre im unverfügbaren Ritus sich manifestierende wesentliche Vorgegebenheit nicht ins Gewicht fallen ... Die Reform wird zum Maßstab der Liturgie, nicht mehr die Liturgie zum Maßstab der Reform. Die Reform ist zu einem Selbstwert geworden, der das ursprüngliche Ziel aus dem Auge verloren hat. Johannes XXII. ordnete um der Theorie willen, die die Politik dem Seelenheil unterordnete, das Seelenheil der Politik unter. Heute ordnet man um der Reform willen, die eine liturgische Erneuerung anstrebte, die liturgische Erneuerung der Durchsetzung der Reform unter" (51f).

Es stellt sich die Frage: Lassen sich noch andere Parallelen zu heutigen Problemen erkennen? Wurde nicht bei der Frage des Schutzes ungeborener Kinder auch ein ursprünglich positives Anliegen verselbständigt, nämlich das Gespräch mit ungewollt schwangeren, abtreibungswilligen Frauen? Wurde nicht um einer staatlichen Anerkennung dieser Tätigkeit willen übersehen, daß die Einbindung kirchlichen Wirkens in ein Unrechtskonstrukt einhergehen muß mit einer stillschweigenden und zumindest partikularen Akzeptanz des gerade zu vermeidenden Übels, hier der Tötung ungeborener Kinder?

Geht es beim Kompetenzgerangel zwischen Kirche und Staat im Grunde nicht immer um die Anerkennung der von der Kirche gelehrten naturrechtliehen Normen durch die staatliche Gewalt sowie um die moralische Autorität des kirchlichen Lehramtes? Hier liegt auch der Punkt, warum die Thematik, die Recktenwald in seiner Studie aufgreift, nicht nur historisch gesehen von Bedeutung ist. Jedes Schwert hat zwei Schneiden. Darum muß jede Macht einhergehen mit der damit verbundenen Verantwortung. Das hat schon der hl. Augustinus erkannt, als er die auf Unrecht basierenden Obrigkeiten als "große Räuberbanden" bezeichnete. Würde er heute nicht einer Regierung die Legitimation absprechen, wenn diese ganz offensichtlich das Naturrecht ignoriert und - einem Teil der Menschheit sein Grundrecht auf Leben nicht gewährt? Läßt sich vielleicht die Kirche zu sehr in weltliche Belange einbinden, so daß sie als Korrektiv versagt?

Wie gesagt: Die vorliegende Schrift ist keine rein historische Arbeit, da sie selbst schon einen Bezug zum Heute aufzeigt und zum weiteren Nachdenken über Parallelen Anreiz gibt, einem Heute, in dem zwar die Problematik nicht mehr so vordergründig zu beobachten ist, aber dennoch existiert. Gerade in einem politischen System, in dem alle Macht "vom Volke" ausgeht (vgl. Grundgesetz Art. 20 Abs. 2), ist die Rückbesinnung notwendig, daß Politik stets Gott gegenüber verantwortlich ist (vgl. Grundgesetz, Präambel). Die Kirche hat daher gegenüber dem Staat die unverzichtbare Aufgabe, den Anspruch Gottes im Gesellschaftsgefüge zur Geltung zu bringen. Dieses moralische Schwert darf die Kirche nicht in die Scheide stecken!

Engelbert Recktenwald, Die hierokratische Zweigewaltenlehre im 14. Jahrhundert, Books on Demand 2000, 61 Seiten, ISBN 3-8311-0399-2.

Diese Buchbesprechung erschien im ersten Band von Doctor Angelicus. Internationales Thomistisches Jahrbuch, hg. von Mons. Prof. Dr. Brunero Gherardini (Vatikan), Mons. Prof. Dr. Rudolf Michael Schmitz (Bayerisch Gmain), Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Waldstein (Salzburg / Rom) und Dr. David Berger (Köln), 2001, S. 187-190.

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