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BücherAllah Mahabba |
Provokationen im Zwielicht Von P. Engelbert Recktenwald Als ein “übles Machwerk” ist die Twilight-Saga von Stephenie Meyer in einer Rezension der Welt bezeichnet worden. Das Werk der bekennenden Mormonin ist vielen suspekt, weil ihnen christliche Botschaften, die sie darin argwöhnen, ein Dorn im Auge sind. Vor allem macht man dem Roman den Vorwurf, die Errungenschaften der sexuellen Revolution in Frage zu stellen. “Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment”, wurde von der 68ern skandiert. Dem stellt Twilight das Ideal ewiger, treuer Liebe entgegen, die um des Geliebten willen um Triebkontrolle ringt. Diese ist in der Vampirwelt des Romans transformiert in die in Jahren mühsam errungene Umstellung von Menschen- auf Tierblut, von der sich die Vampirfamilie Cullen ernährt. Deren attraktivstes Mitglied Edward hat sich in Bella Swan verliebt, empfindet brennende Begierde nach ihrem Blut und hat nun oftmals Gelegenheit, seine Liebe durch Überwindung seiner Libido unter Beweis zu stellen. Und es ist gerade dieses Ideal selbstloser und opferbereiter Liebe, die, wie Kritiker vermuten, den Reiz des Buches auf Millionen junger Leser ausübt. Auf die Dauer stellt sich das Bedürfnis nach Werten wie Liebe und Treue, von denen schon seit zwei Jahrtausenden das Christentum weiß, als die stabilere menschliche Konstante heraus als kurzlebige Mode-Ideale wie das tabulose Ausleben der Triebe.
Kürzlich ist nun an einer theologischen Fakultät eine Masterarbeit zum Thema vorgelegt worden: Christliche Vampire? Religiöse Motive in Stephenie Meyers “Twilight”-Saga. Die Autorin Anna Kristina Scharnhoop holt weit aus und skizziert die Geschichte des Vampir-Motivs in Volkssage und Literatur. Allen Ausgestaltungen “gemeinsam ist die Vorstellung, dass es sich beim Vampir um einen wiederkehrenden Toten handelt, der sein Grab verlässt, um Mensch oder Tier das Blut auszusaugen.” Ihr Ursprung liegt in der “Folklore der Balkanländer, die als politisches und religiöses Grenzgebiet zwischen dem Habsburger Reich und dem Osmanischen Reich Jahrhunderte lang von beiden Kulturkreisen beinflusst wurden”. Die europäische Sagengestalt des Wiedergängers verschmolz sich in der Neuzeit “mit der orientalisch-antiken Figur des Blutsaugers” zum “Grundtypus des heute bekannten Vampirs”. In der Literatur tauchte der Vampir erstmals im 18. Jahrhundert auf. Im 20. Jahrhundert machte er vielfach eine Wandlung von einer abstoßenden Schreckensgestalt in eine ästhetisch und ethisch anziehende Erscheinung durch, eine Entwicklung, die Meyer in ihrem Werk aufgreift. Indem die Schriftsteller die Figur den jeweils vorherrschenden Ängsten und Sehnsüchten anpassen, wird der Vampir “zum Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Fantasien und Ängste (cf. Jörg Waltje, Blood Obsession - Vampires, Serial Murders and the Popular Imagination, Verlag Peter Lang Publishing, New York 2005, S. 12 f). So ist auch die enorme Faszination der ‘Twilight’-Saga dadurch zu erklären, dass auch hier spezielle Teenager-Sehnsüchte thematisiert werden”. Die Sehnsüchte des 19. Jahrhunderts werden von vielen Literaten als die einer unterdrückten Sexualität identifiziert. Dementsprechend zeichneten sich die Vampire, etwa Bram Stokers Dracula, durch “eine aggressive und ausschweifende Sexualität” aus, die sich ganz bewusst über christliche Normen hinwegsetzt. Der Vampir wird zu einer Gestalt des Bösen und zum Gegenspieler Christi. Die Unsterblichkeit, die er seinem Opfer verleiht, ist eine negative Unsterblichkeit, ein Verdammtsein zu einem ewig “unerlösten Zustand des Daseins als Untoter”. Das Blutsaugen wird zu einer Art Bluttaufe, die ein Gegenbild zum erlösenden, ewiges Leben verleihenden, sakramentalen Blut der heiligen Eucharistie darstellt. All dies wird in der Meyerschen Vampirgestalt der Cullens umgestürzt. Dem hemmungslosen Ausleben der Begierden wird der Verzicht entgegengestellt, der Liebe möglich macht: “Durch den Verzicht auf Menschenblut sind wir zivilisierter - wir können wahre Liebesbande eingehen”, bekennen die Cullens (Twilight-Saga Band 4: Biss zum Ende der Nacht, S. 633). Diese Vampire stellen keine Gefahr für die Menschen dar, sondern sind im Gegenteil ihre heimlichen Beschützer. Dr. Carlisle Cullen, das Familienoberhaupt, hat nach zwei Jahrhunderten “mörderischer Anstrengung” (Biss zum Morgengrauen, S. 355) eine solche Selbstbeherrschung erreicht, dass er sich als Arzt in den Dienst der Menschen stellen kann, ohne von der täglichen Konfrontation mit ihrem Blut überhaupt noch versucht zu werden. Die innere Freiheit Carlisles stellt den extremen Gegensatz zum libertinären Freiheitsverständnis dar: Es ist die Freiheit von der Sklaverei der Libido zur Liebe im Gegensatz zur Freiheit der Libido zum kurzlebigen Vergnügen, aber ewig währenden Ruin. Natürlich ist die Selbstbeherrschung gegenüber dem menschlichen Blut gleichzeitig ein Bild für die sexuelle Triebkontrolle, zu der sich Edward explizit bekennt, weil er nur die Ehe als Ort der Sexualität ansieht und deshalb bis zur Eheschließung auf jeden sexuellen Kontakt mit Bella verzichtet. Durch die Meyersche Transformation wird der Vampir aus einer antichristlichen zu einer christomorphen Gestalt, die in einzelnen Zügen wie Nächstenliebe und Vergebung wichtige Eigenschaften Christi abbildet - bei allen Unterschieden, die dessen ungeachtet verbleiben. Christomorph ist vor allem die Beschützer- und Erlösungsfunktion, die unter den Cullens besonders Edward im Blick auf Bella zukommt. Er verwandelt sie in einen Vampir, wodurch diese erst wahrhaft zu sich selbst und zu ewigem Leben findet und ewige Liebe zwischen beiden möglich wird. Damit greift Meyer die Sehnsüchte “der Teenager im Zeitalter der Postmoderne” auf: “Anders als ihre Großmütter haben viele Frauen der Postmoderne in Bezug auf wechselnde Beziehungen und Sexualität ebenso viel Erfahrung wie Männer. Die klassische Rolle des ‘unschuldig verführten Mädchens’ durch den Vampir lässt sich mit den Sexualerfahrungen vieler Frauen nicht mehr vereinbaren. Die Vampirfigur von damals würde sich also mit ihrem ausgeprägten Sexualverhalten nicht signifikant vom postmodernen Durchschnittsmenschen unterscheiden.” Mit anderen Worten: Der Durchschnittsmensch von heute realisiert selber einen Teil dessen, was früher in die Schauergestalt des Vampirs hineinprojiziert wurde. Und er hat jene menschlichen Werte verloren, um deretwillen das Christentum den Verzicht auf vampirische Gelüste gelehrt hatte. So sind nun die Rollen vertauscht, und der “Mann, der nicht gleich seinen Trieben nach- und mit jeder Frau ins Bett geht”, ist “eine fremdartige, ja beunruhigende Erscheinung” geworden (Theresia Heimerl, Was wenn das Böse der Gute ist? Theologische und kulturtheoretische Anmerkungen zur Twilight-Saga; Münsteraner Forum für Theologie und Kirche, November 2009). Das Böse ist langweilig, das Gute reizvoll geworden. Der Provokateur von heute ist nicht mehr derjenige, der Tabus einreißt, sondern sie errichtet. Die alten Tabus waren, so stellt sich nun heraus, doch nicht so dumm, wie die Provokateure von gestern meinten. Nachdem sie alle gebrochen sind, steht man vor dem Scherbenhaufen zerstörter menschlicher Beziehungen und Existenzen. Die Rückgewinnung jener Werte, die das Leben sinnvoll machen, ist Sache der Avantgarde von heute. Die Aversion mancher Kritiker gegen das Werk Meyers und dessen Verfilmung dürfte in der berechtigten Furcht begründet sein, dass von der jungen Generation in einer übersexualisierten Gesellschaft christliche Werte neu als Antwort auf ihre Sehnsucht “nach der einzigen, wahren und lebenslangen Liebe” entdeckt werden. Uneingeschränkt zuzustimmen ist deshalb der Schlussfolgerung Scharnhoops, dass Buch und Film heutigen Religionspädagogen die Aufgabe auferlege, “die der ‘Twilight’-Saga zugrunde liegenden Ängste und Sehnsüchte aufzugreifen, im Religionsunterricht oder in der außerschulischen Jugendarbeit zu thematisieren und den Teenagern vor dem Hintergrund der christlichen Lehre überzeugende Antworten zu geben.” |
Filme, CDBernhard v. Cl. BücherPosener A. |
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