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Chesterton: Die Renaissance eines großen Denkers
Alt Die materialistische Vernunft, vertreten durch seine Zeitgenossen H. G. Wells und Bernard Shaw, sieht tatsächlich ziemlich alt aus, wenn ein frommer Freigeist wie Chesterton gegen sie antritt. Hans Magnus Enzensberger über Chestertons Buch Ketzer. Meister des intellektuellen Witzes Chesterton, der als Meister des intellektuellen Witzes bekannt ist, hatte ein unglaubliches Gefühl für Atmosphären. In einer Geschichte notiert er beispielsweise, wie beklemmend die Vorstellung wäre, mit einem Taubstummen in einem dunklen Raum eingesperrt zu sein. Jürgen Kaube in der FAZ vom 20. Oktober 2011 Prophet mit spitzer Feder "Im Gespräch mit dem arroganten Verfechter des Zweifels ist es nicht die richtige Methode, ihm zu sagen, er solle aufhören zu zweifeln. Eher sollte man ihm sagen, er müsse fortfahren zu zweifeln, er müsse noch etwas mehr zweifeln, er müsse jeden Tag Neueres und Wilderes im Weltall bezweifeln, bis er schließlich, durch eine seltsame Erleuchtung, anfange, an sich selbst zu zweifeln." Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) war einer der produktivsten, streitlustigsten und glänzendsten Literaten des 20. Jahrhunderts. Ernst Bloch hielt ihn für einen "der gescheitesten Männer, die je gelebt haben." Berühmt wurde er durch seinen Stil, der das Paradox liebt und uns die Welt aus einer überraschenden Perspektive zu lehren sieht wie jemand, der plötzlich Kopfstand macht. Sein Scharfsinn ließ ihn Entwicklungen frühzeitig erkennen, so daß Kranz ihn einen "Propheten mit spitzer Feder" nennt, sich auf Carl Amery berufend, der über ihn schrieb: "Chesterton hat 20 Jahre vor Huizinga den homo ludens entdeckt, 30 Jahre vor Georges Bataille den anthropologischen Kernsatz vom Überschuß der allgemeinen Ökonomie, 60 Jahre vor Jean Baudrillard den Skandal vom geheimnisvollen Schweigen der Massen. Und ebenso lang vor Pier Paolo Pasolini beschreibt er die Würde der Armenkultur, die auch er gegen den letzten düsteren Triumph der Bestimmer in Schutz nimmt." Kranz ergänzt diese Aufzählung: "40 Jahre vor Arnold Gehlen und Herbert Marshall McLuhan hat Chesterton die Gefahr gesehen, daß für die meisten Menschen die Massenmedien ihre Pseudorealität an die Stelle der unmittelbar erlebten Wirklichkeit setzen. Und 60 Jahre vor Habermas erkannte Chesterton den wachsenden Abstand zwischen Expertenkulturen und der Bevölkerung." Chesterton wurde 1922 katholisch. Er machte sich ein Vergnügen daraus, die Vorurteile auf den Kopf zu stellen und die Orthodoxie als interessant und abenteuerlich, die Ketzerei dagegen als langweilig und bequem zu erweisen. Lange Zeit schien es, als sei Chesterton, abgesehen von seinen Father-Brown-Geschichten, in Deutschland, vergessen. Dann gab ausgerechnet Hans Magnus Enzensberger in seiner "Anderen Bibliothek" zwei seiner Hauptwerke heraus: 1998 "Ketzer" und 2001 "Orthodoxie", letzteres mit einem kongenialen Vorwort von Martin Mosebach. "Chesterton zu lesen ist ein seltenes intellektuelles Vergnügen", meinte damals die ZEIT in einer Rezension. Ein neuer Verlag, "nova & vetera" , hat weitere vier Werke Chestertons verlegt, u.a. seine Autobiographie. Gisbert Kranz: "Gilbert Keith Chesterton. Prophet mit spitzer Feder." Mit Zeichnungen Chestertons. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2005. 166 S. Oblingers Rezension Die Wildnis des häuslichen Lebens Daß Chesterton boomt, wird auch bestätigt durch eine weitere Neuerscheinung, die wir hier anzeigen wollen: Am 3. Juli 2006 ist zur chestertonschen Essaysammlung "Die Wildnis des häuslichen Lebens" in der "Welt" unter dem Titel "Zu nah am Studienobjekt" ein Artikel von Ernst Peter Fischer erschienen. Ihm hat es besonders das Paradox angetan, das Chesterton so formulierte: "Je mehr man etwas anschaut, desto weniger kann man es erkennen, und je mehr jemand etwas erlernt, desto weniger weiß er davon." Natürlich brauche es Experten mit Detailwissen, aber die Fähigkeit, es in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen, steht auf einem anderen Blatt. "Wenn es", so Chesterton, "um etwas wirklich Ernstes geht, versammelt man zwölf gewöhnliche Männer, die gerade herumstehen. Dasselbe tat der Begründer des Christentums". "Davon läßt sich lernen", meint dazu Fischer. Aus der Kulturküche Am 24. Juli 2006 ist im Onlinemagazin "Kulturküche" unter dem Titel "Doppelte Wirklichkeit" aus der Feder von Sigrid Gaisreiter eine Rezension der beiden Chesterton-Bücher "Prophet mit spitzer Feder" und "Die Wildnis des häuslichen Lebens" erschienen. Für Gaisreiter deuten diese beiden Neuerscheinungen darauf hin, "als sei nun die Zeit angebrochen, ihn [Chesterton] wieder zu entdecken". Den Herausgeber des ersten dieser beiden Bücher, Gisbert Kranz, würdigt sie als einen "der besten Kenner christlicher Literatur". Chesterton, den sie einen orthodoxen Freigeist nennt, sei wegen der "unsäglich flachen Verfilmungen der Father-Brown-Geschichten mit Heinz Rühmann" falsch eingeschätzt worden, "obwohl viele, ganz unterschiedliche Dichter und Denker, wie Hannah Arendt, Ernst Bloch, Kurt Tucholsky oder Vladimir Nabokov ihn wegen seines Witzes und seiner Unterhaltsamkeit sehr schätzten." Chesterton-Renaissance In der "Welt" vom 9. September 2006 ortet der 1970 in Sachsen geborene Schriftsteller Marko Martin, "einer der heftigsten DDR-Widerspenste seiner Generation" (Dieter Hildebrandt) "eine kleine Chesterton-Renaissance" in Deutschland. Er bezieht sich dabei auf die beiden "Groß-Essays" "Orthodoxie" und "Ketzer", die Hans Magnus Enzensberger in der "Anderen Bibliothek" herausgegeben hat. Sein Artikel "Riesen soll man töten. Mitleid und Stärke: Der brillante Katholik Gilbert Keith Chesterton in zwei neuen Büchern" stellt allerdings zwei andere Werke vor, die kürzlich erschienen sind: die "kommentierte Statement-Auslese" "Prophet mit spitzer Feder", die Gisbert Kranz herausgegeben hat, und die Essay-Sammlung "Die Wildnis des häuslichen Lebens", herausgegeben Joachim Kalka. Diesen lobt er wegen seines klugen Nachworts, in dem er die Werke Chestertons als ein "Programm des erneuten Staunens" kennzeichnet. Marko Martin geniesst vor allem Chestertons "geradezu anarchische Lust, das vermeintlich Gewöhnliche als großes Abenteuer zu preisen" und gibt gleich einen kleinen Vorgeschmack: "Die Freude, Vergil zu lesen, kommt nach der Langeweile, ihn zu lernen; die wohlige Wärme des Seebades kommt nach dem eisigen Schock; und der Erfolg der Ehe kommt nach dem Scheitern der Flitterwochen." Wichtiger ist Chestertons "feines Sensorium für die mörderischen Konsequenzen von amoralischem Geschwätz." Chesterton: "Es ist das Kennzeichen einer falschen Religion, dass sie dauernd versucht, konkrete Fragen als abstrakt darzustellen. Wein nennt sie ‘Alkohol', Hungersnot ‘das ökonomische Problem'." Mit diesem kritischen Instrumentarium rückte er auch Nietzsche zu Leibe. Chesterton war nicht nur ein Verfasser von Detektivromanen (man denke an seine Father-Brown-Geschichten), sondern auch ihr Theoretiker: "Indem sich diese Literatur mit den schlaflosen Schildwachen auf den Vorposten der Gesellschaft befasst, erinnert sie uns daran, dass wir in einem bewaffneten Lager leben und gegen eine chaotische Welt Krieg führen müssen, dass die Verbrecher Verräter in unseren eigenen Reihen sind. Wir sollten uns gewiss daran erinnern, dass der Vertreter gesellschaftlicher Gerechtigkeit die originelle und poetische Gestalt abgibt, während die Einbrecher und Straßenräuber bloß selbstzufriedene Konservative sind, glücklich, der uralten Biederkeit einer Affen- und Wolfswelt anzugehören. Die Romantik der Polizei ist so der Roman der Menschheit. Dahinter steht die Tatsache, dass Moral die dunkelste, verwegenste Verschwörung ist." Martin beendet seine Leseempfehlung mit der Frage: "Was könnte erhellender sein, als solche Essays zu lesen?" Das Zitat Henryk M. Broder in der aktuellen "Weltwoche" 11/07, Artikel "Erdbeere des Unheils" "Kugel und Kreuz" "Für die jungen Leute meiner Generation war G. K. C. eine Art christlicher Befreier. Wie eine wohltuende Bombe zertrümmerte er in der Kirche eine Menge Glasgemälde aus dürftiger Zeit und ließ frischen Wind herein."
Warum Chesterton wieder gelesen wird In der Oktoberausgabe des FELS (2007) geht Georg Alois Oblinger der Frage nach “Warum Chesterton wieder gelesen wird”. Den Grund ortet er im Anliegen Chestertons, Glaube und Vernunft miteinander zu versöhnen, ein Anliegen, das er mit dem gegenwärtigen Papst gemeinsam habe, der für seinen Vorgänger die Enzyklika “Fides et ratio” erarbeitet habe. Gleichzeitig liebe Chesterton, ein Meister des Paradoxons und Anwalt des gesunden Menschenverstandes, die Sprache und spiele mit ihr. Deshalb seien seine Bücher ein wahres Lesevergnügen. Chesterton verfasste laut Oblinger sechs Romane, fünf Theaterstücke, etwa 200 Erzählungen, mehr als 4000 Essays und zahlreiche Gedichte. In dem kürzlich erstmals in deutscher Sprache und in der FAZ vorveröffentlichten Roman “Kugel und Kreuz” attackiere er die Fortschrittsgläubigkeit. “Mit logischen Argumenten zeigt er dann die Schwächen anderer Weltanschauungen auf, wobei er gerade die Hörigkeit gegenüber dem Zeitgeist besonders heftig attackiert. ‘Das Christentum ist immer unmodern, weil es immer gesund ist; und alle Moden sind milde Formen des Wahnsinns.’ Dieser Roman hat bei seinem Erscheinen erreicht, dass sich viele Menschen wieder mit der religiösen Frage beschäftigten. Zahlreiche Konversionen, vor allem im Milieu der Literaten und Intellektuellen, waren die Folge.” Der Standard: Die Aktualität von Chesterton Chesterton kann man neuerdings im Originalton auf einem Video hören, das gloria.tv anbietet. Chesterton-Renaissance zum Zweiten Die Chesterton-Renaissance geht weiter. Georg Alois Oblinger macht in der Tagespost (Ausgabe vom 16. Februar 2008) unter dem Titel Lobgesang auf den Apfelkuchen Neue Essays in deutscher Erstübersetzung auf die Neuerscheinung In den Sand geschrieben aufmerksam, die im noch jungen Elsinor Verlag erschienen ist. Es handelt sich um eine von Oblinger als “hervorragende Auswahl” gelobte Sammlung von 20 Texten Chestertons (1874 - 1936) aus der Zeit vor 1910 über Politik, Geschichte und andere Themen. Wahrscheinlich hängt der kleine Veröffentlichungsboom auch damit zusammen, dass nach deutscher Gesetzeslage die Rechte an den Texten Chestertons am 1. Januar 2007 abgelaufen sind. Im englischsprachigen Raum, wo die Chesterton-Szene noch viel lebendiger ist, wird in diesem Jahr vor allem des hundertsten Jahrestages der Erscheinung seines wichtigsten Buches gedacht, der Orthodoxy (Der vollständige englische Text ist im Rahmen des Gutenberg-Projekts downloadbar). So findet z.B. im Juni an der Universität von St. Paul in Minnesota ein Kongress zum “Orthodoxy Centennial” statt, auf dem u.a. Dale Ahlquist (Präsident der Amerikanischen Chesterton-Gesellschaft), Tom Martin (Philosophieprofessor), Sean P. Dailey, Jennifer Overkamp, Geir Hasnes, Ross Arnold, David Zach, Dwight Longenecker und William Oddie sprechen werden. Das berichtet The Blue Bord, einer von mehreren Chesterton-Blogs, die es im englischsprachigen Raum gibt. Zahlreich sind die Rezensionen, die jetzt über Orthodoxy erscheinen, so z.B. auf diesem Blog, wo man folgendes Zitat aus seinem Artikel Why I Am A Catholic findet: “The truth about the Catholic attitude towards heresy, or as some would say, towards liberty, can best be expressed perhaps by the metaphor of a map. The Catholic Church carries a sort of map of the mind which looks like the map of a maze, but which is in fact a guide to the maze. It has been compiled from knowledge which, even considered as human knowledge, is quite without any human parallel.” “Erneut zeigt sich, dass Chesterton ein Schriftsteller ist, den man nicht nur an runden Gedenktagen würdigt, sondern von dem auch mehr als siebzig Jahre nach seinem Tod für den deutschen Leser fortwährend Neues erscheint. Das Reservoir dieses äußerst produktiven Schriftstellers ist noch lange nicht erschöpft und das Interesse an seinen Werken hält weiter an.” Alexander Kissler über Chesterton “Eine wichtige Rolle in Ihrem Buch spielt offenbar Gilbert Keith Chesterton. Sie zitieren ihn häufig. Warum? Father Brown “Der Geistliche ist der Champion der Theorie, Verbrechen ließen sich durch ein inneres Einswerden von Ermittler und Täter aufklären. Father Brown tritt also als Gegenentwurf zu Sherlock Holmes auf, der die Täterspuren in der Welt analysierte. Brown vertritt den christlichen Standpunkt, auch Täter seien uns nahe. Man muss nicht katholisch sein, um sich vor ihm zu verbeugen.” Thomas Klingenmaier in einer Rezension der dreibändigen Ausgabe von G.K. Chestertons Father-Brown-Geschichten im Insel Verlag (Father Browns Einfalt; Father Browns Weisheit; Father Browns Ungläubigkeit), in der Stuttgarter Zeitung vom 6. Juni 2008. Chesterton und das moderne Denken “Und schließlich entdecken wir im letzten Kapitel Chesterton als literarischen Kritiker. Seine Bücher zu Dickens, Chaucer und Browning gehören zum besten der Literaturkritik, auch wenn sie biographisch-wissenschaftlich nicht immer genau sind. Chesterton greift in allen seinen Werken die Auflösung durch das moderne Denken auf, dessen Relativismus und Skeptizismus, das verlorene Verhältnis zur Wahrheit. All dies ist in der spätviktorianischen Zeit aufgekommen und wurde in der Postmoderne noch einmal verstärkt. Auch Papst Benedikt XVI. musste sich damit auseinandersetzen.” Elmar Schenkel in einer Rezension des Buches von John D. Coates G. K. Chesterton as Controversialist, Essayist, Novelist, and Critic, Lampeter: Edwin Mellen, 2002. Die Rezension erschien in Band 25 von Inklings. Jahrbuch für Literatur und Ästhetik, hg. von Dieter Petzold, Moers 2007, S. 371 f. Dreimal Chesterton: Chesterton I: Vom Wind Chesterton entdeckt das Große im Kleinen: Unter diesem Titel bespricht Georg Alois Oblinger in der Tagespost vom 18. Oktober 2008 einen neuen Sammelband mit Essays von Gilbert Keith Chesterton mit dem Namen Vom Wind und den Bäumen oder Gewichtige Kleinigkeiten. Betrachtungen und Skizzen. Es handelt sich um die erste vollständige Übersetzung des im Jahr 1909 erschienenen Buches Tremendous Trifles. Von den 39 Essays, die er enthält, waren in deutscher Sprache bis jetzt erst 21 Essays in vier verschiedenen Sammelbänden zugänglich. “Chesterton ist ein tiefsinniger Beobachter des Alltags. Mit der Neugier eines Kindes oder auch eines Philosophen schaut er die Ereignisse um sich herum aus ungewohntem Blickwinkel an und fragt nach dem Wesen der Dinge”, meint Oblinger. Chesterton II: Ein Seehund “Ein Seehund, dem niemals die Lust ausgeht, sich von einem Felsen ins schäumende Wasser zu werfen”: Diese Charakterisierung Chestertons durch Martin Mosebach zitiert Guido Rodheudt in seinem Artikel Von der Leichtigkeit, normal zu sein (Vatican Magazin, Oktober 2008, S. 46 - 49), die nichts weniger als ein Plädoyer für die Heiligsprechung Chestertons sein will. Rodheudt empfiehlt dessen Denken als Therapie für die heutige Zeit, die die Erfolglosigkeit der “Freudschen Versuche der Seelenanalyse” erleben mußte. Wie Gisbert Kranz sieht er Chesterton als Propheten, der die Irrungen und Wirrungen unserer Zeit vorausgesehen hat. Zu ihnen gehört die Profanierung des Menschenbildes, die auch vor der Kirche nicht Halt gemacht hat. “Lange vor der Zeit, in der sich in den 1960er Jahren eine Kulturrevolution besonders die Zerstörung des Kultischen auf die Fahne geschrieben hatte und ihre Saboteure in die Reihen der katholischen Kirche entsandte, um die Liturgie mit tödlichen Säbelhieben zu einem Rumpfwesen zusammenzustutzen, legt Chesterton seinen Finger auf den Nerv einer gesunden Gesellschaft: ‘Nimm die seltsame Schönheit der Heiligen weg, und was uns bleibt, ist die weit seltsamere Hässlichkeit moderner Industriestädte. Nimm das Übernatürlich weg, und was bleibt, ist das Unnatürliche’” (S. 48). Chesterton III: Vorbild für Theologen Nehmt euch ein Beispiel an Chesterton! So überschreibt Thomas Jansen eine Rezension des Werkes von Alexander Kissler Der aufgeklärte Gott. Wie die Religion zur Vernunft kam (München 2008), die am 25. April 2008 in der FAZ erschienen ist. “Es ist eine scharfzüngige Streitschrift, wie sie hierzulande, zumal wenn es um religiöse Fragen geht, selten zu finden ist, ja als geradezu unschicklich gilt, wenn es um die Verteidigung des Glaubens geht. Nicht umsonst ruft Kissler die Theologen dazu auf, sich ein Beispiel an Chesterton zu nehmen, der immer dann zur intellektuellen Höchstform auflief, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte.” Man muss Kissler beipflichten. Das Kneifen vieler Theologen vor den Herausforderungen der “neuen Atheisten” steht in merkwürdigem Gegensatz zu ihrer Kritiklust, mit der sie sich mit dem Jesusbuch des Papstes auseinandersetzen. Okular-Athleten “Herrlich ätzend” findet Jan Wiele die Art, wie Gilbert Keith Chesterton Zeitprobleme angeht. In der FAZ vom 24. Februar 2009 hat er den 2008 erschienenen Band Vom Wind und den Bäumen oder Gewichtige Kleinigkeiten besprochen (Mit Sahnehäubchen). Es handelt sich um Beiträge, die Chesterton für die Daily News und The London Illustrated News geschrieben hatte und die 1909 unter dem Titel Tremendous Trifles erschienen. Wiele stimmt Dale Ahlquist, dem Präsidenten der amerikanischen Chesterton Society, zu, der den Band für eine der besten Einführungen zu Chesterton hält. Chesterton entdeckt in den unscheinbaren Dingen des Alltags “tiefere Bedeutungsschichten” und erzieht seine Leser zu Okular-Athleten, damit sie selber die erstaunlichsten Dingen in ihrer Umgebung entdecken. Chesterton: Witz und Zorn “Die Witze, die er macht, sind niemals zynisch, sondern wahre Geistesblitze, an denen der Autor ersichtlich selber Spaß hat. Chesterton ist kein systematischer Denker, sondern ein enthusiastischer und enthusiasmierender Formulierungskünstler, der sich ebenso heiter wie unerschrocken den Abenteuern des Geistes hingibt und dessen kriegerischer Scharfsinn erfüllt ist von Menschenfreundlichkeit. Ulrich Greiner 2001 in der ZEIT in einer Rezension der beiden Bücher Chestertons Orthodoxie und Ketzer. Mit dem Schwert der Einfachheit “Chestertons frühe Essays gehören zu dem Schönsten der Gattung, sie schweben wunderbar zwischen Phantastik und Philosophie, sie sind poetisch reflektierte Wolken am Himmel der Moderne, mit der sie sich selbstverständlich auseinander setzen. Sie führen auf die kleinen Dinge des Alltags zurück, in denen große philosophische Visionen versteckt liegen, etwa in einer Hosentasche oder einem Stück Kreide. Viele Titel sind märchenhaft: ‘Der Riese’, ‘Der rote Engel’ oder ‘Der rätselhafte Efeu.’ Mit dem Schwert der Einfachheit durchschlägt Chesterton das Gestrüpp komplizierter Gedankensysteme und bringt die Dinge auf den Punkt, so wie sie sich dem Einzelnen fortwährend präsentieren. Chesterton schreitet wie ein Märchenheld durch den Dschungel der Moderne und stellt einfache Fragen im Angesicht der Großen Vernebler unserer Zeit. Aber er ist ein tapferes Schneiderlein mit abgründigen Visionen, Spuk und Magie lauern an jeder Ecke. So muss er sich als Aufklärer betätigen, als Aufklärer mit den Mitteln der Phantastik und Theologie.” So schreibt Elmar Schenkel in einer Rezension von Chestertons Vom Wind in den Bäumen oder Gewichtige Kleinigkeiten (aus dem Englischen von Jakob Vandenberg, Coesfeld 2008), erschienen in Inklings. Jahrbuch für Literatur und Ästhetik, Band 26 / 2008, hg. von Dieter Petzold, S. 291. Der Band enthält u.a. die Beiträge zur Tagung Hybris und Heil. (Bio-)ethische Fragen in phantastischer Literatur, die im Oktober 2008 in Aachen stattfand. Die Beiträge stammen von Adelheid Kegler, Josef Schreier (Mystische Ethik: Ein Gedankengang mit C. S. Lewis), Dieter Petzold, Ulrich Lüke, Rudolf Drux, Stefan Lampadius, Johannes Rüster, Vera Shamina und Elena Schewtschenko. Chestertons Klassiker “Die allerbeste Verteidigung des christlichen Standpunkts, die ich kenne”, urteilte C. S. Lewis über das Buch Der unsterbliche Mensch (The everlasting man) von Gilbert Keith Chesterton. Daran erinnert Georg Alois Oblinger in seiner Rezension, die in der Tagespost vom 27. Juni veröffentlicht wurde. Lewis, damals noch Atheist, fand in diesem Buch “zum ersten Mal die ganze christliche Sicht der Geschichte in einer Form dargestellt, die mir einen Sinn zu ergeben schien.” Chestertons “kulturphilosophische Studie über das Wesen des Menschen und seine Stellung innerhalb der Welt” (Oblinger) erschien als Antwort auf H. G. Wells Die Geschichte unserer Welt. Glauben "Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, hat der britische Schriftsteller G. K. Chesterton ('Pater Brown") mal gesagt, würden sie nicht an nichts glauben, sondern 'allen möglichen Unsinn'. Ein Satz, dessen Richtigkeit man täglich erleben kann." Henryk M. Broder in seiner Rezension Auf zur After-Life-Party des Buches von Wilhelm Imkamp Fit für die Ewigkeit - Hieb- und Stichfestes aus der Bibel, gestern auf spiegel-online. "Nur die Kirche räumt der Vernunft die wahre Hoheit ein" Mit diesem Zitat Chestertons überschreibt Gerhild Heyder eine Rezension (Tagespost vom 22. August 2009) der Pater-Brown-Geschichten, die nun in einer dreibändigen Sammelausgabe bei Diogenes erschienen sind. Das Zitat ist der ersten dieser Erzählungen entnommen, die 1911 erschienen ist, Das blaue Kreuz. Ein falscher Pater verrät sich gegenüber P. Brown durch despektierliche Äußerungen über die Vernunft. Daran erkennt dieser, dass es sich um keinen wahren Katholiken handeln kann, denn: “Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, jenem verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß, dass viele der Kirche vorwerfen, sie setze die Vernunft herab, aber es ist genau umgekehrt. Auf Erden räumt nur allein die Kirche der Vernunft die wahre Hoheit ein.” Flagge der Revolte
Als eine “Flagge der Revolte” und “ein wunderbares Gegengift” gegen den konsumorientierten Weihnachtsrummel preist Alexander Kissler das Weihnachtsbuch von G. K. Chesterton an, das der Verlag nova & vetera unter dem Titel Die englische Weihnacht neu herausgebracht hat. Lest Chesterton! heißt deshalb kurz und knapp seine Rezension vom 3. Dezember 2009, in der er das Werk des “beneidenswert witzigen, bewunderungswürdig klugen Essayisten” empfiehlt.
Unterhaltsame Vernunft Als Vorbild für eine gepflegte Debattenkultur empfiehlt Georg Alois Oblinger (Tagespost vom 23. Januar 2010) das öffentliche Streitgespräch, das 1928 zwischen Gilbert Keith Chesterton und George Bernard Shaw unter der Leitung von Hilaire Belloc stattfand und nun in deutscher Sprache wieder im Elsinor-Verlag publiziert wurde (Sind wir uns einig?, Coesfeld 2009). In der Sozialen Frage standen sich dabei der Standpunkt des Sozialismus und der des Distributismus gegenüber mit all ihren religiösen und weltanschaulichen Implikationen. Im Vergleich zum geistreichen Stil des Streitgesprächs empfindet Oblinger jede heutige Fernseh-Talkshow als “unglaublich fade”. Das Buch enthält außerdem acht Essays Chestertons, in denen es u.a. um eine saubere Grenzziehung naturwissenschaftlicher Kompetenz geht: “Wer nur das Materielle als Gegenstand seiner Forschung kennt, kann daraus nicht folgern, dass damit bewiesen sei, es gäbe nur Materielles.” Die “halbwissenschaftlichen Revolutionäre” hätten “den großen Paradoxien (...) nur Gemeinplätze entgegenzusetzen.” Claudels Chesterton Am 23. Februar 1910 schrieb Paul Claudel an Jacques Rivière von Prag aus einen Brief, in dem es heißt: “Ich habe meine Kisten geöffnet und darin Orthodoxie von Chesterton entdeckt. Ich bin gerade dabei, das Hauptkapitel für die N. R. F. [Nouvelle Revue Française] zu übersetzen, wenn diese Herren es nehmen wollen. Es ist ein wenig lang und müßte zweifellos in zwei Teilen erscheinen” (Paul Claudel / Jacques Rivière, Briefwechsel 1907 - 1914, hg. von Robert Grosche, übersetzt von Hannah Szasz, Verlag Josef Kösel & Friedrich Pustet, München ohne Jahr, S. 184). Orthodoxie, das wichtigste Werk G. K. Chestertons, in dem es um die Wahrheit des christlichen Glaubens geht, erschien 1908. Die französische Übersetzung des geplanten Auszugs erschien tatsächlich wie geplant in der N. R. F., der 1909 gegründeten Literaturzeitschrift unter der Redaktion von André Gide, und zwar mit einer Einführung des Chesterton-Kenners Valery Larbaud und unter dem Titel Les Paradoxe du Christianisme. Als Larbaud Chesterton im Juni 1911 besuchte, sagte ihm derselbe, dass er die Übersetzung noch besser finde als den Text. Der Plan Claudels, das ganze Werk zu übersetzen, scheiterte allerdings an den Forderungen des Verlags. Erst 1923 erschien unter dem Titel Orthodoxie eine französische Übersetzung von Charles Grolleau, mit einem Vorwort von Joseph de Tonquédec SJ, in dem es über Chesterton u.a. heißt: “Père de l'Eglise, il ne l'est ni plus ni moins que Péguy, Hello, Huysmans ou Léon Bloy: il y prétend moins qu'eux, moins surtout que le dernier, ne se souciant point de dogmatiser ex cathedra, mais jouissant du plaisir d'exposer, avec une verve furibonde, ses vues personnelles, et les donnant comme telles.” Neuerscheinungen zu Chesterton Im 27. Band des von Dieter Petzold herausgegebenen Jahrbuchs für Literatur und Ästhetik Inklings (2009), der 2010 erschienen ist, bespricht Elmar Schenkel vier Bücher von oder über Gilbert Keith Chesterton. Jan Lukavec untersucht in Fanatic, prorok, èi klaun? G. K. Chestertron a jeho interpreti (Fanatiker, Prophet oder Clown? Chesterton und seine Interpreten), Brno 2008, die vielfältige Rezeption Chestertons in der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik: “Liberale und Sozialisten, die die Kirche bekämpften, beriefen sich auf ihn in einer Art kreativen Mißverstehens. Für seinen bekanntesten Anhänger Karel Čapek war Chesterton ein Verteidiger des kleinen Mannes und der demokratischen Rechte. Die Poetisten und Dadaisten um Karel Teige sahen in ihm einen Clown und Mit-Narren, katholische Autoren wiederum mochten nicht unbedingt die ausgeflippten Helden seiner Romane” (S. 268). Joseph R. McCleary kommt in seiner Studie The Historical Imagination of G. K. Chesterton. Locality, Patriotism, and Nationalism, New York 2009, zu dem Ergebnis, dass Chesterton “ein vehementer Gegner des Nationalismus”, aber ein Patriot und vor allem ein Lokalpatriot war. Die Aufsatzsammlung zum Thema "Weihnachten", die von Matthias Marx 2009 in Bonn unter dem Titel Die englische Weihnacht herausgegeben wurde, soll “den abgestumpften modernen Leser” wachrütteln, damit er die Bedeutung des Weihnachtsgeheimnisses als den nicht endenden Anfang des Christentums wiederentdeckt. Schließlich erschien 2009 in der Übersetzung von Jakob Vandenburg unter dem Titel Sind wir uns einig? das von Hilaire Belloc moderierte Streitgespräch Chestertons mit Bernard Shaw, bereichert um acht Essays. “Die beiden Kontrahenten und Freunde streiten mit viel Ironie und Spaß über die Frage: Staatssozialismus (Shaw) oder Distributismus (Kleiner-Mann-Sozialismus), also darüber, ob der Staat alles besitzen soll und der Bürger nichts oder jeder etwas. Chesterton bekannte sich zum Verteilen, weil er dem Staat misstraute. Bergwerke, Polizei und Briefmarken können ruhig staatlich sein, nicht aber Land und Arbeit. Shaw votierte für einen staatlichen Sozialismus, der inzwischen komplett gescheitert ist” (S. 270). Chestertons Modell wurde am ehesten verwirklicht vom Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus (Konzept der Minikredite) und dem Wirtschaftswissenschaftler E. F. Schumacher mit seinem Motto Small is Beautiful. Die merkwürdigste Entdeckung “Chesterton, der doch ein gläubiger Christ war und im reifen Mannesalter zum Katholizismus konvertierte - dieser Chesterton also verstand sich durchaus als Aufklärer, hingegen nie als Mystagoge.” Das ist die merkwürdigste Entdeckung, die Hannes Stein bei der Lektüre von Chestertons Die Unschuld des Kriminellen, im Juli bei nova & vetera erschienen, gemacht hat. In seiner Rezension, die in der Welt vom 18. September 2010 veröffentlicht wurde (Pater Brown und der ominöse Mr. X), berichtet er von Browns Enttarnungsmethode des als Priester verkleideten Meisterdiebs Flambeau dasselbe wie schon Bernward Deneke: Der Angriff auf die Vernunft entlarvt Flambeau als schlechten Theologen und falschen Priester - eine Methode, die heute, muss man hinzufügen, weitgehend wirkungslos wäre. Hannes beschreibt einfühlsam die theologische Tiefenschicht in Chestertons Detektivgeschichten und weiß auch dessen Vorliebe für das Paradox zu würdigen: “Dieser Schriftsteller war ein Meister des Paradoxen, das bei ihm dadurch beglaubigt wird, dass es nicht um seiner selbst willen dasteht - sozusagen als stilistisches Schleifchen, das einen ansonsten eher banalen Inhalt verziert. Das Paradoxon hat bei Chesterton immer etwas Atemloses, denn es steht hier im Dienste der unbedingten Wahrheitsfindung.” Vernünftige Paradoxe Anläßlich des 100. Geburtstags von Chestertons Father-Brown-Geschichten beschreibt Josef Hoffmann in der FAZ vom 29. September 2010 ausführlich die Philosophie, die hinter ihnen steckt (Father Brown wird hundert: Kein echter Theologe greift die Vernunft an). Der Hochschätzung der Vernunft (“Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, in dem verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß wohl, dass viele Leute der Kirche vorwerfen, sie erniedrige die Vernunft, aber in Wahrheit ist es gerade umgekehrt. Die Kirche, sie allein auf Erden, gibt der Vernunft ihre wirkliche Hoheit. Die Kirche, sie allein auf Erden, erklärt, dass selbst Gott an Vernunft gebunden ist”) tut weder Chestertons Vorliebe für das Paradox einen Abbruch, weil dasselbe zur Struktur der Wirklichkeit gehört, noch die Anerkennung des ihres Geheimnischarakters, weil hinter ihr Gott steckt: “Der moderne Verstand verwechselt immer zwei verschiedene Ideen: Das Geheimnis im Sinne des Wunderbaren, und das Geheimnis im Sinne des Verwickelten. Deshalb ist es so schwer, ein Wunder richtig zu sehen. Ein Wunder ist erschreckend; aber es ist einfach. Es ist einfach, weil es ein Wunder ist. Es ist Macht, die direkt von Gott kommt.” Antimodern und postmodern “Ein Kleinod an ausgefeilter Komik und Fantastik” ist für Marius Meller Chestertons Kurzgeschichtenserie Der Club der bizarren Berufe, die er am 19. Januar 2011 im Deutschlandradio rezensiert hat. Chesterton war, so meint er, zu seiner Zeit anti-modern, will heißen: Er wandte sich gegen Kolonialismus, Euthanasie und weiteren Vorboten der Nazi-Ideologie. In seiner Schreibtechnik war er dagegen postmodern avant la lettre. Rehabilitierung des Guten Der Schriftsteller Marko Martin hat am 26. März 2011 in der Welt einen bemerkenswerten Essay Gegen die Wolfswelt zur Rehabilitierung des Guten geschrieben, in dem er sich gegen die weitverbreitete Ansicht wendet, das Böse sei faszinierender als das Gute. Damit greift er ein Thema auf, das Chesterton oft bearbeitete. Tatsächlich zitiert er ihn: "Was abstößt, ist nicht das Vorhandensein eines erkennbaren Realismus, sondern das Fehlen eines erkennbaren Idealismus. Da ist einerseits das Auge, das die Falschheit von Dingen wahrnehmen kann und seine unheimliche und verzehrende Scharfsicht immer mehr steigert, während das Auge, das sieht, welche Dinge gut sind, jeden Augenblick trüber wird, bis es fast blind vor Zweifel ist." Dann fügt er an: “Der katholische Konvertit Gilbert Keith Chesterton, in Deutschland als Erfinder des pfiffigen Pater Brown bekannt, schrieb diese so aktuell anmutenden Zeilen bereits im Jahre 1905. Die Mär, faszinierend sei nicht etwa das brave Gute, sondern das vibrierend Böse, ist somit älter als unsere Regie-Theater-Mätzchen mit ihrer These von der ‘Brüchigkeit der Fassaden, der Lüge hinter der Wahrheit, dem verruchten Sein hinter dem guten Schein’ etc.” Zum 75. Todestag Chestertons Vor 75 Jahren, am 14. Juni 1936, starb in Beaconsfield der Schriftsteller und Essayist Gilbert Keith Chesterton. In der Wiener Zeitung vom 11. Juni 2011 widmet ihm Christian Hütterer eine ausführliche Würdigung unter dem Titel Ein Meister des Paradoxen. Darin erfahren wir unter anderem, was er denen antwortete, die ihm wegen seiner Konversion zum katholischen Glauben vorwarfen, dass er nun sein eigenständiges Denken zugunsten der vorgegebenen Dogmen zurückstellen müsse: “Ein Mensch, der aus dem Dickicht der modernen Kultur und Komplexität seinen Weg zum Katholizismus findet, muss schärfer denken denn je zuvor seinem Leben.” In der Tagespost vom 11. Juni informiert Georg Alois Oblinger in seinem Artikel Verteidiger des Glaubens darüber, dass sein Roman Kugel und Kreuz, der 1909 und damit dreizehn Jahre vor seiner Konversion erschien, “bei seinem Erscheinen zahlreiche Bekehrungen vor allem im Milieu der Literaten und Intellektuellen nach sich zog.” In einem Artikel der Mainpost können wir lesen, dass Franz Kafka Chesterton bewunderte und über ihn äußerte: “Er ist so lustig, dass man fast glauben könnte, er habe Gott gefunden.” Treffend charakterisiert sie ihn als eine streitlustige Kämpfernatur, der gleichzeitig ein fröhlicher Mensch mit einem so guten Herzen war, “dass er auch unter seinen erbitterten weltanschaulichen Gegnern eine Menge Freunde hatte.” Im Widerspruch dazu wird er auch beschrieben als “der grimmige Vertreter eines unversöhnlichen, wenig toleranten, vorkonziliaren Katholizismus.” Grimmig war er nicht; als intolerant kann man ihn nur bezeichnen, wenn man Toleranz mit dem Fehlen fester Überzeugungen gleichsetzt (vgl. dazu meinen Essay über Toleranz; und dass er nicht der Vertreter eines nachkonziliaren Katholizismus sein konnte, sollte sich eigentlich aus seinen Lebensdaten auch einem Provinzjournalisten erschließen. Wohl aber hat er Entwicklungen so treffend vorausgesehen, dass Gisbert Kranz ihn im Anschluss an Ausführungen von Carl Amery einen Propheten nannte. Auch der evangelikale Evangeliums-Rundfunk ERF und das Christliche Medienmagazin pro erinnern an den 75. Todestag Chestertons. In pro schildert Matthias Hilpert Chesterton als “konstruktiven Querdenker”, der etwa “während des von seinem Land entfachten, grausam geführten Burenkrieges in Südafrika (1899 - 1902) nicht auf der patriotischen Welle mitschwamm, sondern den freien Burenrepubliken Transvaal und Oranje das Recht auf Erhalt und Unabhängigkeit ihrer Gemeinwesen zuerkannte.” Die Unmenschlichkeit des glaubensfeindlichen Atheismus, wie sie sich im Kommunismus nach der Oktoverrevolution 1917 offenbarte, sah er bereits 1908 voraus, als er in Orthodoxie schrieb: “Die Menschen, die um der Menschheit und der Freiheit willen die Kirchen bekämpfen, geben zuletzt die Freiheit und die Menschheit preis, wenn sie nur die Kirche bekämpfen dürfen.” In einem Beitrag für den ERF versucht Horst Kretschi, Chesterton aus der Reduktion auf seinen Pater Brown herauszuführen. Er nennt das 1908 erschienene Werk Orthodoxie “sein bis heute wirkungsvollstes theologisches Buch”. Als Grund für Chestertons Konversion zum Katholizismus nennt er “die Ursprünglichkeit des katholischen Bekenntnisses”, die Chesterton angezogen habe. In einem weiteren Beitrag des ERF klärt Stefan Loss in einem Interview darüber auf, dass Father Brown von Chesterton als Gegenstück zu Sherlock Holmes konzipiert war. Holmes habe seine Fälle durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden gelöst. Der Suggestion, dass Mensch eines Tages durch die Wissenschaft alle Rätsel des Menschen und der Welt werde entschlüsseln können, stellte Chesterton die Seelenkenntnis des Father Brown entgegen, der seine Fälle löste, indem er sich in den gesuchten Verbrecher hineinversetzte. Die tiefste Kenntnis, wie der Mensch funktioniere, verdanken wir dabei dem Christentum. Wer zur Förderung der Chesterton-Renaissance beitragen will, kann dieses Video von Youtube her auf seine Website einbinden. Das Heilmittel gegen Fanatismus Der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton hat einmal gesagt: Wer einen Gott anbetet, der als schreiendes Baby in einer Krippe liegt, der kann eigentlich nicht zum Fanatiker werden. Da können wir etwas erahnen von der Faszination des Weihnachtsfestes. Kardinal Reinhard Marx in einem Interview mit der KNA Ende November 2011. Nonkonformistisch Dr. Wilhelm Imkamp im Interview mit Christian Schlegel vom Domradio am 27. September 2011 Moderne Modernitätskritik Die späte Moderne “ist unfähig geworden zur Selbstkritik, zur Reflexion auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit. Nichts aber wäre in einem produktiven Sinn moderner als Modernitätskritik, nichts erwiese einer schlingernden Epoche einen größeren Dienst als die Rücksicht auf ihre Herkünfte. Wer den Untergang der Moderne in Nihilismus und Barbarei verhindern will, der muss sie kritisieren. Der muss also dringend Gilbert Keith Chesterton lesen.” Aus: Alexander Kissler, Bitte mehr Chesterton!, Vatican-Magazin 8-9/2012 Der Klügste und Lustigste Gilbert Keith Chesterton war vielleicht der klügste Mann seiner Epoche (1874 bis 1936); auf jeden Fall war er der lustigste. "Er ist so lustig", schrieb Kafka über ihn, "dass man meinen könnte, er habe Gott erfunden." Sein intellektueller Lieblings-Sparring-Partner war George Bernard Shaw, der berühmte Rationalist und Fortschrittsfreund. Doch während jener heute weitgehend vergessen ist (was kennt man von Shaw denn noch außer seinem Namen?), wurde Chesterton, der Reaktionär, immer wieder aufs Neue entdeckt. Weil er ein glänzender Stilist war; weil er auf merkwürdige Weise aktuell geblieben ist; weil er seine ganze rhetorische Begabung und sie war beachtlich in den Dienst eines unbedingten Wahrheitswillens stellte. So beginnt in der Welt vom 27. Oktober 2012 Hannes Stein seine Rezension Schauder der Moderne der Neuerscheinung G. K. Chesterton, Die Paradoxe des Mr. Pond und andere Überspanntheiten. Hochaufgeklärter Geist Der Engländer Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) war eben nicht nur der Autor von Kriminalgeschichten („Pater Brown“), sondern auch ein hochaufgeklärter Geist, der in der Umbruchszeit „um 1900“ journalistisch und essayistisch seine kritisch-rebellische Stimme erhob. (...) Ursula Siepe in ihrer Orthodoxie-Rezension Aufklärerischer Antimodernismus. Gilbert Keith Chestertons „Orthodoxie“ erfrischt und erfreut unorthodoxe Gemüter, am 6. Februar 2013 im Rezensionsforum literaturkritik.de erschienen. Metaphysischer Mystery-Roman Zu Chestertons Fans gehörten etwa Franz Kafka, Robert Musil, Kurt Tucholsky, Ernst Bloch, Mahatma Gandhi sowie Hannah Arendt. Er soll auch die Schriftsteller C. S. Lewis, J.R.R. Tolkien und T.S. Eliot beeinflusst haben. Orson Welles faszinierte an Chestertons Thursday-Geschichte, dass die Handlung zu keinem Zeitpunkt wirklich voraussehbar war und er vertonte das Werk 1938 mit dem Ensemble seines Mercury Theater im Radio - zwei Monate, bevor Welles selbst die Welt mit seiner (nicht jedem als Hörspiel erkennbaren) Interpretation von Krieg der Welten verwirrte. Der prominente Wissenschaftsjournalist Martin Gardner kommentierte Chestertons metaphysischen Mystery-Roman 1999 in The Annotated Thursday. Markus Kompa am 21. Dezember 2013 auf Telepolis zur Einleitung zu Chestertons Mystery-Thriller Der Mann der Donnerstag war (The Man Who Was Thursday: A Nightmare), den Telepolis ab dem 22. Dezember in Fortsetzungen veröffentlichte. Am eigenen Schopf Der schlanke Father O'Connor [John O’Connor, 1870-1952, nahm Chesterton und David Jones in die katholische Kirche auf und diente Chesterton als Vorbild für dessen Romanfigur Father Brown] hatte äußerlich wenig mit Father Brown gemeinsam, aber einen vergleichbaren Scharfsinn und zudem ein beneidenswertes sprachliches Talent, das ihm gestattete, Werke von Claudel und Maritain ins Englische zu übertragen. Doch es war Chesterton, nicht Father O'Connor, der als junger Mann im Sog der viktorianischen Endzeitströmung des Nihilismus zu versinken drohte. Er erkannte die Gefahr und zog sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf, indem er in seinem Roman „Der Mann, der Donnerstag war“, aus der Existenz des Bösen auf die des Guten schließt. Kafka schrieb nach der Lektüre des Romans über dessen Verfasser: „Er ist so lustig, dass man fast glauben könnte, er habe Gott gefunden.“ Aus: Michael Hanke, Geniestreich mit Schönheitsfehlern, in: Die Tagespost vom 29. Januar 2015 So funktioniert der katholische Glaube Chesterton stemmt sich gegen den Verrat an der Vergangenheit, der Tradition, die er die "Demokratie der Toten" nennt. Seine besondere Hingabe gilt dem frommen und gleichzeitig aufgeklärten 13.Jahrhundert mit seinen mächtigen Portalsfiguren Franz von Assisi und Thomas von Aquin. Tatsächlich war das mein erster Zugang zu ihm: diese glänzenden, virtuosen Biografien. Über beide hat Chesterton geschrieben, als wären sie vertraute Freunde. So funktioniert der katholische Glaube, in Zeitgenossenschaft über Jahrhunderte hinweg. Matthias Matussek in seiner Reportage Die Jagd nach einem Phantom in der Welt am Sonntag vom 18. Oktober 2015. Wie glückliche Christen entstehen Es gibt wenig Lektüre, die eine bessere Vorbereitung auf das Jahr der Barmherzigkeit sein wird als seine [Chestertons] "Philosophie des Paradoxons", die der Schöpfer der "Pater Brown"Krimis in seinem Meisterwerk "Orthodoxie" verewigt hat. Es sind Zeilen, die aus überzeugten Atheisten glückliche Christen machen können wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Anian Christoph Wimmer, Chefredakteur von CNA Deutsche Ausgabe, in seinem katholisch.de-Standpunkt-Artikel Der Geist der Unterscheidung vom 29. Oktober 2015. Gegen den Stolz In seinem berühmten Essay von 1929, „Wenn ich nur eine einzige Predigt zu halten hätte“, schrieb Chesterton, diese einzige Predigt „müsste eine Predigt gegen den Stolz sein. Je mehr ich das Leben kennenlerne (…), desto mehr überzeugt mich die alte religiöse These, dass alles Böse mit dem Hochmut anfing.“ Und er fuhr fort: „Stolz besteht darin, dass der Mensch seine eigene Person und nicht die Wahrheit zum Maßstab aller Dinge macht.“ Aus: Alexander Kissler, Lasst uns Muslime bekehren, Cicero vom 22. Dezember 2015 Hirnsausen
Auf dem medizinischen Beipackzettel der Chestertonschen Paradoxa müssen aufgeführt werden: intellektuelles Vergnügen, jähe Erkenntnis, die tiefgreifende Erschütterung liebgewonnener Überzeugungen, Zweifel, Schwindel, sanfte Verwirrung und leichter Kopfschmerz, der in wenigen Fällen sogar in akutes Hirnsausen umschlagen kann, wobei Hirnsausen hier zu verstehen ist als eine Art zerebraler Muskelkater, hervorgerufen durch ungewohnte Denkbewegungen.
Aus: Hubert Spiegel, Chestertons Spiel mit der Erwartungshaltung (Deutschlandfunk vom 31. Juli 2016), einer Rezension von Chestertons Roman Vier verehrungswürdige Verbrecher, der 2016 Jahr als Band 374 der Anderen Bibliothek erschienen ist. Abwegig Zu den Feinden des normalen Menschen zählt er besonders die „Nützlichkeitsfanatiker“, die seit der Aufklärung das Sagen in der Gesellschaft hätten. Schon die Theorie Adam Smiths findet Chesterton abwegig, die davon ausgehe, „dass die Menschen durch ihre Selbstsucht glücklich werden könnten, mit anderen Worten, Gott lenke alles zum Guten, wenn es den Menschen nur gelinge, böse genug zu sein“. Aus: Urs Buhlmann, Philosophie mit Blick nach oben. Wie der britische Konvertit Gilbert Keith Chesterton bald rauflustig, bald sensibel die Freiheit der Gedanken verteidigt. Eine Rezension des Buches von Gilbert Keith Chesterton Wenn ich nur eine einzige Predigt halten könnte. Essays, Vorwort von Matthias Matussek. Kösel-Verlag, München 2016, in: Die Tagespost vom 25. August 2016 Mit Stil und Analysekraft Nachdem der von Philipp Liehs geführte Renovamen-Verlag bereits im vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung von Bellocs “Der Sklavenstaat” einen beachtlichen Griff in die Schatzkiste der katholischen Klassiker gemacht hat, setzt sich dies mit “Die großen Häresien” fort. Man kann die Lektüre des Buches sehr empfehlen, weil Hilaire Bellocs Stil und Analysekraft nichts an Aktualität verloren hat. Es ist ein Buch, das geradezu wie für unsere Zeit geschrieben zu sein scheint, da auch in der Kirche keineswegs mehr sicher ist, wer noch katholisch ist und was Katholisch sein überhaupt bedeutet. Aus: Stefan Meetschen, Wie ein katholischer Donner. Hilaire Bellocs “Die großen Häresien” sind erstmals auf Deutsch erschienen, in der Tagespost von gestern. Belloc war der engste Freund Chestertons. Bissiger Chesterton Chesterton: “Es sind stets die Sicheren, die Selbstbewussten, welche die Demütigen sind.” Denn sie wissen, was sie können und was sie falsch machen können. Die Aufschneider denken nicht mal drüber nach. Man merkt schon, dass in diesem bissig kommentierenden Chesterton auch der so weltkundige Father Brown steckt, der seine Fälle ja nicht durch göttliche Ratschlüsse aufklärt, sondern weil er die Maskeraden und Selbsttäuschungen der Menschen durchschaut. Aus: Ralf Julke, Punktgenau auf den Brexit: Michael Faber veröffentlicht die herrlich paradoxen Essays von Gilbert Keith Chesterton, Leipziger Zeitung im Januar 2021 |
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